1 Einleitung

Trotz der wachsenden zeitlichen Distanz zum Systemwechsel 1989/90 weisen quantitative ländervergleichende Studien weiterhin auf eine begrenzte Koalitionsfähigkeit postkommunistischer Nachfolgeparteien hin (Döring und Hellström 2013; Grotz und Weber 2015). Dies ist überraschend, wurde doch erwartet, dass die historischen Trennlinien innerhalb des Parteiensystems ein Übergangsphänomen der Transformationsphase darstellen, welches im Zeitverlauf an Bedeutung verlieren würde (Grzymala-Busse 2001, S. 89; Kropp 2008, S. 526). Gleichzeitig offenbart sich eine bemerkenswerte Heterogenität zwischen den postkommunistischen Nachfolgeparteien (PKP) in den einzelnen Ländern, die Fragen aufwirft: Wieso gelang es den ungarischen Postkommunisten bereits frühzeitig eine Regierungskoalition mit dem liberalen SZDSZ zu bilden, während die polnische SLD auch im neuen Jahrzehnt weiterhin Beschränkungen bei der Regierungsbildung unterliegt? Wieso scheint die SLD, trotz einer erfolgten programmatischen Erneuerung in Bezug auf ihre Koalitionsfähigkeit, mehr Gemeinsamkeiten mit der wenig reformierten orthodoxen tschechischen KSČM aufzuweisen, als mit ihrem reformierten ungarischen Pendant? Warum gelang es einigen PKPen sich als gleichberechtigte Koalitionspartner zu etablieren, während diese in anderen Ländern aufgrund ihrer kommunistischen Vergangenheit weiterhin eine Sonderstellung bei der Regierungsbildung besitzen?

Dieser Artikel zeigt, dass die kommunistische Vergangenheit einen entscheidenden Einfluss auf die Ausdifferenzierung der Rolle der postkommunistischen Nachfolgeparteien bei der Regierungsbildung gehabt hat. Selbst wenn die ursprüngliche Ursache für die Trennlinie zwischen Regime- und Oppositionslager (regime divide) inzwischen an Bedeutung verloren hat, hat sie strukturelle Realitäten geschaffen, die bis ins zweite Jahrzehnt nach dem Systemwechsel fortwirken. Die Regierungsbildungsprozesse in Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik und der Slowakei im Zeitraum 2001–2010 verdeutlichen, inwiefern die spezifische Ausprägung des regime divide und die daraus resultierende Interaktionen der Parteien und deren strategische Kalküle Auswirkungen auf die Rolle der PKP bei der Koalitionsbildung hatten: Während ein schwacher regime divide in den 1990er-Jahren durch die Sanktionierung der Koalitionspartner paradoxerweise zur Verfestigung bestehender Koalitionsmuster beitrug, blieb die Position der PKP in Ländern mit einst starkem regime divide anfällig für die Instrumentalisierung rechter Parteien.

Somit trägt der Artikel auf zweierlei Weise zur bestehenden Forschung über postkommunistische Nachfolgeparteien und deren Rolle bei Koalitionsbildungsprozessen bei. Erstens demonstriert er anhand einer modifizierten Version des einflussreichen Konzepts des regime divide von Grzymala-Busse (2001), dass sowohl in Polen als auch in der Tschechischen Republik die jeweilige PKP weiterhin Beschränkungen bei der Regierungsbildung unterworfen ist. Demgegenüber kann weder für Ungarn noch die Slowakei ein Hinweis auf eine fortdauernde Bedeutsamkeit der kommunistischen Vergangenheit für Koalitionsverhandlungen festgestellt werden.

Zweitens wird, ausgehend von diesem Befund, die Bedeutung der kommunistischen Vergangenheit für die heutige Position der postkommunistischen Nachfolgeparteien beleuchtet. Dabei zeigt sich, dass die Herausbildung fester Koalitionsmuster durch pfadabhängige Entwicklungsprozesse beeinflusst wird. Während pfadabhängige Entwicklungen bei der Herausbildung von Parteiensystemen bereits Beachtung gefunden haben (Kitschelt et al. 1999; Kreuzer 2009), ist deren Einfluss auf Koalitionsbildungsprozesse bislang nur wenig erforscht (Tavits 2008, S. 496).

Der nachfolgende Abschnitt betrachtet die besondere Stellung der PKPen bei den Regierungsbildungsprozessen und stellt im anschließenden Kapitel ein auf Grzymala-Busse (2001) aufbauendes Analyseraster vor, das nach einer historischen bedingten Sonderrolle der PKP fragt. Wie die Ergebnisse der empirischen Analyse zeigen, sind die Befunde jedoch aus mehreren Gründen überraschend, da sie auf den Fortbestand der Logik des regime divide bei der Regierungsbildung in einzelnen Ländern hinweisen. Die folgenden Abschnitte argumentieren, dass diese überraschenden empirischen Befunde ihre Wurzeln in einer sequentiellen Entwicklungslogik haben, welche zu einer Reproduktion der bisherigen Koalitionsmuster führt.

2 Postkommunistische Nachfolgeparteien und der regime divide

2.1 Forschungsstand

Aufgrund der geringen Erklärungskraft der herkömmlichen Koalitionstheorien für die postkommunistischen Länder entwickelte Grzymala-Busse (2001) einen kontextspezifischen Erklärungsansatz, der der Situation nach dem Systemwechsel Rechnung trug und sich in der Trennlinie zwischen ehemaligem Regime und Opposition (regime divide) manifestierte. Im Gegensatz zu den etablierten Demokratien Westeuropas waren die neugegründeten Parteien in den postkommunistischen Staaten durch unscharfe Programmatiken und fehlende Parteireputationen gekennzeichnet. In Ermangelung dieser Unterscheidungskriterien stellte die Parteiherkunft aus dem ehemaligen Regime- oder Oppositionslager ein eindeutiges Identifizierungsmerkmal für potentielle Koalitionspartner und Wähler dar.

In a posttransition system marked by vague and overlapping policy stances, the regime divide is the most fundamental cleavage and therefore the clearest source of party identity. Therefore, coalitions will form within the constraints of the regime divide. (Grzymala-Busse 2001, S. 89)

Die postkommunistischen Nachfolgeparteien wurden aufgrund ihrer Vergangenheit sowohl von den anderen Parteien, als auch von deren Wählern kritisch bewertet. In der Konsequenz mussten jene Parteien, die sich für die Zusammenarbeit mit einer PKP entschieden, damit rechnen, für ihre Koalitionsentscheidung von den anderen Parteien bzw. den eigenen Wählern sanktioniert zu werden. Dieses Risiko einer parteipolitischen Isolierung und die drohenden Stimmenverluste stellten dementsprechend einen starken Anreiz dar, Regierungsbündnisse unter Ausschluss der ehemaligen Kommunisten einzugehen, selbst wenn dies zu ideologisch heterogenen und instabilen Regierungsbündnissen führte.

In ihrer Untersuchung der vier Visegrád-Staaten (Polen, Ungarn, Slowakei, Tschechische Republik) konnte Grzymala-Busse (2001, S. 91) zeigen, dass zwischen 1990 und 2000 mit office- bzw. policy-seeking Ansätzen gerade einmal 24 bzw. 43 % aller Regierungskoalitionen erklärt werden konnten. Gleichzeitig wurden 86 % aller Regierungskoalitionen entlang der Trennlinie des regime divide gebildet, woraus der geringe Anteil der programmatisch kohärenten Regierungskoalitionen resultiert. Parteien aus dem Oppositionslager, die es wagten, sich auf lagerübergreifende Koalitionen einzulassen, sahen sich mit Stimmenverlusten konfrontiert, die im Durchschnitt mehr als doppelt so hoch waren, als die der sonstigen Regierungsparteien (Grzymala-Busse 2001, S. 92).

Die Sonderstellung von postkommunistischen Nachfolgeparteien bei der Regierungsbildung konnte auch in weiteren Arbeiten für größere Ländersamples nachgewiesen werden. So wurden postkommunistische Nachfolgeparteien grundsätzlich seltener Teil einer Regierungskoalition (Druckman und Roberts 2007; Grotz und Weber 2015). Kam es dennoch zu einer Regierungsbeteiligung, enthielten diese Koalitionen häufig mehr Parteien als notwendig (übergroße Koalition) und wiesen eine Unterrepräsentation der PKP bei den Ministerposten auf (Druckman und Roberts 2007). Zudem waren diese Koalitionen in den 1990er-Jahren überdurchschnittlich stabil (Tzelgov 2011; Grotz und Weber 2012). Während die PKPen in ihrem Bestreben, sich als verlässliche Koalitionspartner zu etablieren, wenig Interesse an einem vorzeitigen Ende der Regierungskoalition hatten, mussten deren Koalitionspartner aufgrund einer drohenden Sanktionierung durch die eigenen Wähler ein vorzeitiges Koalitionsende fürchten.

Gleichwohl wurde erwartet, dass die Bedeutung der kommunistischen Vergangenheit als limitierender Faktor im Zeitverlauf abnehmen würde (Grzymala-Busse 2001, S. 88–89; Kropp 2008, S. 526). Einmal durch einen Generationswechsel bei Wählern und Politikern, die zunehmend nicht mehr durch den Konflikt zwischen kommunistischen Machthabern und Regimeopposition geprägt wurden. Zudem würde mit der Herausbildung von Parteireputationen als Folge des Regierungshandelns die Parteiherkunft als Identifizierungsmerkmal an Bedeutung verlieren und sollte folglich keinen Einfluss mehr auf die Stellung von postkommunistischen Nachfolgeparteien besitzen. Die empirische Evidenz für das neue Jahrtausend erscheint jedoch bislang ambivalent. Während ländervergleichende Studien einerseits Hinweise auf einen fortbestehenden Ausschluss von PKPen bei der Regierungsbildung (Döring und Hellström 2013; Grotz und Weber 2015) finden, ist nach Grotz und Weber (2012) kein Einfluss des regime divide auf die Koalitionsstabilität mehr feststellbar.

2.2 Fallauswahl

Dieser Artikel fokussiert sich auf die PKPen in Polen, der Slowakei, Ungarn und der Tschechischen Republik, die aus mehrerlei Gründen besonders interessant für eine Untersuchung sind. Erstens wird die Rolle der nationalen PKP, im Gegensatz zu den meisten anderen postkommunistischen Ländern Ostmitteleuropas, nicht durch andere Faktoren überlagert. So ist die PKP in Estland und Lettland eng mit der Frage nach der russischen Minderheit verbunden, wohingegen die PKP bei der Nationalstaatsgründung in Litauen und Slowenien eine zentrale Rolle gespielt hat. Demgegenüber konnte in Rumänien und Bulgarien die jeweilige PKP die ersten Jahre nach dem Systemwechsel dominieren und profitierte von einem relativ geringen Ausmaß der Diskreditierung (Grzymala-Busse 2002, S. 17). Angesichts der Folge von kompetitiven Wahlen seit 1989/90 kann dementsprechend insbesondere für die Visegrád-Staaten erwartet werden, dass sich Parteireputationen herausgebildet haben, die die Parteiherkunft als Faktor bei der Regierungsbildung verdrängt haben.

Zudem bildet das gewählte Ländersample die Varianz der unterschiedlichen Entwicklungspfade von postkommunistischen Nachfolgeparteien im demokratischen Parteienwettbewerb ab (Grzymala-Busse 2002; Lang 2009). Während die slowakischen SMER-SD eine Nachfolgepartei der ursprünglichen PKP ist, hat die tschechische KSČM nur eine begrenzte organisatorische und programmatische Erneuerung erfahren. Demgegenüber leiteten sowohl die polnischen SLD wie auch die ungarische MSZP bereits in den 1990ern eine Sozialdemokratisierung ein und konnten Wahlerfolge erzielen. Wie eingangs erörtert, unterscheiden sich beide Parteien gleichwohl deutlich in ihrer Koalitionsfähigkeit.

3 Fortbestand des regime divide? – Ein modifiziertes Analyseraster

Während Grzymala-Busse (2001) darauf abzielte die spezifischen Koalitionsbildungsmuster in den ostmitteleuropäischen Staaten nach 1989 zu erklären, verdeutlichte der Literaturüberblick, dass auch Regierungskoalitionen unter Einbeziehungen von postkommunistischen Nachfolgeparteien systematische Unterschiede aufwiesen, die aus der historisch bedingten asymmetrischen Verhandlungsposition der Postkommunisten resultierten. Dementsprechend muss zwischen Regierungskoalition mit und ohne Beteiligung der PKP unterschieden werden, da diese jeweils durch spezifische Muster gekennzeichnet sind. Bei Koalitionen ohne Beteiligung einer PKP ist zu fragen, ob dieser Ausschluss seine Ursache in der Parteivergangenheit hat oder sich auf alternative Gründe, wie Programmatik bzw. Mehrheitsverhältnisse, zurückführen lässt. Ist die PKP demgegenüber Teil der Regierungskoalition, ist zu untersuchen, ob sich deren Position von den anderen Koalitionsparteien unterscheidet.

Wenngleich das Konzept Grzymala-Busses (2001) weiterhin hilfreiche Ansatzpunkte für die Analyse von Regierungsbildungsprozessen in den postkommunistischen Ländern Ostmitteleuropas bietet, kann jedoch nicht mehr a priori davon ausgegangen werden, dass sich die Position von postkommunistischen Nachfolgeparteien von der anderer Parteien unterscheidet – dies ist vielmehr Gegenstand des Erkenntnisinteresses. Dementsprechend ist explizit zu bestimmen, unter welchen Bedingungen die Parteiherkunft weiterhin einen Einfluss auf die Bildung von Regierungskoalitionen ausübt und damit die programmatische Kohärenz der Regierungskoalition bzw. die Verhandlungsposition der PKP beeinflusst. Dabei lassen sich vier mögliche Konstellationen für die einzelnen Koalitionsbildungsprozesse unterscheiden (vgl. Abb. 1), die nun im Detail diskutiert werden.Footnote 1

Abb. 1
figure 1

Relevanz der Logik des regime divide bei der Bildung von Koalitionsregierungen (Quelle: eigene Darstellung)

Von einer fortbestehenden Relevanz der Logik des regime divide kann nur dann ausgegangen werden, wenn nachfolgende drei Kriterien erfüllt sind, die nahelegen, dass die programmatisch zu erwartende Koalition aufgrund der Sonderstellung der PKP nicht zu Stande kam: (1) Es hätte zur tatsächlich gebildeten Regierungskoalition eine programmatisch kohärentere Alternative unter Einbeziehung der PKP bestanden; (2) diese verfügte über die Mehrheit der Mandate und (3) deren Bildung scheiterte an der Weigerung potentieller Koalitionspartner unter Verweis auf die historische belastete Parteivergangenheit der PKP.Footnote 2 Nur wenn alle drei Kriterien (größere programmatische Kohärenz, parlamentarische Mehrheit, asymmetrische Kooperationsbereitschaft) gleichzeitig vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass die Parteiherkunft ein relevanter Faktor für die Nicht-Beteiligung der PKP war.

Die programmatische Ausrichtung der Parteien wird auf Basis der Chapel Hill Expert Survey (Bakker et al. 2015) bestimmt. Die Verortung anhand von Experteninterviews bietet den Vorzug, bei der Einschätzung der Partei über das reine Parteiprogramm hinauszugehen. Gleichzeitig wird jeweils auf die zeitlich am nächsten zu Wahl liegende Erhebung zurückgegriffen, um zu vermeiden, dass retrospektiv die einmal getroffene Koalitionsentscheidung und mögliche anschließende Konvergenzprozesse der Koalitionspartner überwertet werden. In Abhängigkeit von den dominanten nationalen Konfliktlinien dient die Verortung in Bezug auf ökonomische (lrecon) oder gesellschaftspolitische/kulturelle Fragen (galtan) bzw. deren Kombination (minimale euklidianische Distanz) als Grundlage zur Bestimmung der programmatisch kohärentesten Regierungskoalition. Während in Ungarn die kulturell/gesellschaftspolitische bzw. in der Tschechischen Republik die sozioökonomische Konfliktlinie dominiert, wird der Parteienwettbewerb in Polen von beiden Konfliktlinien geprägt (Kitschelt et al. 1999). Eine ähnliche Struktur war ursprünglich auch in der Slowakei anzutreffen, gleichwohl verschob sich der Schwerpunkt nach 1998 zunehmend zu Gunsten sozioökonomischer Fragen (Hloušek und Kopeček 2008, S. 542), so dass hier vorrangig diese Konfliktlinie berücksichtigt wird.

Davon sind jene Regierungskoalitionen zu unterscheiden, in denen eine Regierung unter Einbeziehung der jeweiligen PKP gebildet wurde. Hierbei existieren zwei Kriterien, die einen Hinweis auf eine weiterhin existente Sonderrolle der PKP und einen Fortbestand der Logik des regime divide liefern. Erstens, die fortdauernde Sanktionierung des Koalitionsverhaltens durch die anderen Parteien bzw. die eigenen Wähler. Dies ist der Fall, wenn die Koalitionspartner der PKPs bei künftigen Regierungsbildungen von den anderen Parteien ausgeschlossen werden und/oder aufgrund der Koalitionsentscheidung bei den nachfolgenden Wahlen an Stimmen verlieren.Footnote 3 Liegen die Stimmenverluste nach einer Regierungsbeteiligung über den durchschnittlichen relativen Verlusten der Amtsinhaber in diesem Land für den untersuchten Zeitraum und lassen sich keine alternativen Ursachen dafür identifizieren (Korruptionsskandale, Parteispaltungen, etc.), ist davon auszugehen, dass eine Sanktionierung des Koalitionsverhaltens durch die Wähler erfolgte.

Zweitens zeigt die Verteilung von Ministerposten innerhalb der Koalition eventuelle Asymmetrien bei den Koalitionsverhandlungen auf. So konnten Druckman und Roberts (2007, S. 30–31) zeigen, dass postkommunistische Nachfolgeparteien aufgrund ihrer schwächeren Verhandlungsposition in den 1990er-Jahren systematisch weniger Ministerposten erhielten, als ihre Koalitionspartner. Diese Unterrepräsentation kann als Ausdruck der schwächeren Verhandlungsposition bzw. als Kompensation für die antizipierten Verluste der Koalitionspartner bei den nachfolgenden Wahlen verstanden werden. Eine proportionale Verteilung der Ressorts wäre im Umkehrschluss ein Indiz dafür, dass keine Sanktionierung des Koalitionsverhaltens durch die Wähler mehr erwartet wird, so dass dem regime divide keine Bedeutung mehr zukommt.Footnote 4

4 Regierungsbildungsprozesse 2001–2010

Berücksichtigung finden all jene Regierungen, die zwischen 2001 und 2010 nach Wahlen oder einem Wechsel des Regierungschefs oder der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierungskoalition ins Amt gekommen sind.Footnote 5 Endpunkt der Untersuchung ist das Jahr 2010, so dass sich ein Untersuchungszeitraum von insgesamt zehn Jahren ergibt. Damit stehen für jedes Land drei Legislaturperioden zur Verfügung. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 26 Regierungen gebildet, von denen zehn auf Polen, jeweils sechs auf die Tschechische Republik und Ungarn und vier auf die Slowakei entfallen.

4.1 Slowakei

Für die Slowakei konnte bei keiner der gebildeten Regierungen im Untersuchungszeitraum ein Einfluss der Parteivergangenheit auf die Verhandlungsposition der PKP festgestellt werden. Sowohl die 2002 (SDKÚ-DS, SMK, KDH, ANO) wie auch die 2010 (SDKÚ-DS, SaS, KDH, Most-HiD) gebildete Regierungskoalition stellte die programmatisch kohärenteste Möglichkeit in Bezug auf die dominante ökonomische Konfliktachse dar (vgl. Abb. 2).Footnote 6 Demgegenüber schied die SMER-SD, die aus der postkommunistischen SDL‘ hervorgegangen war, aufgrund ihrer wirtschaftspolitischen Vorstellungen in beiden Fällen als Koalitionspartner aus.

Abb. 2
figure 2

Regierungskoalitionen mit parteipolitischem Ausschluss der PKP (Quelle: eigene Darstellung; Berechnung der programmatisch kohärentesten Koalition auf Basis der Daten von Bakker et al. 2015)

2006 scheiterte die programmatisch zu erwartende Koalition am Widerstand der KDH, die Vorbehalte gegen eine Einbeziehung der Mečiar-Partei LS-HZDS hatte. Stattdessen bildete sich eine international kritisierte Regierungskoalition aus nationalistischer SNS, LS-HZDS und SMER-SD, die somit eine PKP beinhaltete. Die Einbeziehung von SNS und LS-HZDS wurde durch das strategische Kalkül der SMER-SD begünstigt, da diese Koalition eine größtmögliche Durchsetzung der eigenen wirtschaftspolitischen Vorstellungen ermöglichte (Hloušek and Kopeček 2008, S. 544). Zudem konnte die SMER-SD aufgrund der Ächtung der Koalitionspartner durch die anderen Parteien deutlich mehr Regierungsposten für sich beanspruchen, als ihr rein rechnerisch zugestanden hätten (vgl. Abb. 3), was nahelegt, dass keine historisch bedingte asymmetrische Verhandlungsposition zu Ungunsten der PKP mehr besteht. Die deutlichen Stimmenverluste von SNS (−56,4 %) und LS-HZDS (−51,1 %) bei den Parlamentswahlen 2010, die deutlich über dem nationalen Durchschnitt (−24,3 %) liegen, weisen auf keine Sanktionierung in Folge der Überwindung des regime divide hin. Ursache hierfür ist vielmehr die Wählerwanderung zum moderateren Nationalismus der SMER-SD, die durch Korruptionsskandale der SNS sowie den beginnenden Zerfall der LS-HZDS verstärkt wurde (Haughton et al. 2011, S. 398).

Abb. 3
figure 3

Regierungskoalitionen unter Einbeziehung der PKP (Quelle: eigene Darstellung; Verteilung Ministerposten basierend auf den Länderberichten des European Journal of Political Research)

4.2 Ungarn

Ähnlich wie in der Slowakei kann auch in Ungarn keine Ausgrenzung der postkommunistischen Nachfolgepartei auf Basis des regime divide mehr festgestellt werden (vgl. Abb. 3). 2002 und 2006 kam es zu einer Neuauflage der Koalition aus der postkommunistischen Nachfolgepartei MSZP und dem liberalen, einst oppositionellen, SZDSZ. Entgegen der theoretischen Erwartungen des Konzepts konnte der SZDSZ bei den Parlamentswahlen 2006 nicht nur Stimmenverluste vermeiden, sondern seinen Stimmenanteil sogar um 16,1 % steigern. Angesichts der fehlenden Sanktionierung kann dies bereits als hinreichender Beleg für die erfolgreiche Überwindung des regime divide betrachtet werden (Grzymala-Busse 2001, S. 100). Vor diesem Hintergrund ist auch der Einbruch bei den Parlamentswahlen 2010 kein Hinweis für den regime divide, zumal viele Wähler aufgrund von Korruptionsaffären aus der Regierungszeit sowie andauernden internen Streitigkeiten zur neugegründeten LMP abwanderten (Kiszelly 2011, S. 170). Gleichzeitig widerlegt die Kooperation von SZDSZ und MDF bei den Parlamentswahlen 2010, dass die Koalitionsentscheidungen des SZDSZ zu einer dauerhaften parteipolitischen Isolierung geführt haben. Zwar war der SZDSZ in beiden Legislaturperioden in Bezug auf die Minister überrepräsentiert, die Ursache hierfür ist allerdings in der verbesserten Verhandlungsposition des SZDSZ, im Vergleich zu 1994, zu suchen, als er rein rechnerisch nicht für die Regierungsmehrheit nötig gewesen wäre. Bei den Parlamentswahlen 2010 erreichte das Wahlbündnis FIDESZ/KDNP mehr als zwei Drittel der Mandate, so dass keine weiteren Parteien zur Regierungsbildung notwendig waren.

4.3 Polen

Polen stellt von den hier betrachteten Ländern insofern einen Sonderfall dar, da es neben der SLD mit der Bauernpartei PSL über eine zweite Partei verfügt, deren Wurzeln im ehemaligen Regime-Lager liegen. Diese Konstellation führte sowohl in den 1990er, wie auch den 2000er-Jahren zu spezifischen Koalitionsbildungsmustern, die der SLD trotz der weiterhin existenten Logik des regime divide eine Regierungsbeteiligung erlaubte. Gleichwohl kann festgehalten werden, dass die postkommunistische SLD auch zwei Jahrzehnte nach dem Systemwechsel nur über eine begrenzte Koalitionsfähigkeit verfügt (vgl. Abb. 2).

Nach den Parlamentswahlen 2001 strebte die SLD als Wahlsiegerin, die nur knapp die absolute Mehrheit verfehlt hatte, eine Kooperation mit der liberalen Bürgerplattform (PO) an. Diese programmatisch kohärente Option scheiterte allerdings an der Weigerung der PO, mit den Postkommunisten zu koalieren (Grabowska 2004, S. 360). Dementsprechend musste sich die PKP, angesichts fehlender Mehrheitsalternativen, auf eine erneute Koalition mit der PSL einlassen, obwohl diese programmatisch nur wenig Übereinstimmung mit der SLD aufwies.Footnote 7 Dementsprechend kann für diese Legislaturperiode vom Fortbestand der Logik des regime divide ausgegangen werden.

Entgegen der weitverbreiteten Erwartung kam es nach den Parlamentswahlen 2005 nicht zu einer Kooperation von PO und PiS, zwei Parteien, die ihre Wurzeln im ehemaligen Oppositionslager hatten. Stattdessen wurde ein Dreier-Bündnis unter Führung der PiS gebildet, das durch die Kritik an der Entwicklung Polens nach 1989 und der Betonung nationaler und religiöser Werte geeint wurde und auch große Gemeinsamkeiten bei den wirtschaftspolitischen Vorstellungen besaß. Insgesamt wies diese Koalition, sowohl in Bezug auf ökonomische wie auch kulturelle Vorstellungen, die minimale policy-Distanz auf.

Auch die Bildung der Regierungskoalition aus PO und PSL im Anschluss an die vorgezogenen Parlamentswahlen 2007 deutet auf eine fortdauernde parteipolitische Isolierung der postkommunistischen Nachfolgepartei SLD hin, die als dominierende Kraft in einem linken Wahlbündnis (Lewicy i Demokraci, LiD) mit mehreren kleineren, ehemals oppositionellen Parteien angetreten war. Angesichts der divergenten Positionen von PSL und PO bezüglich der Wirtschaftspolitik (Szczerbiak 2006, S. 101) wiesen LiD und PO deutlich mehr inhaltliche Gemeinsamkeiten auf.Footnote 8 Die inhaltlichen Schnittmengen manifestierten sich auch in den größeren Überschneidungen bei der Wählerschaft dieser beiden Parteien im Vergleich zur PSL (CBOS 2007, S. 6). Dass die PSL aufgrund der geringeren Belastung durch die Parteiherkunft als der einfachere Koalitionspartner wahrgenommen wurde (Münch 2008, S. 769), legt nahe, dass die SLD als PKP auch weiterhin nur über eine begrenzte Koalitionsfähigkeit aufgrund ihrer Parteiherkunft verfügt.

4.4 Tschechische Republik

Ähnlich wie in Polen unterliegt die tschechische postkommunistische Nachfolgepartei KSČM weiterhin einer parteipolitischen Isolierung und war zudem bislang noch nie Bestandteil einer Regierungskoalition. Sowohl 2002, wie auch 2006 hätte angesichts der Dominanz der sozio-ökonomischen Konfliktlinie die programmatisch kompakteste Koalition eine Einbeziehung der KSČM bedeutet. 2002 wurde das Angebot der KSČM, eine Minderheitsregierung zu tolerieren, allerdings von der ČSSD unter Verweis auf das selbst auferlegte Kooperationsverbot von 1995 abgelehnt. Während die ČSSD 2006 prinzipiell zu einer solchen Zusammenarbeit bereit gewesen wäre, scheiterte eine entsprechende Koalition allerdings an der anti-kommunistischen Haltung des dritten möglichen Partners SZ bzw. KDU-ČSL (Kopeček und Pšeja 2008). Stattdessen wurden in beiden Legislaturperioden ideologisch heterogene und instabile Koalitionen mit äußerst knappen Mehrheiten gebildet,Footnote 9 die während der Legislaturperioden an massiven internen Streitigkeiten litten. In beiden Fällen folgte die Regierungsbildung der Logik des regime divide. Im Gegensatz dazu vereinte die nach den Parlamentswahlen 2010 gebildete Regierungskoalition drei programmatisch nahestehende Mitte-Rechts Parteien, die im Gegensatz zu ČSSD und KSČM über eine eigene Mehrheit verfügten (vgl. Abb. 2). Trotz dieser Tatsache, kann in der Tschechischen Republik auch für das zweite Jahrzehnt nach dem Systemwechsel von einem Fortbestand der Sonderrolle der KSČM ausgegangen werden.

4.5 Diskussion

Von den betrachteten 26 Regierungskoalitionen konnte nur in neun Fällen ein Hinweis auf den Ausschluss der PKP in Folge ihrer Herkunft festgestellt werden (vgl. Abb. 4). Demgegenüber überwogen in elf Fällen die programmatischen Unterschiede bzw. entsprechende Regierungskoalitionen verfügten über keine eigene Mehrheit. Bei jenen Regierungskoalitionen, die unter Einbeziehung einer PKP gebildet wurden, fanden sich in keinem Fall mehr Hinweise auf eine Sonderstellung der PKP. Damit konnte nur noch in einem Drittel aller Fälle (34,6 %) ein Einfluss des regime divide festgestellt werden. Vor dem Hintergrund der anfangs formulierten Erwartung, dass die Wirkung des regime divide im Zeitverlauf nachlassen sollte, sind die bisherigen Befunde aus zweierlei Gründen als überraschend zu werten.

Abb. 4
figure 4

Relevanz der kommunistischen Vergangenheit bei der Regierungsbildung in den vier Visegrád-Staaten 2001–2010 (Quelle: eigene Darstellung)

Erstens erscheint es wenig plausibel, dass die Abwesenheit von herausgebildeten Parteireputationen für den Fortbestand der bisherigen parteipolitischen Isolation der jeweiligen PKP bei der Regierungsbildung verantwortlich ist. So bot sich den Parteien in den vergangenen 20 Jahren die Möglichkeit, aus dem parteipolitischen Handeln und der Interaktion der Parteien untereinander entsprechende Parteireputationen aufzubauen (Laver und Shepsle 1996, S. 248). Wieso folgen Regierungsbildungsprozesse weiterhin der Logik des regime divide, wenngleich der ursprüngliche Erklärungsfaktor – der Rückgriff auf die Parteiherkunft als Identifikationsmerkmal in Abwesenheit herausgebildeter Parteireputationen – augenscheinlich als Ursache ausscheidet?

Zweitens stellt sich die Frage, warum es zu der Herausbildung von solch unterschiedlichen Positionen der PKP bei der Regierungsbildung gekommen ist. Weder in Polen noch in der Tschechischen Republik gelang es der jeweiligen PKP, trotz inhaltlicher Gemeinsamkeiten und vorhandener Mehrheiten eine Regierungskoalition mit Parteien aus dem ehemaligen Oppositionslager zu bilden. Demgegenüber ist in der Slowakei bzw. Ungarn kein Unterschied mehr in der Stellung der PKP festzustellen, so dass selbst im Falle einer Regierungsbeteiligung keine Hinweise auf eine historisch bedingte asymmetrische Verhandlungsposition zu erkennen sind. Wieso unterliegt die polnische SLD, trotz einer programmatischen Erneuerung und Sozialdemokratisierung weiterhin ähnlichen Beschränkungen wie die tschechische KSČM, die sich entsprechenden Entwicklungen weitgehend verweigert hat? Warum ist im Falle der SLD nicht vielmehr eine Entwicklung nach dem Vorbild der ungarischen MSZP zu beobachten?

Die nachfolgenden Abschnitte argumentieren, dass die beobachteten Muster nur mit einem Rückgriff auf die Entwicklungen der 1990er-Jahre und die ursprüngliche Ausprägung des regime divide verstanden werden können.

5 Schatten der Vergangenheit – die weitreichende Wirkung des regime divide

Auffälligstes Ergebnis der bisherigen Untersuchung ist die Ausdifferenzierung der Koalitionsfähigkeit der PKPen in den einzelnen Ländern. Während es der PKP in Ungarn und der Slowakei bereits in den 1990er-Jahren gelang, sich als Koalitionspartner zu etablieren und in der Folgezeit auch kein Einfluss des regime divide mehr festgestellt werden konnte, blieb deren polnisches bzw. tschechisches Pendant eine solche Möglichkeit verwehrt. Hier kam es vielmehr zu einem lock-in der parteipolitischen Isolation der 1990er-Jahre. Entscheidende Prägekraft für diese Muster hatte die länderspezifische Relevanz des regime divide, den Grzymala-Busse als das Ausmaß des Konflikts zwischen kommunistischem Regime und Opposition vor dem Systemwechsel definiert:

The regime divide consists of the depth and character of the conflict between the Communist rulers and their opposition prior to the democratic transitions of 1989, whether it consisted of repression or negotiation, and, if negotiation, whether it was dominated by conflict or consensus. (Grzymala-Busse 2001, S. 87)

Dabei lassen sich drei Wirkungszusammenhänge identifizieren, die die Rolle der jeweiligen PKP bei der Regierungsbildung in den 2000er-Jahren beeinflussten. Einerseits begünstigte der regime divide die Verfestigung der bestehenden Koalitionsmuster durch eine pfadabhängige Entwicklungslogik. Damit knüpft dieser Artikel an die Erkenntnis an, dass entsprechende Entwicklungsprozesse nicht nur die Wettbewerbskonstellationen und Gestalt des Parteiensystems prägen können (Kitschelt et al. 1999; Grzymala-Busse 2006; Kreuzer 2009), sondern frühere Ereignisse auch Einfluss auf Koalitionsbildungsprozesse nehmen können (Franklin und Mackie 1983; Bale et al. 2005; Tavits 2008). Gelang es demgegenüber der PKP nicht, eine dauerhafte Kooperation mit programmatisch nahestehenden Parteien zu etablieren, hatte die Ausprägung des regime divide in den 1990er-Jahren weitergehende Auswirkungen auf die Stellung der PKP im jeweiligen Parteiensystem, die in der Konsequenz auch deren Koalitionsperspektiven bestimmten (vgl. Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Auswirkungen des regime divide auf die Position von postkommunistischen Nachfolgeparteien bei der Regierungsbildung (Quelle: eigene Darstellung)

5.1 Verfestigung der bestehenden Koalitionsmuster in Folge der parteipolitischen Sanktionierung

Gemäß dem Konzept der Pfadabhängigkeit haben zeitlich frühere Ereignisse einen bestimmenden Einfluss auf die weitere Entwicklung (Arthur 1994; Mahoney 2000; Pierson 2000). Ausgangspunkt ist eine Umbruchssituation (critical juncture), die eine Entscheidung für einen bestimmten Entwicklungspfad markiert. In Folge von zunehmenden Revisionskosten der bisherigen Entscheidung kommt es zu einer Reproduktion der bisherigen Strukturen, so dass sich ein langfristiges und stabiles Gleichgewicht herausbildet. Erst eine erneute critical juncture bietet die Möglichkeit, den einmal eingeschlagenen Entwicklungspfad zu verlassen. Die hohen Kosten einer Revision lassen sich hierbei mit mehreren Faktoren begründen (Arthur 1994, S. 112; Pierson 2000, S. 254): Hohe Fixkosten, die im Fall einer Revision der Entscheidung nicht wieder rückgängig gemacht werden und dementsprechend einen Anreiz bieten, auf dem bisherigen Entscheidungspfad zu verbleiben. Lern- und Koordinierungseffekte, die sich aus der zunehmenden Etablierung einer Option ergeben und so zu einer Reduktion der Kosten führen. Schließlich die Bestrebung, Verluste durch die Antizipation der „richtigen“ Option zu vermeiden, was in der Konsequenz zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen führen kann.

Einerseits ein Hindernis für die parteipolitische Kooperation, begünstigte der dem regime divide innewohnende Sanktionierungsmechanismus paradoxerweise die Herausbildung langfristiger Kooperationsmuster der Parteien. Kam es in den 1990er-Jahren aufgrund eines nur schwach ausgeprägten regime divide zu einer Regierungskoalition unter Einbeziehung einer PKP, wurde eine spätere Revision dieser Koalitionsentscheidung infolge der (Fix-)Kosten der Sanktionierung erschwert. Denn durch die Ausgrenzung der anderen Parteien, als Reaktion auf eine Koalition mit der PKP, reduzierten sich die künftigen Koalitionsoptionen und machten die PKP in Ermangelung von Alternativen zum zentralen Partner auch bei künftigen Regierungsbildungen. Gleichzeitig reduzierten sich die Kosten für eine Neuauflage der bisherigen Regierungskoalition, da sich mit den vorherigen Stimmenverlusten bei den Wahlen bereits all jene Wähler abgewendet hatten, die grundsätzlich eine Kooperation mit der PKP ablehnten. Dementsprechend waren zukünftig keine weiteren Stimmenverluste aus diesem Grund zu erwarten.

Anders stellt sich dagegen die Situation in Ländern dar, die durch einen stark ausgeprägten regime divide gekennzeichnet waren. Ohne die Möglichkeit, sich als Koalitionspartner programmatisch nahestehender Parteien zu etablieren, blieben die Koalitionsmöglichkeiten der Postkommunisten beschränkt und sie konnten somit nicht von der Verfestigung der bisherigen Koalitionsmuster profitieren. Stattdessen waren potentielle Koalitionspartner weiterhin mit der Unsicherheit konfrontiert, inwiefern entsprechende Koalitionsentscheidungen durch andere Parteien bzw. die eigenen Wähler sanktioniert würden. Angesichts der Abwesenheit von Lern-/Koordinierungseffekten konnte der Verzicht auf entsprechende Koalitionen daher einer möglichen parteipolitischen Isolation und Stimmenverlusten vorbeugen.

5.2 Mobilisierungspotential rechter Parteien in Folge der fehlenden Erneuerung der PKP

Eine fehlende Etablierung von festen Kooperationsmustern machte die PKP des Weiteren anfälliger für das taktische Kalkül anderer Parteien. Je intensiver der Konflikt zwischen dem kommunistischen Regime und der Systemopposition in der Vergangenheit war, desto geringer waren die Möglichkeiten und Fähigkeiten der PKP, sich strukturell und inhaltlich zu erneuern und sich einer kritischen Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit zu stellen (Grzymala-Busse 2002). Die Notwendigkeit zur Erneuerung wurde zudem durch die fehlende Koalitionsperspektive gemindert. Die verpassten innerparteilichen Reformen in den 1990er-Jahren hatten weitreichende Folgen für künftige Regierungsbildungsprozesse. Je geringer das Ausmaß der parteipolitischen Erneuerung war, desto größere Möglichkeiten hatten rechten Parteien, diesen Umstand für ihre parteipolitischen Ziele zu instrumentalisieren.

Mit der Kritik an der kommunistischen Vergangenheit und der Diskussion um eine Aufarbeitung des Kommunismus (Lustration) bot sich Möglichkeit, die PKP zu diskreditieren, eigene Themen zu setzen und sich im Parteiensystem zu positionieren (Enyedi 2005; Williams et al. 2005, S. 30–31; Haughton 2012). Dadurch wurde die Diskussion um ökonomische Reformen in den Hintergrund gedrängt, welche die Position der rechten Parteien angesichts ihrer wenig konsolidierter Anhängerschaft zu untergraben drohte (Tavits und Letki 2009, S. 558). Neben einer verstärkten Mobilisierung der eigenen Anhänger im rechten Lager,Footnote 10 konnte eine entsprechende Politisierung der kommunistischen Vergangenheit die Regierungsbeteiligung der PKP erschweren. Mit der Drohung einer verstärkten Polarisierung des Parteienwettbewerbs und der Reduktion der zukünftigen Koalitionsoptionen erhöhten sich für potentielle Koalitionspartner die Kosten einer entsprechenden Entscheidung.

5.3 Erschwerte Etablierung der PKP in Folge von Diffusionsprozessen

Der regime divide hatte zudem eine strukturierende Wirkung auf die Parteiensysteme der jeweiligen Länder und beeinflusste so die Wettbewerbskonstellationen zwischen den Parteien. Je stärker der regime divide ausgeprägt war, desto schwieriger war der Wechsel der alten KP-Mitglieder in andere Parteien, da diese eine Aufnahme der historisch belasteten Personengruppe ablehnten. War demgegenüber eine Diffusion ehemaliger Parteikader möglich, reduzierte dies das Angriffs- und Kritikpotential der anderen Parteien gegenüber der PKP, da eine Kritik an der kommunistischen Vergangenheit für die ehemaligen KP-Mitglieder einer Selbstdiskreditierung gleichgekommen wäre. Dadurch verlor der Parteienwettbewerb an Struktur und nationalistische oder ethnische Thematiken gewannen an Bedeutung (Grzymala-Busse 2006, S. 428).Footnote 11 In der Konsequenz reduzierte sich dadurch jedoch die Bindewirkung der postkommunistischen Nachfolgepartei gegenüber all jenen, die noch im alten System verwurzelt waren, da sie sich nicht mehr automatisch als „natürlicher“ Verbündeter dieser Gruppe präsentieren konnte (Grzymala-Busse 2002, S. 179; Tavits und Letki 2009, S. 556). Eine entsprechende Stellung untergrub nicht nur die Positionierung der PKP im Parteienwettbewerb, sondern stellte aufgrund der zusätzlichen Konkurrenz deren Fortbestand und Wahlerfolg auch langfristig in Frage (Mannewitz 2010). Zusätzliche Wettbewerber resultierten nicht nur durch Parteineugründungen, sondern auch durch Parteiabspaltungen, die zwar von der politischen Erfahrung profitieren konnten, ohne jedoch unmittelbar unter dem Stigma der postkommunistischen Nachfolgepartei zu leiden.

6 Unterschiedliche Entwicklungspfade und die Ausdifferenzierung der Rolle der PKP in den Visegrád-Staaten

6.1 Verfestigung der Koalitionsmuster in Ungarn

Begünstigt durch die schwache Ausprägung des regime divide gelang es der ungarischen PKP (MSZP) bereits 1994 eine Regierungskoalition mit dem liberalen SZDSZ zu bilden,Footnote 12 die 2002 bzw. 2006 ihre Neuauflage fand. Während dieses Bündnis Anfang der 1990er-Jahre aus programmatischer Sicht keine Notwendigkeit war, da SZDSZ und FIDESZ ähnliche inhaltliche Vorstellungen vertraten (Enyedi 2005, S. 703; Klingemann et al. 2006), eröffnete es dem SZDSZ 1994, nach der Nicht-Berücksichtigung bei der Regierungsbildung 1990, erstmals die Möglichkeit zur Übernahme von Regierungsverantwortung.

Der Preis hierfür war allerdings der explizite Ausschluss des SZDSZ bei den nächsten Koalitionsverhandlungen (1998) durch die anderen Parteien aus dem oppositionellen Lager unter Führung von FIDESZ (Grzymala-Busse 2001, S. 97). In den folgenden Jahre entwickelte sich eine zunehmend bipolare Wettbewerbsstruktur, in deren Zentrum weltanschauliche Konflikte standen, die MSZP und SZDSZ von den konservativen/nationalistischen/religiösen/anti-kommunistischen rechten Parteien trennte (Enyedi 2005).Footnote 13 Diese Entwicklung führte nicht nur zu einer programmatischen Annährung der beiden Parteien (Klingemann et al. 2006), sondern überwand auch die Spaltung aufgrund der unterschiedlichen parteipolitischen Herkunft (Bozóki 2008, S. 209). In der Konsequenz wurden MSZP und SZDSZ zu engen Verbündeten im ungarischen Parteiensystem, die 2002 und 2006, trotz der gewachsenen Polarisierung um die kommunistische Vergangenheit (Whitefield und Rohrschneider 2009, S. 291) erneut eine Regierungskoalition eingingen. Damit einhergehend sanken auch die Kosten einer Neuauflage der bisherigen Koalition für den SZDSZ. Während er für seine erste Koalition mit der MSZP bei den Parlamentswahlen 1998 empfindlich von den Wählern abgestraft wurde (−60 % der Wählerstimmen), gelang es ihm 2006, seinen Stimmenanteil gegenüber 2002 um ein gutes Sechstel (+16,1 %) zu erhöhen.

Die hohen Kosten der Revision früherer Entscheidungen werden auch an den Versuchen des SZDSZ deutlich, sich bei den Wahlen 2010 als unabhängige Kraft außerhalb des Dualismus von MSZP und FIDESZ zu etablieren. Neben internen Streitigkeiten und Korruptionsaffären wird der Versuch einer gemeinsamen Wahlliste mit dem einstigen Erzfeind, dem konservativen MDF, als Ursache für den endgültigen Niedergang der Partei gesehen (Szabó und Lux 2011, S. 134–137). Diese Kooperation, die insbesondere von Seiten des MDF umstritten war und zahlreiche Parteiaustritte verursachte, verpasste schlussendlich mit 2,2 % der Stimmen den Einzug ins Parlament deutlich.

6.2 Diffusion und Post-Postkommunismus in der Slowakei

Begünstigt von der relativ schwachen Ausprägung des regime divide gelang es der slowakischen PKP bereits frühzeitig Bestandteil einer Regierungskoalition zu werden (1994, 1998–2002). Im Gegensatz zu Ungarn handelte es sich dabei jedoch um programmatisch stark heterogene Parteien, die einzig durch die Ablehnung des zunehmend autoritären Kurses von V. Mečiar geeint wurden. Die Besorgnis um die demokratische Entwicklung ließ die Bestrebungen für den Aufbau von Parteireputationen zeitweilig in den Hintergrund treten (Grzymala-Busse 2001, S. 99). In Abwesenheit der Sanktionierung der KoalitionspartnerFootnote 14 der PKP und der ideologischen Heterogenität der jeweiligen Koalition, ergaben sich daraus jedoch keine stabilen Kooperationsmuster, von der die SDL‘ nach dem zunehmenden Niedergang Mečiars hätte profitieren können.

Zusätzlich wurde die Position der SDL‘ von Beginn an durch Diffusionsprozesse untergraben. Im Gegensatz zu Ungarn wechselten zahlreiche ehemalige KP-Mitglieder zu anderen Parteien, was zu einem Verschwimmen der programmatischen Grenzen zwischen den einzelnen Parteien führte (Grzymala-Busse 2006, S. 428). Insbesondere die in den 1990er-Jahren dominierende LS-HZDS sprach viele Wähler an, die eigentlich der potentiellen Wählerbasis einer postkommunistischen Nachfolgepartei zuzurechnen waren und destabilisierte so die Position der SDL‘.Footnote 15 Diese reagierte mit wiederholten Änderungen der programmatischen Ausrichtung, die sich an relativ begrenzte und wechselnde Wählergruppen richteten und in der Kooperation mit wechselnden Partnern manifestierte (Grzymala-Busse 2002; Haughton 2004, S. 180–186). Das Vakuum im linken Parteienspektrum, welches durch die Zunahme sozioökonomischer Themen weiter an Bedeutung gewann, wurde schlussendlich durch die SMER-SD unter dem populären Robert Fico besetzt, welche sich Ende der 1990er-Jahre von der SDL‘ abgespalten hatte.Footnote 16 Befreit vom historischen Ballast, gelang es der SMER-SD jedoch, breitere Wählerschichten anzusprechen als die SDL‘:

As the successor to a Communist successor party, Smer occupied the position without either the benefits or burdens of a direct Communist legacy. On the one hand, this meant the loss of the ‘cache’ of those committed specifically to the Communist Party as an institution, but this was a relatively small share […] In exchange, Smer appears to have gained increased access to those with redistributionist attitudes but with a negative memories (sic!) of Communist Party rule before 1989. (Rybár und Deegan-Krause 2008, S. 512)

Auch wenn es infolge der spezifischen Situation in der Slowakei zu keiner Verfestigung der bisherigen Koalitionsmuster kam, begünstigte die Schwäche der SDL‘ aufgrund der Diffusionsprozesse die Abspaltung und anschließenden Wahlerfolge der SMER-SD. Diese konnte als Nachfolgepartei einer Nachfolgepartei ungeachtet der programmatischen und institutionellen Kontinuitäten (Rybár und Deegan-Krause 2008) weitgehend unbehindert von ihrer Parteiherkunft agieren und sich dementsprechend als gleichberechtigter Koalitionspartner etablieren.

6.3 Fortbestand der parteipolitischen Isolierung in der Tschechischen Republik

Die starke Ausprägung des regime divide in der Tschechischen Republik verhinderte nicht nur eine Regierungsbeteiligung der KSČM in den 1990er-Jahren, sondern erschwerte auch eine grundlegende programmatische und personelle Erneuerung der Partei und deren Bruch mit der kommunistischen Vergangenheit (Grzymala-Busse 2002; Lang 2009). Ungeachtet der ausgebliebenen umfassenden Sozialdemokratisierung zeigten sich in den 2000er-Jahren dennoch zunehmende programmatische Überschneidungen mit den Sozialdemokraten (ČSSD), der einzigen weiteren relevanten linken Partei im tschechischen Parteiensystem. 2002 verweigerte sich diese einer Zusammenarbeit mit der KSČM und entschied sich stattdessen für eine ideologisch heterogene Regierungskoalition, die nur über die minimale Mehrheit von einem Parlamentsmandat verfügte. Nachdem die KSČM die Regierung 2005 durch ihre Enthaltung bei einem Misstrauensvotum gestützt hatte, kam es jedoch zu einer zunehmenden Pragmatisierung des Verhältnisses zwischen beiden Parteien. Diese war auch der Erkenntnis geschuldet, dass dies für die sozialdemokratische ČSSD die einzige Möglichkeit war, sich im ansonsten von rechten Parteien dominierten tschechischen Parteiensystem längerfristig eine programmatisch kohärente Regierungsoption zu schaffen (Kopeček und Pšeja 2008). So wurde die KSČM ab 2005 zu „einer Art stiller Teilhaber“ (Lang 2009, S. 100) der regierenden ČSSD und unterstützte diese bei der Durchsetzung einer Reihe von Gesetzen gegen den Willen der eigentlichen Koalitionspartner der Sozialdemokraten (KDU-ČSL, US-DEU).

Gleichwohl war die Strategie der ČSSD, die in den Wahlkämpfen 2006 bzw. 2010 mit dem Ziel einer KSČM-tolerierten Minderheitsregierung antrat, anfällig für die Kritik der rechten Parteien, zumal die KSČM unter parteiinternen Streitigkeiten zwischen Reformern und Hardlinern über ihre Neuausrichtung litt (Kopeček und Pšeja 2008, S. 334). In beiden Fällen kam es zu einer anti-kommunistischen Kampagne, die das „Schreckgespenst“ einer rot-roten Koalition an die Wand malte (Plecitá-Vlachová und Stegmaier 2008, S. 181; Weichsel 2010, S. 34). Während die Umfrageergebnisse vor den Wahlen eine solche Option als durchaus realistisch erschienen ließen, verfehlten ČSSD und KSČM in beiden Wahlen die angestrebte Mehrheit der Mandate. Tatsächlich konnte bei beiden Wahlen eine erhöhte Wahlbeteiligung beobachtet werden, die insbesondere der KSČM mit ihrer loyalen und gut mobilisierten Anhängerschaft schadete (Plecitá-Vlachová und Stegmaier 2008, S. 182). Entgegen dem Trend einer insgesamt rückläufigen Wahlbeteiligung in der Tschechischen Republik, stieg diese 2006 (64,4 %) und 2010 (62,5 %) deutlich gegenüber dem Wert von 2002 (57,9 %) an. Gleichzeitig erzielte 2006 die konservative ODS als führende Kraft im rechten Lager mit fast 36 % der Stimmen das beste Wahlergebnis seit dem Systemwechsel und konnte gegenüber den vorherigen Wahlen mehr als 700.000 Stimmen hinzugewinnen.

6.4 Regime divide trotz programmatischer Erneuerung in Polen

Auch der polnischen postkommunistischen SLD gelang es – trotz einer programmatischen Erneuerung und zeitweiliger Übernahme von Regierungsverantwortung – nicht, die Trennlinie des regime divide zu überwinden, wie es in Ungarn der Fall war. Erstens begrenzte die starke Ausprägung des regime divide die Möglichkeiten der SLD, eine Koalition mit programmatisch nahestehenden Parteien einzugehen: Eine Koalitionsentscheidung, die aufgrund der Sanktionierung des Koalitionspartners durch die anderen Parteien langfristig zu einer Verfestigung der Koalitionsmuster hätte führen können. Angesichts der Ablehnung der liberalen Parteien UW (1993) bzw. PO (2001), war die SLD zweimal gezwungen, eine programmatisch wenig homogene Regierungskoalition mit der Bauernpartei PSL einzugehen. Diese hatte zwar ebenso wie die SLD Wurzeln im postkommunistischen Lager, gab sich aber ein zunehmend konservatives Profil, so dass sie sich programmatisch immer weiter von der SLD entfernte (Klingemann et al. 2006, S. 13).

Zweitens war das Ausmaß der Erneuerung der SLD deutlich geringer als bei der ungarischen MSZP. Aufgrund der zeitlichen Nähe zu den Ereignissen der 1980er-Jahre (Entstehung Solidarność, Ausrufung Kriegsrecht) war ein rigoroser Bruch mit der Vergangenheit trotz programmatischer Neuorientierung nicht möglich. In diesem Zusammenhang kam es auch zu beachtlichen personellen Kontinuitäten. Die zwischenzeitlichen Wahlerfolge (1993, 2001) beruhten daher weniger auf einer umfassenden parteipolitischen Erneuerung, als vielmehr auf der Fähigkeit sich als effektive Regierungsalternative zu den zersplitterten und zerstrittenen rechten Parteien zu präsentieren (Grzymala-Busse 2002, S. 215).

Die Tatsache, dass die SLD auch „knapp zwei Jahrzehnte nach der Gründung […] noch stark im exkommunistischen Milieu verwurzelt“ (Lang 2009, S. 329) ist, wurde insbesondere 2007 zu einer Hypothek und wirkte einer Regierungsbeteiligung entgegen. Angesichts der wachsenden Bipolarisierung des Parteienwettbewerbs zwischen liberaler PO und nationalkonservativer PiS, wobei letztere den Bruch mit der postkommunistischen Übergangsphase und die Ausrufung der sogenannten „IV. Republik“ auf ihre politische Agenda gesetzt hatte, standen die bisherigen Koalitionsmuster zur Disposition. Ungeachtet der Überschneidungen bei Programmatik und Wählerschaft sowie der Umstand, dass das Wahlbündnis der LiD neben der SLD auch mehrere kleinere Parteien mit Wurzeln im ehemaligen Oppositionslager umfasste,Footnote 17 votierte die PO für eine Koalition mit der Bauernpartei PSL. Eine Beteiligung der SLD hätte demgegenüber der PiS zusätzliche Angriffsfläche gegenüber der PO geboten und einer weiteren Polarisierung des Parteienwettbewerbs Vorschub geleistet (Lang 2009, S. 330). Bereits zwischen 2003 und 2007 konnten Whitefield und Rohrschneider (2009) in keinem der 13 untersuchten postkommunistischen Länder einen vergleichbaren Bedeutungszuwachs der kommunistischen Vergangenheit für den Parteienwettbewerb feststellen, wie in Polen. Angesichts der Möglichkeit einer Koalition aus PO und LiD hatte der Parteivorsitzende der PiS, Jarosław Kaczyński, zudem deutlich gemacht, dass eine Koalitionsentscheidung der PO für die Postkommunisten eine entschiedene Reaktion der rechtsnationalen Parteien nach sich ziehen würde (Millard 2010, S. 158).

7 Fazit

Ausgangspunkt dieses Artikels war die überraschende Beobachtung, dass die Parteiherkunft in Polen und Tschechische Republik weiterhin einen Einfluss auf die Koalitionsfähigkeit der postkommunistischen Nachfolgeparteien hat, während dies in Ungarn und der Slowakei nicht der Fall ist. Dabei wird argumentiert, dass die Wurzeln hierfür in den unterschiedlichen Ausprägungen des regime divide zu suchen sind, der eine Reproduktion der Koalitionsmuster der 1990er-Jahre begünstigte. Während die fehlende Lösung von der kommunistischen Vergangenheit der PKP in Polen und der Tschechischen Republik den rechten Parteien die Möglichkeit zur parteipolitischen Instrumentalisierung bot, gelang es den PKPen in Ungarn und der Slowakei, die Beschränkungen aufgrund ihrer Parteiherkunft zu überwinden. Die einstige Sanktionierung des SZDSZ in Ungarn begünstigte dabei die Herausbildung eines linksliberalen Lagers, welches die postkommunistische MSZP und den liberalen SZDSZ trotz der unterschiedlichen Vergangenheit vereinte. In der Slowakei ist die SMER-SD als Nachfolgepartei einer Nachfolgepartei nur noch als „postkommunistisch im weiteren Sinne“ (Lang 2009, S. 17) einzuordnen und konnte sich so vom Stigma der postkommunistischen Nachfolgepartei lösen.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Wirkung des regime divide nachhaltiger war, als gemeinhin vermutet und über eine Begrenzung des Koalitionspotentials postkommunistischer Nachfolgeparteien in den 1990er-Jahren hinausreichte. Selbst wenn dem ursprünglichen Wirkungsmechanismus, der auf der fehlenden Herausbildung von Parteireputationen basiert, keine Bedeutungen mehr zukommt, hatte der regime divide doch weitreichende Konsequenzen für die Wettbewerbs- und Koalitionskonstellationen im zweiten Jahrzehnt nach dem Systemwechsel. Wie insbesondere der Fall der ungarischen MSZP verdeutlicht, spielen dabei auch pfadabhängige Entwicklungen eine wichtige Rolle – ein Aspekt, der bislang nur wenig Aufmerksamkeit im Bereich der Koalitionsforschung erfahren hat.

Die Befunde dieses Artikels bieten zudem eine Erklärung für den scheinbaren Widerspruch der Ergebnisse bisheriger Forschungsarbeiten zu postkommunistischen Nachfolgeparteien im neuen Jahrtausend. Während Grotz und Weber (2015) noch Hinweise auf einen Ausschluss der PKPen von der Regierungsbildung finden konnte, waren Regierungskoalitionen mit Beteiligung der PKP im Gegensatz zu den 1990er-Jahren nicht stabiler als sonstige Koalitionen (Grotz und Weber 2012). Wenngleich die bisherigen Wirkungsmechanismen, die eine Sonderstellung der PKP bedingten, an Bedeutung verloren haben, hat sich die parteipolitische Isolierung einzelner PKPen verfestigt, so dass diese weiterhin nur eine begrenzte Koalitionsfähigkeit aufweisen.

Während wiederholt auf die Unterschiede zwischen Koalitionsbildungsprozessen in West- und Ostmitteleuropa hingewiesen wurde (Döring und Hellström 2013; Bergmann et al. 2015), verdeutlichen die Ergebnisse dieses Artikels die Varianz bezüglich der Rolle der PKP innerhalb der jungen Demokratien Ostmitteleuropas. Angesichts dieser zunehmenden Heterogenität stellt sich die Frage, inwiefern weiterhin generalisierbare Aussagen über die Koalitionsfähigkeit von PKPen möglich sind, oder ob hier nicht stärker zwischen den einzelnen Entwicklungspfaden differenziert werden muss. Hierzu ist ein weiterer Blick auf die anderen postkommunistischen Staaten Ostmittel- und Südosteuropas notwendig, die nicht Gegenstand dieser Untersuchung waren. Die vorliegenden Befunde und die Tatsache, dass der regime divide in diesen Ländern von Beginn an durch andere Faktoren überlagert wurde, legen die Vermutung nahe, dass sich in diesen Ländern keine Hinweise mehr auf eine historisch bedingte Sonderstellung der PKP identifizieren lassen.

Gleichzeitig werfen die Entwicklungen seit dem Ende der 2000er-Jahre neue Fragen auf. Während postkommunistische Nachfolgeparteien zu Beginn des neuen Jahrtausends vielfach Wahlerfolge erzielen konnten und eine zentrale Rolle im Parteienwettbewerb der jeweiligen Länder einnahmen (Grzymala-Busse 2002; Lang 2009; Mannewitz 2010), hat sich die Struktur der Parteiensysteme in vielen Ländern umfassend gewandelt. Das Aufkommen neuer Konflikte in Folge der ungelösten Probleme der Transformation, illiberaler Regierungstendenzen und dem Entstehen neuer (Protest-)Parteien (Bohle 2013) hat die einst gewichtige Stellung der PKP in vielen Ländern untergraben. Augenscheinlichstes Beispiel hierfür ist die polnische SLD, welche seit den Parlamentswahlen 2015 nicht mehr im Parlament vertreten ist. Welche Konsequenzen für die Koalitionsbildungsprozesse und die Stellung der PKP diese Veränderungen haben, ist ein vielversprechender Gegenstand zukünftiger Forschung.