Wilms-Tumor (WT) tritt bei 1:10.000 Neugeborenen meist unilateral auf. Ungefähr 1–2% der Patienten haben eine erbliche Form des Tumors, die autosomal-dominant und mit variabler Penetranz vererbt wird. Das von Knudson entwickelte „two hit“-Modell für die Entstehung von kindlichen Tumoren besagt, dass 2 nacheinander auftretende Mutationen („hits“) notwendig sind, um eine unkontrollierte Teilung der Zellen zu bewirken [6]. Bei der erblichen Form tritt der Tumor meist früher auf und ist häufiger bilateral als bei dem sporadischen Typ.

Somatische und Keimbahnmutationen in WT1, das für einen Transkriptionsfaktor kodiert (s. unten) wurden bei Kindern mit WT nachgewiesen. In Wilms-Tumoren wurden weitere, bisher ausschließlich tumorspezifische, genetische Veränderungen gefunden. Am häufigsten wurden Mutationen im β-Catenin-Gen und in dem kürzlich entdeckten WTX-Gen gefunden [8, 10]. Außerdem wurde in Tumoren mit LOH (Verlust der Heterozygotie) von 11p nachgewiesen, das immer das mütterliche Allel verloren ging, was auf Prägungseffekte hinweist. Später wurde ein Cluster von geprägten Genen in 11p15 identifiziert, zu denen die Gene IGF2 und H19 gehören. IGF2, ein fetaler Wachstumsfaktor, wird während der Embryonalentwicklung nur vom paternalen Allel exprimiert. Die Tumoren, die kein LOH dieser Region tragen, zeigen in 70% der Fälle einen Verlust der normalen Prägung (LOI, „loss of imprinting“) und exprimieren beide IGF2-Allele. Diese tumorspezifischen Veränderungen werden hier nicht weiter behandelt, da in dieser Arbeit die verschiedenen genetischen Prädispositionen für WT beschrieben werden.

WT1-Gen und seine Funktion

Das WT1-Gen besteht aus 10 Exons und kodiert für einen Transkriptionsfaktor mit 4 Zink-Finger(ZF)-Motiven, von dem zahlreiche Isoformen bekannt sind [4]. Das WT1-Expressionsmuster in fetaler Niere und verschiedenen Zellen des Genitalsystems weist auf seine spezifische Rolle während der frühen Urogenitalentwicklung und Nierendifferenzierung hin. In der sich entwickelnden Niere wird die Expression zuerst im kondensierenden metanephritischen Blastem gefunden und die höchste Expression in den Podozyten des frühen Glomerulus, wenn die Zellen ihre stärkste Proliferationsphase durchlaufen. Beim Erwachsenen wird WT1 nur noch in Podozyten der Nieren, in den Sertoli-Zellen der Hoden und in den Epithelzellen der Follikel der Ovarien exprimiert. Während der frühen Entwicklung wird WT1 zum Zeitpunkt der Umwandlung von Mesenchym zu Epithel exprimiert, was auf seine Funktion bei der Differenzierung zu Epithel hinweist.

Funktion des WT1-Gens bei der Nierenentwicklung und Tumorentstehung

Zurzeit ist noch relativ unklar, welche Funktion das WT1-Gen bzw. Mutationen oder der Verlust der WT1-Protein-Aktivität in Tumoren haben. Eine essenzielle Rolle für WT1 während der normalen Nierenentwicklung wurde durch Studien einer wt1−/−-“Knockout“ Maus demonstriert. Diese Tiere entwickeln keine metanephritischen Nieren und sterben vor der Geburt [7]. Es entwickeln sich keine Ureterknospen aus den Wolff-Gängen, und die wt1−/−-Zellen des metanephritischen Mesenchyms sterben durch Apoptose ab. Dies zeigt, dass WT1 zu diesem Zeitpunkt zum Überleben der induzierten Zellen notwendig ist, vermutlich da ohne WT1 keine Differenzierung zu Epithel möglich ist. Auch in si-RNA-Experimenten an Nierenorgankulturen konnte gezeigt werden, dass WT1, neben seiner Funktion als Differenzierungsfaktor auch eine Funktion als Überlebensfaktor bei der Nierenentwicklung hat [2].

Wenn diese Beobachtungen berücksichtigt werden, sollten Zellen bzw. Tumoren mit WT1-Mutationen, denen die WT1-Aktivität fehlt, nicht überleben können. In der Tat haben neuere Analysen gezeigt, dass Tumoren mit WT1-Verlust bzw. -Mutation fast alle gleichzeitig eine Mutation im β-Catenin-Gen haben ([8], eigene unveröffentlichte Ergebnisse). Während der Nierendifferenzierung wird die Umwandlung von Mesenchym zu Epithel durch interaktive Prozesse zwischen verschiedenen Zellen gesteuert, an der – neben WT1 – auch der WNT-Signaltransduktionsweg beteiligt ist. Nach Aktivierung desselben wird β-Catenin stabilisiert, wandert in den Kern und aktiviert WNT-Zielgene. Bei Beginn der Epitheldifferenzierung wird die Zellteilungsaktivität reduziert, und dieses Stadium ist von einer hohen WT1-Expression begleitet, mit gleichzeitiger Inhibierung des WNT-Signalwegs. In Zellen bzw. Tumoren, denen WT1 fehlt, könnten eine β-Catenin-Mutation und damit ein konstitutiv aktivierter WNT-Signalweg die Rolle des Überlebensfaktors übernehmen, wodurch die Zellen in der Proliferationsphase verbleiben. Die Expression von WT1 wird während der Ausdifferenzierung der verschiedenen Nierenzellen abgeschaltet und erfolgt nur noch in Podozyten.

In WT ohne WT1-Mutation findet man meist eine starke Expression von WT1. Dies weist darauf hin, dass in diesen Tumoren die kontinuierliche Expression von WT1 wachstumsfördernd sein könnte und somit eine onkogene Wirkungsweise hat.

Patienten mit Keimbahnmutationen in WT1 haben ein hohes Tumorrisiko, und es können auch unabhängige Zweittumoren entstehen. Dies konnte vor kurzer Zeit bei einem Patienten mit Keimbahnmutation in WT1 und BWT gezeigt werden. Er entwickelte in beiden Nieren nach 1 Jahr „Rezidive“. Die molekulargenetischen Analysen zeigten, dass alle 4 Tumoren, neben der ersten WT1-Mutation, einen LOH für 11p13 hatten, den wir aufgrund einer erhaltenen Heterozygotie in 11q auf eine mitotische Rekombination zurückführen und damit einen Verlust des Wildtyp-WT1-Allels. Dagegen zeigte die Analyse von β-Catenin, dass alle 4 Tumoren verschiedene Mutationen in diesem Gen entwickelt hatten – ein molekularer Beweis für deren unabhängige Genese und den hohen Selektionsdruck für β-Catenin-Mutationen in diesen Tumoren. Diese WT zeigten damit 3 „hits“, der erste ist die Keimbahnmutation in WT1, der zweite der LOH des WT1-Wildtyp-Allels und der dritte die β-Catenin-Mutation [14].

Wilms-Tumor assoziierte Syndrome

Im Folgenden werden einige Syndrome und genetische Erkrankungen vorgestellt, die mit einem erhöhten Risiko für WT assoziiert sind. Für eine ausführliche Beschreibung dieser Erkrankungen wird jeweils auf die neuere Literatur verwiesen. Die klinische Betreuung dieser Patienten und Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung des Tumors sind ausführlich bei Scott et al. [12] beschrieben.

WT1-Gen assoziierte Syndrome

Urogenitalfehlbildungen (GU)

Sie werden bei Patienten mit WT mit einer Häufigkeit von 4–8% beobachtet, wie Doppel- und Hufeisennieren, Nierendysplasie, unilaterale Nierenaplasie und bilaterale Zystennieren, Hodenaplasie, Hypospadie und Kryptorchismus. Die Ausprägung der GU bei den konstitutionellen Mutationen variiert jedoch stark. Die GU sind auf eine Haploinsuffizienz des WT1-Gens (funktioneller Verlust eines WT1-Allels) zurückzuführen. Die meisten WT1-Mutationen bei Patienten mit GU führen zum Kettenabbruch durch Nonsense-Mutationen oder Leserasterverschiebung, es wurden aber auch Deletionen des ganzen Gens oder einzelner Exons gefunden. In den überwiegenden Fällen handelt es sich um De-novo-Mutationen, es sind jedoch auch wenige Ausnahmen bekannt, bei denen eine WT1-Mutation vererbt wurde [5].

Ein WT entsteht bei diesen Patienten erst, wenn wenigstens auch noch das 2. Allel inaktiviert wird. Patienten mit einer WT1-Keimbahnmutation haben ein mindestens 50%iges Risiko, einen WT zu entwickeln. Die Verteilung von unilateralen zu bilateralen Tumoren ist je nach Art der Mutation unterschiedlich (Abb. 1) [11]. Bei Nachweis einer konstitutionellen WT1-Mutation sollten das molekulargenetische Ergebnis und die Konsequenzen im Rahmen einer humangenetischen Beratung erläutert werden.

Abb. 1
figure 1

Verteilung der uni- (UL) und bilateralen (BL) Tumoren bei den verschiedenen WT1-Keimbahnveränderungen, Daten beruhend auf 21 Patienten mit WAGR-Syndrom oder WT1-Deletionen, 31 mit Missense- und 63 mit Kettenabbruchmutationen. (Mod. nach [11])

Aniridie und WAGR-Syndrom

Sporadische Aniridie (AN), das kongenitale Fehlen von Teilen oder der gesamten Iris, tritt mit einer Häufigkeit von 1:100.000 auf. Die familiäre Aniridie wird autosomal-dominant vererbt und ist auf Keimbahnmutationen im PAX-6 Gen zurückzuführen. Bei WT-Patienten findet man in 7,5:1000 Fällen eine sporadische AN. Umgekehrt beträgt das Risiko für WT bei sporadischer AN 6,3%. Tritt AN zusammen mit WT, GU und mentaler Retardierung auf, spricht man vom WAGR-Syndrom. Hierbei wird meist eine zytogenetisch nachweisbare Deletion der Bande 11p13 gefunden. Es können jedoch auch submikroskopische Deletionen vorkommen, die mindestens das WT1- und PAX-6-Gen betreffen, welche 647 kB voneinander entfernt liegen.

Ähnlich wie bei Patienten mit intragenischer Mutation führt das Fehlen einer Kopie des gesamten WT1-Gens bei männlichen WAGR-Patienten meist zu GU (Hypospadie und/oder Kryptorchismus). Eine ausführliche Beschreibung der Klinik von WAGR-Patienten und die Vorsorgemaßnahmen sind bei Fischbach et al. [3] zu finden. Breslow et al. [1] haben in der Analyse von 64 WAGR-Patienten gezeigt, dass das Risiko für syn- oder metachrone BWT bei 17,2% lag, wogegen BWT bei WT-Patienten ohne WAGR in 6,4% auftrat. Eine weitere wichtige Beobachtung war, dass diese Patienten mit 20 Jahren ein 53%iges Risiko für chronisches terminales Nierenversagen haben, welches 11–27 Jahren nach der WT-Diagnose auftreten kann [1]. Eindeutige Zahlen für das WT-Risiko bei nachgewiesener WT1-Deletion gibt es derzeit noch nicht.

Es wird deshalb empfohlen, Neugeborene mit sporadischer AN auf das Vorliegen einer Deletion, die das WT1-Gen betrifft und somit ein Risiko für WT beinhaltet, zu untersuchen. Submikroskopische Deletionen können mit Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung oder neuerdings auch MLPA identifiziert werden. Eine Mutation im PAX-6-Gen bestätigt eine isolierte AN, und die Patienten haben nur noch das normale Bevölkerungsrisiko für WT.

Isoliertes (kongenitales) nephrotisches Syndrom (NS)

Ein NS bei weiblichen Individuen kann ebenfalls auf einer Keimbahnmutation in WT1 beruhen und führt häufig vor dem 3. Lebensjahr zu terminalem Nierenversagen. Histologisch handelt es sich meist um eine diffuse mesangiale Sklerose (DMS), seltener kann auch eine fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS) auftreten. Da in diesen Fällen fast immer eine WT1-Missense-Mutation in der ZF-Region vorliegt, kann die Mutationssuche zunächst auf diesen Abschnitt des Gens eingeschränkt werden. Bei Auffinden einer WT1-Mutation besteht ein hohes Risiko, einen WT zu entwickeln. Die klinische Betreuung dieser Patienten sollte die gleiche sein, wie bei DDS-Patienten.

Denys-Drash-Syndrom (DDS)

Diese Kombination von GU, NS und WT ist auf WT1-Missense-Mutationen, meist in Exon 8 und 9 (ZF2 und 3), zurückzuführen, die in der Keimbahn vorliegen. Bei karyotypisch männlichen Patienten findet man v. a. Pseudohermaphroditismus masculinus. Karyotypisch weibliche Patienten haben ein normales äußeres weibliches Genitale und fallen zunächst nur durch ein isoliertes NS auf. Sie werden deshalb häufig nicht als DDS-Patienten diagnostiziert. Die inneren Genitalien variieren bei beiden Geschlechtern stark. Die Inzidenz für WT ist mit >90% so hoch, dass derzeit bei terminalem Nierenversagen eine prophylaktische bilaterale Nephrektomie vorgenommen wird.

Das frühe Auftreten eines NS bei Patienten mit WT1-Missense-Mutation weist auf eine dominant negative Wirkungsweise oder eine „gain of function“ dieser Mutation für die Nierenfunktion hin. Dagegen entsteht ein WT erst, wenn das 2. Allel ebenfalls inaktiviert wird, und deshalb entwickelt auch nicht jeder Patient mit DDS einen WT. Dank neuer therapeutischer Fortschritte überleben DDS-Patienten jetzt länger und da bei terminalem Nierenversagen und Nierentransplantation häufig eine bilaterale Nephrektomie durchgeführt wird, kann die Entstehung eines WT verhindert werden. Es wird empfohlen, alle männlichen Patienten mit GU und früh auftretendem NS sowie weibliche Patienten mit einem früh auftretenden NS auf WT1-Mutationen zu untersuchen.

Bei WT1-Missense-Mutationen ist der Prozentsatz an BWT mit 19% geringer als bei Deletionen (24%) oder Kettenabbruchmutationen (52%) (Abb. 1).

Frasier-Syndrom (FS)

Es ist charakterisiert durch Pseudohermaphroditismus masculinus, eine komplette XY-Gonadendysgenesie und Glomerulosklerose. FS-Patienten haben ein geringes Risiko für WT, dagegen ein hohes für Gonadoblastome, weshalb inzwischen häufig zu einem frühen Zeitpunkt eine prophylaktische Gonadenentfernung durchgeführt wird. Das NS ist typischerweise eine FSGS, die erst in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter zum Nierenversagen führt. Patienten mit FS haben Keimbahnmutationen in der alternativen Spleißdonorstelle im Intron 9 des WT1-Gens, die zu einem aberranten Verhältnis der KTS+/−-Isoformen führen. Bisher sind hauptsächlich Patienten mit äußerlich weiblichem Genitale mit NS, bei denen eine Chromosomenanalyse 46,XY aufdeckte, als FS-Patienten identifiziert worden. Dies zeigt, dass ein korrektes Verhältnis an KTS+/−-WT1-Isoformen für die normale männliche Genitalentwicklung notwendig ist. In jüngerer Zeit sind jedoch auch WT1-Spleißstellenmutationen bei karyotypisch weiblichen Personen mit FSGS nachgewiesen worden. Es ist daher zu empfehlen, auch genotypisch weibliche Patienten mit FSGS auf WT1-Mutationen zu untersuchen.

Nicht WT1-Gen-assoziierte Syndrome

Patienten mit dem Großwuchssyndrom Beckwith-Wiedemann (BWS), haben ein 4- bis 21%iges Risiko, embryonale Tumoren zu entwickeln, von denen WT am häufigsten vorkommt. Charakteristische Merkmale für BWS sind Makroglossie, Makrosomie (>97. Perzentile), Bauchwanddefekte und Organomegalie. Über 80% der Fälle sind sporadisch, bei den familiären Fällen wird eine autosomal-dominante Vererbung mit unterschiedlicher Expressivität und reduzierter Penetranz beobachtet. BWS ist eine genetisch heterogene und komplexe Erkrankung, die meist durch Deregulation von geprägten Genen, die in enger Nachbarschaft in der Bande 11p15 liegen, verursacht wird. Die materne/paternale Expression dieser Gene wird von 2 Prägungszentren aus reguliert [15]. Ein erhöhtes Tumorrisiko wird bei BWS dann beobachtet, wenn die Aktivität von wachstumsfördernden Genen verstärkt wird, dagegen z. B. nicht bei Keimbahnmutationen im P57KIP-Gen [15]. Dies zeigt, dass der Nachweis der molekularen Ursachen von BWS wichtig ist, um Individuen zu identifizieren, die ein erhöhtes Tumorrisko haben.

Das Perlman-Syndrom ist ein sehr seltenes autosomal-rezessives Großwuchssyndrom mit einer hohen neonatalen Mortalität. Von den 21 bisher beschriebenen Fällen mit Perlman-Syndrom hatten 7 einen WT entwickelt. Nephroblastomatose oder Nierenhamartome wurden in allen außer 1 Lebendgeborenen identifiziert. WT wurde auch bei Patienten mit dem Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom (SGBS), einem anderen Großwuchssyndrom, beobachtet. SGBS wird X-chromosomal-rezessiv vererbt und ist auf Mutationen oder Deletionen im Glypican3(GPC3)-Gen auf Xq26 zurückzuführen. Bisher hatten 3 von 35 SGBS-Patienten mit nachgewiesener GPC3-Mutation einen WT entwickelt.

Familiäre Wilms-Tumoren

Studien von einigen großen Familien, bei denen WT in mehreren Generationen aufgetreten war, zeigten keine Kopplung zu WT1. Ein autosomal-dominantes WT-Prädispositionsgen wurde in 17q21 (FWT1) kartiert, aber ein Gen wurde noch nicht identifiziert. Bei FWT1 ist die Penetranz für WT etwa 30%, und in den Tumoren wird kein LOH gefunden, sodass FWT1 nicht wie ein klassisches Tumorsuppressorgen zu funktionieren scheint. Eine weitere Besonderheit bei FWT1 ist, dass die Tumoren meist spät auftreten (mittleres Diagnosealter: 6 Jahre) und ein höheres Stadium haben als sporadische WT. In anderen Familien wurde eine Kopplung in 19q13 gefunden (FWT2). Bei weiteren Familien fand sich weder eine Kopplung zu Chromosom 17q noch zu 19q, sodass mindestens noch ein weiteres familiäres WT-Gen zu postulieren ist.

Tumorprädispositionssyndrome

WT kann auch in Familien mit verschiedenen anderen genetischen Tumorprädispositionen beobachtet werden, dazu gehören z. B. die Neurofibromatose (NF1), Hyperparathyreoidismus-Jaw-Syndrom (HPT-JT, HRPT2, Parafibromin), und Li-Fraumeni-Syndrom (TP53). WT kommt auch bei Patienten mit Blooms-Syndrom (BS) vor, einer autosomal-rezessiven Erkrankung mit prä- und postnataler Wachstumsverzögerung, Teleangiektasien, Sonnensensitivität, hyperpigmentierter Haut und Prädisposition für Malignome. BS-Zellen zeigen eine erhöhte Rate an somatischem Crossover, was durch biallelische Inaktivierung des BLM-Gens, einer DNA-Helikase verursacht wird. Dies führt zu Hemi- und Homozygotie von Genomabschnitten und dadurch einer funktionellen Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen.

Auch bei Mulibrey(muscle-liver-brain-eye)-Minderwuchs (MUL), einer seltenen autosomal-rezessiven Erkrankung, die verschiedene Gewebe mesodermalen Ursprungs betrifft, wird WT beobachtet. MUL ist charakterisiert durch Wachstumsretardierung, Dysmorphien, Perikardverdickung und Hepatomegalie. Es ist auf Mutationen des TRIM37-Gens, einer Ubiquitin E3-Ligase, zurückzuführen und kommt fast nur bei der finnischen Bevölkerung mit einer Frequenz von 1:40.000 vor. WT wurde bei 2 von insgesamt 40 MUL-Patienten beobachtet.

Kürzlich wurde über Familien berichtet, bei denen mehrere Kinder verschiedene Tumorerkrankungen hatten, z. B. ein Kind mit myeloischer Leukämie, eines mit WT und eines mit Medulloblastom. Es zeigte sich, dass diese Kinder biallelische BRCA2-Mutationen hatten, was einer Fanconi-Anämie D1 entspricht [9]. Nicht immer waren dabei die für die Fanconi-Anämie typischen Stigmata zu beobachten. Hierbei ist zu beachten, dass beide Eltern Träger einer BRCA2-Mutation sind und deshalb selbst ein Tumorrisiko haben. In den bisher beschriebenen Fällen waren die biallelisch betroffenen Kinder aber vor deren Eltern erkrankt.

Andere Assoziationen, bei denen WT zwar auch, aber selten vorkommt, sind die „mosaic variegated Aneuploidie“, welche auf Mutation in BUB1B, einem Spindelkontrollgen, beruht, und die Trisomien 13 und 18 [13].

Fazit

Bei Risikopatienten mit den hier beschreiben Syndromen, die einer Diagnostik zugänglich sind und bei denen noch kein WT aufgetreten ist (präsymptomatisch), ist eine humangenetische Beratung nach den Richtlinien der Bundesärztekammer dringend zu empfehlen. Es ist wünschenswert, dass auch vor einer WT1- oder anderen Genanalysen bei Patienten, die bereits einen WT haben, die möglichen Ergebnisse und deren Konsequenzen im Rahmen einer humangenetischen Beratung dargelegt werden.

Die Identifizierung von genetischen Veränderungen, die mit einem erhöhten Tumorrisiko assoziiert sind, trägt zu einer verbesserten Vorsorge und Betreuung dieser Patienten bei. Die Erkenntnis, dass ein kleiner Prozentsatz an scheinbar sporadischen WT durch Keimbahnmutationen in WT1 verursacht wird, ist für die ärztliche Betreuung der Kinder und deren Familien ein wichtiger Faktor. So können Kinder mit einem unilateralen WT und einer WT1-Keimbahnmutation einen zweiten WT in der kontralateralen Niere entwickeln. Da inzwischen solche Ereignisse auch noch nach 10 Jahren beobachtet wurden, sollten diese Kinder engmaschig und langfristig überwacht werden. Zusätzlich müssen bei Patienten mit WT1-Mutationen/-Deletionen auch auf die Problematik eines Nierenversagens geachtet und u. U. prophylaktische Therapien angewandt werden. Auch bei den anderen, nicht-WT1-assoziierten Syndromen sollte eine engmaschige Ultraschallkontrolle der Nieren erfolgen, um einen Tumor frühzeitig zu erfassen [12].