Nachdem bereits im 6. Jahrhundert n. Chr. der große Arzt Sun Si Miao (581–682 n. Chr.) mit seiner Aussage „Ist die Mitte stark, können 100.000 Krankheiten geheilt werden, ist sie aber geschwächt, so gibt es nicht viel Hoffnung...“ sich zur Bedeutung der Mitte geäußert hatte, entwickelten sich später in der Zeit der Jin- und Yuan-Dynastie (1115–1368 n. Chr.), nicht zuletzt auch unter den philosophischen Einflüssen des Neokonfuzianismus, neue fortschrittliche Ideen zu Ursachen, Diagnostik und Therapie von Erkrankungen. Damals kam es infolge großer gesellschaftlicher Belastungen mit Unruhen durch ständige kriegerische Auseinandersetzungen, Hungersnöte, allgemeine Armut und grassierende Seuchenausbrüche zum Auftreten zahlreicher neuer Krankheitsbilder und Beschwerdekomplexe, die in dieser Form bis dahin nicht bekannt waren und die damaligen Ärzte vor große Herausforderungen stellten. Vor diesem Hintergrund mit vielen neuen Ideen, Theorien und Therapieversuchen kam es schließlich zur Entwicklung der sogenannten „Schule der Mitte“.

In der chinesischen Medizin waren es damals 4 bedeutende Ärzte, die sogenannten „4 großen Meister“ Liun Wen, Zhu Dan Xi, Zhang Hao Gu und Li Gao, genannt Li Dong Yuan (1180–1251), die mit unterschiedlichen Auffassungen zur besonderen Bedeutung und Pflege des „Jing“ oder vorzugsweise des „Yin“ im Organismus oder mit den „Bewegungen des Qi“ im Körper bei der Therapie ihre besonderen Schwerpunkte setzten.

Li Gao, der herausragende Schüler von Zhang Zhi He (der neue Theorien zum Wirken und den Bewegungen des Qi formuliert hatte), erkannte beim Studium all dieser neuen Theorien, die sämtlich auf den tradierten Aussagen des Nei Jing und Su Wen sowie weiteren bedeutenden Überlieferungen basierten und insbesondere im Shan Han Lun („Abhandlung über schädigende Kälte“) von Hang Zhong Jing (159–219 n. Chr.) schon eingehend bearbei tet worden waren, dass ein ordnungsgemäßer Ablauf aller Körpervorgänge nur mittels korrekter Funktion der Organe Magen und Milz, also der „Mitte“, möglich sein könne. Aus vornehmer Familie stammend, hochgebildet, war er primär nicht am Arztberuf interessiert, sondern für eine höhere Tätigkeit im Staatswesen vorgesehen. Durch das schockierende Miterleben des frühen Todes seiner Mutter, der die damals bedeutendsten Ärzte bei ihrer Magenerkrankung nicht helfen konnten, entschloss er sich zum Studium der Medizin und wurde bald zum hervorragendsten Schüler des großen Meisters Zhang Yuan-Shu und gilt auch heute noch als einer der großen Gelehrten der TCM, speziell der damaligen Inneren Medizin. Er entwickelte mit seinen Forschungen und Therapieerfolgen die heute als solche bezeichnete „Schule der Mitte“, die über 1140 Jahre hin die damalige chinesischen Medizin vorrangig in dem Bestreben, fast jede Erkrankung über die Behandlung „Mitte“ zu therapieren, beeinflussen sollte [1].

Dargelegt sind seine bedeutenden Erkenntnisse im immer noch aktuellen Buch „Pi Wei Lun“ („Abhandlung über Milz und Magen“, veröffentlicht 1249) [1].Es werden dort die damals geltenden Vorstellungen zur Bedeutung dieser Organe, ihrer Ätiologie und Erkrankungen, Physiologie, Pathophysiologie und die Therapiemöglichkeiten behandelt sowie seine Erkenntnisse speziell zu den sog. „Inneren Schädigungen“ und vor allem auch die effektive Behandlung mit chinesischen Kräutern mittels sehr spezifischer Rezepturen, die bis zum heutigen Tag noch verwendet werden, sowie auch Hinweisen zur entsprechenden Akupunktur-Energetik eingehend dargestellt.

Nach Li Gao ist der Magen Wei Yang-Aspekt des Funktionskreises der Mitte, das Wichtigste aller Hohlorgane im Organismus und die Wurzel des sog. Nachhimmels-Qi („Postpartal-Qi“), entstehend aus dem respiratorischen und alimentären Qi, und es manifestiert sich damit seine wichtige zentrale Funktion zusammen mit der Milz Pi im Förderkreis der Wandlungsphasen und die dadurch bestehende untrennbare Verbindung der Mitte zu allen übrigen Organen beziehungsweise Funktionskreisen. Durch die sehr enge Verbindung zwischen Magen und Milz ähneln sich manche Symptome der beiden Organe und sind teilweise auch identisch:

  • Der Magen Wei und Milz Pi sind die Hauptorgane der Verdauung.

  • Der Magen Wei und Milz Pi sind funktionell eng verbunden.

  • Der Magen kontrolliert das „Aufnehmen“ von Nahrung und Getränken.

  • Der Magen steht für die Funktion des Fermentierens und Reifens.

  • Der Magen kontrolliert die Nahrungsessenz und den Transport.

  • Der Magen ist zuständig für das „Absteigen“ des Qi.

  • Der Magen ist der Ursprung der Flüssigkeiten.

  • Der Magen gilt als „Meer des Wassers und Getreides“. Der Magen benötigt Feuchtigkeit.

  • Der Magen wird durch Trockenheit und Hitze geschädigt. (Abb. 1).

Mit der Aufnahme von Nahrung und Getränken nehmen die Funktionskreise der Organe Magen „Wei“ Yang-Aspekt von Milz-Pankreas „Pi“ in der Wandlungsphase „Erde“ in der „Mitte“ des Organismus, im mittleren Dreifachen Erwärmer gelegen, ihre unmittelbare Funktion für die Verdauung und Energiegewinnung auf.

Abb. 1
figure 1

Funktionen und Aspekte des Magens Wei (Quelle: A. Reis)

Der zugehörige Verdauungstrakt beginnt mit dem Mund als erster Station und endet am Anus. Als Organ der Aufnahme der Nahrungsmittel, die TCM spricht vom „Empfangen“, öffnet sich der Mund mit den Lippen. Sie sind in der TCM dem Funktionskreis Milz zugordnet, die mit ihrer äußeren Ausprägung in Form und Farbe schon Hinweise auf die Energetik von Milz und Magen geben können.

Der Mund beinhaltet wesentliche weitere Organstrukturen, wie die Zähne zum Abbeißen, Zerbeißen und Zerkauen der festen Nahrungsbestandteile, die durch den Mundspeichel dann aufgeweicht, gleitfähig und auch schon vorverdaut in den hinteren Bereich der Mundhöhle und durch den Pharynx am Kehlkopfdeckel, der den Eingang zur Trachea beim Schluckakt verschließt, vorbei in den Ösophagus und durch die Kardia in den Magen gelangen.

Im Mund ist die Zunge als weiteres, besonders bewegliches Organ für den Schluckakt, aber auch zusammen mit den Lippen, für die sehr wichtige Sprechfunktion zuständig. Auch kann sie mit den Geschmackspapillen und Nerven bereits vor dem Schlucken neben Art und Qualität der Nahrungsmittel deren jeweilige Geschmacksrichtung entsprechend TCM den 5 Elementen zuzuordnende 5 Geschmäcker erkennen, die als das „Qi der Erde“, das vom Tian (Himmel) über die pflanzliche Kost in den menschlichen Körper kommen. Dem gegenüber gelten analog die Aromen der 5 Gerüche als das „Qi des Himmels“. Sie gelangen nach dem Su Wen über die Nase in den Körper und sind, neben der eigentlichen Atemluft und anderen Qualitäten, ein weiterer Bestandteil des sogenannten „kosmischen“ Qi (Qing Qi). Durch den Geruchssinn wird das Geschmacksempfinden eigentlich erst vervollständigt und ergänzt [2]. Auch die Praxis zeigt, dass bei Geruchssinnstörungen (Hyposmie oder Anosmie) der Geschmackssinn häufig ebenfalls beeinträchtigt oder geschwächt sein kann. Das eigentliche Differenzieren der Geschmacksqualität erfolgt im Herzen über dessen energetische Verbindung zur Zunge („das Herz regiert die Zunge“) [3,4]. Nach TCM werden diese Qi-Qualitäten zur Erhaltung und Ernährung der 5 Qi der jeweiligen Zang-Organe im Magen und den Eingeweiden gespeichert. Dies erklärt den Merkspruch: „Wenn Milz und Magen gesund sind, kann der Mund alle 5 Geschmäcker unterscheiden.“ Morgens ist der „Mundgeschmack“, die Geschmacksempfindung ohne Nahrungseinfluss neutral. Bei Vorliegen von Nässestagnation in der Milz oder feuchter Hitze im Magen verspürt der Patient morgens einen süßen, bei Nahrungsstagnation häufig sauren oder gar fauligen Mundgeschmack [3,5]. Im Pharynx sorgt der lymphatische Rachenring als Teil des Immunsystems zusammen mit der physiologischen Mundflora dafür, dass ein Großteil pathogener Krankheitserreger bereits hier eliminiert bzw. davon abgehalten wird, über die Mundhöhle in den Hals, die Lunge oder den weiteren Verdauungstrakt ins Innere des Körpers zu gelangen.

Als „Quelle von Qi und Blut“ wird der Magen auch das „Postnatalfundament“ genannt [6], denn über ihn erfolgt der erste Schritt zur Verbindung von Pränatal-Qi und Postnatal-Qi. Er extrahiert aus der Nahrung die „Nahrungsessenz“, die sog. schwerere, trübe und leichtere, reine und klare energetische Feinstsubstanzen enthält. Die klaren, energetisch reichen Stoffe werden über die enge energetische Verbindung der Milz zugeleitet, die schwereren, trüben nach unten zum Dünndarm und den weiteren Eingeweiden. Dabei benötigt der Magen zum korrekten Ablauf aller Funktionen das Magen-Yang- und -Yin-Qi sowie die Unterstützung durch das Milz-Yang-Qi und auch des Milz-Yin-Qi. Eine gute Magen- und Milzfunktion gewährleistet auch ein ausgewogenes Yin/Yang-Gleichgewicht im mittleren Erwärmer und sorgt für guten Appetit und Verträglichkeit auch bei gelegentlich zu üppiger Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr. Umgekehrt transformiert das Milz-Yin-Qi diese energiehaltigen, flüssigen Essenzen zum verfeinerten klaren Nahrungs-Qi „Gu-Qi“, indem sie sie mittels des Milz-Yang-Qi durch Verdampfung nach oben zur Lunge bringt, wo es sich am Punkt KG 17 mit dem „Kosmischen“ oder „Himmels-Qi“ Qing-Qi sich als sog. Sammel-Qi zum „Zong-Qi“, das sich dann in Wei-Qi und Ying-Qi teilt, zum „essenziellen Qi“ verbindet. Dieses aus der Verbindung von Nahrungs-Qi (GuQi) und Kosmischem Qi entstehende Qi wird als Nierenessenz-Jing in der Niere gespeichert und unter Einfluss des Ming Men-Feuers in aktivierter Form dann als sogenanntes „Yuan“-Ursprungs-Qi“ („Yuan-Yang“- und „Yuan-Yang“-Qi) bezeichnet.

Das „Ursprungs-Qi“ (Yuan-Yin- und Yuan-Yang-Qi) zirkuliert dann als Abwehr-Qi (Yang-Aspekt) in der Oberflächenschicht des Körpers unter der Haut in den tendinomuskulären Meridianen [6,7] zum Schutz gegen die Invasion äußerer pathogener klimatischer Faktoren und zur Regulierung der Porenfunktion und des Schwitzens, der Erwärmung von Haut, Muskeln und Organen und Aufrechterhaltung der notwendigen Körpertemperatur und als Ying-Qi (Nähr-Qi oder „Bau“-Qi mit Yin-Aspekt) zirkuliert das Ursprungs -Qi mit seinen Yin- und Yang-Qi-Qualitäten unaufhörlich in einem definierten zirkadianem Rhythmus im Körper in allen Leitbahnen, Gefäßen, Organen und Geweben, wobei es den Körper aufbaut und nährt. Im Knochenmark entsteht dabei unter dem Zusammenwirken der Energien von Niere, Milz und Herz das Blut „Xue“.

Das Blut „Xue“, ist eine hoch verdichtete materielle Form von Qi. Während Qi, primär energetisch, dem Yang zugeordnet wird und in den Leitbahnen und Gefäßen zirkuliert, hat Xue (struktive) Yin-Qualität und dient als Grundsubstanz dem Erhalt der Körperstruktur und des Lebens [6]. Es sorgt für die Versorgung des gesamten Körpers mit Nährstoffen und die Befeuchtung aller Gewebe und Organe und fließt den Blutgefäßen und wird von der Milz-Pi kontrolliert, indem sie das Blut in den Gefäßen hält, von der Leber-Gan gespeichert und vom Herz-Xin, das die Blutgefäße beherrscht und für die Kreislauffunktion steht, kontrolliert.

Darüber hinaus hat das Blut eine sehr enge Beziehung zum Shen. Bei allgemeiner und insbesondere Schwäche des Herzbluts kommt es zu Symptomen wie Schlafstörungen, Unruhe, Palpitationen oder Schwindel und auch Vergesslichkeit, und in sehr schweren Fällen kann es auch zu Störungen des Bewusstseins mit psychotischen Zuständen wie Verwirrtheit bis zu komatösen Zuständen kommen.

Das Ursprungs-Qi wird auch als „Erbenergie“ bezeichnet und kann bei Störungen einerseits über die sogenannten „Kardinal- oder Einschaltpunkte“, beziehungsweise direkt am Yuan-(Quell-)Punkt des einzelnen Hauptmeridians beeinflusst werden. Für die reguläre Zirkulation und Verteilung des so wichtigen Ursprungs/Yuan-Yang und Yuan-Yin-Qi und auch aller weiteren Qi-Formen im Körper ist der Dreifache Erwärmer-San Jiao zuständig [1]. Er sorgt für Transformation und Transport des Qi und der Körpersäfte bis zu den untersten Stufen des Stoffwechsels mit dem „Durchdringen“ der Zellen in den Organen und Geweben zur Versorgung mit Qi und den nährreichen Essenzen der Körpersäfte im Stoffwechsel [4] und die Ausscheidung der Flüssigkeiten über den unteren Erwärmer. So wird der San Jiao auch als „Straße des Ursprungs-Oi“ bezeichnet.

Gegenüber der „hebenden“ Aufsteige-Funktion des Milz-Yang-Qi ist das Yang-Qi des Magens für das „Absteigen und Absinken“ aus dem mittleren Erwärmer zuständig, indem dieser die trüben Bestandteile der extrahierten Nahrungsessenzen zum Dünndarm im unteren Erwärmer weiterleitet, wo unter Einwirkung des Milz-Yin- und -Yang-Qi sowie des Herz-Yang-Qi noch verwertbare restliche Nahrungsbestandteile resorbiert und unbrauchbare feste Reststoffe dem Dickdarm zur Ausscheidung mit dem Stuhl und nicht benötigte Flüssigkeiten der Blase der Ausscheidung zugeführt werden. Bei Störung der Absenkfunktion kommt es zur Symptomatik der Nahrungsstagnation bzw. Retention mit Appetitstörungen und Unverträglichkeiten, Völlegefühl und Druckempfindlichkeit im Oberbauch oder epigastrischem Schmerz mit Unwohlsein und Übelkeit, auch Singultus und Erbrechen als Ausdruck der gestörten Weiterleitung zum unteren Erwärmer, Blockierung und Gegenläufigkeit des Absteigens des Qi mit „rebellierendem Magen-Yang-Qi nach oben.

Der Magen ist damit auch zuständig für die Kontrolle von Extraktion und Transport der Nahrungsessenz zusammen mit dem Milz-Yang-Qi und Blut in alle Gefäße und Leitbahnen bis in die Akren der Extremitäten.

Neben seinen Eigenschaften als „Meer des Wassers und Getreides“ und als „Wurzel von Qi und Blut“ wird der Magen auch als „Quelle der Flüssigkeiten“ bezeichnet. Wie bereits erwähnt, benötigt der Magen nach Einspeichelung der Nahrung (durch Milz-Yin-Qi), um den Nahrungsbrei mittels der Peristaltik auch weiter aufbereiten zu können, weitere Flüssigkeit, die er aus der Nahrung selbst extrahiert und aus den Getränken gewinnt. Diese Flüssigkeiten, die dann nicht unmittelbar für Resorptionsvorgänge bei der Essenzextraktion im Magen benötigt werden, können in kondensierter Form zur Blutbildung und Befeuchtung der Körpergewebe und Körperflüssigkeiten Jin-Ye zur Verfügung stehen oder, falls nicht benötigt, über den unteren Erwärmer dann im Stuhl bzw. Urin ausgeschieden werden.

Der Magen ist ein „feuchtes“ Organ, benötigt also immer ausreichend Flüssigkeit und wird durch Hitze und Trockenheit geschädigt. Die Milz dagegen gilt als sogenanntes „trockenes“ Organ und sie wird durch Nässe und Kälte geschädigt. Ihre primäre Aufgabe besteht in der Transformation der Nahrungsessenz zur reinen Nahrungsenergie Gu-Qi und Qi-Produktion in der Lunge sowie durch ihre Entwässerungsfunktion mittels Weitertransports der Flüssigkeiten in der Verhinderung und Beseitigung von Nässe- und Feuchtigkeitsakkumulation. Die Milz hat eine Feuchtigkeitsaversion und benötigt für ihre Arbeit viel Yang-Wärmeenergie aus den Funktionskreisen der Niere bzw. des Herzens.

„Emotionen sind die Mutter der Krankheiten, schlechte Nahrung ihr Vater...“ Mit diesem Merksatz umschreibt schon die alte chinesische Medizin vor vielen Jahrhunderten die wesentlichen Ursachen für innere Erkrankungen beziehungsweise Krankheiten des Verdauungstrakts.

Selbstverständlich spielen auch äußere bioklimatische Faktoren (besonders in alten Zeiten) ursächlich eine wichtige Rolle und sind auch heute bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes und den weit verbreiteten Störungen und Erkrankungen der Mitte-Organe durchaus immer wieder zu diagnostizieren. Trotzdem stehen unter den veränderten Lebensbedingungen, besonders in den modernen Industrieländern, viele andere Ätiologien im Vordergrund und bestätigen insofern die traditionellen Auffassungen.

So hat bei Erkrankungen des Verdauungstrakts als zentralem Funktionskreis und Grundlage aller Lebensvorgänge die Qualität der Ernährung nach wie vor vorrangige Bedeutung. Dabei sind Aspekte hinsichtlich des Nährwerts der zugeführten Nahrungsmengen, der energetischen Wirkungen, insbesondere auch der energetischen Kalorik eines Nahrungsmittels im Stoffwechsel (energetisch warm/ heiß und Wärme erzeugend oder energetisch neutral, kühlend oder kalt?) besonders bei bereits vorliegenden Erkrankungen von großer Wichtigkeit. Auch die Art der Zubereitung sowie die Art der Herstellung moderner, industriell veränderter Nahrungsmittel mit Zusätzen wie Konservierungsmitteln, Farbstoffen, Geschmacksverstärkern, genveränderten Inhaltsstoffen, besonders auch zu viel (teilweise verstecktem) Zucker- oder Fettgehalt, eventuell auch Spuren von Pestiziden, Antibiotika oder Hormonrückständen sind zu beachten. Auch potenziell allergene Substanzen und vieles andere mehr spielen eine sehr große Rolle.

Besonders wichtig ist auch die Art der Essensaufnahme. Unregelmäßige oder fehlende Essenszeiten, kein oder ein energetisch „kaltes“ Frühstück (kalte oder energetisch kalte Nahrungsmittel oder Getränke, während der „ Magen-Milz-Zeit“ (09–11 Uhr) genossen, belasten die Mitte), dauernd zu heiße oder zu viel kalte Kost, Essen unter Hast und Stress, oft im Stehen, ohne Ruhepause und Entspannungsmöglichkeiten, stets zu viel oder auch zu wenig oder zu einseitige Nahrungsaufnahme (Diäten..?) schädigen auf Dauer sämtlich das Magen-Qi und parallel dazu meist auch das Milz-Qi mit all den möglichen Folgeerkrankungen. Ergänzend sind auch mögliche Interaktionen oder Nebenwirkungen auch parallel verwendeter Medikamente sowie der unkontrollierte oder übersteigerte Gebrauch von Genussmitteln wie Alkohol, Rauchen, zu viel Koffein usw. zu erwähnen.

Chronische emotionale Belastung wie Sorgen mit ständigem Grübeln, gedanklichem „Nicht-Loslassen-Können“ und „Verinnerlichen“ der Probleme durch Alles-„Schlucken“ führen zu Qi-Stagnation im mittleren Erwärmer. Auch übermäßig viel geistige Arbeit kann zu einer Magen- bzw. Milzschwäche führen. Ebenso wie mangelnde körperliche Bewegung, kann dauerndes Sitzen bei überwiegend geistiger Tätigkeit die Mitte schädigen. Zusätzlich kann dies auch zur Mitbeeinträchtigung der Lunge im oberen Erwärmer führen und sich so direkt und indirekt negativ auswirken. Daneben können auch Trauer oder ständiger Groll und Ärger über die assoziierten Funktionskreise von Lunge bzw. Leber die Mitte blockieren und das Qi schädigen. Vorbestehende chronische Erkrankungen in den anderen Funktionskreisen führen über kurz oder lang immer zu einer Schwächung der Organe der Mitte.

Leitsymptome bei Magen-Disharmonien

Unter „Verdauungsstörungen“ werden im Allgemeinen abdominelle Symptome seitens der Verdauungsorgane Magen, Bauchspeicheldrüse und Därmen, speziell auch von Leber und Gallenblase verstanden, wobei bei von der CM dem Funktionskreis der Organe der Mitte, und hier speziell Milz/Pankreas-Pi eine weit über das westliche Verständnis hinaus gehende, wesentlich größere Bedeutung zugeschrieben (siehe Teil 1, ZAA 1-2022) wird, da auch deren Symptome in engem Zusammenhang mit den Aspekten und Symptomen des Magens stehen beziehungsweise zu betrachten sind.

Lokale Leitsymptome des Magens projizieren sich überwiegend auf die Epigastralregion oberhalb des Nabels, wogegen Symptome von Milz-Pankreas überwiegend periumbilikal und vermehrt mit abdominellen Blähungsbeschwerden auftreten oder auch mit gleichzeitigen Magensymptomen [4, 8].

Epigastrisches Missempfinden und Unwohlsein weisen auf das geschwächte Magen-Qi hin, was zu einer Blockade der Absteigefunktion und dann gegebenenfalls zur Umkehrfunktion mit aufsteigendem „rebellierenden“ Magen-Yang-Qi mit Übelkeit, Singultus und Erbrechen führen kann. Durch die Schwäche des Magen-Yang- und -Yin-Qi erfolgt auch nicht korrekt die Bereitstellung der Nahrungsessenzen für die Milz, und es entstehen dann als Folge des Energiemangels allgemeine Müdigkeit und Schwäche der Extremitätenmuskulatur, besonders der Beine (entsprechend dem Verlauf des Magen- und Milzmeridians). Epigastrales Spannungsgefühl weist dabei auf die Stagnation des Magen-Yang-Qi im mittleren Erwärmer hin. Lokalisierter epigastrischer Druckschmerz oder Druck, der verschlechtert, weist auf eine Füllesymptomatik hin, während „Besserung“ durch Druckausübung eher eine Schwäche- oder Qi-Mangel-Symptomatik signalisiert. Überwiegend treten (wie auch bei Milzschwäche) Appetitstörungen, besonders Appetitlosigkeit, auf. Ständiger bzw. übermäßiger Hunger weist auf Magenhitze bzw. Magen-„Feuer“ hin. Der Zustand der Lippen (trocken, rissig, blass, livide, schmal oder üppig-voll) gibt erste Hinweise auf Milz- und Magenfunktion. Nicht selten treten Geschmacksveränderungen oder auch geschwächtes Geschmacksempfinden bei Magen- und Milzschwäche auf. So weist ein klebriger Mundgeschmack auf feuchte Hitze im Magen oder Milz hin. Mundtrockenheit oder mangelnder Speichelfluss können Hinweise zum Zustand der Körpersäfte geben. Stomatitis und Gingivostomatitis, ggf. mit Zahnfleischbluten, häufig mit gleichzeitigem starkem Foetor ex ore zeigen Magen-Hitze an.

Die Zunge gilt als „Spiegel des Magens“. Der Belag gibt wichtige Hinweise auf die Lokalisation und Art der Erkrankung, die vorherrschenden pathogenen Faktoren sowie den Zustand von Blut und Körpersäften. Zahneindrücke der Zungenränder oder Gedunsenheit der Zunge sowie ein sehr nasser oder klebrig-schleimiger weißer (Kälte!) oder gelber (Hitze!) Belag, gegebenenfalls mit einem Riss in der Zungenmitte, signalisieren stets vermehrte Flüssigkeitseinlagerung, Schleimbildung und Schwäche der Mitte. Der Aspekt der Sublingualgefäße weist auf eventuelle Blutstase bzw. entsprechende Gefährdung hin [9] (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Zungenbild bei „blockierter Mitte infolge Magen-Yin-Schwäche“ (Quelle: P. Ruhnke)

Bei der Pulsdiagnostik geben schon einfach zu erhebende Pulsveränderungen auch dem nicht fortgeschrittenen Untersucher wertvolle Hinweise zur Ergänzung und Differenzierung des Krankheitsbilds bezüglich des Vorliegens von Fülle oder Leere, Hitze oder Kälte, Feuchtigkeit/ Nässe und Schleim, und zum Yin-Yang-Zustand generell [9]. Auch Stuhlveränderungen wie breiige bzw. „halbflüssige“ oder wässrige Stühle, auch Schleimauflagerungen oder teilweise unverdaute Nahrungsbestandteile im Stuhl, gegebenenfalls auch Teerstühle (beim Blutstase-Syndrom des Magens) oder Obstipation, können mit Erkrankungen des Magens ähnlich wie bei oder auch zusammen mit Milzschwäche auftreten. Starker, übler Stuhlgeruch weist auf eine Hitzebeteiligung hin (Tab. 1).

Tab. 1 Disharmonien des Magens

Schwäche-Syndrome

Magen-Qi-Schwäche

Unspezifische Leitsymptome einer häufig zu beobachtenden akuten oder auch chronischen Schwäche- oder Mangelsituation des Magen-Qi wie epigastrische Missempfindung, Inappetenz, Geschmacksbeeinträchtigung, allgemeine Müdigkeit, Adynamie der Extremitäten (Beine!) morgens, mit gegebenenfalls auch epigastrischem Schmerz, der sich aber durch Druck eher besser anfühlt, häufig auch mit Stuhlveränderungen(weichen oder halbflüssigem Stühlen). Diese bedürfen grundsätzlich einer weiteren Abklärung und einer differenzierten Diagnostik und dann gezielten Therapie hinsichtlich des Vorliegens eines Yin-Qi- oder Yang-Qi-Mangels durch Abklärung weiterer richtungweisender Befunde.

Yang-Qi-Schwäche des Magens

Es handelt sich um eine Leere-Kälte-Disharmonie

Ursächlich kann äußere nicht ausgeleitete Kälte langfristig das Magen-Yang-Qi schwächen, aber auch längere einseitige Ernährung (meist Eiweißmangel) oder anhaltender Genuss energetisch kalter Speisen (wie zu viel Rohkost, kalte Salate, Früchte) und kalte oder gar eisgekühlte Getränke) können mitverantwortlich sein.

Weitere Symptome: Blässe, postprandiales Missgefühl, auch Schmerzen im Epigastrium, Erbrechen klarer Flüssigkeit, Schwache, kalte Extremitäten, starke Müdigkeit, inneres Kältegefühl, Druck oder Massage bessern, Inappetenz, Kälteaversion bei Speisen und Getränken.

Bevorzugt warmes Essen, dadurch meist Besserung, Zunge: nass, blass, der Puls ist tief, schwach, langsam.

Therapie: Ma 36 stärkt Magen-Yang-Qi. KG 12 mit Moxa stärkt das Yang-Qi im mittleren Erwärmer (Milz und Magen). Bl 21 und Bl 20 stärken ebenfalls das Yang- Qi von Magen und Milz. KG 6 mit Moxa-Anwendung stärkt effektiv bei Magen-Yang-Qi-Schwäche und wirkt allgemein Yang stärkend [4,8,11].

Magen-Yin-Schwäche

Es handelt sich um eine Leere-Hitze-Disharmonie. Ständig zu heißes Essen, unregelmäßige Essenszeiten, vor allem unter Stress bzw. Hektik, oder auch überwiegend spät abendliches Essen schwächen das Magen-Yin, aber auch bestehende Hitzeerkrankungen mit Schädigung des Magen- Yin-Qi und der Körpersäfte und auch der Milzfunktion oder auch chronische Erkrankungen führen zu Yin- Qi-Schwäche des Magens mit Pseudo-Hitzesymptomen wie Inappetenz, Trockenheit von Lippen- und Mundbzw. Halsschleimhäuten, Müdigkeit, Obstipation (durch Trockenheit des Stuhles) und Globusgefühl im Hals, mit meist auch brennendem Druckgefühl und Hitze-Gefühl im Epigastrium. Zusätzliche Leitsymptome sind Hitzezeichen wie fehlender oder wurzelloser Zungenbelag, besonders in der Zungenmitte (Magenareal), Kühles, in kleinen Schlucken zu trinken, und dünner, beschleunigter Puls weisen auf die Magen-Yin-Qi-Schwäche hin.

Therapie Stärken des Magen-Yin, Fördern der Körperflüssigkeiten. Keine Moxa-Anwendung! Ma 36, Bl 20, Bl 21 starken das Qi von Magen und Milz. Ni 6 und Ni 3 stärken Yin allgemein sowie speziell auch bei Magen und Milz. Diätetische Maßnahmen mit Yin- und Säfte-stärkender Ernährung (kühlende, befeuchtende und blutstärkende Nahrungsmittel, regelmäßiges, abends nicht zu spätes Essen).

Abb. 4
figure 3

Der Magenmeridian (aus [7])

Leere-Hitze

In voller Ausprägung zeigt sich das Vollbild einer Yin-Qi- Schwäche mit Magenbeteiligung bei sogenannter „Leere- oder Mangel-Hitze“ neben den gastralen Symptomen dann mit zunehmenden Hitzezeichen am späten Nachmittag, und ggf. Zeichen der 5 „heißen Herzen“, Nachtschweißen, gesteigerter Unruhe/Hektik und roter ggf. leicht geschrumpfter, belagloser oder „glatter“ Zunge, häufig auch mit Gingivitiden und/oder Zahnfleischbluten (Magen-Hitze!) sowie raschem oberflächlichem Puls.

Therapie: Die Therapie besteht in der Stärkung des Magen-Yin und der Körpersäfte. Magen-Yin stärken, Körpersäfte nähren und gegebenenfalls Ernährungsumstellung.

Moxa-Anwendung ist hier kontraindiziert! KG 12 und Ma 36 stärken Magen-Yin-Qi, Mi 3 und MP 6 nähren Körperflüssigkeiten, MP 6 und Ni 3 stärken Yin- Qi von Mi und Magen generell, KS 6 kann Singultus, Erbrechen beseitigen, He 7 dämpft Unruhe und Hektik. Ma 44 und Ma 45 wirken kühlend bei Gingivitis und Zahnfleischbluten [4,8,11].

Fülle-Disharmonien

Andauerndes Fehlverhalten bei der Nahrungsaufnahme (Hektik, Stress, unregelmäßiges, zu spätes, zu heißes, zu kaltes, zu viel oder auch zu weniges Essen) können zu Fülle-Disharmonien infolge Qi-Stagnation führen, die sich als Stagnation des Magen-Yang-Qi und gegebenenfalls als Blockade oder Umkehr der Absenkfunktion des Magen- Yang-Qi als „rebellierendes Magen-Qi“ äußern kann. Magen-Yang-Qi-Stagnation tritt häufig kombiniert bei Disharmonien in weiteren Funktionskreisen auf, besonders beispielsweise bei Leber-Yang-Qi-Stagnation und anderen bestehenden emotionellen Belastungen und kann dann zu Yin-Qi-Schwäche oder Hitze-Erkrankungen gegebenenfalls auch zu einem Blutstase-Syndrom führen.

Magen-Feuer

Brennender epigastrischer Schmerz, Gastritis, psychosomatisch bedingte Magenschmerzen. Sodbrennen, saurer Reflux, bitterer Mundgeschmack, Foetor ex ore, Trockenheit (Mund, Hals), blutende Gingivitis, tendenziell vermehrter Hunger, Durst nach Kaltem, Wärme verschlechtert. Zunge: rot, Belag trocken, dick, gelb, bei extremer Hitze auch schwärzlicher Belag. Der Puls ist überflutend voll, schnell.

Therapie: Magenhitze beseitigen, Absteigen des Magen- Yang Qi fördern. Ma 44 und Ma 45 klären und beseitigen Hitze des Magens, bei starker Hitze kühlt besonders Mikroaderlass an Ma 45! KG 12, Ma 21 und Ma 36 regulieren und bewegen Qi, KS 6 und KG 12 wirken gegen rebellierendes Magen-Qi bei Hitze. Di 4, Ma 25, Ma 37 leiten Hitze aus Dickdarm und Magen aus [4,8,11].

Schleim-Feuer des Magens

Magenschleim-Feuer kann durch langdauernde exzessive Zufuhr von energetisch heißer Nahrung bzw., Getränken wie zu viel Heißem, Gegrilltem (rotes) Fleisch, zu Fettigem, zu viel scharfen Gewürzen, hochprozentigen alkoholischen Getränken und besonders auch heißem Tabakrauch entstehen. Zusätzlich zu den erwähnter Feuersymptomen kann es dabei zu „Hitze-Schleimbildung mit Expektoration oder Schleimerbrechen bzw. Schleimexkretion im Stuhl und Störungen psychomentaler Funktionen mit Verwirrtheit und psychotischer Entwicklung kommen. Der Zungenbelag ist hier dick, rutschig, klebrig, gelb, der Puls schlüpfrig, schnell und überflutend, voll.

Therapie: Magenhitze beseitigen, Absteigen des Magen- Yang Qi fördern. KG 21 fördert Absteigen des Qi, beseitigt Ma-Hitze, Ma 40, Mikroaderlass, Ma 45, KG 11, KG 12 klären Magen-Hitze, MP 6 kühlt, stärkt Yin und Körpersäfte, beruhigt zusammen mit LG 20 und Shi Shen Cong den Geist, KG 12, KG 13 und KS 6 hemmen aufsteigendes Magen-Yang-Qi, Ma 40 wirkt schleimauflösend, beruhigt Shen, Lu 11, Di 11 und Di 4 beseitigen Hitze aus Yang Ming [4,8,11],

Äußere Kälte-Invasion des Magens

Es handelt sich um eine Innen-Fülle-Kälte-Disharmonie

Ursachen sind akute Kälteexposition und Genuss von kalten Getränken und Nahrung. Das Krankheitsbild zeigt sich mit Magen-Yang-Qi-Schwäche, akut auftretenden Magenschmerzen, Druck verschlechtert, allgemeines Kältegefühl, insbesondere kalte Extremitäten, Übelkeit, Erbrechen klarer Flüssigkeiten durch Magen-Qi-Stagnation infolge akuter Kälteblockade der Absteige-Funktion des Magen-Qi), kalte Getränke verschlechtern, bevorzugt warme Getränke. Zunge: dicker, weißer Belag, Puls tief, langsam, straff.

Therapie: Kälte beseitigen, Magen-Yang-Qi wärmen. Absteigen des Yang-Qi fördern, M 21 leitet Kälte aus, Moxa! MP 4 leitet Magenkälte aus, fördert Absteigen, Ma 34 Xi-Punkt, bewegt Qi, beseitigt Leitbahn-Obstruktion, lindert Schmerz [4,8,11].

Bei anhaltendem Einwirken der pathogenen Kälteeinflüsse wird sich infolge der energetischen Erschöpfung das Bild einer Yang-Qi-Schwäche des Magens (Leere-Kälte- Erkrankung) entwickeln (s.o.).

Feuchte-Hitze im Magen

Es handelt sich um eine Innen-Nässe-Hitze-Disharmonie

Feuchtigkeit und schleimfördernde Nahrung (Milchprodukte, zu viel Fettiges , auch Süßes sowie das Hitze för dernde Braten oder Grillen der Speisen können zu Feuchtigkeit, Hitzeentwicklung und Qi-Stagnation im Magen führen. Dadurch wird der mittlere Erwärmer blockiert. Durch weitere Qi-Stagnations- und damit Hitze fördernde Ursachen (s.u.) werden diese Prozesse noch verstärkt.

Feuchtigkeit und schleimfördernde Nahrung (Milchprodukte, zu viel Fettiges , auch Süßes sowie das Hitze för dernde Braten oder Grillen der Speisen können zu Feuchtigkeit, Hitzeentwicklung und Qi-Stagnation im Magen führen. Dadurch wird der mittlere Erwärmer blockiert. Durch weitere Qi-Stagnations- und damit Hitze fördernde Ursachen (s.u.) werden diese Prozesse noch verstärkt.

Epigastralgie, Völlegefühl, Schleimsymptome (Kehle, Bronchien, Nase, NNH) Sekrete schleimig, dick, klebrig, Übelkeit, Hitzegefühl, klebriger Mundgeschmack wenig Durst. Zungenbelag klebrig dick, schlüpfrig gelb. Puls schlüpfrig, rasch.

Therapie: Ma 44, Ma 43, Di 4, Di 11 klären Hitze, KG 9, MP 9, KG 12 unterdrücken Feuchtigkeit, KG 13 unterdrückt kontravektives Magen-Yang-Qi, Di 4, Ma 21, Ma 40 stellen Absteigen des Magen-Yang-Qi wieder her [4,8,11].

Rebellierendes Magen-Qi

Kommt es im Rahmen von Yang-Qi-Stagnation fördernden Disharmonien (Hitze- oder Kälte-Erkrankungen des Magens, emotionelle Belastungen mit Anspannung oder Fehlverhalten bei der Ernährung zur Blockade und Umkehr des Absteigens des Magen-Qi nach oben, treten Übelkeit, Schluckstörungen, refluxbedingtes Sodbrennen, saures oder bitteres Erbrechen bei Hitze sowie Erbrechen klarer Flüssigkeit bei Kältesyndromen als Hinweise auf die Rebellion des Magen-Yang-Qi auf.

Therapie: KS 6 und KG 10, KG 12, KG13 ggf. MP 4 und Ma 36 und Bl 21 wirken Magen-Yang-Qi absenkend [4,8,11]. Je nach ursächlicher Funktionsstörung bei Kälte zusätzlich Moxa an KG 12, Bl 21 und Ma 36. Bei Hitze Ma 44, Ma 45, bei Nässe MP 9 und Bl 20, ggf. Bl 21 (Moxa möglich), bei Schleimbelastung Ma 40, KG 12 [4,8,11].

Nahrungsretention im Magen

Es handelt sich um eine Innen-Fülle-Disharmonie

ist eine Innen-Fülle Disharmonie mit epigastrischem Völle- und Spannungsgefühl, erleichtert durch Erbrechen. Daneben kennzeichnen säuerlicher Foetor ex ore, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Singultus, gestörter Schlaf, sowie häufiger Wechsel von Obstipation oder Diarrhö das Krankheitsbild, dessen Ursache fast immer in ernährungsbedingtem Fehlverhalten zu suchen sind: Überessen, hastiges oder unregelmäßiges Essen in Hektik und Anspannung oder Stress sind meist die Auslöser.

Therapie: Absteigen des Yang-Qi fördern, Nahrungsretention beseitigen, KG 12 hemmt, unterdrückt Qi- Rebellion, KG 21 löst Nahrungsstagnation, fördert Absteigen, Ma 44, Ma 45 lösen Nahrungsstagnation, kühlen. KS 6 senkt Magen-Yang-Qi ab, fördert Absteigen [4,8,11].

Blutstase im Magen

Hier kommt es durch Blutstase bedingt zu stärksten Magenschmerzen, bohrend und stechend mit sehr starker Druckempfindlichkeit im Epigastrium, Übelkeit und ggf. auch zu Kaffeesatz-ähnlichem dunklem Bluterbrechen (z.B. beim Ulcus ventriculi oder Ulcus duodeni) mit gegebenenfalls violetter Zungenverfärbung und saitenförmigem Puls. Die Verursacher einer jeden Blutstase-Erkrankung sind immer in einer vorbestehenden Yang-Qi- Stagnation, hier des Magen-Yan-Qi, infolge starker emotioneller Belastung wie Kummer, chron. Trauer übergroßem Stress, Schockerlebnissen, Leber-Yang-Qi-Stagnation („Holz attackiert die Erde“) oder schwerem ernährungsbedingtem Fehlverhalten oder vorbestehenden chronischer Kälte- oder Hitze-Disharmonien zu suchen.

Therapie: Akutsituation! Schulmedizinische Notfallbehandlung erforderlich. Aber adjuvante Folgebehandlung zur Rezidivprophylaxe mit Ernährungsumstellung, Akupunktur und Chinesischer Phytotherapie, gegebenenfalls auch Psychotherapie, ist zu empfehlen.

Therapie: Blutstagnation auflösen, Blut bewegen, Absteigen fördern, Ma 21 beseitigt Obstruktion, MP 10 beseitigt Stagnation und bewegt Blut, Ma 34 (Xi.P.) bewegt Qi und Blut in der Leitbahn. Bl 17 und Bl 18 beseitigen Blutstagnation [4,8,11].

Ergänzende Diagnostik und Therapie

Grundsätzlich ist bei Schwäche eines Funktionskreises in der Diagnostik und Therapie von Disharmonien das Krankheitsbild im Kontext mit den Ursachen und der Energetik auf Störungen weiterer Wandlungsphasen zu analysieren. Am Beispiel der Mitte-Organe ist im Falle einer Schwäche-Disharmonie an eine Stärkung des Mutterelements Herz, das eventuell nicht genügend Feuer (Herz-Yang-Qi oder Herz-Blut) zum ordnungsgemäßen Ablauf der Resorptions-, Transformations- und Transportfunktionen liefert, oder auch dass zu wenig Wärme vonseiten des Nieren-Yang-Qi zur Verfügung steht, zu denken. Auch ein Magen- oder Milz-schwächender Übergriff des Elements Holz bei Yang-Qi-Stagnation ist zu berücksichtigen. Ebenso kann ein schwaches Metallelement der Mitte zu viel Energie entziehen, und als „Kind“ die „Mutter“ Erde schwächen. So ist in allen derartigen Fällen eine zusätzliche entsprechende Differenzialtherapie mit Tonisierung des schwächenden „benachbarten“ oder Sedierung des kontrollierenden Elements notwendig.

Magen und Psyche

Konzentrierte geistige Arbeit, klares Denken und umsichtige empathische „Fürsorglichkeit“ sind psychomentale Aspekte der Mitte, speziell der Milz, wobei der Magen selbstverständlich mit einzubeziehen ist. Mitte-geschwächte Patienten können emotional belastende Situationen (Ärger, Groll, Ängste, Sorgen, Stress usw.) dann häufig nicht richtig „verdauen“ und aufarbeiten, indem sie sie quasi „schlucken“ bzw. „sublimieren“, sie dann aber nicht im Sinne des emotionalen Loslassens auflösen oder verarbeiten können, sondern mit einem übersteigerten Gedankenkreisen und unablässigem Grübeln und „Sorgen um Alles und Nichts“ (nach Dr. S. Suwanda) ständig gedanklich immer wieder aufgreifen. Dieser permanente „Grübelzwang“ führt mit der Zeit zu einer Schwächung des Magen-Yin- und -Yang-Qi und auch der Milzfunktionen, was die emotionale Störung noch weiter verstärkt, und kann, wie die Praxis zeigt, zu Panikstörungen, aber auch zu Depressionen führen oder über eine Yang-Qi-Stagnation im schlimmsten Falle zum Blutstase-Syndrom mit Ulkusentstehung bzw. Magenblutung.

Therapeutisch kommen neben KG 13 und Ma 36, Bl 21, Bl 20, Bl 17 und Bl 18 und MP 10 [4,8,11] hier vor allem Antistresspunkte nach Bahr [6] wie Le 13 (ACTHWirkung!), Tranquilizerpunkte wie Ni 6 und gegebenenfalls der Antiärgerpunkt Le 3 infrage. Nach Möglichkeit sollte immer aber auch das Vorliegen eines eventuell vorhandenen „seelischen“ Traumas [12] abgeklärt werden, insbesondere dann, wenn keine anderen Ursachen für die Erkrankung der Mitte eruiert werden konnten.

Schlussbemerkung

Am Anfang der Behandlung jeglicher chronischen Erkrankung sollte zum Erreichen eines möglichst guten Behandlungserfolges für den Therapeuten immer die Abklärung und Therapie von Erkrankungen der Mitte neben der Ausschaltung von Energieblockaden wie Störherden, toxischen Belastungen, ernährungsbedingten beziehungsweise Lifestyle-verursachten Schädigungen besonders aber auch psychogenen Blockierungen stehen. Die Erkenntnisse der TCM sowie die neuen diagnostischen Entwicklungen in der klassischen Akupunktur und Aurikulomedizin bieten dazu sehr erfolgreiche Möglichkeiten an.

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Dr. Arnfried Reis