Eine Besonderheit unterscheidet die Zellen des lymphatischen Systems von allen anderen Zellen: das hohe Ausmaß somatischer Rekombination der Immunglobulin- und T-Zell-Rezeptor-Gene als Grundlage der enormen Vielfalt der Immunglobuline bzw. der T-Zell-Rezeptoren und die damit verbundene Hypermutabilität. Hierbei werden physiologischerweise DNA-Doppelstrang-Brüche (DSB) induziert und „repariert“. Die beteiligten Gene sind auch in die allgemeine Reparatur von DSB einbezogen. Hieraus lassen sich 2 bedeutende Tatsachen ableiten:

  • Keimbahnmutationen in diesen Genen gehen mit einem besonders hohen Risiko für Lymphome einher. Das Nijmegen-Breakage-Syndrom ist ein Beispiel dafür. Bis zum Alter von 15 Jahren entwickeln etwa 30% der Betroffenen ein Lymphom.

  • Die hohe Rate spontaner Mutationen in lymphoiden Zellen macht die große Häufigkeit lymphoider Neoplasien verständlich: 6–10% aller Malignome mit steigender Tendenz.

Zugleich können die Lymphome auch als Modell für den Zusammenhang zwischen strukturellen Chromosomenveränderungen und Krebs insgesamt dienen. So bedeutete es einen wissenschaftlichen Durchbruch auf dem Gebiet der Tumorgenetik, als im Oktober 1982 2 Arbeitsgruppen unabhängig voneinander zeigen konnten, dass die charakteristischen Translokationen beim Burkitt-Lymphom zwischen einem Chromosom 8 und einem Chromosom 2, 14 oder 22 jeweils die gleichen Bruchstellen betreffen und hierdurch das C-MYC-Gen (ein Protoonkogen) auf Chromosom 8 in Nachbarschaft zu den Genen der schweren (Chromosom 14) oder der leichten Ketten der Immunglobulingene (Chromosom 2 und 22) gelangt, die gerade in diesen Zellen besonders aktiv sind. Als Folge der Translokation kommt es zu einer gesteigerten Expression des C-MYC-Gens als entscheidendem frühen Schritt in der Genese dieser Tumoren. Zum ersten Mal konnte damit für die Kanzerogenese ein Zusammenhang zwischen einer strukturellen Chromosomenveränderung und der Expression der davon betroffenen Gene hergestellt werden.

Die „natürliche“ Hypermutabilität lymphatischer Stammzellen kennzeichnet als genomische (chromosomale) Instabilität sämtliche Zellen von Personen mit einem DNA-Reparaturdefekt, die allesamt ein sehr hohes Krebsrisiko aufweisen. Das klinische Bild und die dominierende Krebsform hängen maßgeblich von dem jeweils betroffenen DNA-Reparaturprozess ab. Darüber hinaus ist eine große Zahl von Tumoren durch chromosomale Instabilität ausgezeichnet, die auf somatische Mutationen zurückgeht. In beiden Fällen resultiert daraus die Generierung einer großen Zahl von Zellen mit unterschiedlicher genetischer Ausstattung, die im Hinblick auf ihr kontinuierliches Wachstumsverhalten selektiert werden. Mutation und Selektion sind die treibenden Kräfte der Kanzerogenese. Im vorliegenden Beitrag geht es um die Rolle von Genen der DNA-Reparatur hierbei, wobei ein Schwerpunkt auf den Lymphomen liegt [4, 7]. Angesichts der Bedeutung dieser Gene in der Tumorgenese allgemein ist nicht verwunderlich, dass dieser Aspekt auch in mehreren anderen Beiträgen dieses Hefts angesprochen wird.

DNA-Reparatur

Die DNA ist das einzige Makromolekül der Zelle, das bei einer Schädigung repariert und nicht durch ein neues Molekül ersetzt wird. Dies ist eine Voraussetzung des Lebens schlechthin. Bedenkt man, wie viele unterschiedliche Läsionen pro Tag in jedem Zellkern auftreten (Abb. 1), unterstreicht dies die außerordentliche Bedeutung von DNA-Reparaturprozessen, die zugleich evolutionär hoch konserviert sind. So unterschiedlich die Veränderungen an der DNA sein können, so verschieden sind auch die Reparaturabläufe. Sie lassen sich in 5 Kategorien einteilen, wobei deren Trennung nicht so deutlich ist, wie die Einteilung vorgibt.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung spontan auftretender Läsionen der DNA-Doppelhelix mit ihrer durchschnittlichen Häufigkeit pro Zelle und Tag, starke Erhöhung der Zahl der Läsionen durch exogene Noxen möglich

Tab. 1 DNA-Reparatur-Gene insgesamt und genetisch bedingte DNA-Reparatur-Defekte mit erhöhtem Krebsrisiko

Basenexzisions-Reparatur (BER)

Ihre Hauptbedeutung beruht in der Reparatur oxidativ veränderter Basen, aber auch in der Korrektur defekter Nukleotide oder von DNA-Einzelstrangbrüchen. Hierbei wird der intakte komplementäre Strang als Matrize verwendet. Verschiedene Polymorphismen in diesen Genen können die Tumorgenese beeinflussen, Mutationen wurden bisher nur in dem Glykosylasegen, MYH beschrieben (Tab. 1).

Nukleotidexzisions-Reparatur (NER)

Hierüber werden die meisten größeren Läsionen der DNA repariert, die mit Konformationsänderungen einhergehen, wie die Bildung von Thymindimeren oder DNA-Addukten. Die Xeroderma-pigmentosum-Gruppe mit ihrem hohen Hautkrebsrisiko steht beispielhaft hierfür (Tab. 1). Mutationen in den Genen der transkriptionsgekoppelten NER liegen dem Cockayne- und dem Trichothiodystrophiesyndrom zugrunde, gehen aber nicht mit einem erhöhten Neoplasierisiko einher. Allerdings kann die Expression der betroffenen Gene (XPD, ERCC1) in Tumoren verändert sein und darüber die Ansprechbarkeit gegenüber einer Chemotherapie beeinflussen.

Mismatch-Reparatur (MMR)

Sie korrigiert insbesondere Basenfehlpaarungen unmittelbar nach der DNA-Replikation. Keimbahnmutationen in den beteiligten Genen sind mit einem stark erhöhten Risiko für das Auftreten von Darmkrebs im Rahmen des hereditären, nichtpolypösen kolorektalen Karzinomsyndroms verbunden (s. Beitrag Friedl u. Propping in diesem Heft).

Reversions-Reparatur (RER)

Modifizierte Basen können hierüber in einem Reaktionsschritt wieder in die Ursprungsform überführt werden. Mutationen in den beteiligten Genen sind noch nicht beschrieben worden. Allerdings ist die Promotormethylierung des MGMT-Gens ein guter Prädiktor für die Ansprechbarkeit von Gliomen auf eine Therapie mit Alkylanzien.

Rekombinations-Reparatur (RR)

Im Gegensatz zu den vorausgegangenen Schäden, die nur auf einen Strang der DNA-Doppelhelix begrenzt waren, geht es hier insbesondere um die Reparatur von DNA-Doppelstrang-Brüchen sowie von DNA-Crosslinks. Die eukaryontische Zelle verfügt über 2 Hauptwege zur Reparatur von DSB (Abb. 2). Im Fall der homologen Rekombination (HR) wird ein homologer Chromosomenabschnitt, bei Säugerzellen in der Regel die Schwesterchromatide, als Vorlage zur Reparatur herangezogen. Dieser Prozess läuft weitgehend fehlerfrei ab, ist aber ganz überwiegend auf die S- und G2-Phase beschränkt. Der andere Mechanismus beruht auf der Verknüpfung nichthomologer Enden (engl.: „non-homologous end-joining“, NHEJ), ist daher wesentlich universeller, aber auch fehleranfällig. Da jedoch nur ein kleiner Teil des Säugergenoms kodierende Funktion hat, werden diese Fehler in den meisten Fällen von der Zelle toleriert. DSB können aber auch als Folge einzelner Basenveränderungen, von Einzelstrangbrüchen oder DNA-Crosslinks eintreten, wenn die betreffende DNA repliziert wird. Nimmt man noch hinzu, dass DSB auch Folge normaler zellulärer Prozesse sind, z. B. der Rekombination der elterlichen Chromosomen in der Meiose, den Umbauten der Immunglobulin- und T-Zell-Rezeptor-Gene und der Aufrechterhaltung der Chromosomenenden, überrascht nicht die große Anzahl von Genen, die hierbei eine Rolle spielen und deren außerordentliche Bedeutung in der Kanzerogenese (Tab. 1). Diejenigen Doppelstrangbrüche, die nicht oder fehlerhaft repariert werden, können sich in der nachfolgenden Mitose als lichtmikroskopisch sichtbare Chromosomenaberration manifestieren. Sie sind ein Kennzeichen der Chromosomeninstabilitätssyndrome, die sich allesamt durch ihr erhöhtes Krebsrisiko auszeichnen.

Abb. 2
figure 2

Hauptwege der DNA-Doppelstrang-Bruch-Reparatur mit einigen daran beteiligten Proteinen

Die Begrenzung auf die Reparaturprozesse wird dem eigentlichen zellulären Geschehen aber nur bedingt gerecht. Wenn eine Schädigung eingetreten ist, muss diese Veränderung zunächst erkannt (Sensor-Proteine), danach – zumindest formal – die Nachricht an diejenigen Elemente weitergeleitet werden (Transducer-Proteine), die der Schadensbehebung dienen (Effektor-Proteine). Dies wären danach die eigentlichen Reparaturproteine. Dazu zählen aber auch solche Proteine, die bei proliferierenden Zellen zur Arretierung des Zellzyklus führen, um die Reparatur überhaupt zu ermöglichen. Diese beiden Gruppen stellen gemäß des Konzepts von Vogelstein und Kinzler [14] zur Kanzerogenese die wichtigsten Vertreter der Caretaker-Gene dar. Die Inaktivierung beider Allele führt zu genomischer Instabilität, einem erhöhten Krebsrisiko und einer verkürzten Lebenserwartung. Die beiden Krankheiten mit vorzeitiger Alterung und einem NER-Defekt, aber ohne erhöhtes Krebsrisiko, Cockayne-Syndrom und Trichothiodystropie, zeigen überraschenderweise, dass sich beide Phänomene auch voneinander trennen lassen [1]. Zu den Gatekeeper-Genen zählt die Mehrzahl der Tumorsuppressorgene, die z. B. im Fall einer gravierenden Schädigung die Selbstzerstörung der Zelle durch Apoptose einleiten.

So wichtig diese Begriffe aus heuristischer Sicht und zur Beschreibung dieser zellulären Phänomene sind, stellen sie doch Abstraktionen dar. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass einzelne Gene in mehrere unterschiedliche Schritte dieses Netzwerks einbezogen sind, das sich durch komplexe Rückkopplungsprozesse und seine „Pufferwirkung“ auszeichnet, d. h. der Ausfall eines Gens kann von anderen mehr oder weniger gut kompensiert werden. Hier soll am Beispiel der Lymphome versucht werden, diese Komplexität etwas zu beleuchten.

Beispiele für genetisch bedingte Krankheiten mit hohem Lymphomrisiko

Leitsymptome für die Ataxia telangiectatica (AT; OMIM 208900) sind eine progrediente zerebelläre Ataxie in Verbindung mit konjunktivalen Teleangiektasien und einer Immundefizienz. Etwa 1/3 aller AT-Patienten erkrankt an Neoplasien. Bei Kindern und Jugendlichen überwiegen Lymphome und Leukämien, ältere Patienten weisen auch vermehrt solide Tumoren auf, wie Mamma- und Kolonkarzinome.

Das Nijmegen-Breakage-Syndrom (NBS; OMIM 251260) ist von der AT klinisch durch die charakteristische Fazies, die Mikrozephalie sowie die normalen AFP-Werte deutlich abgrenzbar. Auch hier treten gehäuft Infektionen der Atemwege auf, die auf Defizienzen sowohl des humoralen als auch des zellulären Immunsystems beruhen. Etwa 40% der NBS-Patienten entwickeln bis zum 20. Lebensjahr eine Neoplasie, insbesondere ein Lymphom.

Auf zellulärem Niveau weisen AT- und NBS-Patienten weitgehende Übereinstimmungen auf. So findet sich eine erhöhte spontane Chromosomenbrüchigkeit. Charakteristisch sind in kultivierten Lymphozyten zudem klonale und nichtklonale chromosomale Umbauten, deren Bruchpunkte im Bereich der T-Zell-Rezeptor- und der Immunglobulingene liegen. Gelegentlich beobachtet man auch Fusionen der Chromosomenenden, so genannte Telomerfusionen. Bemerkenswert ist die große Empfindlichkeit gegenüber ionisierenden Strahlen, wobei es nach Bestrahlung nicht zu einer Arretierung in der S-Phase des Zellzyklus („radioresistente“ DNA-Synthese) kommt. Die zytogenetischen Auffälligkeiten weisen darauf hin, dass in den T- und B-Lymphozyten die Umbauten der T-Zell-Rezeptoren und Immunglobulingene beeinträchtigt sind, dass aber auch die Reparatur strahleninduzierter Schäden und die Zellzykluskontrolle betroffen sind [4].

Beide Gene werden ubiquitär exprimiert. Das NBS1-Protein, Nibrin, ist Teil eines trimerischen Komplexes, an dem noch die Gene MRE11 und RAD50 beteiligt sind (MRN-Komplex). Dieser ist evolutionär hoch konserviert und besteht bei der Hefe aus den Proteinen MRE11, RAD50 und XRS2. Nibrin stellt dabei das funktionelle Ortholog von XRS2 dar [5]. In der Hefe ist dieser Komplex sowohl in die DSB-Reparatur durch HR als auch durch NHEJ einbezogen. Diese Aufgabe erfüllt der MRN-Komplex auch in menschlichen Zellen. Schon wenige Sekunden nach Bestrahlung findet sich der Komplex, geleitet durch Nibrin, an den DSB und hält hier über RAD50 die offenen DNA-Enden zusammen. An diesen Komplex bindet das Protein des AT-Gens, ATM, das im Zellkern als inaktives Dimer vorliegt. Es zählt zu einer hoch konservierten Proteinfamilie, den katalytischen Untereinheiten der DNA-abhängigen Proteinkinasen (DNA-PKcs), die zusammen mit den regulatorischen Untereinheiten die eigentlichen PI-3-Kinasen bilden. Als Folge der Bindung kommt es zu einer Autophosphorylierung von ATM und der Dissoziation in die aktiven Monomere. Die ATM-Kinase phosphoryliert eine Vielzahl von Substraten, auch Nibrin, womit eine direkte Verbindung zwischen diesem Proteinkomplex und dem ATM-Reaktionsweg hergestellt und die Übereinstimmungen auf zellulärem Niveau erklärt werden. Als weitere Substrate des ATM-Gens wurden u. a. p53, MDM2, CHK1, CHK2, BRCA1 und die Histonvariante H2AX identifiziert [10]. Diese Proteine werden nach Bestrahlung rasch phosphoryliert. Allerdings geschieht auch in AT-defizienten Zellen die Phosphorylierung dieser Proteine mit einiger Verzögerung, da dann das verwandte ATR-Protein diese Funktion übernimmt. Von besonderer Bedeutung ist die Phosphorylierung des Transkriptionsfaktors p53, die letztendlich zu einer Arretierung des Zellzyklus führt; zugleich kann das ATM-Gen über seine Beeinflussung von p53 auch auf den programmierten Zelltod, die Apoptose, einwirken.

Abb. 3
figure 3

Rolle des MRE11-RAD50-Nibrin-Komplexes in seiner Beziehung zu ATM bei der Reparatur von DNA-Doppelstrang-Brüchen und der Zellzyklus-Checkpoint-Kontrolle, einige wichtige Phosphorylierungsstellen sind hervorgehoben (-p), Induktion von DNA-Doppelstrang-Brüchen durch ionisierende Strahlen möglich; physiologisches Auftreten bei somatischer Rekombination der immunkompetenten Zellen, Meiose und DNA-Replikation, speziell an den Telomeren, nähere Einzelheiten s. Text

Wie aus Abb. 3 hervorgeht, ist der MRN-Komplex bei der DSB-Reparatur sowohl „oberhalb“ als auch „unterhalb“ von ATM angesiedelt. Nibrin fungiert dabei als Sensor-Protein, indem es MRE11 und RAD50, aber auch ATM and ATR zu den DSB heranholt, zugleich als Transducer-Protein, da der MRN-Komplex das Signal (DSB) modifiziert, indem ATM und ATR aktiviert werden. Schließlich übt es auch eine Effektorfunktion aus, da der MRN-Komplex direkt in die Reparatur von DSB mittels NHEJ und HR einbezogen ist und indirekt in die Checkpoint-Kontrolle und Apoptose eingreift.

Hinzu kommt, dass ATM und Nibrin auch an der Prozessierung der DSB, die bei der Reifung der immunkompetenten Zellen eintritt, beteiligt sind. So spielt ATM offensichtlich bei der Reparatur von DSB in T- und B-Zellen eine Rolle, die bei der V(D)J-Rekombination und dem Klassenwechsel auftreten [2]. Bei NBS-Patienten ist die V(D)J-Rekombination hingegen nicht gestört, wohl aber der Ig-Klassenwechsel. In beiden Fällen ist zudem das Verhältnis der naiven zu den Gedächtnis-T-Zellen deutlich verschoben [9].

Sehr vereinfacht kann man diese Befunde wie folgt zusammenfassen: Als Folge von Mutationen des NBS- oder ATM-Gens sind die Mutationsrate in den rasch proliferierenden Zellen des lymphatischen Systems besonders hoch, die Checkpoint-Kontrolle eingeschränkt und auch die Apoptose betroffen. In Verbindung mit dem Immundefekt wird verständlich, dass bei diesen Krankheiten die Entwicklung von B- und T-Zell-Lymphomen im Kindesalter ganz im Vordergrund steht. Offen ist, weshalb AT-Patienten 4-mal mehr T- als B-Zell-Lymphome entwickeln, NBS-Patienten aber – entgegen einer früheren Annahme – nicht mehr B-, sondern ebenso viel B- wie T-Zell-Lymphome, allerdings in einem deutlich höheren Ausmaß als AT-Patienten. Die inhärente Chromosomeninstabilität, die angesichts der ubiquitären Expression dieser Gene alle Zellen betrifft, macht zugleich verständlich, dass in beiden Fällen auch das Risiko für andere hämatologischen Malignome sowie für solide Tumoren erhöht ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Zellen von Patienten mit einem DNA-Reparatur-Defekt zusätzlich noch eine gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber exogenen und endogenen mutagenen Noxen aufweisen. Hierbei dürften die endogen auftretenden Sauerstoffradikale des Energiestoffwechsels eine wichtige Rolle spielen.

Rolle somatischer Mutationen bei sporadischen Lymphomen

Eine der häufigsten Deletionen in lymphoiden Neoplasien stellt die Deletion 11q dar, die zum Verlust des ATM-Gens auf 11q22.3 führt [3]. So weisen mehr als 50% der Patienten mit einem Mantelzelllymphom (MCL) und 10–20% bei B-CLL eine Deletion 11q22–23 auf. Ebenso ist die seltenere T-Prolymphozyten-Leukämie (T-PLL) durch vollständigen oder partiellen Verlust von 11q gekennzeichnet. Zum ersten Mal konnte hier 1997 gezeigt werden, dass in 6 von 6 Fällen auch das 2. ATM-Allel infolge einer Punktmutation inaktiviert war und das ATM-Gen somit als Tumorsuppressorgen fungiert [11]. Inzwischen ist gut belegt, dass häufig beim Mantelzelllymphom, in etwa der Hälfte der T-PLL und einem erheblichen Prozentsatz von B-CLL mit 11q-Deletionen auch das andere ATM-Allel defekt ist [3]. Darüber hinaus können in Fällen ohne Deletion beide ATM-Allel als Folge somatischer Mutation inaktiviert sein. Diese Befunde sprechen dafür, dass in sporadischen T-PLL, B-CLL und MCL der Inaktivierung beider ATM-Allele eine wichtige Rolle in der Pathogenese oder Tumorprogression zukommt. Vor diesem Hintergrund ist es überraschend, dass in den NHL, die auch bei AT-Patienten nicht selten sind, Mutationen des 2. Allels nur ausnahmsweise beobachtet wurden. Hingegen scheinen somatische Mutationen im NBS-Gen bei Lymphomen, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle zu spielen [12].

Schon lange ist bekannt, dass eine große Anzahl lymphoider Neoplasien insbesondere der B-Zell-Reihe oder auch myeloischer Neoplasien, durch (semi-)spezifische Translokationen gekennzeichnet ist. Einleitend wurde hierfür das Burkitt-Lymphom angeführt. Dabei liegt die eine Bruchstelle im Intron 1 des C-MYC-Gens, eines Protoonkogens, die andere in der Sµ-Switch-Region des Ig-Gens. Als Folge davon kommt das C-MYC-Gen unter die Kontrolle des IG-Promotors/Enhancers als entscheidenden frühen Schritt in der Genese dieses Malignoms. Als Folge einer Translokation kann es aber auch, wie bei der CML, zur Entstehung eines chimären Proteins (BCR-ABL) kommen. Derartige Translokationen setzen eine Lagebeziehung der beteiligten Chromosomenabschnitte voraus. Tatsächlich ist in B-Zellen der IgH-Locus dem C-MYC-Gen benachbart, in CD34+-Zellen sind es die ABL- und BCR-Regionen. Es ist aber zweifelhaft, ob dies bereits als Erklärung für die recht spezifische Rolle bestimmter Translokationen in der Genese einzelner Lymphome ausreicht.

Betrachtet man insgesamt die Gene, die an den Translokationsstellen gelegen sind, zählen sie häufig zu Transkriptionsfaktoren, die in der Hämatopoese eine Rolle spielen, oder es sind Gene, die in die Regulation des Zellzyklus einbezogen sind [2]. Ein besonders instruktives Beispiel hierfür ist die t(11;14)(q13;q32)-Translokation, die geradezu für das MCL kennzeichnend ist. Hier kommt das Cyclin-D1-Gen, ein wichtiger Regulator der G1-Phase des Zellzyklus, auf 11q13 unter die Kontrolle der regulatorischen Region des IGH-Gens auf 14q32 und wird überexprimiert. Interessanterweise finden sich in hämatologischen Neoplasien nicht selten 2 Translokationen. Die eine betrifft ein Gen, das in die Hämatopoese eingreift und die weitere Differenzierung unterbindet, die andere ein Gen, das die Zellproliferation steigert. Im Fall des MCL kommt nicht selten die Inaktivierung des ATM-Gens hinzu, so dass dieses Malignom direkt als Modell für die Störung von Zellzykluskontrolle und DNA-Reparatur in der Tumorgenese angesehen werden kann [6].

Ausblick

Die Beziehung zwischen erhöhter Mutationsrate und Krebsentstehung betrifft ein zentrales Problem der Tumorgenese. Aus mehr theoretischen Überlegungen wurde von Loeb [8] gefolgert, dass angesichts der Mehrschrittentstehung der meisten Tumoren die Spontanmutationsrate nicht ausreicht, dass eine Zelle innerhalb der normalen Lebensspanne mehr als 2–3 bestimmte somatische Mutationen erfährt. Er folgerte daraus, dass eine erhöhte Mutationsrate eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung einer malignen Zelle darstellt. Dieser Annahme wurde insbesondere von Tomlinson u. Bodmer [13] widersprochen. Sie stellten fest, dass eine normale Mutationsrate in Verbindung mit der klonalen Vermehrung derjenigen Zellen, die einen Selektionsvorteil aufweisen, ausreicht, um die Tumorentstehung zu erklären. Wie auch in der organismischen Evolution ist es die Selektion, die diesen Prozess entscheidend bestimmt. Eine erhöhte Mutationsrate kann danach die Entstehung der Tumoren beschleunigen, aber nicht verursachen.

Bezogen auf die Krankheiten mit einem Defekt in der DNA-Reparatur bedeutet dies, dass von Anbeginn der Entwicklung die Mutationsrate erhöht ist und dies vom Grundsatz her das frühe Auftreten der Krebserkrankungen und ihre große Häufigkeit verständlich macht. Am Beispiel der hereditären und spontanen Lymphome lässt sich zudem illustrieren, wie Einsicht in die molekulare Ursache zugleich wichtige therapeutische Konsequenzen nach sich zieht. In Unkenntnis der genetischen Ursache sind früher NBS- und AT-Kinder mit einem Lymphom bestrahlt worden und nicht selten an den Folgen dieser Bestrahlung verstorben. Heute können sie wirkungsvoll mittels niedrig dosierter Chemotherapie behandelt werden, wobei Radiomimetika, wie Bleomycin oder Etoposid obsolet sind.

Im Fall somatischer Mutationen kann in bestimmten Fällen die Therapie von der betreffenden Translokation abhängen. So ist im Fall der t(9;22)-Translokation bei der CML der Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib das Medikament der Wahl, da hierdurch die BCR-ABL-Kinase inaktiviert wird. Patienten mit einer AML und einer t(15;17)-Translokation werden mit All-trans-Retininsäure behandelt, die gegen den PML-RARA-Rezeptor gerichtet ist. Patienten mit einer AML und einer inv(16) oder t(8;21) sprechen besser auf eine Behandlung mit hoch dosiertem Cytarabin (ARA-C) an als solche ohne diese Umbauten [2].

Hinsichtlich der Tumorgenese haben sich grundsätzliche Einsichten aus dem Studium der Lymphome und der dabei beteiligten Gene ergeben. Die Zahl der offenen Fragen ist dabei jedoch nicht geringer geworden – es gibt noch viel zu lernen.