Nierentumoren sind klinisch und tumorbiologisch sehr heterogen. Es wird angenommen, dass in Deutschland jährlich bis zu 500 Neuerkrankungen in einem hereditären Kontext stehen. Spezifische zytogenetische und molekulargenetische Veränderungen [3] bestätigen ein neues Klassifikationssystem für Nierentumoren (Abb. 1). Es ist bemerkenswert, dass einige der relevanten Gene bei den seltenen hereditären Tumorformen identifiziert wurden [8, 10] und darüber hinaus bedeutsam sind für die Diagnostik, Prognose und für neue Therapieansätze der häufigen sporadischen Tumoren [6]. In diesem Review werden die aktuellen Aspekte hereditärer Nierentumoren dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Renale Tumorgenese: Histogenese, Häufigkeit, typische genetische Alterationen und hereditäre Formen, in denen diese histologischen Subtypen bevorzugt gefunden werden. Es werden die 4 häufigsten Tumorformen dargestellt, wie sie sich von den verschiedenen Abschnitten des Nephrons ableiten

Von-Hippel-Lindau-Syndrom (VHL)

Der molekulare Hintergrund und die Klinik der VHL-Erkrankung mit ausführlicher Betrachtung der Genotyp-Phänotyp-Korrelation wurden in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift im Detail dargestellt [4]. Nierenzellkarzinome (NZK), die im VHL-Syndrom auftreten, sind in der überwiegenden Zahl vom konventionellen/klarzelligen Typ. In dieser häufigsten sporadischen Form des NZK ist das VHL-Gen zu über 80% über verschiedene Mechanismen inaktiviert [1]. In einer sehr kleinen Zahl von sporadischen papillären NZK wurden auch VHL-Alterationen beschrieben. VHL wird als ein Tumorsuppressor mit „Gatekeeper-Funktion“ gesehen. Der von der intrazellulären Sauerstoffspannung getriggerte „VHL/HIF1α/VEGF pathway“ („hypoxia inducible factor alpha/vascular epithelial growth factor“) führt über die VHL-Inaktivierung zur inversen Heraufregulation von VEGF („vascular epidermal growth factor“) als einem der vielen HRE- („hypoxia responsible element-“)abhängigen Zielgene. Dieser Wirkmechanismus führt zur Hypervaskularisation der NZK, ist für die Karzinogenese unmittelbar verantwortlich und stellt die Grundlage für den ersten tatsächlich kausalen Therapieansatz dar (s. Ausblick).

Hereditäre papilläre Nierenzellkarzinome (HPRCC)

Diese hereditäre Kondition ist nichtsyndromal, d. h., Nierentumoren treten ohne weitere klinisch offensichtliche Manifestationen auf. Sie wird autosomal-dominant vererbt. Nierenzellkarzinome im HPRCC zeigen histologisch ausschließlich das Bild eines papillären Typ 1. Dieser Typ unterscheidet sich zyto- und histopathologisch deutlich vom papillären Typ 2, der in einer anderen hereditären Kondition, dem HLRCC (s. unten), gefunden wird. Der Typ 1 ist in seiner Verlaufsform weniger aggressiv als der Typ 2.

Hereditäre papilläre Nierenzellkarzinome treten deutlich häufiger bei männlichen Genträgern auf, der klinische Verlauf ist günstiger als beim klarzelligen NZK, die Tumoren treten ebenfalls bilateral und in jüngeren Jahren auf, die Penetranz kann inkomplett sein.

Vor 10 Jahren wurden aktivierende Mutationen im MET-Onkogen als die molekulare Ursache der hereditären Form des papillären (ursprünglich als chromophil bezeichneten) NZK identifiziert [9]. Das MET-Protoonkogen kodiert für eine Rezeptortyrosinkinase, die durch HGF („hepatocyte growth factor“) aktiviert wird. Die mit dem HPRCC assoziierten Keimbahnmutationen liegen zumeist innerhalb der MET-Aktivierungsdomäne oder in der ATP-Bindungstasche.

Birt-Hogg-Dubé-Syndrom (BHD)

Die 3 namensgebenden kanadischen Ärzte erkannten den erblichen Zusammenhang zwischen dermatologischen Veränderungen und Nierentumoren. Der Erbgang ist autosomal-dominant. In Mutationsträgern besteht ein zur Normalbevölkerung 50-fach gesteigertes Risiko eines Spontanpneumothorax, der sich auf die Ruptur von Lungenzysten zurückführen lässt. Bei den Hautveränderungen handelt es sich um Fibrofollikulome und Trichoadenome. Das Risiko, an einem Nierenzellkarzinom zu erkranken, ist gegenüber der Normalbevölkerung etwa 7-fach gesteigert. Die Penetranz und die phänotypischen Manifestationen sind sehr variabel – sowohl zwischen als auch innerhalb der betroffenen Familien. Die Angaben in der Literatur zur Assoziation des BHD-Syndroms mit Kolonkarzinomen sind nicht einheitlich.

Das histologische Bild der in BHD-Patienten gefundenen Nierentumoren ist sehr vielfältig. Am häufigsten werden allerdings chromophobe und sog. onkozytische Hybridformen gesehen. Das sind gemischte Tumoren, die unterschiedlichste Anteile verschiedener Histologien zeigen. Da BHD-Patienten an Metastasen verstarben, muss der BHD-Nierentumor als maligne gewertet werden. Die BHD-Nierentumoren können sowohl multifokal und bilateral als auch unilateral und solitär sein.

Vor 5 Jahren ist das Gen in 17p11.2 identifiziert worden. Es ist ein Tumorsuppressor, gehört keiner bekannten Genfamilie an und wurde „folliculin“ genannt. Die Funktion ist noch nicht näher beschrieben worden. Die meisten Mutationen im BDH-Gen sind Non-sense-Mutationen, Insertionen oder Deletionen, deren Konsequenz ist meist eine Trunkation des Genproduktes.

Hereditäre Leiomyomatosis (HLRCC)

HLRCC („hereditary leiomyomatosis and renal cell carcinoma“) ist ein seltenes Krankheitsbild und folgt einem autosomal-dominanten Erbgang. Betroffene erkranken neben papillärem NZK auch an gutartigen Leiomyomen der Haut und des Uterus. Die Nierentumoren sind vom papillären Typ 2. Das klinische Bild variiert erheblich, d. h., es gibt sowohl zwischen verschiedenen Familien als auch innerhalb einer Familie bei Mitgliedern mit identischer Keimbahnmutation eine große phänotypische Variabilität. Verlaufsformen sind beschrieben worden, in denen die gutartigen Tumoren der glatten Muskulatur im Vordergrund standen. Es gibt Hinweise für das Auftreten dieser Erkrankung als Mosaik.

Das verantwortliche Gen in 1q42.1 kodiert für die Fumarat-Hydratase. Dies ist ein im mitochondrialen Krebszyklus wirksames Enzym, das für die Konversion von Fumarat zu Malat verantwortlich ist. Inaktivierungsmutationen führen zu Störungen im Energiestoffwechsel mit Zellhypoxie. Es wird angenommen, dass hierdurch der auch bei VHL-Mutationen aktivierte „HIF-1α/VEGF pathway“ aktiviert wird.

Die bis heute beschriebenen FH-Mutationen verteilen sich über das gesamte Gen, in nordamerikanischen und in europäischen Familien ist eine kleine Zahl von verschiedenen und gemeinsamen „hot spots“ beschrieben worden, die sich bei etwa einem Drittel der Patienten nachweisen ließen. Eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation konnte bisher nicht gefunden werden.

Wenngleich FH ebenfalls als ein Tumorsuppressor betrachtet wird, fanden sich bei der Analyse von sporadischen Nierentumoren kaum Mutationen in diesem Gen.

Hyperparathyreoidismus – „Jaw-Tumoren“ (HP-JT)

Dieses noch seltenere Syndrom ist gekennzeichnet durch das Auftreten von Nierentumoren, Nierenzysten zusammen mit multiplen Nebenschilddrüsenadenomen sowie fibroossären, mandibulären und maxillären Kiefertumoren („jaw“). Die Histologien der renalen Manifestation sind vielfältig: Harmatome, mesoblastäre Nephroblastome („Late-onset-Wilmstumoren“), papilläre und zystische Formen wurden beschrieben. Der Erbgang ist autosomal-dominant, das verantwortliche Gen wurde 2002 in der chromosomalen Bande 1q25-q31 identifiziert und HRPT2 („hereditary renal papillary tumor gene 2“) bzw. das Genprodukt Parafibromin genannt. Es ist ein Tumorsuppressor, dessen biallelische Inaktivierung in sporadischen Nebenschilddrüsentumoren nachgewiesen werden konnte.

Tuberöse Sklerose (TSC)

Die Angaben zur Häufigkeit von Nierentumoren in diesem autosomal-dominant vererbten Syndrom schwanken zwischen 55 und 75%. Primär finden sich Angiomyolipome. Im Gegensatz zu den anderen hier beschriebenen Syndromen treten die Veränderungen bereits noch früher auf, so finden sich drei Viertel der renalen Beteiligungen bereits im Alter von 10 Jahren. Da spontane Rupturen der im Tumor gestörten Gefäßstrukturen zu lebensbedrohlichen Blutungen führen können, werden zur Prävention dieser ernsthaften Komplikation ab einer Größe von 3–4 cm Durchmesser Tumorembolisationen durchgeführt. Daneben gibt es auch epitheliale Nierenveränderungen: große singuläre Zysten, polyzystische Nierenerkrankung und Nierenkarzinome. Zysten sind oft die Ursache von Hypertonie und Nierenversagen. Nierenzellkarzinome aller epithelialer Formen wurden in 2–3% der TSC-Patienten gefunden. Sie treten im Durchschnitt im Alter von 28 Jahren auf. Zwei Gene sind für dieses Syndrom verantwortlich: TSC1 und TSC2. Über 200 verschiedene Keimbahnmutationen wurden in TSC1 und über 700 in TSC2 beschrieben, ohne dass eine bevorzugte Lokalisation gesehen werden konnte. In TSC-Patienten finden sich in etwa 10–30% TSC1-Mutationen, in 50–60% TSC2-Mutationen und in 15–20% keine Mutationen. Eine Untergruppe von Patienten zeigt größere genomische Rearrangements oder Deletionen von TSC2, die das in nächster Nähe liegende PKD2-Gen („polycystic kidney disease“) mit betrifft. Ansonsten gibt es keine eindeutigen phänotypischen Unterschiede bei Patienten mit TSC1- oder TSC2-Mutationen. Beide TSC-Gene sind Tumorsuppressoren. TSC1 kodiert für Hamatin, TSC2 für Tuberin. Beide Proteine bilden ein Heterodimer. Dieser Proteinkomplex wirkt inhibitorisch auf die mTOR-Kaskade („molecular target rapamycin complex 1 kinase“). mTOR ist eine Serin-Threonin-Kinase, der eine zentrale Rolle bei der Kontrolle von Zellwachstum und Proliferation zukommt. Dies geschieht durch die Regulation der Proteintranslation. Hier besteht ein direkter Bezug zum „HIF1-α pathway“.

Hereditäre Paragangliome und „succinate dehydrogenase B“ (SDHB)

Keimbahnmutationen in der „succinate dehydrogenase B“ (SDHB) in 1p36.1–p35 werden bei hereditären Paragangliomen gefunden. Im Jahr 2004 konnte ein Zusammenhang mit dem Auftreten von Nierenzellkarzinomen beschrieben werden. Dies ist bemerkenswert, da es sich bei SDHB um ein weiteres Krebszyklusenzym handelt. Somit ergeben sich auch hieraus weitere Hinweise, dass eine Beeinträchtigung mitochondrialer Funktionen über eine intrazelluläre Hypoxia zur renalen Karzinogenese beitragen kann.

Hereditäre nichtpolypöse Kolonkarzinome (HNPCC)

Es scheint geklärt, dass ein Zusammenhang zwischen HNPCC (Lynch-II-Syndrom) und dem Auftreten von Nierentumoren besteht. So konnte Vasen bereits 1990 an 24 unabhängigen holländischen HNPCC-Familien zeigen, dass bei 8 Patienten aus 4 unabhängigen Familien urologische Tumoren, darunter Nierenzellkarzinome und Tumoren des ableitenden Harnsystems, auftraten. Es ist hervorzuheben, dass diese Tumoren sämtlich eine transitional-zellige Histologie aufwiesen.

Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang jüngste molekulare Studien, die ein Zusammenspiel zwischen dem VHL/HIF-1α und dem „Wnt/β-catenin pathway“ in der kolorektalen Karzinogenese aufzeigen.

Andere hereditäre Syndrome mit noch nicht identifizierten Genen

Familiäre papilläre Schilddrüsentumoren (FPTC) und 1q21

Papilläre Schilddrüsentumoren sind in 5% der Fälle hereditär, wobei ein autosomal-dominanter Erbgang beschrieben wird. Bei den Tumoren handelt es sich um in jungen Jahren auftretende gutartige multiple papilläre Schilddrüsentumoren, die von den medullären Tumoren des MEN-Syndroms („multiple endocrine neoplasia“) unterschieden werden müssen. Die Ätiologie dieses Krankheitsbildes ist wahrscheinlich heterogen: Genkopplungsanalysen zeigten verschiedene Genorte an. Kürzlich wurde eine Assoziation von papillären und onkozytären Tumoren in diesem Krankheitsbild mit dem Locus 1q21 gezeigt. Dies schließt einen Zusammenhang mit HPRCC aus.

Familiäre Onkozytome

Onkozytome sind gutartige epitheliale Nierentumoren, die sich aus den distalen Tubuluszellen ableiten. Es besteht eine enge Beziehung zu den chromophoben NZKs. Familiäre Fälle ohne Assoziation mit anderen Symptomen, die eine Zuordnung zu bekannten Syndromen erlaubten, sind wiederholt beschrieben worden. Ob diese Entität (OMIM #553000) tatsächlich als eigenständiges Syndrom bestehen bleibt, muss kritisch gesehen werden. Viele dieser initial als unabhängig beschriebenen Fälle ließen sich nachträglich anderen Syndromen mit untypischer phänotypischer Ausprägung zuordnen, so fanden sich später Mutationen und/oder zusätzliche Symptome, die für ein BHD oder VHL-Syndrom sprachen.

Andere mit Nierentumoren assoziierte chromosomale Syndrome

Bis heute sind mindestens 9 unabhängige Familien mit konstitutionellen reziproken Chromosomentranslokationen beschrieben worden, in denen das Chromosom 3 mit unterschiedlichen Translokationspartnern beteiligt war. Die Träger dieser initial in der Keimbahn balanciert gefundenen Translokationen sind jeweils an einem Nierenzellkarzinom erkrankt – histologisch regelhaft an einem konventionell klarzelligen Typ. Es ist bemerkenswert, dass in nahezu allen untersuchten Familien das Translokationsderivat, das den Chromosomenarm 3p trug, im Tumor verloren wurde [5]. Interessanterweise fand sich dann im verbliebenen, lichtmikroskopisch intakten 3p in etwa der Hälfte der untersuchten Fälle (12/22) das VHL-Gen somatisch mutiert oder hypermethyliert. Somit kann bei diesen hereditären Fällen – über das „Knudson-two-hit-Modell“ hinausgehend – mindestens von einem 3-Schritt-Mechanismus der renalen VHL-Inaktivierung während der initialen Karzinogenese ausgegangen werden:

  1. 1.

    balancierte Keimbahntranslokation, die das Chromosom 3 involviert,

  2. 2.

    non-disjunktionaler somatischer Verlust des Derivates, das den kurzen Arm des Chromosoms 3 trägt,

  3. 3.

    VHL-Inaktivierung durch Mutation oder Methylierung.

Es wäre auch denkbar, dass die Schritte 2 und 3 in anderer Reihenfolge auftreten. Heute wird davon ausgegangen, dass es auf dem kurzen Arm von Chromosom 3 noch weitere Tumorsuppressorgene gibt, die für die renale Karzinogenese bedeutsam sind. Ein Kandidat ist das Gen RASSF1A, das in NZKs regelmäßig hypermethyliert gefunden wird. Weitere Gene wurden im Zusammenhang mit diesen 3p-involvierenden Translokationen charakterisiert: das RCC1- („renal cell carcinoma 1-“)Gen, das FHIT- („fragile histidine triad-“)Gen [7] und viele andere mehr.

Hereditäre Nierentumoren in der genetischen Beratung

Bei Verdacht auf das Vorliegen einer hereditären Kondition in Assoziation mit einem Nierentumor gibt es bis heute keine allgemein anerkannten Richtlinien, wann und welche genetischen Untersuchungen erfolgen sollten. Aus den hier aufgezeigten Daten ergeben sich dazu aber einige offensichtliche Empfehlungen (Abb. 2, 3). Deutlicher Hinweis für eine Erblichkeit ist das junge Alter beim erstmaligen Auftreten des Tumors. Da die Mehrzahl der Nierenzellkarzinome im Alter von 50–70 Jahren auftritt, sollte bei jeder Erkrankung im Alter von unter 50 Jahren gezielt nach einer hereditären Kondition gefahndet werden. Anamnestisch sollte nach familiärer Häufung und explizit nach der Assoziation der hier aufgeführten, recht spezifischen Symptome, die im Rahmen der seltenen hereditären Syndrome auftreten können, gefragt werden. Multifokalität ist ein weiterer Hinweis. Interessanterweise ist die Bilateralität kein so eindeutiges Indiz, wie bisher oft angenommen. In einer 1998 veröffentlichten umfangreichen Studie konnte gezeigt werden, dass bei einem Kollektiv von fast 700 unabhängigen Nierentumorneuerkrankung etwa 5% (N=33/698) bilateral waren. Hiervon fanden sich nur in 4 Fällen tatsächlich hereditäre Konditionen, d. h. dass 88% (N=29/33) der bilateralen Fälle nicht hereditär waren. Somit können heute Erkrankungsalter, Multifokalität und die Assoziation mit spezifischen Zusatzbefunden als die deutlichsten Hinweise auf Erblichkeit gesehen werden.

Abb. 2
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Vorschlag zum Ablauf eines diagnostischen Algorithmus bei Verdacht auf einen hereditären Nierentumor: Nach Identifikation der Person mit erhöhtem Risiko erfolgt, entsprechend der Tumorhistologie und den beobachteten zusätzlichen Symptomen, eine genetische Untersuchung (Tab. 1)

Abb. 3
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Diagnostischer Algorithmus nach Tumorhistologie: Die Histologie bestimmt den weiteren Ablauf der molekularen Analyse der Zielgene (s. Text und Tab. 1). Führt die molekulargenetische Analyse der heute bekannten Zielgene (blau markiert) nicht zu einem positiven Ergebnis, kann eine zytogenetische Untersuchung durchgeführt werden, da sowohl bei konventionellen als auch bei anderen histologischen Formen balanciert Chromosomentranslokationen gefunden wurden, die ggf., wenn mit der Erkrankung segregierend, als spezifischer, prädiktiver genetischer Marker angesehen werden können

Durch die verbesserte histogenetische Nierentumorklassifikation und die klare Zuordnung bestimmter histologischer Formen zu spezifischen Syndromen ist es heute möglich geworden, gezielt nach Keimbahnmutationen in den entsprechenden Zielgenen (Abb. 3) zu suchen (Tab. 1). Diesem Entscheidungsalgorithmen folgend, gibt es zum einen wegen der recht aktuellen Fortschritte und der insgesamt recht kleinen Fallzahlen keine ausreichenden empirischen Daten, die die Wahrscheinlichkeit angeben, mit der mit einem positiven Ergebnis einer molekulargenetischen oder zytogenetischen Untersuchung zu rechnen ist. Es sollte bereits bei dem Vorliegen von 2 der oben angegebenen Kriterien eine molekulargenetische bzw. zytogenetische Keimbahnuntersuchung in Erwägung gezogen werden. Die weitere Betreuung von Personen, die als Risikopersonen identifiziert werden konnten, sollte an dafür spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Solche im Ausland bereits etablierten „Familial Cancer Centers“ könnten auch in Deutschland als integrierte Bestandteile von CCC („comprehensive cancer centers“) mit einem tatsächlich gelebten multidisziplinären Betreuungsansatz die Lebensqualität und -erwartung von Risikopatienten auch anderer Tumorprädispositionen deutlich verbessern.

Tab. 1 Hereditäre Nierentumorsyndrome: Zuordnung zu spezifischen histologischen Formen, identifizierten Genen und klinischen Symptomen

Ausblick – Fortschritte in der Therapie: „Smart-drug-Ansatz“ für eine kausale Therapie des NZKs

Prä- oder postoperativ findet sich ein erheblicher Anteil der NZK metastasiert. Daher ist eine Systemtherapie notwendig. Die Aufklärung der molekulargenetischen Grundlagen der hier beschriebenen seltenen hereditären Syndrome hat zum Verständnis der molekularen Pathomechanismen der renalen Karzinogenese beigetragen. Darauf basierend, sind in jüngster Zeit neue, auf die Ursache gerichtete Medikamente entwickelt worden [2]. Diese „smart drugs“ sind vielversprechend, da sie fokussiert und spezifisch und daher theoretisch auch nebenwirkungsärmer sind als die konventionelle Chemotherapie. Eine Reihe von diesen so abgeleiteten Medikamenten ist bereits für die Anwendung beim NZK zugelassen.