Um den Anforderungen der Digitalisierung gewachsen zu sein, brauchen Controller zusätzliche Kompetenzen. Doch muss ein einzelner Controller wirklich alles abdecken? Hier gibt eine Expertenbefragung der WHU mit neun rollenspezifischen Kompetenzprofilen eine differenzierte Antwort. Unternehmen können mit ihrer Hilfe Kompetenzlücken identifizieren und schließen.

Was muss ein Controller nicht alles können und wissen? Die einschlägigen Anforderungsprofile finden sich in jedem Lehrbuch und haben über die Jahre an Umfang zugelegt (vergleiche etwa Weber/Schäffer 2016; Weber/Schäffer 1998). Insbesondere die Einführung von ERP-Systemen hat Controller von vielen traditionellen Aufgaben entlastet und - so ist zumindest oft zu hören - in der Konsequenz die Bedeutung von Geschäftskenntnissen, Kommunikationsfähigkeiten und Verhaltensorientierung im Anforderungsprofil erhöht (vergleiche Schäffer/Weber 2018a). Gleichzeitig zeigt sich aber immer wieder, dass die wohlfeile Rhetorik höherer und neuer Anforderungen zumindest kurzfristig oft im Sande verläuft. Ein schönes Beispiel dafür ist das Business-Partner-Konzept und die damit verbundenen Fähigkeitsprofile. Sie werden seit vielen Jahren propagiert, bleiben in der Umsetzung aber auch etliche Jahre nach dem Aufkommen des Konzepts oft hinter der ursprünglichen Zielsetzung zurück (vergleiche etwa Schäffer/Weber 2018b). Anspruch und Wirklichkeit klaffen gerade bei Themen wie Expertise im Bereich nichtfinanzieller Kennzahlen, einem grundlegenden Geschäftsverständnis, strategischem Denken und einem soliden Know-how im Veränderungs-Management häufig auseinander. Die zentrale Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte lässt sich entsprechend wie folgt zusammenfassen: Ja, das durchschnittliche Kompetenzprofil des Controllers hat sich verändert, aber die Entwicklung des kollektiven Sets an Wissen und Fähigkeiten geht nur langsam voran.

Mit Blick auf die ins Haus stehende Digitalisierung der Finanzfunktion sehen sich Controller nun erneut mit der Forderung konfrontiert, dazulernen zu müssen. Zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten sind gefragt - nicht zuletzt eine gewisse Expertise im Umgang mit Big Data und Veränderungsprozessen sowie ein hinreichendes Verständnis digitaler Geschäftsmodelle und neuer Organisationsformen. Die dritte WHU-Zukunftsstudie zeigt jedoch, dass die befragten Controller und CFOs gerade Themen wie die Fachkenntnisse in statistischen Methoden, die Fähigkeit zur Analyse großer Datenmengen und ein innovationsfreundliches Mindset der Controller in ihren Unternehmen als eher unterdurchschnittlich ausgeprägt einschätzen (vergleiche Schäffer/Weber 2017a). Welche Anforderungen sind also realistisch, welche unabdingbar? An dieser Stelle setzt die diesem Beitrag zugrunde liegende Delphi-Studie der WHU an (vergleiche Informationen zur WHU Delphi-Studie, S. 17).

Kompetenzfelder der Zukunft

Das im Rahmen der Delphi-Studie erarbeitete idealtypische Anforderungsprofil für Controller umfasst sechs Kompetenzfelder: (1) Finanzen und Controlling, (2) Management, (3) Technologie und Analyse, (4) Geschäftsverständnis, (5) Kommunikation und Zusammenarbeit sowie (6) persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften (vergleiche Abbildung 1). Diese sechs Felder sind nicht wirklich neu. Was sich aber durchaus verändert hat, sind ihre relative Bedeutung und der jeweilige Inhalt: Bewährte Fähigkeiten, Wissensbausteine und Eigenschaften stehen neben veränderten beziehungsweise einfach wichtiger gewordenen Anforderungen und, ja, auch neben einer Reihe gänzlich neuer Anforderungen. Aber schauen wir uns doch die Kompetenzfelder im Einzelnen an:

Abb. 1
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Quelle: eigene Darstellung

Kompetenzfelder von Controllern

Die bewährten Kerntugenden eines Controllers verlieren auch im neuen Umfeld nichts an Bedeutung.

Finanzen und Controlling

Ein profundes Expertenwissen bezüglich der zentralen Prozesse, Konzepte und Frameworks in der Finanzfunktion, ein umfassendes Verständnis des internen und externen Rechnungswesens und eine profunde Kenntnis finanzieller und nichtfinanzieller Kennzahlen bilden von jeher eine wichtige Basis der Controller-Arbeit, eine Klaviatur, die jeder Controller beherrschen muss - sowohl mit Blick auf die einzelnen Bausteine als auch auf ihr Zusammenspiel (vergleiche Gänßlen et al. 2013; Grabner/Moers 2013). Daran wird sich im Grundsatz auch zukünftig wenig ändern, grundlegend neue Wissensbausteine kommen in diesem Bereich nicht dazu. Dennoch wäre es falsch, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sich im Bestand des relevanten Fachwissens nichts verändern wird. Controller müssen sich in Zukunft noch mehr mit nichtfinanziellen Werttreibern auskennen. Gleichzeitig werden sich - wie nicht zuletzt das Konzept des Beyond Budgetings verdeutlicht (vergleiche Bogsnes et al. 2016; Schäffer/Weber 2019b) - alle grundlegenden Controlling-Prozesse verändern: Forecasts werden weitgehend automatisiert, Self-Service-Konzepte treten an die Stelle des traditionellen Reportings, und Planungsprozesse werden im Spannungsfeld von Automatisierung und Campus-Konzepten neu aufgesetzt. Mit dem Lehrbuchwissen des vergangenen Jahrzehnts ist es also nicht mehr getan, das Bewertungs- und Steuerungsinstrumentarium entwickelt sich weiter.

Management

Neben den Kenntnissen im Bereich Controlling und Finanzen ist ein zweites Kompetenzfeld der Kategorie Fach- und Methodenwissen zuzuordnen, das die Expertise in den Bereichen Projekt-Management, Veränderungs-Management und agile Methoden umfasst. Ein solides Verständnis von Projekt-Management wird schon lange von all den Controllern eingefordert, die als Business Partner tatsächlich in Projektarbeit involviert sind. Und auch das Thema Veränderungs-Management wird seit Jahren propagiert (vergleiche etwa Schäffer/Weber 2017b). Dennoch: In einem Kontext digitaler Disruption gewinnen beide Wissensbausteine an Bedeutung, und auch Controller kommen nicht mehr daran vorbei, sich mit agilen Techniken und Organisationsformen intensiv auseinanderzusetzen (vergleiche Schäffer/Weber 2019a und 2019b).

Technologie und Analyse

Die größte Veränderung sehen wir im dritten Kompetenzfeld, das die Bereiche Technologie und Analyse umfasst. Fragen der Datenarchitektur, der IT-Systemlandschaft, der Datengewinnung, -aufbereitung und -visualisierung waren schon immer Themen, die grundsätzlich für Controller relevant waren und das Anforderungsprofil entsprechend mitgeprägt haben. So forderte etwa Albrecht Deyhle bereits früh "EDV-Kenntnisse, um Auftraggeber für Systemlösungen sein zu können" (Deyhle 1980, S. 40). Mit der Veränderung der technologischen Möglichkeiten haben sich aber die Inhalte dieses Kompetenzfelds über die Zeit Schritt für Schritt erweitert, und auch die aktuellen, mit der Digitalisierung verbundenen Herausforderungen führen dazu, dass sich der Inhalt traditioneller Wissensbausteine und Fähigkeiten verändert und gleichzeitig neue Elemente an Relevanz gewinnen. An die Seite altbewährter Kompetenzen treten nun etwa die Fähigkeit zur Entwicklung und Interpretation statistischer Modelle, die Expertise im Umgang mit BI-Tools sowie Kenntnisse in den Bereichen Datenschutz und Datensicherheit. Zudem wird für Controller ein breiter angelegtes Wissen um digitale Technologien und Trends postuliert.

Geschäftsverständnis

Das Fach- und Methodenwissen aus den ersten drei Kompetenzfeldern allein reicht nicht aus. Um Manager wirksam zu unterstützen, ist ein Verständnis des zugrunde liegenden Geschäfts unabdingbar. Sonst drohen Zahlen schnell zum wirklichkeitsfremden Papiertiger zu werden, Analysen schnell zur bürokratischen Pflichtübung. Controller müssen also das Geschäftsmodell und die Werttreiber ihres Unternehmens (beziehungsweise ihrer Geschäftseinheit) im Detail durchdringen, über hinreichende Branchenkenntnis verfügen, die Erfolgsfaktoren verschiedener Geschäftsmodelle überblicken und nicht zuletzt strategisch denken können. Was ist daran neu? Im Grunde nichts. Aber zum einen gilt es nun, neben dem traditionellen Geschäft auch die Funktionsweise digitaler Geschäftsmodelle zu verstehen, zum anderen nimmt die Bedeutung der genannten Fähigkeiten und Wissensbausteine in Zeiten des Umbruchs signifikant zu. Sich auf einen gegebenen Prozess realgüterwirtschaftlicher Leistungserstellung zu verlassen, mag in einem stabilen Marktumfeld eine tragbare Strategie sein. Doch Veränderung und neue Geschäftsmodelle führen leicht dazu, dass die finanzielle Steuerung zum Selbstzweck verkommt und nicht mehr aus Strategie und Struktur des Unternehmens abgeleitet ist (vergleiche Schäffer/Weber 2019c). Wer nicht gelernt hat, strategisch zu denken, und die Erfolgsfaktoren relevanter Geschäftsmodelle nicht in der erforderlichen Tiefe versteht, verliert gerade in einem solchen Kontext schnell an Glaubwürdigkeit.

Kommunikation und Zusammenarbeit

Neben einem soliden Geschäftsverständnis bedarf es einer ausreichenden Kompetenz im Themenfeld "Kommunikation und Zusammenarbeit". Wer Zahlen verkaufen und mit anderen gemeinsam Probleme lösen will, muss angemessen kommunizieren und mit anderen zusammenarbeiten können. Dies umfasst aber nicht nur die Fähigkeit, Zusammenhänge verständlich zu machen, zielgerichtet zu diskutieren und überzeugend zu präsentieren. Vielmehr geht es auch darum, gut im Team zu arbeiten, andere motivieren, begeistern und konstruktiv begleiten zu können, und schließlich um Fähigkeiten wie Verhandlungsgeschick und die Durchsetzungsfähigkeit in kritischen Situationen. Auch hier gilt: fürwahr, nichts Neues; eher ein viel und häufig beschworenes Bündel an Fähigkeiten, das jedoch noch immer selten im Zentrum der Controller-Ausbildung steht. In einem Kontext von agilen Organisationsformen und neuen Steuerungsmodellen gewinnt das Kompetenzfeld weiter an Bedeutung, rückt endgültig ins Zentrum des Anforderungsprofils.

Persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften

An das Feld "Kommunikation und Zusammenarbeit" schließt sich nahtlos ein letztes Kompetenzfeld an, das wir unter der Überschrift "Persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften" zusammengefasst haben. Hier ergänzen sich traditionelle Controller-Tugenden, die gute Problemlösungen erst ermöglichen (in erster Linie die Fähigkeit zu Reflexion und analytischem Denken und eine ausgeprägte Lösungsorientierung), und Fähigkeiten wie Ausführungskompetenz, Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit, die die Voraussetzung dafür sind, dass der Controller auch dazu beitragen kann, Entscheidungen umzusetzen und Dinge "auf die Straße zu bringen", sowie nicht zuletzt eine ganze Reihe weiterer, eng mit der Persönlichkeit verzahnter Eigenschaften. Controller benötigen nach wie vor ein hohes Maß an persönlicher Integrität, sie müssen unbestechlich und neutral sein und im Konfliktfall Rückgrat zeigen. Erneut gilt: Alle genannten Punkte sind nicht neu, gewinnen aber zunehmend an Bedeutung. Dies gilt auch für den letzten Aspekt im Kontext des Kompetenzfelds "Persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften": Controller müssen offen sein, lernen wollen und gut mit Ambiguität umgehen können. Das Mindset muss stimmen. Ein Schelm, der nicht spätestens an dieser Stelle an die sprichwörtliche Eier legende Wollmilchsau denkt.

Die Digitalisierung im Controlling darf nicht auf technische Aspekte reduziert werden.

Der Blick auf die sechs Kompetenzfelder zeigt: Die Digitalisierung bringt keinesfalls ein ganz neues, auf wundersame Weise grundlegend verändertes Anforderungsprofil mit sich. Von den 34 Fähigkeiten, Wissensbausteinen und Eigenschaften in unserem idealtypischen Gesamtprofil bleiben nach unserer Einschätzung sieben im Wesentlichen unverändert. 20 waren auch in fast allen früher verfassten Anforderungsprofilen vorhanden, haben sich aber - zum Teil deutlich - im Inhalt und/oder in ihrer Bedeutung verändert. Und schließlich kommen sieben neue Fähigkeiten und Wissensbausteine dazu, die bislang in aller Regel keine Rolle in Anforderungsprofilen für Controller gespielt haben. In der Gesamtschau ergibt sich somit für unser idealtypisches Gesamtprofil ein gemischtes Bild: Bewährte Kompetenzen sind unverändert wichtig und stehen neben Anforderungen, deren Ausprägung oder Bedeutung sich verändert hat und, ja, auch neben einer Reihe gänzlich neuer Anforderungen. Damit gewinnt ein schon bislang sehr ambitioniertes Anforderungsprofil sowohl im Bereich von "hartem" Fach- und Methodenwissen als auch bei den eher "weichen" Verhaltensthemen nochmals deutlich an Umfang und Tiefe.

Doch inwieweit sind die genannten Wissensbausteine, Fähigkeiten und Eigenschaften bereits in der Controllerschaft vorhanden? Aufschluss darüber gibt eine eigens im Rahmen des WHU Controller Panels durchgeführte Befragung von Controllern und Finanzvorständen (vergleiche Informationen zur Studie des WHU Controller Panels). Dabei wird deutlich, dass sich die Befragten bezüglich zentraler Kompetenzen wie analytischem Denken, Problemlösungsorientierung, persönlicher Integrität, kritischem Denken, Teamfähigkeit, zielgerichtetem Diskutieren oder auch Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit als stark einschätzen. Auch im Bereich traditioneller Fachkenntnisse bezüglich der Finanz- und Controlling-Prozesse und finanzieller Kennzahlen sowie hinsichtlich des Verständnisses von Geschäftsmodell und Werttreibern ihres Unternehmens sehen sie sich gut aufgestellt (vergleiche Tabelle 1a und 1b, S. 22 und 23). Inwieweit diese Selbsteinschätzung auch einem kritischen Drittblick standhält und etwa mit dem Urteil der eng mit dem jeweiligen Controller zusammenarbeitenden Manager korrespondiert, war nicht Gegenstand der Studie. Wir können nur festhalten, dass sich die befragten Controller und Finanzvorstände bezüglich vieler Kompetenzen des Anforderungsprofils der WHU Delphi-Studie hinreichend kompetent fühlen.

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Tab. 1a Kompetenzausprägung und erwartete Bedeutungsveränderung in drei Jahren

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Tab. 1b Kompetenzausprägung und erwartete Bedeutungsveränderung in drei Jahren

Gleichzeitig bekennen sich die Befragten zu einer vergleichsweise geringer ausgeprägten Expertise in den Bereichen Veränderungs-Management und agile Methoden, bezüglich der Erfolgsfaktoren digitale Geschäftsmodelle sowie in vielen Aspekten des Kompetenzfelds "Technologie und Analyse". So hat Programmieren den mit Abstand geringsten Durchschnittswert von allen Kompetenzen. Zudem finden sich unter den Kompetenzen mit den niedrigsten Einstufungen die Entwicklung und Interpretation statistischer Modelle, Datensicherheit, Datenschutz, Datenarchitektur, Data Sourcing sowie das Wissen um digitale Technologien und Trends.

Für viele der Kompetenzen unseres idealtypischen Gesamtprofils erwarten die befragten Controller und Finanzvorstände, dass diese in den nächsten drei Jahren für ihre jetzige Position an Bedeutung gewinnen werden (vergleiche nochmals Tabelle 1a und 1b). Das gilt insbesondere für das Verständnis der Erfolgsfaktoren digitaler Geschäftsmodelle, die Expertise in den Bereichen BI-Tools, agile Methoden und Veränderungs-Management sowie für das Wissen um digitale Technologien und Trends. Ihnen allen kommt mit dem Fortschreiten der Digitalisierung eine zunehmend wichtige Rolle zu. Keinen Bedeutungszuwachs erwarten die Befragten hingegen bei der Fähigkeit zu programmieren - und sehen die damit verbundenen Aufgaben wohl auch zukünftig als eher weniger relevant für ihre aktuelle Position an.

Zusammenfassend können wir an dieser Stelle festhalten: Die Anforderungen an Controller sind schon heute hoch und - glaubt man den im Rahmen des WHU Controller Panels befragten Controllern und Finanzvorständen - wachsen sie in Zukunft noch weiter. Damit droht das Schreckgespenst des Controllers als Eier legende Wollmilchsau zunehmend real zu werden. Aber muss ein einzelner Controller wirklich alle sechs Kompetenzfelder vollumfänglich beherrschen? Nicht notwendigerweise. Betrachtet man die Fragestellung aus einer organisationstheoretischen Perspektive, so sollten die notwendigen Kompetenzen eines Controllers aus den von ihm wahrgenommenen Aufgaben und den damit verbundenen Rollen abgeleitet werden. Schauen wir uns also im nächsten Schritt an, wie unsere Experten in der Delphi-Studie auf die Controller-Rollen der Zukunft blicken.

Controller-Rollen der Zukunft

Controller unterstützen das Management durch entlastende, ergänzende und begrenzende Tätigkeiten. Diese drei Aufgabenbündel entsprechen den traditionell unterschiedenen Rollen des Scorekeepers, Business Partners und Guardians (vergleiche Weber/Schäffer 2016). Die Geschichte dahinter ist altbekannt und vergleichsweise schnell erzählt (vergleiche zum Folgenden auch Schäffer/Weber 2015): Controller entlasten Manager als Scorekeeper, indem sie ihnen Aufgaben wie die Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen abnehmen. Manager könnten diese Aufgaben durchaus selbst erledigen, aber Controller zeichnen sich durch Spezialisierungs- und Kostenvorteile aus. Daneben bauen sie auf der im Rahmen von entlastenden Tätigkeiten gewonnenen Expertise auf und ergänzen Manager, indem sie diese als Business Partner betriebswirtschaftlich begleiten. Das eine Aufgabenbündel bedingt das andere. Die ganze Vielschichtigkeit der Interaktion von Managern und Controllern schließt aber noch eine dritte Rolle ein: Controller begrenzen Manager und verhindern so, dass Bereichs- und Eigeninteressen gegen die Ratio des Gesamtunternehmens durchgesetzt werden. Sie fungieren dann als Guardian, was die vertrauensvolle Zusammenarbeit in Entlastung und Ergänzung nicht leichter macht. Aber auch hier gilt: Die verschiedenen Aufgabenbündel bedingen einander, da die Begrenzungsrolle ohne die Einsichten aus den anderen Aufgabenbereichen nicht effektiv ausgefüllt werden kann.

Controller-Rollen werden sich weiter ausdifferenzieren - und mit ihnen die entsprechenden Kompetenzprofile.

In dem Maße, wie nun die traditionellen Aufgaben eines Scorekeepers zunehmend zentralisiert und automatisiert werden, wird vielfach eine Stärkung der Business-Partner-Rolle erwartet. Gleichzeitig konnten wir in den vergangenen Jahren beobachten, wie einige Unternehmen neue Controller-Rollen entwickelt haben, etwa der sogenannte Pathfinder bei BASF (vergleiche Schäffer/Schnell 2017) oder auch der von McKinsey propagierte Analytics Translator (vergleiche Henke/Levine/McInerney 2018). Genau an dieser Stelle setzt unsere Delphi-Studie an und identifiziert mögliche Controller-Rollen der Zukunft. Im Ergebnis unterscheiden wir neun idealtypische Rollen (vergleiche Abbildung 2, S. 21):

Abb. 2
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Quelle: eigene Darstellung

Rollen von Controllern

  • Der Scorekeeper führt Routineaufgaben in operativen Controlling-Prozessen aus.

  • Der Service Expert stellt die Ausführung, Koordination und kontinuierliche Verbesserung von operativen Controlling-Prozessen sicher.

  • Der Data Engineer stellt die Datenqualität und angemessene Data Governance sicher. Er entwickelt und implementiert Reporting-, Analytics- und Planungslösungen.

  • Der Guardian überwacht die Erreichung finanzieller Ziele und behält Chancen und Risiken im Auge. Er stellt die Einhaltung von Richtlinien sicher.

  • Der Functional Lead definiert und kommuniziert Controlling-Strategien und Richtlinien. Er stellt zudem methodische und fachliche Expertise zur Verfügung.

  • Der Data Scientist führt Analysen von Big Data durch. Er entwickelt und pflegt statistische Modelle sowie Machine-Learning-Lösungen.

  • Der Business Partner steht Managern beratend zur Seite, hinterfragt sie kritisch und arbeitet proaktiv an unternehmerischen Herausforderungen und Chancen.

  • Der Decision Scientist stellt sicher, dass mit Data Science relevante Fragestellungen adressiert und Ergebnisse dieser Analysen in Initiativen überführt werden.

  • Der Change Agent treibt Veränderungsprozesse, die Nutzung neuer Technologien und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle voran.

Die neun Rollen verstehen sich als Aufgabenbündel, die nicht zwingend separaten Trägern zugeordnet werden müssen. Vielmehr nehmen Controller in der Regel mehrere dieser Rollen im Bündel wahr, was sich nicht zuletzt in den Ergebnissen des WHU Controller Panels widerspiegelt (vergleiche Abbildung 3). Der empirische Befund verdeutlicht weiter, dass die meisten der genannten Rollen schon heute grundsätzlich auf allen Hierarchieebenen und über verschiedene Unternehmensgrößen hinweg von Relevanz sind, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Nur die Rollenbilder eines Data und eines Decision Scientists sind aktuell im Controller-Bereich offenbar noch eher eine Randerscheinung.

Abb. 3
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Unternehmensgröße: klein = bis 50 Mio. Euro Umsatz; mittel = 50 Mio. bis 1 Mrd. Euro Umsatz; groß = über 1 Mrd. Euro Umsatz

Stark ausgeprägte Controller-Rollen nach Hierarchieebene und Unternehmensgröße

Neben der Bündelung mehrerer Rollen in einer Person lassen sich einzelne Rollen auch als Weiterentwicklung anderer Rollen interpretieren. So kann man den Service Expert aus einer zeitlichen Perspektive als Weiterentwicklung der Scorekeeper-Rolle und den Decision Scientist als Weiterentwicklung des Data Scientists oder auch des Business Partners verstehen. In dem Maße, wie die Transformation gelingt, mag die jeweilige Ausgangsrolle an Relevanz verlieren.

Unabhängig von den vorstehenden Überlegungen gilt für die neun Rollen der Delphi-Studie genau wie für das Set der traditionellen Rollenbilder, dass sich die dahinterstehenden Aufgabenprofile ergänzen. So werden im Regelfall Scorekeeper, Service Expert und Data Scientist den Business Partner und den Guardian unterstützen, der Data Scientist zudem den Decision Scientist. Der Data Engineer wiederum erbringt wichtige Vorarbeiten für den Scorekeeper, den Service Expert, den Data Scientist, den Guardian und den Business Partner. Und diese Aufzählung ließe sich fortsetzen. Die Wertschöpfung gelingt dabei auf unterschiedliche Weise: Scorekeeper, Data Engineer, Service Expert und Data Scientist wirken entlastend, sie stiften Wert durch die Bereitstellung von Information und Analyse. Ihre Interaktion mit dem Management wird in der Regel eher limitiert sein. Hingegen sind Business Partner, Decision Scientist, Change Agent und Guardian im Regelfall in enger Interaktion mit dem Management, das sie ergänzen beziehungsweise, im Falle des Guardians, begrenzen. Ihre Wertschöpfung zielt auf die (unmittelbare) Beeinflussung von Entscheidungen und Verhaltensweisen.

Unternehmen sollten regelmäßig aktuelle Controller- Rollen und vorhandene Kompetenzen mit einem Zielbild abgleichen.

Auch die Karrierepfade in Großunternehmen unterscheiden sich in Abhängigkeit von der ausgeübten Rolle. Wir gehen davon aus, dass wir bei der Mehrzahl der Controller in Zukunft eher über Karrieren von Managern reden, die den einen oder anderen Abstecher in die managementnahen Rollen wie Business Partner, Change Agent, Guardian oder - bei entsprechender Qualifikation in der Analyse von Big Data - Decision Scientist machen. Daneben wird es eine vergleichsweise geringe Zahl von spezifischen Expertenlaufbahnen geben. Hier sind vor allem die Rollen des Scorekeepers, des Data Engineers, des Service Experts und des Data Scientists zu verorten. Die klassische Schornsteinkarriere im Controlling wird damit eher zur Ausnahme.

Verbleiben abschließend die Fragen, ob alle genannten Rollen wirklich von Controllern ausgefüllt werden müssen und ob alle entsprechenden Rollenträger Teil der Controlling Community eines Unternehmens sein werden. Die Tätigkeit eines Data Engineers etwa kann man gut in der IT-Funktion eines Unternehmens verankern, den Service Expert in einer für End-to-End-Prozesse zuständigen Business-Services-Organisation. Data und Decision Scientist schließlich werden sich primär dort finden, wo auf Dauer die Analyse von Big Data im Unternehmen verankert ist. Geht man vom Status quo aus, wird dies in vielen Fällen nicht die Finanzfunktion sein. Es ist also keinesfalls gesetzt, dass alle neun Rollen organisatorisch im Controlling verankert sein werden. Ein Verweis auf Lehrbücher und Best Practices hilft nicht oder nur sehr eingeschränkt weiter. Role-Making ist gefordert (vergleiche Losbichler et al. 2019; Schäffer/Weber 2019a).

Rollenspezifische Kompetenzprofile

Lassen Sie uns zu guter Letzt zur Frage zurückkommen, ob ein einzelner Controller alle sechs Kompetenzfelder vollumfänglich beherrschen muss. Wenn Fähigkeiten von Controllern aus Rollen abgeleitet werden sollen und wir auf der Basis unserer Delphi-Studie neun potenziell relevante Controller-Rollen unterscheiden können, muss die Antwort "Nein" lauten. Es erscheint vielmehr sinnvoll, rollenspezifische Kompetenzprofile zu erstellen. Genau dieser Aufgabe haben sich unsere elf Experten im Rahmen der WHU Delphi-Studie im letzten Schritt intensiv gewidmet. Dabei sind die in Tabelle 2 (S. 27) dargestellten idealtypischen Profile entstanden.

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Quelle: eigene Darstellung

Tab. 2 Rollenspezifische Kompetenzprofile von Controllern

Diese neun Kompetenzprofile beruhen auf einem gemeinsamen Satz von im Controlling als relevant erachteten Kenntnissen, Fähigkeiten und Eigenschaften, weisen aber dennoch deutliche und auf den ersten Blick erkennbare Unterschiede auf. Wie sollten die für den Finanzbereich Verantwortlichen damit umgehen? Wir empfehlen, zunächst ein Zielbild der gewünschten (und politisch darstellbaren) Controller-Rollen zu formulieren und auf der Basis der oben stehenden idealtypischen Kompetenzen maßgeschneiderte Zielprofile zu entwickeln. In der Regel wird es auch sinnvoll sein, parallel dazu eine Bestandsaufnahme der aktuell im Unternehmen gelebten Rollen und der aktuell vorhandenen Kompetenzen durchzuführen. Aus der rollenspezifischen Abweichung von Soll und Ist ergibt sich dann eine Kompetenzlücke, die es im Rahmen der Personalentwicklung zu schließen gilt. Dabei müssen für die bestehende Controller-Mannschaft "Learning on the Job", "Learning from Others" und "Learning off the Job" zusammenspielen (vergleiche Lombardo/Eichinger 2006). In vielen Fällen wird die notwendige Veränderung so groß sein, dass das Lernen im gewohnten Arbeitsumfeld an Grenzen stößt. Entsprechend muss der Lernprozess bewusst gestaltet werden. Es gilt, Organisationsformen wie Projektarbeit und die Arbeit in funktionsübergreifenden beziehungsweise agilen Teams, sinnvolle Elemente des Lernens von anderen (etwa Reverse Mentoring, aber auch die Arbeit mit Beratern und externen Experten, Arbeitskreise und Benchmarking-Aktivitäten) sowie traditionelle Trainings und Online-Plattformen (wie Coursera und Udacity) sinnvoll miteinander zu kombinieren. Auch das Thema Recruiting von innen und außen darf beim Kompetenzaufbau kein Tabu sein.

Im Controlling braucht es eine Kombination aus Weiterbildung und Mitarbeitern mit neuen Profilen.

Schlussbetrachtung

Fassen wir zusammen: Die Digitalisierung bringt Veränderungen auch im Controlling mit sich und sollte nicht auf technische Aspekte reduziert werden. Etablierte Anforderungen an das Kompetenzprofil werden an Bedeutung gewinnen, neue Anforderungen werden hinzukommen, und das traditionelle Rollenprofil wird sich ausdifferenzieren. Vor diesem Hintergrund haben wir mithilfe unserer Experten im Rahmen der WHU Delphi-Studie neun rollenspezifische Kompetenzprofile erstellt, die sich als Basis für maßgeschneiderte Personalentwicklungsmaßnahmen verstehen.

Wird damit alles anders im Controlling, alles neu? Nein. Die bewährten Kerntugenden eines Controllers verlieren auch im neuen Umfeld nichts an Bedeutung. Ganz im Gegenteil. Es gilt aber auch: Die traditionellen Fähigkeiten, Wissensbausteine und Eigenschaften allein reichen nicht mehr aus. Muss damit jeder einzelne Controller allen Anforderungen gerecht werden, die zukünftig an das Controlling als Ganzes gestellt werden? Nein. Vielmehr sind Offenheit gegenüber den neuen, ausdifferenzierten Rollenbildern und eine Team-Perspektive gefordert!

Die Autoren danken den in der Delphi-Studie befragten Experten für ihre engagierte Mitarbeit und den Teilnehmern des vorangegangenen Workshops für ihre wertvollen Hinweise. Ein großes Dankeschön geht zudem an Dr. Heather Fiala und Florian Rester für ihre Unterstützung bei der Durchführung und Auswertung der Delphi-Studie sowie an Verena Kowalewski und Marina Metz für ihre Unterstützung bei der Auswertung der Befragung des WHU Controller Panels.

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