Einleitung

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheiten und sind die bedeutendste Todesursache weltweit [1]. Darunter sind die koronare Herzkrankheit (KHK) und der Myokardinfarkt (MI), als akute Manifestation der chronischen KHK, führend in Deutschland [2] und zählen mit rund 470.000 Behandlungsfällen pro Jahr zu den häufigsten Hauptdiagnosen der Krankenhäuser [3].

Die Behandlung und Rehabilitation bezüglich dieser Erkrankungen basiert auf entsprechenden Leitlinien [47], wonach die kardiologische Rehabilitation verstanden wird als „Prozess, bei dem herzkranke Patienten mit Hilfe eines multidisziplinären Teams darin unterstützt werden, die individuell bestmögliche physische und psychische Gesundheit sowie soziale Integration wieder zu erlangen und langfristig aufrecht zu erhalten“ [6].

Mit dieser Auffassung wird sowohl die zunehmend geforderte interprofessionelle Zusammenarbeit [8, 9] als auch das Verständnis nach der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) [10] aufgegriffen, wonach zur Gesunderhaltung trotz Beeinträchtigungen der Körperfunktionen die Expertise mehrerer Professionen erforderlich ist [11]. Für die Kooperation der verschiedenen Gesundheitsberufe ist allerdings die Klärung ihrer jeweiligen Funktionen eine wesentliche Voraussetzung [8, 9]. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die an der Kooperation beteiligten Berufe unterschiedlich professionalisiert sind und sich insbesondere die Pflege als noch junge Disziplin im Prozess der Neuorientierung befindet [8, 9]. Dementsprechend ist der ärztliche Handlungsbereich in den jeweiligen Leitlinien besonders ausgeprägt und spezifiziert, wogegen die Funktion der Pflege, vor allem in der Anfangsphase der Rehabilitation, welche den Zeitraum der Behandlung in der Akutklinik umfasst, offenbar nicht klar bestimmt ist. Auch eine entsprechende systematische Aufarbeitung bestehender Primärdaten zu dieser Thematik konnte nicht identifiziert werden.

Fragestellung und Zielsetzung

In Anbetracht der unklaren Funktion der Pflege im interprofessionellen Team zu Beginn der Rehabilitation von Myokardinfarkt-Betroffenen liegt dieser Arbeit die Fragestellung zugrunde, welche Funktion Pflegenden in der Anfangsphase der Rehabilitation von Personen mit Myokardinfarkt zukommt. Die Zielsetzung besteht darin, einen Überblick zum Forschungsstand bezüglich dieser Fragestellung zu verschaffen und dadurch das Handlungsfeld und die Position der Pflege im interprofessionellen Team näher zu bestimmen.

Methode

Die Erstellung der systematischen Übersichtsarbeit erfolgte nach den Empfehlungen Torracos [12] für integrative Übersichtsarbeiten und die Darstellung der Ergebnisse orientiert sich an den Kriterien des PRISMA-Statements [13].

Ein- und Ausschlusskriterien der Studien

Um einen umfassenden Überblick zur Funktion der Pflegenden in der Anfangsphase der Rehabilitation von MI-Betroffenen zu erhalten, wurden sowohl quantitative als auch qualitative Studien in englischer und deutscher Sprache eingeschlossen. Diese sollten sich mit der Pflege von MI- bzw. ACS-Betroffenen in der Akutklinik befassen, da der Myokardinfarkt dem akuten Koronarsyndrom (ACS), als Überbegriff für lebensbedrohliche Manifestationen der KHK [14], zugeordnet wird. In den Studien sollten Charakteristika der Pflege in diesem Setting ersichtlich sein, unter Einbeziehung der Sichtweisen von Pflegenden oder weiteren Berufsgruppen und der MI-Betroffenen wie auch deren Bezugspersonen. Dabei wurden Studien ab 1993 berücksichtigt, da seither die Therapie des Myokardinfarkts mit Einführung der Katheterintervention als Standardtherapie gravierend geändert wurde [15] und die Funktion der Pflege in diesem Rahmen untersucht werden sollte.

Studien, die sich mit der Pflege bei anderen Herzerkrankungen und herzchirurgischen Eingriffen sowie weiteren Phasen der kardiologischen Rehabilitation oder vornehmlich mit dem Erleben der Erkrankung befassten, wurden hingegen ausgeschlossen.

Recherche

Die systematische Literaturrecherche wurde in den Datenbanken Medline (via PubMed), CINAHL, PsychINFO und der Cochrane Library durchgeführt (Stand: Juli 2014). Sie erfolgte mittels Text- und Schlagwortsuche, wobei folgende Suchbegriffe kombiniert wurden: (1) myocardial infarct, cardiac infarct, cardiac event, acute coronary syndrome, heart attack; (2) nurse, nursing, care, caring; (3) rehabilitation, rehabilitative, prevention, preventive. Dabei wurden die Filter English, German und Humans verwendet und die Recherche auf Artikel ab 1993 begrenzt. Außerdem wurden die im Internet verfügbaren Tagungsbände der Reha-Kongresse der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) sowie die Referenzlisten der eingeschlossenen Studien durchsucht. Die Ergebnisse der Recherche wurden mit dem Literaturverwaltungsprogramm Citavi verwaltet.

Datenextraktion und Einschätzung der Studienqualität

Von den eingeschlossenen Referenzen wurden folgende Inhalte herausgearbeitet und schriftlich erfasst: Fragestellung und Zielsetzung, Setting, Stichprobe, Datenerhebung und -auswertung, Funktion der Pflege und weitere bedeutende Ergebnisse. Die Qualitätsbeurteilung der quantitativen Studien erfolgte anhand der Kriterien nach Kelley et al. [16] und Draugalis et al. [17] und für die Einschätzung der qualitativen Studien wurden Kriterien nach Meyer [18] zugrunde gelegt.

Datenanalyse und -synthese

Aufgrund der Heterogenität der einbezogenen Studien wurde eine narrative Synthese [19] der Daten durchgeführt. Dabei wurden zunächst die Themen und Inhalte der einzelnen Studien analysiert und wiederkehrende Begrifflichkeiten identifiziert. Diese wurden dann entsprechend gruppiert, um daraus übergeordnete Themen zu bilden und, die verschiedenen Studiendesigns umfassend, die zentralen Merkmale der Pflege in der Anfangsphase der Rehabilitation von Myokardinfarkt-Betroffenen herauszuarbeiten.

Ergebnisse

Die Recherche ergab insgesamt 3264 Referenzen, von denen nach Entfernung der Dubletten 3027 für die Vorauswahl blieben (siehe Abb. 1). Von diesen wurden die Titel und Abstracts anhand der Ein- und Ausschlusskriterien hinsichtlich ihrer Relevanz gesichtet. Aufgrund der hochsensitiven Suche war mit einer hohen Anzahl irrelevanter Treffer zu rechnen, wonach 2996 Referenzen ausgeschlossen werden mussten. Daraufhin wurden die Volltexte der 31 verbliebenen Studien ebenso auf ihre Eignung zur Verwendung in der Übersichtsarbeit beurteilt, worauf schließlich zehn Referenzen eingeschlossen werden konnten [2029].

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm zur Recherche

Beschreibung der eingeschlossenen Studien

Insgesamt wurden acht quantitative und zwei qualitative Studien aus den Ländern China, Deutschland, Großbritannien, Irland, Kanada, Niederlande, Schweden, Schweiz und USA eingeschlossen (siehe Tab. 1).

Tab. 1 Übersicht der eingeschlossenen Studien

Bei den quantitativen Studien handelt es sich um zwei randomisierte kontrollierte Studien, zwei Vergleichs- und zwei Implementierungsstudien sowie eine Querschnitt- und eine Machbarkeitsstudie. Sie haben eine Stichprobengröße zwischen 10 und 3381 Studienteilnehmern und außer ACS- und MI-Betroffenen waren auch 85 Angehörige bzw. Bezugspersonen und 68 Pflegende einbezogen. Die Qualitätsbeurteilung dieser Studien ist in Tab. 2 ersichtlich. Bei der Hälfte der Studien wurden die Charakteristika der Teilnehmer dargelegt, in fünf Studien wurde das Analyseverfahren erläutert und in drei Studien wurde auch die potenzielle Selektivität der Stichprobe thematisiert. Die Ergebnisparameter und Erhebungsinstrumente wurden in allen Studien beschrieben, wogegen die Ergebnisse nur in fünf Studien eindeutig nachvollziehbar sind.

Tab. 2 Einschätzung der quantitativen Studien

Von den beiden qualitativen Studien, welche die Pflege von MI-Betroffenen im Fokus haben, ist eine phänomenologisch-hermeneutisch und die andere als Grounded Theory konzipiert. Bei der Erstgenannten wurden narrative Interviews mit 34 Pflegenden durchgeführt und bei der anderen Leitfadeninterviews mit 13 MI-Betroffenen. Die Qualitätseinschätzung ist in Tab. 3 dargelegt. In beiden Studien ist der Forschungsprozess nachvollziehbar und die Kontexte und relevanten Bedingungen dargelegt. Die Kohärenz der Theorie und Reflexion der Subjektivität ist allerdings nur in jeweils einer Studie ersichtlich.

Tab. 3 Einschätzung der qualitativen Studien

Anhand der Analyse und Synthese dieser Studien konnten zur Funktion der Pflegenden in der Anfangsphase der Rehabilitation von MI-Betroffenen drei Schwerpunkte identifiziert werden: (1) Schulung und Beratung, (2) Begleitung und Unterstützung sowie (3) Case Management.

Schulung und Beratung

Die Schulung und Beratung der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen gehört unabdingbar zur Pflege von Personen mit Myokardinfarkt [22, 23, 26, 28, 29]. Basierend auf Leventhals Modell der Selbstregulation wurde ein dreistufiges Beratungsprogramm entwickelt, woraus eine signifikante Erhöhung der Teilnahme an der Anschlussrehabilitation (45 % in der Interventionsgruppe vs. 24 % in der Kontrollgruppe; p < 0,001) resultierte [29]. Dieses Programm zur Förderung des Selbstmanagements beginnt mit einem persönlichen Gespräch in der Akutklinik und wird drei Tage nach der Entlassung mit einem telefonischen und weitere zehn Tage später mit einem erneuten Gesprächstermin fortgesetzt. Beim ersten Treffen geht es um den Umgang mit den Krankheitssymptomen, Aktivitäten nach der Entlassung und das Krankheitsverständnis der MI-Betroffenen. Beim zweiten Termin steht die Krankheitsbewältigung einschließlich Maßnahmen hinsichtlich der Risikofaktoren im Vordergrund und im dritten Gespräch wird außer der beabsichtigten Lebensstilmodifizierung und Risikoreduktion auch die Teilnahme am weiteren Rehabilitationsprogramm thematisiert. Diese dreistufige Vorgehensweise wurde gewählt, da während des Aufenthalts in der Akutklinik zunächst der Umgang mit dem Akutereignis und das Symptommanagement im Vordergrund stehen und die Reduktion der Risikofaktoren sowie die Teilnahme am Rehabilitationsprogramm erst später relevant werden [29]. Nach dem Selbstregulationsmodell ist das risikoreduzierende und gesundheitliche Handeln einer Person vor allem von ihrem Krankheitsverständnis abhängig, das hauptsächlich durch emotionale und kognitive Prozesse bestimmt wird. Dementsprechend umfasst das Pflegehandeln außer Schulungsinhalten auch Aspekte der emotionalen und kognitiven Unterstützung sowie die Bekräftigung von Stärken und Ressourcen [29].

Der jeweilige Schulungsbedarf der MI-Betroffenen kann mithilfe des Cardiac Patients Learning Needs Inventory (CPLNI) erfasst werden [23, 28]. Von den acht Kategorien dieses Fragebogens hat das Symptommanagement sowohl bei MI-Betroffenen als auch bei Pflegenden den höchsten Stellenwert [23]. Auch den Bereichen Medikamente und Lebensstilfaktoren wird beiderseits eine hohe Bedeutung beigemessen. Die Kategorie Pathophysiologie hat hingegen bei den Betroffenen einen höheren Stellenwert als bei Pflegenden und bezüglich des Bereichs Aktivität ist es umgekehrt. Daher ist zur Abstimmung des jeweils individuellen Beratungsbedarfs eine wechselseitige Verständigung erforderlich, um den weiteren Beratungsprozess dementsprechend zu gestalten [23].

Im Unterschied zu dem dreistufigen Beratungsprogramm mit lediglich einem Gesprächstermin in der Akutklinik [29] umfasst die individualisierte Schulung von MI-Betroffenen [28] drei Gesprächstermine in der Akutklinik. Nach diesem Konzept werden beim ersten Termin eine Broschüre über Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie der CPLNI-Fragebogen ausgehändigt. Im zweiten Schritt erfolgt anhand dessen die gemeinsame Klärung des Schulungsbedarfs und beim dritten Termin werden dann die priorisierten Themen und Fragen besprochen. Diese Vorgehensweise trägt sowohl zur Wissenserweiterung als auch zur Zufriedenheit der MI-Betroffenen bei [28].

Nach einem weiteren Konzept, dem zweiphasigen Rehabilitationsprogramm zur Förderung des Selbstmanagements [26], umfasst die Beratung in der Akutklinik hingegen sieben Schulungstermine zu folgenden Themen: koronare Herzkrankheit und Prinzipien des Selbstmanagements, medikamentöse Behandlung, Angina pectoris, Aktivität, Ernährung, Raucherentwöhnung und familiäre Unterstützung. Dabei wird die Informationsvermittlung möglichst kurz gehalten, um den Betroffenen und ihren Bezugspersonen vor allem die Reflexion ihrer eigenen Erfahrungen zu ermöglichen. Hierfür wird außer einem Herzhandbuch auch ein Selbsthilfearbeitsheft eingesetzt. Nach der Entlassung werden die Betroffenen dann für einen weiteren Zeitraum von zwölf Wochen durch eine kardiologische Pflegeexpertin begleitet und unterstützt. Dadurch konnte eine Verbesserung der körperlichen Aktivität, des Blutdrucks und der LDL-Werte sowie der Adhärenz bezüglich der Ernährung und der medikamentösen Therapie erreicht werden [26].

Außer den Schulungen für die Betroffenen, welche ebenso an deren Angehörige oder Bezugspersonen gerichtet sind [26, 29], führen Pflegende auch Schulungen speziell für Angehörige durch [22]. Diese beinhalten Informationen über die koronare Herzkrankheit, den Herzinfarkt und kardiovaskuläre Risikofaktoren, die Behandlung in der Klinik sowie den Umgang mit möglichen Problemen nach der Entlassung und weitere Aspekte der Langzeitbehandlung. Daraus resultierte bei den Angehörigen eine signifikante Zunahme ihres krankheitsspezifischen Wissens und eine Erhöhung ihrer Zuversichtlichkeit als Bezugsperson [22].

Begleitung und Unterstützung

Im Rahmen von Schulungs- und Beratungsprogrammen werden MI-Betroffene im Umgang mit ihrer Krisensituation begleitet und in ihrem Selbstmanagement unterstützt [26, 28, 29]. Gespräche zur Unterstützung der Krankheitsbewältigung sind allerdings genauso Bestandteil des direkten Pflegehandelns in Bezug auf MI-Betroffene wie die Überwachung von Vitalparametern und die medikamentöse Versorgung [24].

Da MI-Betroffene ihre unfassbare lebensbedrohliche Erfahrung kaum direkt zur Sprache bringen, obgleich sie sich ihrer massiven Gefährdung durchaus bewusst sind, ist das pflegerische Handeln von folgenden vier Aspekten geprägt: Reading of, Adapting, Coming close und Helping [20]. Das heißt, dass Pflegende erstens ihr Augenmerk auf nonverbale und anderweitig vermittelte Signale der MI-Betroffenen richten, zweitens berücksichtigen, ob für eine Maßnahme der passende Moment ist oder nicht, drittens für eine gute Beziehung mit den Betroffenen sorgen und viertens den Betroffenen helfen, sich sicher zu fühlen und das Geschehene zu begreifen. Dabei ist die therapeutische Präsenz von entscheidender Bedeutung für die Spiritualität der Betroffenen [21] und in der wechselseitigen Begegnung tragen Pflegende durch Anteilnahme und ermutigende Worte einerseits zur Reduktion von Ängsten und andererseits zur Förderung des Wohlbefindens und der Zuversicht der Betroffenen bei [21].

Case Management

In der Studie von Flynn et al. [25] wurde die führende Rolle der Pflegenden zur Verbesserung von Outcomes der ACS-Betroffenen betont, und zwar hinsichtlich der Teilnahme an Beratungsgesprächen, der Einnahme von Medikamenten sowie der Blutdruck- und Cholesterinwerte. Diese Kriterien konnten mittels Case Management durch spezialisierte Cardiac Nurses nach dem Get With the Guidelines (GWTG)-Programm verbessert werden. Bei diesem Programm ist die Risk Reduction Nurse verantwortlich für die Einschätzung des individuellen Risikoprofils der ACS-Betroffenen sowie die medikamentöse Therapie, die Unterstützung bei der Formulierung von Zielen hinsichtlich der Modifizierung des Lebensstils und die Koordination weiterer Rehabilitationsmaßnahmen. In Verbindung damit erstellt sie gemeinsam mit dem Arzt und anderen Beteiligten im interprofessionellen Team den jeweiligen Behandlungsplan. Da die Bedside Nurses dadurch entlastet werden, können sie bei ihrem Handeln die jeweiligen Beratungsinhalte gezielter aufgreifen [25].

Durch eine weitere Studie [27] wurde bestätigt, dass die pfadgestützte Behandlung von Nicht-Hochrisiko-Infarktpatienten durch Pflegeexperten realisierbar und hinsichtlich der Re-Infarktrate und Mortalität genauso sicher ist wie die herkömmliche ärztliche Versorgung. Dabei sind die Pflegeexperten mittels Behandlungspfad für die Medikation und Maßnahmen der körperlichen Aktivierung sowie für Schulungen und die Koordination weiterer rehabilitativer Maßnahmen verantwortlich.

Diskussion

Durch die Ergebnisse dieser Literaturübersicht werden wesentliche Aspekte der Funktion Pflegender in der Anfangsphase der Rehabilitation von MI-Betroffenen aufgezeigt. Demnach sind Pflegende in diesem Kontext erstens zuständig für die Schulung und Beratung der MI-Betroffenen und ihrer Bezugspersonen und zweitens für die Begleitung und Unterstützung bei medizinischen Maßnahmen und der Krankheitsbewältigung. Diese Funktionen kommen insbesondere in ihrer Rolle als Case Manager zur Geltung, wobei sie auch eine Verknüpfung zur ambulanten Versorgung herstellen.

Damit wird insgesamt die Schlüsselfunktion der Pflegenden bei der Rehabilitation von MI-Betroffenen betont sowie deren Rolle als Informationsvermittler, Berater, Begleiter, Coach, Koordinator und Supervisor [30], mit unterschiedlicher Ausprägung in den drei Phasen der Rehabilitation (Behandlung in der Akutklinik, Anschlussrehabilitation, Langzeitbehandlung). Diese spezifischen Funktionen werden vornehmlich durch Pflegeexperten mit entsprechender Spezialisierung (z. B. als Cardiac Nurse) ausgeübt.

Diese Pflegepraxis in der Akutklinik umfasst zugleich Elemente des international anerkannten Chronic Care Modells nach Wagner et al. [31] unter Berücksichtigung dessen, dass der Myokardinfarkt eine akute Manifestation einer chronischen Erkrankung ist. Die Umsetzung zentraler Aspekte der Versorgungspraxis [32] nach dem Chronic Care Modell ist insbesondere in den quantitativen Studien aus dem angloamerikanischen Raum [22, 25, 29] ersichtlich, und zwar:

  1. 1.

    die Unterstützung des Selbstmanagements,

  2. 2.

    die Gestaltung der Leistungserbringung durch eine verantwortliche und effektive Aufgabenteilung,

  3. 3.

    die gezielte Entscheidungsunterstützung durch entsprechende Hilfsmittel und

  4. 4.

    die Anwendung klinischer Informationssysteme.

In diesem Rahmen findet auch eine produktive Interaktion mit partizipativer Entscheidungsfindung [32] statt und es wurden verbesserte Ergebnisse, insbesondere hinsichtlich klinischer Parameter und der Adhärenz nachgewiesen.

Die Gestaltung der Pflegepraxis nach diesen Aspekten entspricht auch Fridlunds Rahmenkonzept [30, 33] und Mirkas Schulungsmodell [34] zur Rehabilitation von MI-Betroffenen, wonach Pflegende für die Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehung und die Einbeziehung der jeweiligen Lernbereitschaft und Motivation eine besondere Verantwortung haben.

Anhand einzelner quantitativer Studien [2527] entsteht allerdings der Eindruck, dass Pflegende, auch in Anbetracht der zunehmenden Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung, hauptsächlich Regelanwender und Verfahrensvollzieher [35] seien.

Den qualitativen Studien zufolge [20, 21] handeln Pflegende demgegenüber offenbar nach einem professionalisierten Selbstverständnis und die Pflegepraxis wird demnach, gemäß Evidence-based Nursing, in einem Arbeitsbündnis mit der pflegebedürftigen Person [36] vollzogen. Dabei ist die Gestaltung des Beziehungsgeschehens, ebenso wie in der ärztlichen Profession [35], von zentraler Bedeutung.

Stärken und Limitationen

Zur Erstellung dieser integrativen Übersichtsarbeit wurde eine systematische Literaturrecherche in den relevanten pflegebezogenen Datenbanken durchgeführt. Durch die Eingrenzung auf englisch- und deutschsprachige Literatur kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Arbeiten zu dieser Thematik vorliegen.

Der gewählte integrative Ansatz ermöglichte eine Synthese sowohl quantitativer als auch qualitativer Daten für eine umfassende Exploration der Funktion Pflegender in der Anfangsphase der Rehabilitation von Myokardinfarkt-Betroffenen. Der explizite Einbezug experimenteller Arbeiten resultierte aus der Annahme, dass auch die Konzeption und Evaluation entsprechender Interventionen im Rahmen von Studien das Rollenverständnis und die Funktion Pflegender widerspiegelt. Die Auswahl und Bewertung der Studien erfolgte anhand vorab definierter Kriterien, jedoch lediglich durch eine Person. Darüber hinaus ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf das nationale Gesundheitssystem in weiteren Forschungsarbeiten zu prüfen.

Schlussfolgerungen für die Praxis und Forschung

Die vorgelegten Ergebnisse ermöglichen ein erweitertes Verständnis über die Funktion der Pflege in der Anfangsphase der Rehabilitation von Myokardinfarkt-Betroffenen und können als Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung der Pflegepraxis hierzulande dienen und zum weiteren Klärungsprozess hinsichtlich der Kooperation der Gesundheitsberufe beitragen.

Die einbezogenen Studien zeigen überwiegend auf, was die Pflegepraxis in Bezug auf MI-Betroffene beinhaltet. Wie diese Praxis allerdings gestaltet ist, war nur ansatzweise erkennbar und geht lediglich aus Befragungen von Betroffenen und Pflegenden hervor, ohne eingehende Untersuchungen der Pflegepraxis selbst. In Anbetracht der eingangs erwähnten unklaren Stellung der Pflege im interprofessionellen Team besteht daher weiterer Klärungsbedarf zur eigentlichen Pflegepraxis unter professionstheoretischen Gesichtspunkten. Dementsprechende Forschungsarbeiten könnten aufzeigen, inwieweit das Pflegehandeln tatsächlich professionalisiert und Pflege als Profession im interprofessionellen Team beteiligt ist, um letztlich weitere Entwicklungspotenziale der Pflege zu entfalten.