Wollte man ein Thema identifizieren, das in den letzten Jahrzehnten eine überproportionale Steigerung der öffentlichen wie wissenschaftlichen Aufmerksamkeit erfahren hat, dann bekämen digitale Medien einen, wenn nicht den Spitzenplatz. Als Forschungsbereich greifen mehrere Disziplinen auf den Gegenstand digitale Medien zu: naturgemäß die Kommunikations- und Medienwissenschaft, die Politikwissenschaft und die Soziologie, die Verwaltungswissenschaft, die sozialwissenschaftlich ausgerichtete Informationswissenschaft etc. In der Politikwissenschaft beschäftigen sich längst Vertreterinnen und Vertreter aller Subdisziplinen u. a. mit der Infrastruktur digitaler Medien, ihren Funktionslogiken, den diskursiven Dimensionen der unterschiedlichen Plattformen, vor allem aber mit ihrem demokratietheoretischen Potential oder den politischen Implikationen und Effekten digitaler Kommunikation. Terminologisch gespiegelt findet sich dies in Begriffen wie e‑democracy, e‑government, e‑participation, die den Forschungsgegenstand bereits angeben. Freilich überschneiden sich hier die Forschungsinteressen jener anderen Disziplinen nicht selten, was die Eingrenzung eines genuin politikwissenschaftlichen Zugangs nicht immer einfach macht.

Obwohl es sich um ein junges Forschungsfeld handelt, hat sich die Analysetätigkeit inzwischen bereits weit ausgefächert. Dennoch steht die Erforschung der gerade genannten Aspekte ohne jeden Zweifel am Anfang; dazu kommt, dass die Forschungsgegenstände einer ungleich höheren Dynamik unterliegen, da sie zwangsläufig der gleichermaßen hochdynamischen technischen Entwicklung folgen. Forschungswellen folgen sehr viel rascher aufeinander und überlappen sich demzufolge. So verkörperte die akademische DebatteFootnote 1 bei der Emergenz des Internets Anfang der 1990er einen überwiegend netzoptimistischen Ansatz, der auf das enorme Potenzial des neuen Mediums abstellte für die Verbesserung demokratischer Prinzipien wie etwa Partizipation, Deliberation und Inklusion. Die stark normativ geprägten Überlegungen der Autoren gingen von der Verwirklichung bislang nur theoretisch gedachter Möglichkeiten aus: die elektronische agora stellte eine dieser durchaus euphorischen Ideenkonstrukte, ja utopischen Modelle dar. Mehr und bislang marginalisierte Bürger sollten in den öffentlichen Diskurs und in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden können, letztere sollten demokratischer gestaltet und zudem auf eine breitere Legitimationsbasis gestellt werden. Gedacht wurde an die Ergänzung repräsentativer Verfahren durch direktdemokratische oder gar durch das überwiegende Ersetzen repräsentativer Verfahren durch bürgerliche Selbstregierung. Dabei kam der aktiven und aktivierenden Zivilgesellschaft eine gewichtige Rolle zu. Das Internet solle, so die Mobilisierungsthese etwa von Rheingold vertreten, zu basisdemokratischem politischem Aktivismus führen (Rheingold 1993). Der entscheidende Beitrag des Internets aber wurde in der Verwirklichung direkter Entscheidungen auf elektronischem Wege gesehen, also e‑voting, e‑petitions und e‑referenda.

Mit dem Aufkommen der Web 2.0-Technologie bekam die Debatte um die Vitalisierung, Modernisierung oder Reform der repräsentativen Demokratie neue Nahrung: Die Dynamik der technischen Entwicklung (drahtlose Netzwerke, internetfähige Mobiltelefone u. ä.) und die rasche Penetration durch neue Formen der Vernetzung (vor allem social media) brachten neue Aspekte hinsichtlich der sich eröffnenden und umfassenden Möglichkeiten der Bürgerteilhabe ins Spiel (Shirky 2008, 2011). Zudem ist eine neue Rolle entstanden, nämlich der „Bürgerjournalist“ oder „produser“, der Nutzer, der selbst Inhalte generiert und verbreitet. Die netzoptimistische Welle fand ihren vorläufigen Höhepunkt und ihre Bestätigung, als die mobilisierende Kraft sozialer Plattformen bei den Umstürzen in Tunesien, Ägypten und anderen arabischen Diktaturen sichtbar wurde. Mancher sprach – freilich voreilig – von „liberation technology“ (Diamond 2010; kritisch dazu: Kneuer und Demmelhuber 2012). Die so genannten „Facebook-Revolutionen“ selbst, aber auch die von ihnen inspirierten Protestbewegungen wie Democracia Ya in Spanien, Occupy, Gezi-Park, die Regenbogen-Proteste in Hongkong etc. wurden auf Grund ihrer neuartigen und intensiven Nutzung sozialer Plattformen zu einem stark anvisierten Forschungsgegenstand.Footnote 2

Bereits zuvor hatten sich aber ernüchternde Stimmen erhoben, die eher einer netzpessimistischen Richtung zuzuordnen waren (in den 2000ern gleichwohl noch in der Minderheit). Warnungen vor einer Fragmentierung und Erosion des öffentlichen Raums (Buchstein 1996; Dahlgren 2005, 2009) gingen einher mit der kritischen Betrachtung des Potenzials zur gesteigerten Inklusion und Beteiligung von Bürgern (Sunstein 2011). So wiesen Studien darauf hin, dass sowohl Web 1.0 als auch Web 2.0 offensichtlich bestimmte Nutzerprofile zementieren, die tatsächlich für die Herausbildung einer überlegenen politischen Informationselite (Hindman 2009; Schenk und Wolf 2006, S. 258), einer gleichbleibend breiten Mehrheit an schlechter informierten Bürgern und zudem einer Exklusion von bestimmten Bevölkerungsteilen sprechen. Die Idee der aktiven Mitwirkung im Internet bleibt dabei nur für eine Minderheit interessant (Busemann und Gscheidle 2011, S. 369). Nicht nur außerhalb der OECD-Welt wurde zudem das Phänomen der digital divides sichtbar (früh dazu: Norris 2001).

Gleichzeitig bildete sich ein Forschungsstrang heraus, der sich als netzrealistisch betrachtet und einen Ansatz verfolgt, der unabhängig von normativen Vorannahmen die Vor- und Nachteile zunächst zu analysieren anstrebt und auf dieser Basis dann Aussagen zu den (möglichen) Wirkungen anstellt. Als Prämisse wird dabei von der Ambivalenz der Wirkungen ausgegangen, woraus folgt, dass die Analyse sowohl demokratieförderliche wie -hinderliche Effekte in den Blick nimmt (Leggewie 1998; Barber 1998; Kneuer 2013; Kneuer und Salzborn 2016).

Seit politischen Ereignissen wie das Betreten der politischen Bühne Donald Trumps, die zurzeit untersuchte Intervention von Seiten Russlands in den amerikanischen Wahlkampf, aber auch seit dem Brexit, ist das Bewusstsein für die Fehlentwicklungen politischer Kommunikation in den Netzwerken oder auch der Manipulation politischer Prozesse durch Online-Interaktion noch weiter geschärft worden. Trumps Art der Nutzung sozialer Medien – schwerpunktmäßig Twitter im Wahlkampf und danach – hat neuen Stoff für die Analyse und auch für die Bewertung politischer Online-Kommunikation durch politische Akteure geliefert. Diese vielfach sehr negativ ausfallende Bewertung wird verstärkt durch ebenfalls jüngst aufkommende Debatten über „hate speech“, „fake news“, Propaganda oder Manipulation von Information etc., verbreitet auch von sogenannten Trollen und Social Bots. Hier ist zu erwarten, dass in der nächsten Zeit Studien zu den Spezifika der amerikanischen bzw. Trump’schen Online-Kommunikationsstrategien und -praktiken entstehen werden.

Um erste Befunde zur akademischen Debatte zusammenzufassen, ist zum einen auf die teils starke normative Prägung hinzuweisen – in die eine oder andere Richtung –, die sich nicht durchgängig als förderlich erwiesen hat. Als weiterführende Studien können jene bezeichnet werden, die die Ambivalenz der möglichen Wirkungen in den Blick nehmen bzw. die auf empirischen Analysen basieren. Zum anderen ist es wenig überraschend, dass sich die Fragestellungen ebenso wie die normativen Annahmen in Bezug auf digitale Medien wenig von denjenigen unterscheiden, denen sich die Wissenschaft bereits bei früheren kommunikationstechnologischen Innovationen zugewandt hatte. Der optimistischen Position, dass der jeweilige technische Innovationsschub Potenziale entfaltet und Möglichkeiten für Bürger (und Politiker) erweitert, stand seit jeher die eher (kultur)pessimistische Annahme einer kulturellen Verflachung und der Ausfaserung von Öffentlichkeit gegenüber. Des Weiteren sind weder Propaganda noch Informationsmanipulation etwas Neues; es sind die technischen Attribute der Beschleunigung, die Skalierbarkeit, der Entmenschlichung (durch Bots) und der Ubiquität, die dem Phänomen seine neue Brisanz verleihen. Inwieweit also Begriffe wie „fake news“ eine Erkenntniserweiterung darstellen, steht insofern dahin.

1 Forschungsfelder

Im Kern geht es, seit Politik als kommunikativer Prozess verstanden wird, um den Einfluss von Medien auf die öffentliche Meinungsbildung, auf die Verständigungs- und Aushandlungsprozesse zwischen den politischen Eliten, gesellschaftlichen Akteuren und der Bevölkerung sowie schließlich auf politische Entscheidungen. Insofern Politik kommunikativ vermittelt werden muss (Ulrich Sarcinelli 1987), rücken neben der Informierung und Orientierung der Bürger die Zustimmungsabhängigkeit und die Begründungsbedürftigkeit von Politik in den Vordergrund. Der früh aufkommende Begriff e‑democracy oder Cyberdemocracy enthält die programmatische Annahme, dass mit Hilfe der neuen digitalen Interaktionsmöglichkeiten repräsentative Demokratie reformiert werden könne (Dahlgren 2013, Hagen 1997; Hague and Loader 1999, Kamps 1999; Gibson et al. 2004; Kersting 2012); Konzepte wie liquid democracy setzten gar auf das Ersetzen des Repräsentativprinzips.

Für die Vergleichende Politikwissenschaft ergeben sich daraus mannigfaltige Forschungsgegenstände und unterschiedliche Zugänge. Es hat sich inzwischen eingebürgert, von Online-Polity, Online-Politics und Online-Policy zu sprechen (Fraas et al. 2012, S. 107–137). Online-Polity verkörpert dabei die Instanzen der staatlichen und nicht-staatlichen Regulierung von Online-Kommunikation, oft auch als Internet Governance gefasst. Online-Politics umfasst die Akteurs- und Prozessdimension, bei der kommunikative Praktiken politischer Akteure in den Blick genommen werden. Innerhalb dieser Dimension lassen sich Micro‑, Meso- und Makro-Ebene unterscheiden: erstens die Online-Interaktion von Bürgern, zweitens die von intermediären Institutionen wie Parteien, Verbänden, Gewerkschaften, NGOs etc. und drittens schließlich Online-Interaktion von staatlichen Institutionen wie Regierung, Parlament etc. untersuchen. Eine weitere Unterscheidung betrifft die in top-down und bottom-up Interaktionen. Die Dimension der Online-Policies ergibt sich durch die Tatsache, dass Netzpolitik zu einem breiten Politikfeld geworden ist, das Aspekte klassischer Themen wie Datenschutz, Urheberrecht, Sicherheit, die in Zeiten der Digitalisierung neu zu definieren sind (Schünemann und Baumann 2017), ebenso umfasst wie genuin netzpolitische Bereiche wie Netzneutralität, Netzinfrastruktur etc. (Bergemann et al. 2015; Betz und Kübler 2013; Reiberg 2017; Reiberg und Hösl 2016). Etwas quer zu diesen Dimensionen liegt das Forschungsfeld von e‑government. Je nachdem, welche Definition gewählt wird (UN und OECD etwa fassen unter e‑government auch e‑participation) kann sich e‑government auf rein Service- und Bürgerorientierte Prozesse beziehen (elektronische Steuererklärung oder KfZ-Anmeldung u.Ä.) oder aber auf breiter gefasste Angebote staatlicher oder kommunaler Stellen der Mitentscheidung oder Beteiligung. In jedem Fall handelt es sich um top-down-Angebote, die eine breite Palette unterschiedlicher Instrument und Zielrichtungen umfasst (Falk et al. 2004; Schünemann 2012).

Innerhalb dieser Dimensionen haben sich einige Schwerpunkte der Untersuchungsinteressen herauskristallisiert. Davon sollen hier vor allem zwei genannt werden: Neben dem bereits erwähnten Phänomen des Online-Protestes gehört dazu zweifelsohne die Nutzung von sozialen Medien in Kampagnen, vor allem aber während Wahlkampagnen. Hier hat etwa der sehr innovative Wahlkampf von Barack Obama 2008 eine Fülle von Analysen hervorgebracht, bei denen Methoden wie microblogging, crowdfunding etc. im Vordergrund standen (siehe die Arbeiten in Bieber und Kamps 2015; Bimber und Davis 2003; Bimber 2014). Die Online-Kampagne von Präsidentschaftskandidat Trump während des Wahlkampfes 2016 dagegen hat die negativen Seiten offenbart.

Ähnlich wie bei dem Phänomen der Online-Proteste unterstreicht die online-Wahlkampfkommunikation die Ambivalenz der Nutzung von sozialen Medien: Während der Occupy-Bewegung wurden die neuen Beteiligungsräume und die Mobilisierungskraft digitaler Medien hervorgehoben und auch als positiv bewertet. Als sich im Zuge der Pegida-Bewegung die ebenfalls beachtliche Mobilisierungskraft, zugleich aber auch die Radikalisierung des Diskurses sowie die verbale Entgleisung bis hin zur kriminellen Tatbeständen zeigten, war diese vormals positive Bewertung nicht aufrecht zu erhalten. Diese Ambivalenz gilt ebenso für die Wahlkampagnen in den USA: Bei der Obama-Kampagne wurden die neuen Techniken der Wählermobilisierung und -bindung (crowdfunding, microblogging) als innovativ bewertet. Die schnell berüchtigten Tweets von Trump hingegen erreichten Aufmerksamkeit durch inhaltliche Simplifizierung und Trivialisierung von Politik, bewusst zugespitzten bis hin zu radikalen Aussagen und rhetorischen Missgriffen. Diese Erkenntnisse unterstreichen umso mehr, wie problematisch frühzeitige normative Festlegungen in Bezug auf die Richtung der Wirkkraft digitaler Medien sein können.

Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung zu digitalen Medien wendet sich der Partizipation zu. Dies stellt einen generellen Trend dar, gleichwohl ist hervorzuheben, dass dies in besonderer Weise für die deutsche scientific community gilt. Untersucht werden in dem Groß-Bereich Partizipation schwerpunktmäßig Aspekte wie Nutzung von online basierten Tools der Beteiligung (Welche werden genutzt?) und der Nutzungsform (Wie werden sie genutzt?). Weiterführend waren in den letzten Jahren vor allem solche groß angelegten Studien wie die von Emmer et al. (2011), die Partizipationsstudie des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (2014) oder die Infosys-Studie des Institut für Demoskopie Allensbach (Köcher und Bruttel 2011). Grundsätzlich kann man verschiedene Untersuchungsperspektiven unterscheiden: a) institutionalisierte Beteiligungsformate, die von staatlichen Stellen angeboten werden oder gar verfassungsmäßig/gesetzlich vorgesehen sind wie e‑voting (Kersting und Baldersheim 2004) oder Bürgerhaushalte (Kollek 2017); b) moderierte Formate wie abgeordnetenwatch (Buzogány 2016) und c) individuelle bottom-up Formate, die meist unter unkonventionelle Partizipation zu fassen sind wie Online-Unterschriftenaktionen, Blogs etc.

2 Untersuchungsmethoden

An den beiden exemplarisch ausgewählten Forschungsfeldern Online-Wahlkampagnen und Partizipation lassen sich einige Hinweise auf die Methodenwahl und damit auch zur vergleichenden Perspektive anschließen.

Erstens dominieren fallspezifische Analysen. Global betrachtet zeigt sich zunächst ein starker US-Bias, der einhergeht mit einem generellen Fokus auf demokratische Regime und die OECD-Welt. Diesbezüglich besteht noch viel Raum für vergleichende Arbeiten, wobei sich eher kleinere oder mittlere Vergleiche anbieten, wenn es um Wahlkampagnen geht. Ähnliches gilt für Aspekte von Partizipation. Bei Aspekten der Partizipation sind zweifelsohne auch large-n Studien denkbar bzw. wünschenswert, vor allem um in bestimmten Bereichen (e-voting, e‑referenda, e‑petitions) einen großflächigen Überblick zu erhalten. Gerade aber, was das Nutzerverhalten im Netz angeht, wird die vergleichende Politikwissenschaft auf Umfragen angewiesen sein. Zudem generiert und verfolgt das Forschungsfeld Internet und digitale Medien aber längst – sozusagen „eigene“ – methodische Ansätze, die an technischen Eigenschaften und Funktionslogiken der Medien (Dezentralität, Knotenbildung, Interaktivität) orientiert sind: Netzwerkanalyse, geo-location, data mining etc. (Jungherr 2015; Schünemann et al. 2016; Stier et al. 2017). Hier liegt innovatives Potenzial mit spill-over-Effekt auf andere Forschungszweige der Komparatistik. Bislang weniger ausgeschöpft sind experimentelle Methoden, die im Bereich der Online-Kommunikation weiterführend erscheinen (Labor-Experimente etwa).

Zweitens zeigt sich bereits jetzt, dass ein zentrales methodisches Instrument für vergleichende politikwissenschaftliche Studien die Online-Diskursanalyse darstellt (zur Methode: Fraaß et al. 2012, S. 173–184; inhaltliches Beispiel: Kollek 2017). Insofern ein Fokus auf den kommunikativen Inhalten etwa in Foren, sozialen Netzwerken etc. liegt, greifen Forscher darauf zurück. Die Datenmengen sind hier zumeist sehr groß, daher werden Kodierungen zunehmend mit computerlinguistischen Verfahren vorgenommen. Daneben ergeben sich weitere Herausforderungen aus dem Medium Internet selbst: sei es die Flüchtigkeit der Daten, die Abgrenzung der Untersuchungseinheiten, die Multimedialität, Verlinkungen etc.

Drittens ergibt sich spiegelbildlich zu der schwerpunktmäßigen Bearbeitung von demokratischen und OECD-Ländern, dass Studien, die sich Fragestellungen im Bereich von Autokratien zuwenden, bislang in der Minderheit sind. Das gleiche gilt für Untersuchungen, die regimeübergreifend vergleichen. Diese Feststellungen verweist auf die methodische Ausrichtung: Die vergleichende Perspektive wird bislang überwiegend durch quantitative, large-n-Studien abgedeckt (in Deutschland für außereuropäische Regime siehe z. B. Rød und Weidmann (2015), für regimetypübergreifende Untersuchungen siehe etwa Stier (2015, 2017) sowie Kneuer und Harnisch (2016)) oder durch Einzelfalluntersuchungen, wobei es wiederum „Leuchtturmfälle“ wie China oder Russland gibt. Ein Desiderat stellen auch hier in-depth-Analysen von wenigen Fällen oder Designs mittlerer Fallzahl (etwa regional ausgerichtet) dar.

Viertens ergibt sich aus den genannten Lücken die Schlussfolgerung, dass ein künftig zu beschreitender Weg vermehrt einen Methoden-Mix aus quantitativen und qualitativen Zugängen darstellen sollte, um zunächst einen breiten Überblick über den Stand spezifischer Aspekte zu erlangen und aus diesem Tableau in einem nächsten Schritt ein kleines oder mittleres Sample für tiefergehende Analysen herauszukristallisieren. Large-n-Studien stoßen an ihre Grenzen in dem dynamischen Bereich digitaler Medien, insbesondere wenn es um die Motivlagen der Akteure (sei es Nutzungsverhalten, Übernahme von online tools etc.) oder die Effekte digitaler Interaktion geht. Insbesondere regionale Effekte – wie etwa Diffusion – bedürfen daher Designs, die Methoden bei mittlerer Fallzahl kombinieren.

3 Vorläufige Erkenntnisse

Damit ist die Brücke geschlagen zu einem zentralen Punkt der Bestandsaufnahme, nämlich der bislang noch unterbelichteten vergleichenden Perspektive, um profunde Erkenntnisse sowohl in Bezug auf die Varianz der Wirkung digitaler Interaktion für die politischen Prozesse als auch die Varianz der Nutzung zu erlangen. Vereinzelte, frühe Untersuchungen mit spezifischen Fragestellungen (wie etwa bei Thomas Zittel 2010), die dann in weiteren Studien bestätigt wurden (Vaccari 2013) wiesen darauf hin, dass die Effekte digitaler Interaktion maßgeblich abhängig sind von a) den involvierten Akteuren, ihren Interessen und Präferenzen sowie b) institutionellen, aber auch c) politisch-kulturellen Rahmenbedingungen. Hervorzuheben ist, dass sich eben diese Studien durch einen in-depth vergleichenden Ansatz auszeichnen.

Schließlich sei auf ein Spezifikum des Forschungsfeldes digitale Medien hingewiesen: Es enthält eine besondere Anwendungsorientierung und praxeologische Komponente. Daher kommen Forscher hier – leichter als in anderen Forschungsgebieten – in die Position, politikberatend tätig zu werden und Kontakte in die net community zu entwickeln. Die Netzinteressierten – ob in Wissenschaft oder Praxis – kennzeichnet insofern auch eine eigene, spezifische Diskursnähe und stärkerer Austausch, die sich auf anderen Forschungsfeldern der Komparatistik eher selten finden lassen. Diese Nähe kann freilich auch Nachteile (wie etwa fehlende Distanz zum Gegenstand) zeitigen.