Einleitung

Fernsehen stellt nach Hausaufgaben und Lernen die häufigste Freizeitaktivität von Kindern dar. Aktuellen Daten zufolge geben 97% der 6- bis 13-Jährigen an, mindestens ein- oder mehrmals die Woche fernzusehen (Kutteroff et  al. 2009, S.  9). Zugleich rangiert der TV-Konsum bei den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen nach „Freunde treffen“ und „draußen spielen“ auf dem dritten Platz (Kutteroff et  al. 2009, S.  11). Das Fernsehen ist daher das mit Abstand am meisten genutzte und auch beliebteste Medium der jungen Zielgruppe. Betrachtet man die Sehdauer unterschiedlicher Programmsparten, zeigt sich, dass bei den 3- bis 13-Jährigen 11% des Fernsehkonsums auf Werbung entfallen (Feierabend u. Klingler 2009a, S.  125). Aus diesen Gründen handelt es sich bei der TV-Werbung um die von Kindern am stärksten wahrgenommene Werbeform (Baacke et  al. 1999, S.  63).

Vor diesem Hintergrund ist ein wachsendes allgemeines Interesse am Forschungsbereich „Kinder und Werbung“ sowie an der Werbekompetenzforschung festzustellen. Es stellt sich die Frage, inwiefern Kinder die Absicht der Werbung, Besitzwünsche und Konsuminteresse zu wecken, erkennen und daher kompetent handeln. Die wissenschaftliche Forschung, politische Entscheidungsträger und Konsumentenvereine sowie Pädagogen und Eltern haben sich dieser Problematik angenommen. Zwei Entwicklungen tragen maßgeblich zur Relevanz der Thematik bei. Erstens nimmt die Kommerzialisierung der Kindheit klar zu. So vervielfacht sich nicht nur die Anzahl der TV-Sender und Werbespots für Kinder, sondern es treten auch neue Formen auf, wie z. B. Plakate in Schulen oder die Platzierung von Marken im Internet oder Computerspielen. Zweitens bereitet das zunehmende Übergewicht von Kindern Grund zur Sorge, welches oft in engen Zusammenhang mit der Vermarktung von ungesunden Lebensmitteln gebracht wird (Kunkel 2005, S.  401).

Häufig wird ein Verbot der Werbung im Kinderprogramm als mögliche Lösung der Problematik diskutiert, welches in einigen europäischen Ländern auch bereits umgesetzt wurde. Es muss aber beachtet werden, dass der TV-Konsum und die Programmpräferenzen von 10-Jährigen bereits näher bei den Erwachsenen liegen als bei Vorschülern (Adler u. Faber 1980, S.  22; Feierabend u. Klingler 2009a, S.  121). Das bedeutet, dass diese Kinder trotz eines derartigen Verbots beim Fernsehkonsum mit Werbung konfrontiert werden und mit dieser umgehen müssen. Es muss daher Ziel aller Beteiligten sein, die Werbekompetenz von Kindern aktiv zu fördern, um ihnen ein Rüstzeug für die Anforderungen der modernen Konsum- und Medienwelt mitzugeben (Meister u. Sander 2000, S.  338).

Um diese Zielsetzung zu erreichen, ist es notwendig zu verstehen, wie Werbekompetenz entsteht und welche Faktoren die Entwicklung beeinflussen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den bestehenden Forschungsstand, stellt Übereinstimmungen und Widersprüche in den Ergebnissen dar und zeigt auf, wo die wesentlichen Defizite bestehen. Zudem werden auf der Basis der Theorien des Selbstwerts und der kognitiven Dissonanz weitere mögliche Einflussfaktoren identifiziert, welche in der Literatur bislang keine Berücksichtigung fanden. Es wird vermutet, dass die durch das Körpergewicht geprägte Selbstwertschätzung von Kindern, ihr Ernährungsverhalten und das ihrer Familien einen Einfluss auf die Entwicklung der Werbekompetenz haben. Dies ist insbesondere für den Bereich der Lebensmittelwerbung von großer Bedeutung. Die Betrachtung des Einflusses dieser zusätzlichen Faktoren stellt ein Novum dar. Die bisherigen Arbeiten in diesem Bereich stammen neben den Wirtschaftswissenschaften aus unterschiedlichen Disziplinen, wie beispielsweise der Psychologie, der Publizistik oder der Medizin. Diese haben bisher jedoch ausschließlich die möglichen Auswirkungen des Werbekonsums auf das Ernährungsverhalten und Übergewicht untersucht, nicht aber den Einfluss beispielsweise der Korpulenz auf die Entwicklung der Werbekompetenz betrachtet.

Die zwei Ziele des Beitrags sind daher die Folgenden:

  • Darstellung des Forschungsstands zu den Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Werbekompetenz

  • Identifikation zusätzlicher Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Werbekompetenz insbesondere im Zusammenhang mit der Lebensmittelwerbung.

Aufgrund des Medienverhaltens der Kinder beschäftigt sich der Beitrag ausschließlich mit Fernsehwerbung und auch die Begriffe Werbung und Werbekompetenz beziehen sich immer, falls nicht ausdrücklich anders festgelegt, auf diese.

Werbekompetenz

Werbekompetenz kann als Fähigkeit der „Verarbeitung der Wirkung von Werbung“ definiert werden (Klein 1996, S.  5).Footnote 1 In der Literatur wird meist ein Vier-Stufen-Prozess beschrieben, obgleich es sich dabei um eine stetige Entwicklung handelt. Das Erlangen der Stufen wird durch verschiedene Fähigkeiten festgelegt (Fischer 1997, S.  148; Klein 1996, S.  5; Roedder John 1999, S.  5 ff.):

  • Stufe 1: Fähigkeit, Werbung vom sonstigen Fernsehprogramm zu unterscheiden

  • Stufe 2: Fähigkeit, die auf Überzeugung zielende Absicht der Werbung zu erkennen und sie nicht fälschlich als objektive Produktinformation zu verstehen

  • Stufe 3: Fähigkeit, einen Werbespot gezielt zu interpretieren und Täuschungen oder Verzerrungen zu identifizieren

  • Stufe 4: Fähigkeit, die Strategien und Techniken der Werbung zu durchschauen

An diesen Ansatz kann von verschiedenen Lehrmeinungen herangegangen werden (Robertson u. Rossiter 1974, S.  20). Es spielen sowohl die Theorien der kognitiven Entwicklung als auch jene der sozialen Entwicklung eine Rolle. Erstere gehen auf das Werk von Piaget in den 1960er Jahren zurück und sehen das Lernen als einen kognitiven, psychologischen Prozess, bei dem die eigene Umwelt logisch erfasst wird (Chan u. McNeal 2006, S.  40; Ginsburg u. Opper 1988). Demgegenüber stehen bei den Theorien der sozialen Entwicklung Sozialisierungsagenten im Vordergrund, welche bestimmte Normen, Verhaltensregeln, Motivationen und Einstellungen auf den Lernenden übertragen (Moschis u. Churchill 1978, S.  600; Selman 1980). Als mögliche Agenten kommen neben den bekannten Faktoren, wie beispielsweise Eltern, Fernsehkonsum oder Schule, noch etliche andere in Frage, welche in weiterer Folge Gegenstand des Beitrags sind.

Stufe 1: Zur Unterscheidung zwischen Programm und Werbung dienen dem Kind anfangs vorwiegend hervorstechende visuelle und auditorische Reize (Gunter u. Furnham 1998, S.  114). Die grundlegendste Feststellung des Kindes besteht in der Erkenntnis, dass die Werbung kurz und das redaktionelle Programm lang ist (Palmer u. McDowell 1979; Ward 1972, S.  39). Je mehr Szenen- und Tempowechsel sowie Bild- und Soundeffekte stattfinden, das heißt, je komplexer die Werbung ist, desto höher ist die Aufmerksamkeit des Kindes (Gunter u. Furnham 1998, S.  114; Neuß 1999, S.  69). Diese führt wiederum dazu, dass die Werbeunterbrechung des Programms vom Kind eher als eine solche erkannt wird (Wartella u. Ettema 1974). Zudem zeigen Studien, dass so genannte Separatoren, die den Beginn oder das Ende eines Werbeblocks ankündigen, zur leichteren Unterscheidung beitragen (Ballard-Campbell 1983; Ploetz 1999, S.  90).

Das Differenzieren zwischen Programm und Werbung impliziert aber nicht, dass das Kind bereits die Absicht letzterer versteht, den Zuseher zum Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung anzuregen (Butter et  al. 1981, S.  56). Anfangs empfinden Kinder die Spots nur als unterhaltsam und lustig bzw. als eine Form objektiver Produktinformation (Roedder John 2002, S.  37; Young 2000). Sie können diese zwar identifizieren, oft aber nicht erklären, worin der Unterschied zum redaktionellen Programm besteht (Roedder John 1999, S.  6; Ward 1972, S.  38). Dies entspricht der ersten Stufe der Werbekompetenz.

Stufe 2: Auch beim Erkennen der persuasiven Intention handelt es sich um einen schrittweisen Prozess, da ein Kind Werbung weder vollkommen, noch überhaupt nicht versteht (Bjurström 2000, S.  27). Allmählich entwickelt das Kind ein Bewusstsein dafür, dass TV-Spots nicht nur informieren, sondern auch überzeugen wollen und darüber hinaus „nicht immer die Wahrheit sagen“ (Robertson u. Rossiter 1974, S.  17; Ward 1972, S.  42). In der zweiten Stufe werden noch häufig Generalisierung wie „die Werbung lügt immer“ gebraucht (Bever et  al. 1975, S.  119).

Stufe 3: Mit der dritten Stufe der Werbekompetenz entwickelt sich eine differenzierte Wahrnehmung der Werbung (Bever et  al. 1975, S.  119). Das Kind erkennt dann nicht nur die allgemeine Absicht sondern auch konkrete Verzerrungen und Täuschungen in bestimmten Spots und führt eine getrennte Bewertung jeder einzelnen Werbung durch. In dieser Zeit tritt generell auch eine negativere Einstellung gegenüber der TV-Werbung auf (Roedder John 1999, S.  10).

Stufe 4: Die vierte Stufe umfasst das Wissen über Strategien und Techniken, die in der Werbung eingesetzt werden. Diese Ebene wird zumeist erst im jugendlichen Alter erreicht (Friestad u. Wright 1994, S.  24; Paget et  al. 1984). Ergebnisse der Studie von Boush et  al. (1994, S.  172) an 11- bis 14-Jährigen zeigen, dass sich das Wissen über Werbestrategien und -taktiken in dieser Zeit noch stark entwickelt, wohingegen die Skepsis gegenüber Werbung über die Alterklassen hinweg annähernd konstant bleibt, das heißt, bereits mit 11 Jahren annähernd fertig ausgebildet zu sein scheint.

Basierend auf dieser Definition kann davon ausgegangen werden, dass ein Kind dann in der Lage ist, Werbung kritisch zu betrachten, wenn es in etwa die dritte Stufe der Werbekompetenz erreicht hat. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass Kinder wie auch Erwachsene sich unter Umständen die Fernsehwerbung gerne ansehen und gegenüber speziellen Spots Sympathien hegen (Riecken u. Yavas 1990). Tendenziell mögen Kinder lustige Werbung am liebsten (Chan 2000, S.  44; Kapoor u. Verma 2005, S.  30; Ward 1972, S.  41). Werbekompetenz kann daher auch nicht als Mittel zur Immunität gegenüber der Werbewirkung aufgefasst werden. Unabhängig vom Lebensalter kann ein einzelner Spot für den Zuseher sehr unterhaltsam und überzeugend sein (Robertson u. Rossiter 1974, S.  19).

Bekannte Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Werbekompetenz

Das Erlangen der Werbekompetenz ist also als schrittweiser Prozess zu verstehen, den ein Kind im Zuge seiner Entwicklung durchläuft. Wie die Studienergebnisse zeigen, erreichen gleichaltrige Kinder die Stufen aber oft zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Oates et  al. 2003, S.  69; Roedder John 1999, S.  10). Dies lässt auf das Vorhandensein von Faktoren schließen, welche den Prozess beschleunigen oder auch hemmen können. Im folgenden Abschnitt wird der diesbezügliche Stand der Literatur präsentiert.

Vorhandene Modelle

Einige Autoren entwickelten bereits Ansätze, welche mehrere mögliche Einflussquellen untersuchen und zueinander in Beziehung setzen. Diese werden in weiterer Folge Modelle genannt. Es interessieren auch Studien mit einem Fokus auf die Konsumentensozialisation, da Werbekompetenz ein Ergebnis dieses Prozesses darstellt (Roedder John 2002, S.  72). Die relevanten Arbeiten und untersuchten Faktoren werden in Tabelle 3 dargestellt (siehe Anhang).

Es zeigt sich, dass beim Faktor Alter mit Abstand am häufigsten ein Zusammenhang mit der Entwicklung der Werbekompetenz festgestellt wird. Allerdings muss erwähnt werden, dass die Anzahl der Untersuchungen nicht mit dem tatsächlichen Einfluss eines Faktors gleichzusetzen ist. Das bedeutet, dass ein Faktor, der bisher wenig erforscht wurde, trotzdem in einer starken Beziehung zum interessierenden Prozess stehen kann. Summiert man jedoch die Ergebnisse dieser Aufstellung, ergibt sich folgende Reihenfolge der Faktoren nach der Anzahl der Studien, die einen Einfluss auf die Entwicklung der Werbekompetenz feststellen konnten: Alter, Interaktion mit Peers,Footnote 2 Fernseh- und Werbekonsum, Interaktion mit Eltern und Geschwistern, soziale Klasse, Schulbildung, Geschlecht, Bildung der Eltern, Gestaltung der Werbung, Erziehungsstil, Intelligenz, Familienstruktur.Footnote 3

Die Studien weisen mitunter widersprüchliche Ergebnisse auf, was an den abweichenden Fragestellungen, den verschiedenen eingesetzten Methoden, dem Zeitpunkt der Durchführung oder anderen Gründen liegen mag. Interessant ist beispielsweise das Geschlecht, bei dem einige Studien einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung der Werbekompetenz gefunden haben, eine größere Anzahl von Arbeiten jedoch keinen signifikanten Zusammenhang feststellen konnte. Bei der Familienstruktur ergibt sich einmal ein vermuteter sowie einmal kein Zusammenhang. Bei mehreren anderen Faktoren stehen mehreren Studien, die einen Einfluss zeigen, jeweils wenige Untersuchungen gegenüber, die auf keinen Zusammenhang schließen lassen. Hier besteht offensichtlich noch weiterer Forschungsbedarf.

In den nächsten Abschnitten soll auf die einzelnen Faktoren im Detail eingegangen werden. Nach den Modellen, die jeweils eine größere Anzahl von Einflussfaktoren analysierten, werden im Folgenden jene Publikationen vorgestellt, die sich nur mit ein oder zwei Einflussquellen auf die Entwicklung der Werbekompetenz befassten.

Alter

Im Hinblick auf die Einflussfaktoren auf das Erlangen der Werbekompetenz ist das Alter der Kinder die mit Abstand am meisten erforschte Variable. Tabelle 4 gibt einen Überblick über eine Auswahl der vorhandenen Studien in diesem Bereich und zeigt auf, zu welch unterschiedlichen Ergebnissen die Autoren kommen (siehe Anhang).

Trotz der überwiegend einheitlichen Fragestellungen der Studien unterscheiden sich die Methoden, Herangehensweisen und Foki. Nicht alle Arbeiten untersuchen sämtliche der vier Stufen der Werbekompetenz. Zudem werden die Entwicklungsschritte nicht einheitlich definiert, was bedeutet, dass nicht alle Autoren die oben beschriebenen vier Stufen als Beurteilungskriterien herangezogen. Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, wurden die jeweiligen Ergebnisse auf die vier Stufen übertragen. Daraus ergeben sich die in Tabelle 1 dargestellten Altersgruppen beim Erreichen der einzelnen Stufen.

Tabelle 1 Altersgruppen beim Erreichen der Stufen der Werbekompetenz

Vergleicht man die Ergebnisse für die Erreichung der ersten Stufe der Werbekompetenz, also die Unterscheidung zwischen Werbung und Programm, so ergibt sich eine Bandbreite von 2 bis 8 Jahren. Das gleiche Bild wird bei der zweiten Stufe, dem Erkennen der persuasiven Absicht der Werbung, ersichtlich. Hier umfasst die Altersspanne sogar 2 bis 12 Jahre. Die Autoren führen verschiedene Begründungen an, weshalb sich die Studienergebnisse bei ähnlichen Fragestellungen derart unterscheiden.

Auffallend ist, dass jene Studien, welche den Kindern besonders früh Werbekompetenz zusprechen (mit 2 bis 3 Jahren), mit nonverbalen Messmethoden arbeiten (Donohue et  al. 1980; Levin et  al. 1982). Die Autoren meinen, dass die Mehrheit der Kinder schon in einem sehr jungen Alter in der Lage ist, Werbung zu erkennen und zu verstehen. Ihre verbale Ausdrucksfähigkeit befindet sich jedoch noch nicht auf dem gleichen Entwicklungsstand, weshalb das Kind das konkrete Verständnis nicht artikulieren kann (Donohue et  al. 1980, S.  52). Kritiker entgegnen, dass eine beobachtete Reaktion auf Werbung nicht automatisch mit geistigen Fähigkeiten und Wissen gleichgesetzt werden kann (Bjurström 2000, S.  26).

Andere Studien setzen das durchschnittliche Alter der Kinder beim Erreichen der Stufen hingegen überraschend hoch an. So kommen beispielsweise Oates et  al. (2002, S.  242  ff.) nach der Durchführung von Fokusgruppen zu dem Ergebnis, dass sich zwei Drittel der Zehnjährigen in ihrer Stichprobe zwar an einen Spot erinnern können, dessen persuasive Intention aber nicht verstehen. Die Messung des Verständnisses für die Absicht der Werbung erfolgte bei dieser Studie über eine offene, ungestützte Frage. Die Auswertung zeigt weiters, dass keines der sechsjährigen Kinder und nur ein Viertel der Achtjährigen angeben, dass die Intention der Werbung die Überzeugung des Zusehers sei. Die häufigste Antwort über alle Altersgruppen hinweg ist, dass Werbung einfach Informationen über neue Produkte vermitteln will. Die Autoren weisen darauf hin, dass ihre Resultate einerseits im Widerspruch zu anderen Arbeiten, wie beispielsweise jener von Donohue et  al. (1980), stehen. Andererseits ergeben sich Übereinstimmungen, wie z. B. mit Paget et  al. (1984), dahingehend, dass sich eine effektive verbale Artikulationsfähigkeit der Absicht der Werbung bis zum 8. Lebensjahr noch nicht vollständig entwickelt hat. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die von Oates et  al. (2002) angewandte Methodik für eine Einschätzung der Werbekompetenz geeignet ist. Möglicherweise bedarf es eines umfassenderen Tests, was die Abweichungen der Erkenntnisse von Oates et  al. (2002) von den relativ konsistenten Ergebnissen vieler anderer Studien erklären könnte. Weitere Beispiele für Autoren, die ein vergleichsweise spätes Erlangen der Werbekompetenz feststellen, sind Bever et  al. (1975) oder Jarlbro (2001). Insgesamt kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die oben angeführten durchschnittlichen Altersgruppen für die Mehrheit der Kinder zutreffend sind.

Sowohl bei den Modellen, als auch bei den Einzelstudien ist das Alter der am häufigsten untersuchte Faktor. Im Rahmen der Modelle wurde bei allen 13 Arbeiten, die sich mit dem Alter beschäftigen, ein positiver Zusammenhang mit dem Erlangen der Werbekompetenz nachgewiesen. In der Literatur herrscht somit Einigkeit darüber, dass diese Entwicklung durch steigendes Alter positiv beeinflusst wird. Einschränkend ist aber festzuhalten, dass die Studien in Bezug auf das jeweilige Alter, in dem die verschiedenen Stufen der Werbekompetenz erreicht werden, aus unterschiedlichen Gründen erhebliche Unterschiede aufweisen.

Familiäres Umfeld

Die Familie agiert wie ein Filter für die Erfahrungen des Kindes mit dem Fernsehen (Brown u. Linné 1976, S.  184). Zahlreiche Studien beschäftigten sich mit diesem Zusammenhang und untersuchten die verschiedenen Bereiche. Unter dem Begriff des familiären Umfelds werden die Faktoren Interaktion mit Eltern und Geschwistern, Erziehungsstil, soziale Klasse, Bildung der Eltern und Familienstruktur subsumiert, die bei den Modellen in Zusammenhang mit der Entwicklung der Werbekompetenz gebracht werden. Einzelstudien liegen allerdings nur zu den ersten drei der genannten Faktoren vor. Tabelle 5 gibt einen Überblick der Literatur (siehe Anhang). Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, bestätigen die betrachteten Arbeiten den Einfluss der Familie auf die Werbekompetenz bzw. auf die Konsumentensozialisation.

Im Umfeld der Familie kann ein Kind von seinen Eltern und Geschwistern auf vielfältige Weise lernen (Reid 1979, S.  13). Einerseits kann es das Verhalten der Personen beobachten und andererseits auf eigene oder fremde Initiative mit der Familie in verschiedenen Konsumsituationen bzw. bei der Fernsehnutzung in Wechselbeziehung treten. Zudem finden Konsumaktivitäten unter elterlicher Führung statt (Ward et  al. 1977, S.  167). Bei der Mediennutzung sind neben Regeln für den TV-Konsum ein aktives gemeinsames Schauen (Co-Viewing) und die Diskussion über gesehene Inhalte für das Kind besonders wichtig (Buckingham 2004, S.  38). Eine solche Mediation kann die positiven Effekte des Fernsehens verstärken bzw. auftretende Konflikte eindämmen (Brown u. Bryant 1990; Brown u. Linné 1976, S.  184; Van der Voort 1986). Die Studie von Messaris (1986, S.  533) zeigt, dass die Eltern die Entwicklung der Wahrnehmungsfähigkeit von Realität und Fiktion maßgeblich beeinflussen können, was z. B. zu einer leichteren Unterscheidung zwischen Programm und Werbung führt. Die Interaktion mit den Eltern wird stark durch den Erziehungsstil beeinflusst. Dieser bestimmt unter anderem, welche Kommunikationsmuster in der Familie nicht nur in Bezug auf Mediennutzung bestehen sowie wie oft, wie lange, in welchem Umfeld und was ein Kind fernsehen darf und wie dies kontrolliert wird (Brown u. Linné 1976, S.  188; Carlson u. Grossbart 1988, S.  88; Furnham 2002, S.  139).Footnote 4 Auch die Einstellung der Eltern gegenüber Werbung, die sie auf das Kind übertragen, variiert (Rose et  al. 1998, S.  80).

Zudem ist die soziale Klasse entscheidend für den Umgang mit Werbung. Einige Studien beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen dem Einkommen bzw. der Milieuzugehörigkeit und der Werbekompetenz. Obwohl die Anzahl der Arbeiten vergleichsweise geringer ist, weisen die Ergebnisse, wie in Tabelle 5 (siehe Anhang) beschrieben, deutlich auf Auswirkungen der sozialen Klasse auf den Medienumgang und die Kommunikationsmuster in der Familie sowie auf die Werbekompetenz des Kindes hin. (Bearden et  al. 1979, S.  310 f.; Feierabend u. Klingler 2009b, S.  402 ff.; Unnikrishnan u. Bajpai 1996, S.  166).

Über den Einfluss des familiären Umfelds herrscht in der Literatur ein großes Maß an Einigkeit. Sowohl bei den soeben vorgestellten Studien, wie auch bei den Modellen wurde dieser weitgehend bestätigt. Im Vergleich der untersuchten Modelle wurde der Faktor Interaktion mit Eltern und Geschwistern nach dem Alter am häufigsten, nämlich in zehn Studien, in Zusammenhang mit dem Erlangen der Werbekompetenz gesetzt. In drei Arbeiten (Chan u. McNeal 2006; Ploetz 1999; Robertson u. Rossiter 1974) konnte keine solche Korrelation festgestellt werden. Chan und McNeal (2006, S.  51) sehen dieses Ergebnis allerdings als Besonderheit der chinesischen Kultur, in welcher die Untersuchung durchgeführt wurde. In dieser liegt der Fokus der Eltern auf der schulischen Ausbildung und dem moralischen Verhalten des Kindes, weshalb sie weniger motiviert sein könnten, eine aktive Rolle in der Medienerziehung zu übernehmen, wozu ihnen zudem die Zeit fehlt. Bei der sozialen Klasse und Bildung der Eltern wurde bei den Modellen sieben- bzw. zweimal ein Zusammenhang gezeigt und nur bei ersterer einmal widerlegt (Macklin 1987). Ein Einfluss der Familienstruktur, das heißt der Geburtenreihenfolge oder Anzahl der Geschwister auf die Werbekompetenz, wurde einmal vermutet (Borgelt 2006) und einmal nicht nachgewiesen (Robertson u. Rossiter 1974), während jener des Erziehungsstils nur bei Borgelt (2006) explizit analysiert wird. Der Erziehungsstil bestimmt aber in einem gewissen Ausmaß die Interaktion zwischen Eltern und Kind, weshalb ihm wohl eine Bedeutung zukommt.

Zusammenfassend kann jedenfalls gesagt werden, dass angefangen vom breiten sozialen Umfeld bis hin zu der sehr persönlichen Beziehung zwischen Eltern und Kind ein starker Einfluss auf die Entwicklung der Werbekompetenz stattfindet. Das Umfeld wird vor allem durch die soziale Zugehörigkeit bestimmt, während die Eltern-Kind-Beziehung durch den Bildungsstand der Eltern und den Erziehungsstil geprägt wird. Bezüglich gewisser Zusammenhänge besteht allerdings noch Forschungsbedarf.

Fernseh- und Werbekonsum

Für den Forschungsbereich der Werbekompetenz ist das Wissen über den Fernsehkonsum von besonderer Wichtigkeit. So können Daten über die Sehdauer des Kindes zur Schätzung der Kontakthäufigkeit mit Werbung herangezogen werden. Informationen über die Fernsehzeiten und die Beliebtheit der Programme helfen wiederum bei der Bestimmung der Arten von Spots, mit denen ein Kind konfrontiert wird (Adler u. Faber 1980, S.  13). Darüber hinaus könnte der Fernseh- und Werbekonsum eine weitere Einflussquelle auf die Entwicklung der Werbekompetenz sein. In Tabelle 6 wird ein Überblick der vorhandenen Arbeiten in diesem Bereich gegeben (siehe Anhang).

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist das Fernsehen das am häufigsten genutzte Medium der Kinder und spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben und ihrer Entwicklung (Lyle u. Hoffman 1979, S.  58). Im Gegensatz zu anderen Medien setzt der Fernsehkonsum keine Fähigkeiten wie Lesen oder Schreiben voraus, weshalb dieser ab dem Kleinkindalter möglich ist. Im Jahr 2008 kamen 3- bis 13-Jährige auf eine durchschnittliche SehdauerFootnote 5 von 86 Minuten pro Tag sowie eine VerweildauerFootnote 6 vor dem Fernseher von 145 Minuten pro Tag, wobei in rund 11  Prozent der Zeit Werbung konsumiert wird (Feierabend u. Klingler 2009a, S.  113  ff.). Mit den Auswirkungen dieser Verhaltensmuster befassten sich diverse Studien, wobei diese zu teilweise unterschiedlichen Ergebnissen führten.

Rossiter (1980b, S.  178  f.) beschäftigt sich mit vier möglichen Auswirkungen der Fernsehwerbung, wobei hier insbesondere die Effekte durch häufigen Werbekonsum sowie die Wiederholungseffekte interessieren. Die Studie zeigt, dass vermehrter Werbekonsum bei Jungen innerhalb einer Altersgruppe weder eine Verlangsamung noch eine Beschleunigung der Entwicklung des kognitiven Verständnisses bewirkt. Allerdings haben Vielseher in jeder Altersgruppe eine positivere Einstellung sowohl gegenüber der Werbung, als auch gegenüber den beworbenen Produkten. Diese auffallende Tendenz kann auf den gesteigerten Werbekonsum, nicht jedoch auf die kognitiven Fähigkeiten zurückgeführt werden. Das bedeutet, dass ein Kind durch häufiges Werbefernsehen zwar öfter, dennoch aber nicht leichter bzw. unreflektierter von Werbung überzeugt werden kann. Es muss allerdings angemerkt werden, dass jene Studie nur mit Jungen durchgeführt wurde, was der Autor als mögliche Limitation beschreibt. Zudem stellt sich hier, wie auch in einigen anderen Fällen, die Frage, wie aktuell die Ergebnisse heute noch sind. So zeichnet die Studie von Vandewater et  al. (2005b, S.  574  ff.) ein etwas anderes Bild. Sie beschäftigen sich mit den Auswirkungen eines durchgehend laufenden Fernsehers auf die Familie, wobei festgestellt wird, dass Kinder in solchen Vielseher-Haushalten mehr fernsehen als andere Kinder. Gleichzeitig lesen sie weniger bzw. es wird ihnen weniger vorgelesen und die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder selbst lesen können, ist geringer. Auf der anderen Seite ergeben sich keine Unterschiede bei der Zeit, die mit Spielen im Freien oder im Haus verbracht wird.

Bezüglich der Wiederholungseffekte geht Rossiter (1980b, S.  180  f.) davon aus, dass das mehrmalige Sehen keinen Effekt auf die Überzeugungskraft einer Werbung hat, während andere Arbeiten auf den Mere-Exposure-Effekt (Effekt der bloßen Darstellung) hinweisen. Dieser besagt, dass sich die wiederholte Aussetzung gegenüber einem Reiz, wie z. B. der TV-Werbung, positiv auf das Gefallen auswirken kann (Zajonc 1968, S.  1). Durch die Wiederholung kann daher die Einstellung eines Kindes gegenüber einem Spot positiver werden (Eagle 2007, S.  107; Gunter u. Furnham 1998, S.  133). Die Studie von Gorn und Goldberg (1980, S.  424) zeigt, dass die Wiederholung der Spots für eine Marke auch positiv auf die Einstellung des Kindes gegenüber der Marke und zum Teil auf das Konsumverhalten wirken kann.

Bei den Modellen weisen die Ergebnisse von zehn Arbeiten auf einen Zusammenhang zwischen dem Fernseh- und Werbekonsum und der Entwicklung der Werbekompetenz hin, jedoch unterscheiden sich diese in der Richtung. Während beispielsweise Mangleburg und Bristol (1999) sowie Moschis und Churchill (1978) durch verstärkten TV-Konsum positive Effekte auf die Konsumentensozialisation und Werbekompetenz erkennen, stellen Chan und McNeal (2006) sowie Kapoor und Verma (2005) einen negativen Zusammenhang fest. So beobachten Kapoor und Verma (2005, S.  26), dass je häufiger 3- bis 14-Jährige mit Werbung konfrontiert werden, desto eher sind sie an Spots interessiert und reagieren positiv auf diese. Mangleburg und Bristol (1999, S.  42) weisen auf die weite Verbreitung des Glaubens an diesen möglichen negativen Effekt hin, betonen aber, dass der gesteigerte TV-Konsum zu mehr Erfahrung mit Werbung führt und so die Werbekompetenz fördern kann. Sie plädieren daher dafür, diese positive Kraft gezielt für die öffentliche Medien- und Konsumerziehung zu nutzen. Demgegenüber zeigt sich bei der Untersuchung von Ploetz (1999, S.  95) kein Zusammenhang zwischen dem Fernsehkonsum und der Werbekompetenz. Auch die Studie von Martensen und Hansen (2002, S.  175) ergibt, dass die Menge an gesehenen Werbungen die Fähigkeit des Kindes, deren Intention zu verstehen, weder fördert noch hemmt.

Es lässt sich folglich zusammenfassen, dass dem Fernseh- und Werbekonsum in vielen Arbeiten eine Bedeutung im Prozess der Entwicklung der Werbekompetenz zugeschrieben wird. Allerdings besteht wenig Einigkeit über die genaue Richtung und Stärke dieses Einflusses und es bedarf noch weiterer Studien, um diesen genauer zu erfassen.

Schulbildung und Medienerziehung

In der Entwicklung des Kindes hat die Schule eine wichtige Rolle, da ab dem Eintritt eine gewisse Selbstständigkeit gefordert wird und eine weitere Autorität in Person der LehrerInnen neben die Eltern tritt (Schenk-Danzinger 2002, S.  211). Klarerweise ist das Erlernen von Lesen und Schreiben für die Entwicklung der Werbekompetenz von großer Bedeutung. Darüber hinaus verfolgt eine gezielte schulische Medienerziehung das Ziel, Kinder schon früh zu einer differenzierten, kritischen Analyse von Medien- und Werbeinhalten zu ermuntern (Buckingham 2004, S.  42). Durch eine altersgemäße, pädagogische Förderung können Kinder vor allem im Vor- und Grundschulalter den Anforderungen in der heutigen Wissens- und Mediengesellschaft leichter entsprechen (Meister u. Sander 2000, S.  338; Neuß 1999, S.  73). In zahlreichen Ländern wurde die Bedeutung der Medienerziehung erkannt und diverse Initiativen ins Leben gerufen. Beispiele sind Concerned Children's Advertisers in Kanada oder Media Smart in Großbritannien, welche als Vorbild für ähnliche Projekte in Deutschland, Österreich, Belgien, Polen, Irland, Finnland oder den Niederlanden dienen (Media Smart 2009). Einige wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit diesem Thema befassen, sind in Tabelle 7 zusammengefasst (siehe Anhang).

Während viel Literatur über die Medienerziehung im Allgemeinen zur Verfügung steht, liegen nur wenige Belege über ihre Wirksamkeit in der Praxis vor (Neuß 1999, S.  73). Empirische Belege fehlen weitgehend. Erst seit den 1990er Jahren werden wissenschaftliche Studien in diesem Bereich durchgeführt, wobei durchaus Kritik an den angewandten Methoden geübt wird (Buckingham 2004, S.  42). So wurde etwa die Media Smart Initiative in Großbritannien durch negative Stimmen als reine Schutzmaßnahme der Wirtschaft gegen den Ruf nach einer Regulierung oder Abschaffung der Kinderwerbung bezeichnet (O'Sullivan 2007, S.  294). Eagle (2007, S.  106) fordert eine Überarbeitung der bestehenden Programme wie beispielsweise eine stärkere Berücksichtigung der altersabhängig unterschiedlichen kognitiven Entwicklungsstufen der Kinder oder eine Anpassung an neue Medien- und Werbeformate, damit in den Schulen effektiver gefördert werden kann. Er weist weiters auf die verschwimmenden Grenzen zwischen Unterhaltung, Information und Werbung hin, die eine Beurteilung für das Kind zusätzlich erschweren und berücksichtigt werden sollten.

An dieser Stelle soll auch auf die mögliche Wichtigkeit einer guten Schulbildung hingewiesen werden. Arbeiten wie jene von Baacke et  al. (1999, S.  67) bekräftigen, dass unabhängig von einer institutionalisierten Medienerziehung die Schule an sich zur Steigerung der Werbekompetenz beitragen kann. Die Werbekompetenz der Kinder variiert nach Schultyp, wobei beispielsweise Gymnasiasten besser abschneiden als Hauptschüler.

Im Rahmen der Modelle ist der Einfluss des Faktors Schulbildung unklar. In drei Arbeiten wurde ein Zusammenhang mit der Werbekompetenz vermutet (Borgelt 2006; Gunter u. Furnham 1998; Meister u. Sander 1997), während in zwei Studien keiner gefunden wurde (Macklin 1987; Moschis u. Churchill 1978). Es liegt kein Ergebnis vor, das einen signifikanten Zusammenhang zwischen den beiden Variablen zeigen würde. Zudem wurde bei den Modellen der Effekt einer gezielten Werbeerziehung nicht erhoben.

Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die Schule einen Einfluss auf die Entwicklung der Werbekompetenz zu haben scheint, der durch gezielte Medienerziehung gefördert werden kann. Allerdings liegt nur eine geringe Anzahl von Studien vor, die sich mit diesem Zusammenhang im Detail befassen bzw. die Effektivität der Programme klären. Hier ist daher deutlicher Forschungsbedarf auszumachen, wobei insbesondere empirische Arbeiten zur Wirkung der Medienerziehung im Hinblick auf das Erlangen der Werbekompetenz fehlen.

Gestaltung der Werbung

Die Gestaltung der Werbung spielt, wie bereits erwähnt, bei ihrer Identifikation durch jüngere Kinder eine ganz wesentliche Rolle. Aber auch bei älteren Kindern hat diese möglicherweise Einfluss auf die Entwicklung der Werbekompetenz. Rubin (1976, S.  748  f.) untersuchte, in welcher Art sich die Gestaltung einer Werbung auf die Erinnerung und das Verständnis von 6- bis 12-Jährigen auswirkt. Dazu verglich er die Ergebnisse von Kindern, die einen Spot sahen, bei dem eine unabhängige Handlung vorherrschte und in dem das Produkt nur nebenbei präsentiert wurde, mit jenen von Kindern, die einen produktorientierten Spot sahen. Es zeigt sich, dass die erste Gruppe sehr viel häufiger darüber verwirrt war, welches Produkt beworben wurde, wie man es gebrauchen sollte und welche Werbebotschaft ihnen übermittelt wurde. Dieses Resultat deutet darauf hin, dass die Gestaltung der Werbung Auswirkungen auf das Verständnis und den kompetenten Umgang hat. In Tabelle 8 wird dieser Faktor näher betrachtet, wobei festzustellen ist, dass nur eine begrenzte Zahl an Publikationen vorliegt (siehe Anhang).

Krasny Meringoff und Lesser (1980b, S.  55  f.) weisen darauf hin, dass die Aufmerksamkeit eines kindlichen Zusehers durch Elemente wie Bewegung, Animationen oder Musik sowie durch gezielte Kameraführung erhöht werden kann. Darüber hinaus können Werbeinhalte Meinungsänderungen hinsichtlich des Produkts hervorrufen und abhängig von der werblichen Präsentation kann das Verhalten bei dessen Gebrauch variieren. Dies deutet auf einen Einfluss hin, den die Gestaltung einer Werbung auf das Kind ausüben kann.

Rossiter (1980, S.  61) beschäftigt sich mit den möglichen Auswirkungen des Einsatzes von bekannten Charakteren, seien sie menschlich oder nicht, natürlich oder animiert, als Produktpräsentatoren oder -nutzer in der Werbung. Der Autor meint, dass Verwirrung darüber entstehen kann, ob es sich um Werbung oder Programm handelt, insbesondere wenn die Werbung unmittelbar vor, während oder nach dem Programm gezeigt wird, in dem der betreffende Charakter mitwirkt. Positive Eigenschaften des Charakters können irrtümlich auf das Produkt übertragen werden oder aber können persönliche Merkmale des Charakters zur Ausbildung sozialer Stereotype führen. Zudem ist es denkbar, dass gewisse werbliche Darstellungen, wie Selbstverherrlichung, Statussymbolik oder übertriebene Gebrauchsschilderung, das Selbstverständnis des Kindes negativ beeinflussen. Allerdings wurden diese Effekte empirisch noch nicht ausreichend erforscht, so dass ihnen keine allgemeine Gültigkeit zugeschrieben werden kann. Teilweise Unterstützung findet sich bei Baacke et  al. (1999, S.  295), die auf Grundlage der Studien von Theunert (1993) sowie Huston und Wright (1979) betonen, dass Unternehmen durch den Einsatz bekannter Figuren oder Schauspieler(stimmen) eine positive Konnotation mit dem Produkt anstreben und erreichen können. Außerdem zeigen Gierl und Niesner (1999, S.  9  f.), dass auch bei Erwachsenen der Einsatz von Prominenten in der Werbung im Vergleich zu Experten oder Konsumenten zu hoher Aufmerksamkeit und einer positiveren Beurteilung des Werbemittels führt.

Auch bei den Modellen wurde der Gestaltung der Werbung eher geringe Aufmerksamkeit zuteil. Drei Studien beschäftigen sich explizit mit diesem Zusammenhang. Kapoor u. Verma (2005, S.  31) belegen, dass das Verständnis der Werbung bei Kindern durch verschiedene audiovisuelle Techniken beeinflusst werden kann. Zudem gibt es aufgrund der Gestaltung bei Mädchen und Jungen Unterschiede beim Gefallen der Werbung. Ploetz (1999, S.  94) zeigt in ihrem Experiment, dass bei Kindergartenkindern das Erkennen der Werbung einerseits durch eine unterschiedliche formale Gestaltung von Programm und Werbung (z. B. Realfilm vs. Comic) sowie andererseits durch audiovisuelle Separatoren vor und nach dem Werbeblock gesteigert werden kann. Demgegenüber erhebt Macklin (1987, S.  235) in einer nonverbalen Untersuchung, ob die Art des beworbenen Produkts (Süßigkeiten vs. Cerealien) einen Einfluss auf das Verständnis bei 3 bis 5-Jährigen hat, kann aber keinen Effekt feststellen.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die vorhandenen Arbeiten auf einen Einfluss der Gestaltung der Werbung auf die Entwicklung der Werbekompetenz hinweisen. In diesem Bereich besteht jedoch noch ein großer Forschungsbedarf.

Geschlecht

Über den Einfluss des Geschlechts auf die Werbekompetenz liegt überraschend wenig Literatur vor. Daten aus dem deutschen Fernsehpanel zeigen, dass die durchschnittliche Sehdauer bei Jungen um 3 Minuten pro Tag höher ist als bei Mädchen sowie dass die Programmwahl zwischen den Geschlechtern stark variiert (Feierabend u. Klingler 2009a, S.  115  ff.). So interessieren sich Jungen vergleichsweise vermehrt für Sport und fiktionale TV-Inhalte, während Mädchen verstärkt Unterhaltungssendungen sehen. Der Werbeanteil an der kumulierten Sehdauer ist mit 11  Prozent bei beiden Geschlechtern zwar gleich hoch, doch sehen Mädchen und Jungen aufgrund der Programmwahl zum Teil unterschiedliche Spots. Aus Analysen von Kinderwerbespots geht weiters hervor, dass diese in ihrer Machart und ihrem Inhalt an das Geschlecht der jeweiligen Zielgruppe angepasst werden (Baacke et  al. 1999, S.  305; DeIulio u. Jarrin 2004, S.  42). Dazu werden häufig stereotype Inszenierungen und Rollenbilder herangezogen. Die Ergebnisse von Bakir et  al. (2008, S.  262) zeugen allerdings davon, dass sich bei 8- bis 10-jährigen Mädchen die Einstellung gegenüber einem dem Geschlecht angemessenen Verhalten ändert und diese weniger Gefallen an Werbung finden, die Mädchen und Frauen in traditionellen Rollen zeigt.

Wie sich das Geschlecht insbesondere bei Kindern auf die Werbekompetenz auswirken kann, war bisher selten Forschungsgegenstand. Die Studie von Meng (2004, S.  694) mit Erwachsenen zeigt geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Verarbeitung von Konsumenteninformation sowie bei der Erinnerung an Werbung. Bei der Einstellung gegenüber dem beworbenen Produkt und der Kaufabsicht wird jedoch kein signifikanter Effekt erkannt. Die vorhandenen Arbeiten in diesem Bereich sind in Tabelle 9 zusammengefasst (siehe Anhang).

Im Rahmen der Modelle wurde der Faktor Geschlecht siebenmal untersucht, was zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führte. Dreimal wurde ein Zusammenhang mit der Konsumentensozialisation bzw. der Werbekompetenz gezeigt (Chan u. McNeal 2006; Moschis u. Churchill 1978; Ploetz 1999), in vier Arbeiten ein solcher jedoch ausgeschlossen (Donohue et  al. 1978; Hendon et  al. 1978; Kapoor u. Verma 2005; Macklin 1987). Zudem stellten Chan und McNeal (2006, S.  50) sowie Ploetz (1999, S.  95) bei Mädchen ein werbekompetenteres Verhalten fest, während Moschis und Churchill (1978, S.  605) bei der Konsumentensozialisation Jungen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit mehr wichtige Fähigkeiten zuschrieben.

Somit ist es schwierig, aus dem momentanen Forschungsstand eine Aussage über den Einfluss des Geschlechts auf die Entwicklung der Werbekompetenz abzuleiten. Es bedarf eindeutig weiterer Forschung auf diesem Gebiet.

Forschungsbedarf bei den bekannten Einflussfaktoren

Wie in den vorherigen Abschnitten präsentiert, stellt sich der Forschungsstand bei den einzelnen Einflussquellen sehr unterschiedlich dar. In Tabelle 2 wird zusammenfassend ein Überblick des Forschungsbedarfs bei den jeweiligen Faktoren gegeben.

Tabelle 2 Forschungsbedarf bei den bekannten Faktoren

Großer Forschungsbedarf besteht bei den Faktoren Fernseh- und Werbekonsum, Schulbildung und Medienerziehung, Gestaltung der Werbung, Geschlecht, Peers und Intelligenz. Beim Alter und dem familiären Umfeld liegt kein bzw. nur in Teilbereichen Forschungsbedarf vor. Dadurch ergeben sich diverse Ansatzpunkte für zukünftige Untersuchungen, die dazu beitragen können, die Entwicklung der Werbekompetenz weiter zu ergründen.

Weitere mögliche Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Werbekompetenz

Es stellt sich die Frage, ob nicht noch weitere Faktoren existieren, welche die Entwicklung der Werbekompetenz fördern oder hemmen können, die aber in der Literatur bisher keine Beachtung fanden. In der öffentlichen Debatte rund um TV und Werbung werden häufig Themenbereiche wie beispielsweise Gewalt im Fernsehen oder Werbung für kritische Produkte wie Tabak und Alkohol aufgeworfen und deren mögliche Auswirkungen auf Minderjährige diskutiert. In diesem Beitrag soll der Fokus auf die Problematik des Übergewichts bei Kindern und deren möglichen Zusammenhang mit TV-Werbung bzw. Werbekompetenz gerichtet werden. Dieser Fragestellung kommt in der heutigen Zeit besondere Brisanz sowie wissenschaftliche Bedeutung zu (z. B. Harker et  al. 2007, S.  39; Robinson 1999, S.  1561; Young 2003, S.  452). Obwohl sich viele Studien bereits mit den Auswirkungen des Fernseh- bzw. Werbekonsums auf das Ernährungsverhalten und das Übergewicht beschäftigten, liegen keine Arbeiten zum Einfluss dieser Faktoren auf die Entwicklung der Werbekompetenz vor. Bei diesen Überlegungen steht die Werbung für Lebensmittel und dabei insbesondere für stark zucker- oder fetthaltige Speisen im Vordergrund, da mit dieser versucht wird, das Ernährungsverhalten zu beeinflussen.

Einen Ansatzpunkt bildet die Theorie des Selbstwerts. Das globale Selbstwertgefühl definieren Rosenberg et  al. (1995, S.  141) als die positive oder negative Einstellung eines Individuums gegenüber sich selbst als Gesamtheit. Dieses bestimmt in einem gewissen Ausmaß das psychologische Wohlbefinden der Person. Die theoretische Begründung für diesen Zusammenhang liegt in der Self-Enhancement Theorie, welche besagt, dass die Selbstwertschätzung eine fundamentale menschliche Motivation ist (z. B. Baumeister 1982; Greenwald 1980; Jones 1973; Kaplan 1975; Swann 1987; Wallace u. Baumeister 2002). Auch Maslow (1970) berücksichtigt das Bedürfnis nach Selbstwert in seiner Hierarchie. Dieses muss erfüllt werden, um das höchste der menschlichen Bedürfnisse, die Selbstverwirklichung, erreichen zu können. Unter den genannten Autoren besteht Einigkeit darüber, dass jeder Mensch ein universales Verlangen innehat, den Selbstwert zu schützen und zu erhöhen. Darüber hinaus entsteht bei dessen Bedrohung seelische Belastung (Rosenberg et  al. 1995, S.  145). Auch Kinder verspüren dieses Bedürfnis, wobei ihr Selbstwert durch verschiedene Prozesse und Einflüsse, wie z. B. die Interaktion mit Eltern, LehrerInnen oder FreundInnen, stark geprägt wird (Piers u. Harris 1964, S.  91; Rosenberg u. Pearlin 1978, S.  53).

Die körperliche Erscheinung ist der offensichtlichste und sofort verfügbare Aspekt des Selbst. In unserer Gesellschaft bürdet Übergewicht einer Person eine soziale Identität auf, die von anderen häufig automatisch abgewertet wird (Miller u. Downey 1999, S.  80). Die Korpulenz wird von den Betroffenen daher oft als Stigma empfunden (Crocker et  al. 1993, S.  60; Puhl u. Brownell 2002). Vor diesem Hintergrund führen Miller und Downey (1999, S.  68) eine Metaanalyse von 71 Studien durch, die sich mit der Relation von Übergewicht und Selbstwertgefühl beschäftigen. Sie stellen fest, dass ein niedrigeres Selbstwertgefühl mit höherem Gewicht korreliert, wobei dieser Zusammenhang bei Untersuchungen, die auf der eigenen Wahrnehmung des Gewichts basieren, stärker ist als bei jenen, welche die tatsächlichen Kilogramm heranziehen. Zudem wird aufgezeigt, dass der Effekt unter anderem bei Frauen im Vergleich zu Männern oder bei 13- bis 24-Jährigen im Vergleich zu Kindern (0 bis 12 Jahre) stärker ist.

Die Ergebnisse implizieren, dass Übergewicht sowie insbesondere die ablehnende Einstellung dazu einen negativen Einfluss auf die Selbstwertschätzung einer Person hat. Obwohl die Wichtigkeit von Aussehen und Körpermaßen mit dem Beginn der Pubertät klar zunimmt, besteht die Sorge über die Konstitution schon in einem sehr frühen Alter (Miller u. Downey 1999, S.  77). Es kann daher angenommen werden, dass ein Kind, das beispielsweise bedingt durch Hänseleien der Mitschüler oder Kritik der Eltern unter seinem Übergewicht leidet, ein geringeres Selbstwertgefühl hat als andere Kinder.

Personen mit niedriger Selbstwertschätzung neigen dazu, wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben und unangemessen sensibel auf Misserfolg und Zurückweisung zu reagieren (Epstein 1979, S.  19  f.). Die Studien von Hovland et  al. (1953), Leventhal und Perloe (1962) oder Maile (1977) zeigen zudem, dass die Persuasibilität einer Person mit der Höhe der individuellen Selbstwertschätzung negativ zusammenhängt. Das bedeutet, dass je geringer beispielsweise das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist, desto wahrscheinlicher übernimmt man die Meinung eines (höher bewerteten) anderen. Im Gegensatz dazu lassen sich Personen mit hoher Selbstwertschätzung im Allgemeinen nicht so leicht beeinflussen (Neubauer 1976, S.  122). Die Ergebnisse von Lesser und Abelson (1959) zeigen, dass dieser Zusammenhang auch auf Kinder zutrifft.

Daher wird vermutet, dass Kinder mit einer aufgrund ihres Übergewichts geringen Selbstwertschätzung eher dazu tendieren, der Werbung mehr Glauben zu schenken und sich beeinflussen zu lassen als Kinder mit hoher Selbstwertschätzung. Dabei wäre es möglich, dass sich jene Kinder eine solche Skepsis selbst nicht zutrauen oder mögliche Konsequenzen fürchten, weshalb die Entwicklung der Werbekompetenz gehemmt wird.

Einen weiteren Zugang bietet die Theorie der kognitiven Dissonanz, die auf Festinger (1978, S.  15  ff.) zurückgeht. Diese besagt, dass jeder Mensch nach Konsistenz bzw. Konsonanz zwischen dem, was er/sie weiß oder glaubt, und dem, was er/sie tut, strebt. Ausnahmen von einem ansonsten konsonanten Verhalten ziehen das eigene Interesse sowie das anderer Personen auf sich. Gewisse Ausnahmen, wie beispielsweise das offensichtlich ungesunde und dennoch fortgeführte Verhalten eines Rauchers, werden allerdings von diesem selten als dissonant angenommen. Vielmehr wird eine Rationalisierung gesucht, die eine Beibehaltung des Verhaltens rechtfertigt. Sind diese Versuche nicht erfolgreich, besteht die Dissonanz weiter und verursacht ein psychologisches Unbehagen. In diesem Fall werden Situationen aktiv vermieden und Informationen ignoriert, welche die Dissonanz verstärken könnten. Das bedeutet, dass Dissonanz in Form von nicht übereinstimmenden Meinungen, Wissen oder Überzeugungen von einem selbst oder aus dem Umfeld ein eigenständig motivierender Faktor ist. Dieser führt zu Aktivitäten mit dem Ziel, die Dissonanz zu vertreiben. Studien wie beispielsweise jene von Egan et  al. (2007) oder Kyner et  al. (1976) lassen keinen Zweifel daran, dass auch Kinder kognitive Dissonanz als unangenehm empfinden und Strategien zu deren Abbau oder Vermeidung entwickeln.

Basierend auf dieser Theorie wird vermutet, dass Kinder kognitive Dissonanz aufgrund des eigenen Ernährungsverhaltens unterschiedlich bewältigen. Angenommen ein Kind isst gerne die Speisen, die in der Werbung gezeigt werden, wie etwa Süßigkeiten, und sieht auch gerne Lebensmittelwerbung im Fernsehen, da diese unterhaltsam ist und z. B. neue Süßigkeiten vorstellt. Nun erfährt das Kind aber aus seiner Umwelt, dass Süßigkeiten nicht gesund sind und dass die Werbung die Produkte nicht richtig darstellt bzw. nur zum Kauf überzeugen will. Das Kind empfindet dadurch Dissonanz zwischen seinem Verhalten bzw. seiner Einstellung und der neuen Information. Um eine konsonante Beziehung herzustellen, hat das Kind verschiedene Möglichkeiten. Abb.  1 stellt die Entscheidungssituation grafisch dar.

Abb. 1
figure 1

Strategien zur Beibehaltung einer konsonanten Beziehung. Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Festinger 1978, S.  15  ff.

Eine Änderung des Verhaltens aufgrund der neuen Information muss laut der Theorie mit einer Änderung der Einstellung einhergehen und umgekehrt. Folglich führt die Beachtung der dissonanten Information (Strategie  1) zu einem teilweisen Verzicht auf Süßigkeiten sowie zu einer kritischeren Haltung gegenüber Werbung. Wird die Information hingegen ignoriert (Strategie  2), damit das Verhalten beibehalten werden kann, bleibt auch die Einstellung unverändert. Das würde bedeutet, dass das Kind mit der Werbung weiterhin wenig kompetent umgehen und auch alle weiteren Informationen, welche die Werbekompetenz steigern würden, nach Möglichkeit ausblenden wird.

Es kann angenommen werden, dass Kinder, welche bereits ein festgefahrenes, ungesundes Ernährungsverhalten aufweisen, das durch körperliches Übergewicht in Erscheinung tritt, eher an ihren Gewohnheiten festhalten wollen und sich daher häufiger für die zweite Strategie entscheiden. Dies würde implizieren, dass bei diesen Kindern aufgrund der Strategie zur Dissonanzvermeidung oder zum Abbau von Dissonanzen die Entwicklung der Werbekompetenz zugunsten des eigenen Ernährungsverhaltens gehemmt werden könnte. Dieser Zusammenhang wäre bei übergewichtigen Kindern besonders kritisch, da die Orientierung an der Werbung die Umstellung auf eine gesunde Lebensmittelwahl stark erschweren könnte.

An dieser Stelle sollte auch die werbliche Darstellung der Produkte betrachtet werden, da diese als Rechtfertigung für die Strategiewahl und das Ernährungsverhalten dienen kann. Oftmals wird in der Lebensmittelwerbung der Fokus auf die gesunden Inhaltsstoffe eines Produkts gelegt, wie z. B. die „frische Vollmilch“ in der Schokolade. Das Kind könnte daher glauben bzw. sich einreden, dass es beim Genuss dieser Süßigkeiten eigentlich nur gesunde Zutaten zu sich nimmt und somit soviel davon essen kann, wie es will. Dies ist ein zusätzlicher Grund, der Werbung Glauben zu schenken bzw. wenig werbekompetent zu handeln. Verwirrende Packungsangaben und Unwissenheit der Eltern tragen zu diesem Umstand bei.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie es dazu kommt, dass ein Kind übergewichtig ist. Abgesehen von Krankheiten und sonstigen Ausnahmefällen hat das Ernährungsverhalten in der Familie sicherlich entscheidenden Einfluss auf die körperliche Konstitution des Kindes. Ellrott (2007, S.  167  ff.) beschreibt die Entwicklung des kindlichen Essverhaltens auf unterschiedlichen Ebenen. Beispielsweise findet bereits vor der Geburt durch die Nahrungsaufnahme der Mutter eine Prägung der Geschmackspräferenzen statt. Später werden aufgrund einer Form des Mere-Exposure-Effekts, welcher neben der spezifisch-sensorischen Sättigung auftritt, jene Speisen bevorzugt, welche das Kind kennt. Mit steigendem Alter nimmt zudem der Einfluss von Außenreizen gegenüber Innenreizen, wie Hunger und Sättigung, auf die Speisenwahl zu. Einen solchen Außenreiz stellt z. B. die Forderung der Eltern dar, einen Teller leer zu essen, obwohl das natürliche Sättigungsgefühl bereits eingesetzt hat. Hinzu kommen weiters Lernprozesse und die Erziehung, wobei neben der Konditionierung das Imitationslernen eine wichtige Rolle spielt. Hier werden beobachtete Verhaltensweisen typischerweise von den Eltern, Großeltern, Geschwistern und FreundInnen übernommen. Demzufolge prägen bzw. formen die Eltern und Familienmitglieder im täglichen Zusammenleben die Essgewohnheiten und Geschmackspräferenzen des Kindes.

Wenn nun Konsonanz zwischen dem Ernährungsverhalten in der Familie und den in der Werbung propagierten Lebensmitteln besteht, kann dies zu einer weniger werbekompetenten Haltung des Kindes führen. Zeigen die Eltern dem Kind jedoch im täglichen Gebrauch häufig auf, wie ungesund gewisse, in der Werbung anders dargestellte Produkte tatsächlich sind, könnte diese Dissonanz zwischen der eigenen Einstellung und der werblichen Darstellung zur Entwicklung der Werbekompetenz positiv beitragen.

Die beschriebenen Theorien bieten unterschiedliche Zugänge zu der Thematik. Auf dieser Basis können folgende Forschungsfragen formuliert werden:

  • Handeln Kinder mit einer aufgrund ihres Körpergewichts geringeren Selbstwertschätzung weniger werbekompetent als Kinder mit einer höheren Selbstwertschätzung?

  • Handeln Kinder aufgrund der Strategie zur Dissonanzvermeidung oder zum Abbau von Dissonanzen zugunsten eines bestehenden, ungesunden Ernährungsverhaltens weniger werbekompetent?

  • Handeln Kinder weniger werbekompetent, wenn Konsonanz zwischen den in der Werbung propagierten Lebensmitteln und dem Ernährungsverhalten in der Familie besteht?

Dementsprechend wird bei den folgenden drei Faktoren ein Einfluss auf die Entwicklung der Werbekompetenz vermutet: durch das Körpergewicht geprägte Selbstwertschätzung, eigenes Ernährungsverhalten, Ernährungsverhalten in der Familie. Dies würde implizieren, dass die Situation in Bezug auf die Entwicklung der Werbekompetenz bei übergewichtigen Kindern eventuell noch kritischer ist. Folglich müsste dieser Zusammenhang von werbetreibenden Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern, die über die Regulierung der Werbung für Kinder sowie die Förderung von Programmen der Medien- und Werbeerziehung bestimmen, berücksichtigt werden sowie die Entwicklung der Werbekompetenz bei diesen Kindern speziell gefördert und Aufklärung betrieben werden. So sollten die vorhandenen Initiativen zur Medien- und Werbeerziehung in den Grundschulen diese Korrelation beachten und in ihren Programmen beispielsweise gezielt auf mögliche Fallen der Lebensmittelwerbung hinweisen. Auch bestehende Institutionen, die sich dem Kampf gegen das kindliche Übergewicht verschrieben haben, sollten den Punkt „Einfluss der Werbung“ aufgreifen und in ihre Beratungen oder Behandlungen im Bezug auf eine gesunde Ernährung einfließen lassen. Zudem kommt natürlich auch der Aufklärung und dem Verhalten der Eltern und Familienangehörigen eine Schlüsselfunktion zu. Sie vermögen wie kaum ein anderer Einflussfaktor dem Kind im Alltag durch das Vorleben einer gesunden Ernährung die Verzerrungen der Werbung zu verdeutlichen und einen kompetenten Umgang zu fördern.

Konklusion

Zusammenfassung

In der Literatur herrscht weitgehende Einigkeit über den vierstufigen Prozess, den ein Kind bei der Entwicklung der Werbekompetenz durchlebt. Welche Faktoren das Erlangen jedoch positiv oder negativ beeinflussen können, wird kontrovers diskutiert. Aus der Analyse der bestehenden Literatur ergeben sich die folgenden Einflussquellen:

  • Alter

  • Familiäres Umfeld (Interaktion mit Eltern und Geschwistern, soziale Klasse, Bildung der Eltern, Erziehungsstil, Familienstruktur)

  • Fernseh- und Werbekonsum

  • Schulbildung und Medienerziehung

  • Gestaltung der Werbung

  • Geschlecht

  • Peers

  • Intelligenz

Wie die Präsentation der Faktoren im dritten Abschnitt zeigt, ist der jeweilige Stand der Literatur sehr unterschiedlich. Etliche Arbeiten befassen sich beispielsweise mit dem Alter des Kindes, dessen Bedeutung für die Werbekompetenz allgemein unumstritten ist. Auf der anderen Seite existieren unter anderem zum Einfluss des Geschlechts nur wenige Arbeiten, die zudem auch noch im Widerspruch zueinander stehen. Diese Erkenntnisse führen zu der Identifikation von zukünftigem Forschungsbedarf, der bei jedem Faktor getrennt zu bewerten ist (siehe Tabelle 2).

Basierend auf den Theorien des Selbstwerts und der kognitiven Dissonanz wird weiters argumentiert, dass die folgenden Faktoren eine Rolle bei der Entwicklung der Werbekompetenz spielen könnten:

  • Durch das Körpergewicht geprägte Selbstwertschätzung

  • Eigenes Ernährungsverhalten

  • Ernährungsverhalten in der Familie

Die Betrachtung dieser Faktoren stellt für den Bereich der Werbekompetenzforschung eine Neuheit dar und weist auf eine möglicherweise noch kritischere Situation bei übergewichtigen Kindern hin.

Limitationen und Ausblick

Als Limitationen sind für diesen Beitrag die folgenden Punkte anzuführen. Erstens wird die Entwicklung der Werbekompetenz nur in Bezug auf die Fernsehwerbung betrachtet. Diese ist die von Kindern am stärksten wahrgenommene Werbung, dennoch werden Kinder auch mit anderen Medien z. B. aus dem Internet- oder Druckbereich konfrontiert. Zweitens stellt die große Anzahl an Forschungsbefunden aus den 1970er und 80er Jahren eine Einschränkung dar, da deren Gültigkeit heute aufgrund veränderter Rahmenbedingungen ungewiss ist. Da aber in vielen Bereichen keine oder nur wenige aktuelle Forschungsergebnisse vorliegen, werden diese Studien prä sentiert, um einen umfassenden Überblick über die Thematik zu ermöglichen.

Gegenstand zukünftiger Forschungen sollte es sein, zum einen die bekannten Einflussfaktoren unter Einbeziehung der Veränderungen der Gesellschaft und des Konsumverhaltens sowie der heutigen Medienlandschaft und -nutzung einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen. Zum anderen sollte der Einfluss der neuen Faktoren auf die Entwicklung der Werbekompetenz erhoben werden. Dies würde einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung leisten und zu praktischen Implikationen führen, die für politische Entscheidungsträger, werbetreibende Unternehmen, Eltern, Familienangehörige, Pädagogen, Initiativen zur Medien- und Werbeerziehung in Schulen sowie Beratungs- und Behandlungszentren für Übergewicht große Relevanz besitzen.