Ich möchte einen interessanten Fall präsentieren, der mit Balanceakupunktur behandelt wurde.

Die Balanceakupunktur ist ein System, das sich sehr genau an der chinesischen Klassik orientiert. Das Grundprinzip ist, das Akupunktur ausschließlich auf Leitbahndiagnostik beruht, es wird keine Zang Fu Diagnostik gemacht. Dies ist eine Domäne der Kräutermedizin. Es wird grundsätzlich eine lokale von der globalen Balance unterschieden. Während die lokale Balance regional begrenzte, lokale Beschwerden, meist Schmerzen behandelt, kann die globale Balance komplexe Beschwerdebilder behandeln, die den ganzen Körper betreffen.

In diesem Fall habe ich die Strategie der 12 magischen Punkte gewählt, eine spezielle Technik der globalen Balance. Sie ist dann nützlich, wenn es Sinn macht, alle 12 Leitbahnen zu aktivieren. Mit magisch sind nicht die Punkte gemeint, sondern die Strategie, die magisch ist, weil sie so besonders effizient ist. Das Grundprinzip der 12 magischen Punkte entspricht den Grundlagen der globalen Balance.

Es sind 2 Aspekte wichtig, die statische und die dynamische Balance, beide müssen erfüllt sein:

  • Die dynamische Balance verlangt eine abwechselnde Abfolge von Yin- und Yang-Leitbahnen im oder gegen den Uhrzeigersinn (Abb. 1). Dadurch ergeben sich je 2 dynamische Achsen in der Diagonale, 1 x Yin und 1 x Yang.

  • Die statische Balance orientiert sich an Baukonstruktionen, die ein stabiles Gerüst brauchen (Abb. 2). Das Prinzip ist, dass zwischen den Leitbahnen nach dem gezeigten Gerüst ein funktionelles Verhältnis bestehen muss. Dann ist zwischen den Punkten an den 4 Extremitäten eine stabile Balance gegeben.

Bei der Strategie der 12 magischen Punkte ist sowohl die dynamische als auch die statische Balance erfüllt.

Abb. 1
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(aus: Lorenzen/Noll: Die Wandlungsphasen der Traditionellen Chinesischen Medizin, Band 1: Die Wandlungsphase Holz)

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Abb. 2

Es werden die antiken Punkte gestochen, die in 4 Gruppen eingeteilt werden. Die erste befindet sich im Bereich der Finger und Zehen, entspricht den Jing-Brunnen oder angrenzenden Punkten. Die zweite Gruppe liegt im Bereich der Mittelhand und des Mittelfußes, sie entspricht den Shu-Bach oder angrenzenden Punkten, mit Ausnahme der Punkte an den Yin-Leitbahnen der oberen Extremität, da sind es die Ying-Quellpunkte. Die dritte Gruppe befindet sich im Bereich des Handgelenks und distalem Unterarm bzw. Sprunggelenk und distalem Unterschenkel. Die Punkte sind die Jing-Fluss und benachbarte Punkte. Die vierte Gruppe liegt im Bereich der Ellbogen und proximalem Unterarm bzw. Kniegelenke und proximalem Unterschenkel. Sie entsprechen den He-Meer und benachbarten Punkten. In erster Linie werden die antiken Punkte genadelt, dies ist nicht zwingend notwendig, es können auch benachbarte Punkte und Ashi Punkte behandelt werden.

Die Punkte können wie folgt angeordnet werden:

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Das sind alle Varianten im Uhrzeigersinn, sie sind genauso gegen den Uhrzeigersinn möglich, daraus ergeben sich gesamt 16 Möglichkeiten der Anordnung.

Beim Fallbeispiel handelt es sich um einen 58-jährigen Patient mit einer seit 2 Jahren rezidivierenden Proteinurie und Mikrohämaturie, weiter ist eine arterielle Hypertonie seit 5 Jahren bekannt. Diese wird mit Candesartan, Amlodipin und Co-Dilatrend behandelt. Weitere Abklärungen beim Angiologen, Kardiologen, sowie eine Gastro- und Koloskopie waren unauffällig. Laut Nephrologie handelt es sich bei in der Autoimmundiagnostik positivem PLA2R Antikörper um eine membranöse Glomerulonephritis, seit Mai 2020 bestehende chronischer Niereninsuffizienz und großer Proteinurie. Eine weitere Abklärung mittels Biopsie wurde vom Patienten abgelehnt. Eine Therapie mit Rituximab (Mabthera) wurde empfohlen, aber auch abgelehnt.

Der Patient wünschte vorerst eine ausschließliche Behandlung mit Akupunktur, außerdem bekam er eine TCMErnährungsberatung. Meine Empfehlung war, es zu machen bei engmaschigen Laborkontrollen. Die Akupunkturtherapie wurde im Juni begonnen, allerdings zu Beginn mit langen Abständen zwischen den Sitzungen, ab August wurden 2 Behandlungen pro Woche durchgeführt. Die Laborwerte (Kreatinin 1,7 mg/dl, GFR 41, Harnstoff 31 mg/dl, PLA2R Antikörper 55.98 U/ml, Harnbefund: Totalprotein 10600 mg/l) vom August 2020 haben sich im Vergleich zur Vorkontrolle auf diesem Niveau stabilisiert.

Ich habe mich in diesem Fall für die beschriebene Strategie der 12 magischen Punkt entschieden. Die Abbildung zeigt die Anordnung der Punkte (Abb. 3). Die Grundüberlegung war, mit Niere 1 zu beginnen, um eine starke Aktivierung der Nierenleitbahn zu erreichen.

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Abb. 3

Nach 4 Wochen Therapie erfolgte eine erneute Laborkontrolle. Es zeigte sich ein sehr erfreuliches Ergebnis, sowohl die Nierenwerte als auch die Harnwerte und die Autoimmundiagnostik (PLA2R-Antikörper) verbesserten sich deutlich: Kreatinin 1,5 mg/dl, GFR 49,9, Harnstoff 20 mg/dl, PLA2R Antikörper 20 U/ml, Totalprotein 2800 mg/l.

Dieses Beispiel zeigt sehr schön die magische, also besonders effiziente Wirkung der Balanceakupunktur. In dem Fall wurde für die Behandlung die Strategie der 12 magischen Punkte, einer speziellen Form der globalen Balance, gewählt. Sie eignet sich besonders gut für komplexe Beschwerdebilder wie in dem Fallbeispiel gezeigt.

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Dr. Niksa Bareza