Das gehäufte Auftreten von Leukämien und Lymphomen im Zusammenhang mit den DNA-Reparatur-Defizienz-Syndromen (auch: Chromosomeninstabilitätssyndrome) sowie dem Down-Syndrom ist ein seit langem etabliertes Faktum. Diesen, im Rahmen von genetisch bedingten Erkrankungen auftretenden hämatopoetischen Neoplasien steht die große Zahl der sporadischen Leukämien und Lymphome gegenüber. Allerdings hat die Forschung der letzten Jahre ergeben, dass eine Reihe von monogenen Erkrankungen sowie durch konstitutionelle Chromosomenanomalien verursachte Syndrome und vermutlich auch genetische Polymorphismen mit einem erhöhten Risiko für Neoplasien des hämatopoetischen Systems einhergehen. Diese neuen Erkenntnisse schaffen eine Brücke zwischen der Leukämogenese auf der Basis somatischer (erworbener) Mutationen auf der einen Seite und aufgrund konstitutioneller (angeborener) genetischer Veränderungen auf der anderen Seite. Zu unterscheiden sind bei den familiären Leukämien jene, die im Gefolge von Syndromen auftreten, z. B. von DNA-Reparatur-Defizienz-, Immundefizienz-, Tumordispositions-, Bone-Marrow-Failure- sowie Cancer-Family-Syndromen und angeborenen Chromosomenanomalien, von den nichtsyndromal bedingten familiären Leukämien, bei denen betroffene Familienmitglieder nur hämatopoetische Neoplasien entwickeln, aber keine Fehlbildungen und pathologische Merkmale zeigen.

Leukämien in Assoziation mit genetischen Syndromen

DNA-Reparatur-Defizienz-Syndrome

Die autosomal-rezessiv vererbten DNA-Reparatur-Defizienz-Syndrome, die mit einer erhöhten Chromosomeninstabilität einhergehen, werden in diesem Heft gesondert behandelt. Hier sei nur erwähnt, dass bei dem auf einem Helikasegendefekt (BLM-Gen) beruhenden Bloom-Syndrom häufig akute lymphatische und akute myeloische Leukämien sowie Lymphome beobachtet werden. Bei der Ataxia teleangiectatica (ATM-Gen) finden sich Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome und akute lymphatische Leukämien (ALL) vom T-Zell-Typ. Das Nijmegen-Breakage-Syndrom (NBS-Gen) ist mit B-Zell-Lymphomen assoziiert. Die Fanconi-Anämie, die durch Defekte von bisher 11 identifizierten Genen (12 Komplementationsgruppen) hervorgerufen werden kann, disponiert zu myelodysplastischen Syndromen (MDS) und akuter myeloischer Leukämie (AML) und kann den Bone-Marrow-Failure-Syndromen zugerechnet werden.

Bone-Marrow-Failure-Syndrome

Diese heterogene Krankheitsgruppe ist durch Knochenmarkversagen in Verbindung mit somatischen Anomalien charakterisiert. Sie umfasst:

  • die Fanconi-Anämie,

  • die Dyskeratosis congenita,

  • das Shwachman-Diamond-Syndrom und

  • die Diamond-Blackfan-Anämie (Tab. 1).

Bei der Dyskeratosis congenita, gekennzeichnet durch abnorme Hautpigmentation, Nageldystrophie und Schleimhautleukoplakien sowie eine erhöhte Disposition zur Krebsentwicklung und Lungenkomplikationen, finden sich Mutationen u. a. im DKC1-Gen, das ein nukleoläres Protein, das Dyskerin, kodiert. Dieses spielt in der Ribosomenbiogenese eine Rolle. Daher wurde ursprünglich vermutet, dass die Dyskeratosis congenita im Gefolge einer gestörten Ribosomenbiogenese entsteht. Dyskerin assoziiert mit der RNA-Komponente (TERC) der Telomerase, dem Enzym, das für die Aufrechterhaltung der chromosomalen Telomeren verantwortlich ist. Sowohl bei Patienten mit der X-gebundenen Dyskeratosis congenita, die auf DKC1-Mutationen beruht, als auch bei Patienten mit der autosomal-dominanten Form, die durch TERC-Mutationen hervorgerufen wird, sind die Telomeren deutlich verkürzt. Heterozygote Mutationen des TERT-Gens, der reversen Transkriptasekomponente der Telomerase, wurden ebenfalls bei mehreren Familien mit DC beschrieben [23, 28].

Tab. 1 Charakteristika der Bone-Marrow-Failure-Syndrome

Zu erwähnen ist ferner, dass bei der Dyskeratosis congenita Antizipation zu beobachten ist, also das frühere Auftreten der Krankheit in aufeinander folgenden Generationen und ein schwererer Ausprägungsgrad, hier in Verbindung mit progressiver Telomerverkürzung. Die Telomeraseaktivität bzw. die Telomerdysregulation wird in den meisten Fällen durch Haploinsuffizienz des TERC- bzw. des TERT-Gens verursacht. TERC-Sequenzänderungen können jedoch auch die Wildtyptelomeraseaktivität in dominant-negativer Form modulieren [30]. Die Dyskeratosis congenita ist somit die erste Krankheit, die nachweislich auf einer konstitutionell vorliegenden Störung der Aufrechterhaltung der Telomeren beruht und sich durch Merkmale vorzeitiger Alterung auszeichnet [7].

Das Shwachman-Diamond-Syndrom (SDS) ist durch exokrine Pankreasinsuffizienz und Knochenmarkversagen gekennzeichnet. Patienten mit SDS haben ein erhöhtes Risiko, aplastische Anämien, myelodysplastische Syndrome und akute myeloische Leukämien zu entwickeln. Bei ihnen werden sowohl Defekte der hämatopoetischen Stammzelle als auch des Stromas beobachtet, ferner eine erhöhte Apoptoserate und kurze Telomeren. 90% der Patienten zeigen Mutationen im SBDS-Gen (in 7q11 lokalisiert), das auch in die Ribosomenbiogenese involviert ist. Es wird spekuliert, dass die Onkogenese mit gesteigerter Ribosomenbiogenese und Translation korreliert ist, da z. B. das Tumorsuppressorgen ARF die Produktion der ribosomalen RNA hemmt, während das Onkogen Nukleophosmin die rRNA-Biosynthese fördert [7, 23].

Die MDS-Inzidenz bei SDS liegt bei 33%, die Transformation zu akuter myeloischer Leukämie bei 24%. Mehrere Patienten mit Shwachman-Diamond-Syndrom zeigen bereits vor der Entwicklung eines MDS oder einer AML im Knochenmark eine spezifische Chromosomenanomalie – ein Isochromosom der langen Arme von Chromosom 7 [8]. Eine größere Studie an 14 SDS-Patienten mit z. T. i(7)(q10) führte zu der Schlussfolgerung, dass die SBDS-Mutation einen „Mutatoreffekt“ ausübt, der spezifische Chromosomenanomalien, z. B. ein Isochromosom i(7)(q10), induziert und für die Entwicklung myelodysplastischer Syndrome bzw. akuter myeloischer Leukämien verantwortlich ist [18].

Die Diamond-Blackfan-Anämie (DBA) beruht bei 20–25% der Patienten auf heterozygoten Mutationen des Gens für das ribosomale Protein RPS19 [23], das in 19q13.2 lokalisiert wurde. Etwa 40% der Patienten mit DBA zeigen eine Kopplung an Loci in 8p23.3~p22 [10], jedoch dürfte ein 3. Locus für die Erkrankung existieren. Das Krankheitsbild zeichnet sich durch hypoplastische Anämie, eine makrozytäre Anämie, Retikulozytopenie, Erythroblastopenie, also fehlende oder verminderte erythroide Vorläuferzellen, Differenzierungsstopp der erythroiden Reihe im Knochenmark sowie durch kraniofaziale Dysmorphien und Skelettanomalien, auch Nieren- und Herzfehler, aus. Es besteht ein moderat erhöhtes Risiko für hämatopoetische Neoplasien, v. a. für akute myeloische Leukämien [10].

Da bereits mehrere kindliche Patienten mit DBA und einer zytogenetisch nachweisbaren Deletion in 19q13.2 beschrieben wurden, werden diese Fälle als Mikrodeletionssyndrom diskutiert [5]. Dies leitet über zu der erhöhten Leukämieinzidenz bei bestimmten konstitutionellen Chromosomenanomalien.

Angeborene Chromosomenanomalien

Kinder mit Down-Syndrom (Trisomie 21) können transiente myeloproliferative Erkrankungen entwickeln, haben aber auch ein deutlich gesteigertes Risiko, an akuten Leukämien zu erkranken. In den ersten 5 Lebensjahren ist dieses Risiko 50-fach, in den nächsten 10 Jahren 10-fach erhöht [26]. Ein primäres, für die Leukämieentwicklung disponierendes Ereignis dürften die Defizienz an hämatopoetischen Vorläufer- und Stammzellen sowie die beschleunigte Telomerverkürzung sein, die bei Feten mit Down-Syndrom nachgewiesen wurde [12].

Bei Patienten mit konstitutioneller Trisomie 8 im Mosaik wurde gehäuft das Auftreten von myelodysplastischen Syndromen und akuten myeloischen Leukämien beobachtet. Sowohl die Trisomie 8 als auch die Trisomie 21 stellen sehr häufige somatische Karyotypveränderungen bei sporadischen myeloischen Leukämien dar. Es wird allerdings vermutet, dass 15–20% aller hämatologischen dysplastischen und neoplastischen Erkrankungen mit überzähligem Chromosom 8 eine angeborene Trisomie 8 zugrunde liegt [17].

Erbliche Tumordispositionssyndrome

Das Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) und seine Variante, das Li-Fraumeni-like-Syndrom (LFL), zeichnen sich durch ein spezifisches Tumorspektrum aus. Es umfasst im jugendlichen Alter auftretenden Brustkrebs, Weichteil- und Knochensarkome, Nebennierenrindenkarzinome, Hirntumoren und Bronchialkarzinome, aber auch Leukämien und Lymphome. Etwa 3/4 aller Patienten mit LFS zeigen konstitutionelle Mutationen im TP53-Tumorsuppressorgen (17p13), während bei Familien mit LFL sowohl TP53-Mutationen als auch Keimbahnmutationen des CHEK2-Gens (22q12) beschrieben wurden [24].

Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) ist wahrscheinlich die häufigste tumordisponierende genetische Erkrankung. Die Inzidenz liegt bei 1 von ~3000 weltweit. Die Krankheit wird durch Mutationen im NF1-Gen verursacht, welches eine der höchsten Mutationsraten aller menschlichen Gene aufweist. Daher tragen auch etwa die Hälfte aller Patienten Neumutationen. Kutane, subkutane und plexiforme Neurofibrome sind die für die NF1 typischen Neoplasien. In Neurofibromen stellt die Schwann-Zelle die eigentlich neoplastische Zelle dar. Denn nur hier, nicht aber in anderen Zellen des komplexen Tumorgewebes findet sich die vollständige Inaktivierung des Tumorsuppressorgens, NF1, durch somatische Mutationen nach der Knudson-2-Treffer-Hypothese. Daneben treten noch eine Reihe weiterer benigner, aber auch maligner Neoplasien bei NF1-Patienten gehäuft auf. Hier ist insbesondere die juvenile myelomonozytäre Leukämie (JMML) zu nennen. Das Risiko für NF1-Patienten, diese aggressive kindliche myeloproliferative Erkrankung zu entwickeln, ist (gegenüber der gesunden Bevölkerung) 200- bis 500-fach erhöht, und NF1-Patienten stellen etwa 11% aller JMML-Patienten (Kratz und Niemeyer, persönliche Mitteilung). In NF1-assoziierten JMML-Zellen kann regelmäßig die biallele Inaktivierung des NF1-Gens beobachtet werden. Das N1F-Gen-Produkt, Neurofibromin, wirkt durch seine GTPase aktivierende Funktion als negativer Regulator der RAS-Proteine. Daher führt die vollständige Ausschaltung dieses Gens zur Aktivierung der RAS-Signalwege und somit zur JMML.

Das Noonan-Syndrom (NS) ist ein weiteres genetisches Krankheitsbild, welches eine Prädisposition für eine myeloproliferative Erkrankung aufweist, die der JMML sehr ähnelt und als NS/JMML bezeichnet wird. Für etwa 50% aller NS-Patienten sind PTPN11-Keimbahnmutationen verantwortlich [27]. PTPN11 kodiert für einen positiven Regulator von RAS, und PTPN11-Mutationen führen zur Aktivierung der intrazellulären RAS-Signalwege. Interessanterweise wurden bei den meisten NS/JMML-Patienten spezifische PTPN11-Mutationen gefunden, und etwa 35% aller sporadischen nichtsyndromalen JMML-Patienten zeigen somatische PTPN11-Mutationen. Somatische onkogene Mutationen in den Protoonkogenen N-RAS und K-RAS selbst sind aber der häufigste genetische Mechanismus, der bei sporadischen JMML-Patienten zu erhöhter RAS-Signaltransduktion führt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Vereinfachter RAS-Signalweg, schwarz bei der Pathogenese von NF1-assoziierter JMML [biallele (d. h. somatische und Keimbahn-)NF1-Mutationen], von Noonan-Syndrom-JMML [Keimbahnmutationen in PTPN11 (SHP-2)] und von sporadischer JMML (somatische Mutationen in PTPN11, K-RAS oder N-RAS) beteiligte Proteine

In den letzten Jahren häufen sich Berichte über Kinder mit Zeichen einer NF1, wie den für die Krankheit typischen Café-au-Lait-Flecken, die Leukämien und Lymphome im frühen Kindesalter entwickeln. In allen bisher beschriebenen Familien konnten als genetische Ursache für diesen Phänotyp homozygote oder compound-heterozygote Keimbahnmutationen in einem der Mismatch-Reparatur-Gene, MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2, verantwortlich gemacht werden [2]. Obwohl heterozygote Mutationen in den DNA-Reparatur-Genen für das Lynch-Syndrom verantwortlich sind, treten diese Patienten nicht ausschließlich in klassischen HNPCC-Familien (hereditären nichtpolypösen Kolonkarzinomfamilien), häufig aber in blutsverwandten Familien auf. Bei Kindern mit Zeichen einer NF1 und für die NF1 untypischen hämatologischen Tumoren, wie Lymphomen, ALL und AML oder malignen Gehirntumoren, muss daher auch die Möglichkeit dieses rezessiv vererbten Syndroms in Betracht gezogen werden.

Hereditäre nichtsyndromale Leukämien

Familiäre Thrombozytopenie mit Leukämiedisposition und Mutation des CBFA2/RUNX1/AML1-Gens

Das Krankheitsbild „familial platelet disorders with predisposition to acute myelogeneous leukemia“ (FPD/AML) wurde bisher bei 12 Familien beschrieben. Es ist charakterisiert durch eine gestörte Megakaryo- und Thrombozytopoese. FPD/AML wird durch Mutationen im in 21q22.1 lokalisierten CBFA2-Gen hervorgerufen und folgt einem autosomal-dominanten Vererbungsmodus. CBFA2 ist ein hämatopoetischer Transkriptionsfaktor. Die meisten CBFA2-Mutationen führen zu Haploinsuffizienz, seltener finden sich auch dominant-negativ wirkende Mutationen. In Familien mit Letzteren werden mehr betroffene Familienmitglieder (57%) beobachtet als bei Familien mit Haploinsuffizienz des CBFA2-Gens (24%). 20–15% der Mutationsträger entwickeln eine akute myeloische Leukämie; als sekundäre Anomalien treten Monosomie 7 sowie die Trisomien 8, 13 und 21 auf [19]. In einigen Familien wurde Antizipation beobachtet [6].

Ein weiteres zu akuter myeloischer Leukämie und myelodysplastischem Syndrom disponierendes Gen scheint aufgrund von Kopplungsanalysen in 16q22 lokalisiert zu sein, doch konnte die Involvierung des dort befindlichen CBFB-Gens ausgeschlossen werden [9].

CEBPA-Mutation und familiäre AML

Kürzlich wurde bei einer Familie mit gehäufter akuter myeloischer Leukämie eine konstitutionelle Mutation im CEBPA-Gen nachgewiesen [25], das den Granulozytendifferenzierungsfaktor C/EBPα kodiert. Das in 19q13.1 lokalisierte CEBPA-Gen spielt eine wichtige Rolle bei der myeloischen Differenzierung und interagiert mit anderen Proteinen, die für die Regulation der Myelopoese wichtig sind, wie CBFA2.

Neben der ebenfalls autosomal vererbten familiären Thrombozytopenie mit Disposition zur akuten myeloischen Leukämie dürfte dies die 2. autosomal-dominante Form der familiären AML sein, bei der der genetische Defekt aufgeklärt werden konnte.

Sowohl CBFA2- als auch CEBPA-Mutationen treten häufig auch bei sporadischen akuten myeloischen Leukämien als erworbene Gendefekte auf.

Familiäre kindliche Myelodysplasie mit Monosomie 7

Mehrfach wurde über Geschwister mit myelodysplastischem Syndrom und Monosomie 7 berichtet, sodass ein autosomal-rezessiver Erbgang für diese kindliche Form des MDS angenommen wird. Die Monosomie 7 tritt aber auch gehäuft bei Kindern mit MDS/juveniler myelomonozytärer Leukämie und AML im Rahmen der Fanconi-Anämie, der schweren kongenitalen Neutropenie, dem Shwachman-Diamond-Syndrom, dem Kostmann-Syndrom sowie der Neurofibromatose 1 auf. Insgesamt dürfte bei 20% der kindlichen MDS mit Monosomie 7 ein genetischer disponierender Faktor vorliegen.

Die so genannte familiäre Monosomie 7, der keines der genannten Syndrome zugrunde liegt, weist in den meisten Fällen myeloische Leukämien als einzige Anomalie auf, seltener tritt zusätzlich zerebelläre Ataxie auf [11, 16].

Familiäre chronisch-lymphatische Leukämie

Epidemiologische Studien und Fallberichte von Familien legen nahe, dass eine Untergruppe der chronisch lymphatischen Leukämie auf eine vererbbare genetische Disposition zurückzuführen ist. 7% aller CLL-Fälle dürften auf einer genetischen Komponente beruhen. Bisher wurde jedoch ein echtes Dispositionsgen für die CLL nicht identifiziert.

Untersuchungen zur Assoziation des HLA-Komplexes sowie der pseudoautosomalen Region (PAR) auf den X- und Y-Chromosomen, beides Gene bzw. Genkomplexe, die mit dem familiären Hodgkin-Lymphom in Zusammenhang stehen, erbrachten für die CLL negative Ergebnisse [3, 13]. Diese Untersuchungen lagen nahe, da zwischen CLL- und Hodgkin/Reed-Sternberg-Zellen ein gemeinsamer klonaler Ursprung besteht [3, 13]. Auch die Analyse des ATM-Gens bei familiärer CLL zeigte keinen Zusammenhang [31]. Caporaso et al. [4] führten einen „whole genome scan“ mit 359 Mikrosatellitenmarkern bei 18 Familien mit CLL durch und fanden für 6 Regionen einen „lod score“ von ≥1,0; 4 der 6 Regionen stimmen mit Segmenten, die in zytogenetische Anomalien bei der CLL involviert sind, überein: 6q, 13q, 12p und 17p.

In mehreren Familien mit CLL wurde Antizipation beschrieben [4]. Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen ist sie Folge einer Expansion von unstabilen Trinukleotid-Repeat-Sequenzen. Bei der familiären CLL jedoch konnten eine CCG- und/oder CAG-Repeat-Expansion als Ursache der Antizipation ausgeschlossen werden [1].

Genetische Suszeptibilitätsfaktoren für die CLL und andere Leukämien

Eine erhöhte Anfälligkeit für die Leukämieentwicklung könnte auf funktionellen Polymorphismen von Genen, die detoxifizierende Enzyme bzw. Proteine, die in die DNA-Reparatur- oder die Zellzyklusregulation oder die Apoptose involviert sind, beruhen.

Polymorphe Gene mit niedriger Penetranz, die ein gewisses Risiko für die Tumorentwicklung mit sich bringen, werden als Ursache für Leukämien im fortgeschrittenen Alter diskutiert. Jedes dieser disponierenden Allele hat einen geringen Effekt, aber kombiniert würden sie die Leukämiesuszeptibilität steigern [14].

Eine Reihe von Polymorphismen, die zur CLL disponieren oder ihren klinischen Verlauf beeinflussen können, wurde in jüngster Zeit identifiziert. Es handelt sich um Gene, die die Apoptose betreffen (BAX [20]; P2X7 [29]) oder auch die detoxifizierenden GST-Enzyme [32].

Für den kombinierten Effekt bestimmter genetischer Polymorphismen bei der Entwicklung von akuten myeloischen Leukämien sprechen Untersuchungen von Seedhouse et al. [22]. Varianten der Gene RAD51 und XRCC3, die Enzyme kodieren, die in die DNA-Doppelstrang-Reparatur über homologe Rekombination involviert sind, erhöhen das Risiko für de novo und noch deutlicher für therapieinduzierte AML signifikant. Liegt zusätzlich eine GSTM1-Deletion, also das Fehlen der Wirkung dieses Karzinogen detoxifizierenden Enzyms, vor, erhöht sich das Risiko für die AML noch stärker. Diese Daten zeigen, dass DNA-Doppelstrang-Brüche und ihre Reparatur für die Pathogenese sowohl der de novo als auch der t-AML wichtig sind. Auch Polymorphismen von Genen des „mismatch repair“ und der Basenexzisionsreparatur sowie des Homöoboxgens HLX1 können das Risiko für die Entwicklung einer AML signifikant beeinflussen [15, 21].

Die positive Assoziation zwischen Polymorphismen von Genen, die in den Schutz der Zellen gegenüber Doppelstrangbrüchen involviert sind, und einem erhöhten Risiko zur AML-Entwicklung legen nahe, die Untersuchung kombinierter Effekte von Genotypen, die spezifische zelluläre Mechanismen regulieren, zu intensivieren. Dies könnte dazu beitragen, bei der überwiegenden Mehrzahl von „sporadischen“ Leukämien eine multifaktorielle Genese mit starker genetischer Komponente nachzuweisen.