Bildung hat zentrale Bedeutung für Individuum und Gesellschaft. Auf individueller Ebene schafft sie das Fundament für die Entwicklung kultureller Basiskompetenzen, den Erwerb von Orientierungswissen in zentralen Wissensbereichen und den Aufbau sozial-emotionaler Kompetenzen (Baumert 2000, 2002; Spiel et al. 2022). Auf der gesellschaftlichen Ebene ermöglicht Bildung grundsätzlich die soziale und kulturelle Teilhabe und die Partizipation an demokratischen Prozessen. Sie schafft Voraussetzungen für sozialen Fortschritt und Zusammenhalt, soziale Gerechtigkeit, vermittelt Wissen und Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt und unterstützt die individuelle sowie kollektive Entfaltung von Talenten und Begabungen (siehe z. B. Spiel et al. 2018b). Allerdings bestehen anhaltende Herausforderungen im Bildungsbereich, darunter die Ungleichverteilung von Bildung und damit verbundene differenzielle Lern- und Entwicklungsmilieus nach Leistungsaspekten und sozioökonomischen Bedingungen (Baumert et al. 2006). Hindernisse, wesentliche Bildungsziele zu erreichen, sind insbesondere an Schulen kumuliert, die aufgrund ihres Einzugsgebiets einen hohen Anteil an bildungsbenachteiligten Schüler*innen beschulen (Dumont 2021; Hornstra et al. 2015) und dementsprechend als Schulen in herausfordernden Lagen bezeichnet werden. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche Hinweise auf Ansatzpunkte für erfolgsversprechende Maßnahmen um Herausforderungen an Schulen zu adressieren und Schüler*innen bessere Entwicklungschancen zu bieten. Als Ansatzpunkte gelten insbesondere eine qualitätsvolle Unterrichtsgestaltung, das Schaffen einer positiven Schulkultur, die Förderung der kollegialen Zusammenarbeit und die kontinuierliche berufliche Weiterbildung der Lehrpersonen, die Führung, aber auch das Einbeziehen der Eltern und das Gewinnen externer Unterstützung sowie die Allokation zusätzlicher Ressourcen (Bonsen 2016; Böttcher et al. 2022; Bryk et al. 2010; Muijs et al. 2004). Betont wird zugleich, dass angesichts zahlreicher Einflussfaktoren, Maßnahmen auf Schulebene stets in ein kohärentes Gesamtkonzept von Schul- und Unterrichtsentwicklung eingebettet sein sollten, das Besonderheiten der jeweiligen Schulstandorte berücksichtigt (Klein 2017). Dementsprechend fordern neuere Ansätze der adaptiven, datenbasierten und designbasierten Schulentwicklung die Abkehr von schablonenhaften one-fits-all Ansätzen. Stattdessen liegt der Fokus auf der Hinwendung zu kontextspezifischen Entwicklungskonzepten für einzelne Schulen sowie der Etablierung von Schulnetzwerken, in denen Schulen mit- und voneinander lernen um Entwicklungsarbeit zu betreiben (Bremm et al. 2017; Mintrop et al. 2022; siehe auch Holtappels et al. 2021). Daraus resultiert eine anspruchsvolle Aufgabe: So ist die evidenzbasierte und standortspezifische Schulentwicklung im vielfältig herausfordernden Schulalltag nicht immer leicht zu steuern. Um zielorientiert Strukturen und Prozesse anzuregen, zu begleiten und zu reflektieren, wird häufig zusätzliche (externe) Expertise benötigt. Außerdem können die Finanzierung zusätzlicher Ressourcen sowie die Adaptierung schulorganisatorischer Rahmenbedingungen (z. B. Stundentafeln) notwendig werden, um Maßnahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung in die Praxis umzusetzen. Um wissenschaftliche Evidenz zur Optimierung schulischer Bildungsprozesse breitflächig und wirkungsvoll in die Praxis zu tragen und zur Anwendung zu bringen, braucht es daher ein systemübergreifendes Vorgehen, das über eine Beteiligung der Akteur*innen an den Einzelschulen hinausreicht und die Steuerungsebene miteinschließt (Fullan 2009; Schrader et al. 2020). Im Idealfall werden auch Wissenschaftler*innen miteinbezogen, die Projekte bereits ab ihrer Konzeption begleiten, inhaltliche Impulse einbringen, Bedingungen und Wirkungen erfassen sowie Erkenntnisse aus der Begleitforschung systematisch aufbereiten.

1 Projekte in Kooperation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis

Um Herausforderungen an Schulen, insbesondere in herausfordernden Lagen, zu adressieren, wurden in den vergangenen Jahren im deutschsprachigen Raum mehrere groß angelegte (Forschungs‑)Projekte in Kooperation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis initiiert. Dazu zählen eine Bandbreite an ländereigenen Förderprogrammen, darunter beispielsweise die deutschen Programme „School Turnaround – Berliner Schulen starten durch“ in Berlin, das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Potenziale entwickeln – Schulen stärken“ in Nordrhein-Westfalen (für einen Überblick über Projekte in Deutschland siehe Tulowitzki et al. 2020), oder etwa in Österreich das „Wiener Bildungsversprechen“ in Wien (Stadt Wien 2024). Aktuelle Beispiele für Großprojekte auf Bundesebene sind etwa die deutsche Bund-Länder-Initiative „Schule macht stark“ (BMBF 2023a), das Pilotprojekt „100 Schulen – 1000 Chancen“ in Österreich (BMBWF 2023; Holzer et al. 2021) oder das aktuell in Deutschland startende Startchancenprogramm von Bund und Ländern (BMBF 2023b). Diese Vorhaben zielen darauf ab, eng an den Kontextbedingungen und Bedürfnissen der einzelnen Schulen orientiert, Strategien und Ansätze für die Weiterentwicklung von Unterricht und die Gestaltung des schulischen Alltags zu entwickeln, zu erproben und wissenschaftlich zu evaluieren. Als wesentliches Merkmal dieser Projekte kann die Allokation zusätzlicher, bedarfsorientierter Ressourcen gelten, die an den Standorten mit nachhaltiger Schulentwicklung verknüpft werden sollen. Die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse sollen eine spätere Ausdehnung wirksamer Maßnahmen auf eine größere Gruppe an Schulen ermöglichen.

Für komplexe Großprojekte dieser Art ist die koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Gruppen von Akteur*innen bzw. Stakeholdern essentiell (siehe z. B. Dietrich et al. 2013; Godenhjelm und Johanson 2018). Stakeholder umfassen die professionellen Gruppen schulischer Praxis (Lehrkräfte, Schulleitungen) einschließlich unterstützender Professionen (z. B. Schulpsychologie, Schulsozialarbeit), die Wissenschaft, sowohl in der Rolle als wissenschaftliche Projektbegleitung als auch Evaluation, sowie die politische Ebene, sowohl im Sinne politischer Entscheidungsträger*innen als auch politischer Steuerung einschließlich der Bildungsadministration, ihren respektiven Behörden (z. B. die Schulaufsicht) sowie der politischen Ebene nachgeordnete Behörden (z. B. pädagogische Landesinstitute in Deutschland, Pädagogische Hochschulen als Fortbildungseinrichtungen in Österreich). Darüber hinaus sind gegebenenfalls auch öffentliche und/oder private Schulträger (bzw. Schulerhalter in Österreich) miteinzubeziehen. Dementsprechend arbeiten an Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis eine Vielzahl unterschiedicher Akteur*innen zusammen, die im regulären beruflichen Alltag nicht in einem kontinuierlichen Kontakt stehen und unterschiedlichen Ebenen des Mehrebenensystems der Bildung angehören. Dabei umfasst die Mikroebene sämtliche professionellen Gruppen schulischer Praxis, die direkt an den Schulen agieren. Auf der Mesoebene befinden sich Institutionen wie Schulaufsichten, Schulträger und pädagogische Fortbildungseinrichtungen, die Schulen bei der Umsetzung von Projekten unterstützen, sowie Wissenschaftler*innen, die Projekte wissenschaftlich begleiten, evaluieren und durch Beratung unterstützen. Der Makroebene sind politische Entscheidungsträger*innen zuzuordnen, die durch Gesetzgebung und politische Programme Rahmenbedingungen für Projekte schaffen, sowie die Bildungsadministration, welche die Umsetzung von Projekten auf nationaler bzw. regionaler Ebene plant und steuert (vgl z. B. Spiel et al. 2022). Erkenntnisse aus der Implementierungs- und Transferforschung betonen, dass im Zuge von Kooperationsprojekten insbesondere unterschiedliche Logiken, Interessen und Erwartungen der beteiligten Stakeholder zu berücksichtigen sind – und zwar von der Projektkonzeption bis zur Dissemination von Projektergebnissen – um durch koordinierte Anstrengungen nachhaltigen Fortschritt zu erzielen (siehe Penuel et al. 2015). Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, ausgehend von vorangegangenen Erfahrungen, konkrete, praktische Empfehlungen für Kooperationsprozesse zwischen Gruppen von Akteur*innen bzw. Stakeholdern unterschiedlicher Handlungsebenen zu erarbeiten und in einschlägiger Literatur zu verorten. Der Fokus liegt dabei auf der Gestaltung von Prozessen der Planung, Durchführung und Nachbereitung künftiger Projekte in Zusammenarbeit zwischen Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Praxis.

2 Erfahrungen aus Projekten in Kooperation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis

Vor dem Hintergrund des komplexen Interaktionsfelds Bildungssystem, das von gewachsenen und verwachsenen Strukturen auf verschiedenen Systemebenen geprägt ist, stellt sich die Frage nach Gelingensbedingungen für Kooperationsprojekte zwischen Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Praxis im Bildungskontext. Im April 2023 war eine Expert*innentagung an der Universität Wien dieser Thematik gewidmet. An der zweitägigen Veranstaltung nahmen 17 Expert*innen aus der Wissenschaft und der Bildungsadministration teil, die allesamt einschlägige Erfahrungen in den Bereichen Konzeption, Umsetzung und/oder wissenschaftlicher Begleitung bzw. Evaluation von Projekten in Kooperation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis im deutschsprachigen Raum aufwiesen. Ziel war es, ausgehend von vorangegangenen Erfahrungen, Empfehlungen für die Planung, Durchführung und Nachbereitung künftiger Projekte zu erarbeiten.

Eingeleitet wurde die Tagung durch Beiträge der Teilnehmenden. Diese thematisierten aktuelle und vergangene Projekte, ausgewählte Forschungsergebnisse und Learnings aus den Projekten, sowie die Reflexion von Ergebnissen vor dem Hintergrund der Projektumsetzung. Bei diesen Projekten handelte es sich insbesondere um „100 Schulen – 1000 Chancen“ und „Innovationen Machen Schulen Top“ aus Österreich, sowie „Schule macht stark“ und „QuaMath“ aus Deutschland. Den genannten Projekten ist das Ziel gemein, wissenschaftlich fundierte innovative Konzepte zu implementieren, um Bildungschancen von Schüler*innen durch die Optimierung schulischer und unterrichtlicher Prozesse zu erhöhen. Zudem zeichnen sich die Projekte dadurch aus, dass sie auf der Zusammenarbeit verschiedener Stakeholder aus Wissenschaft, Praxis und der politischen Ebene beruhen, die in unterschiedlichen Rollen zusammenwirken, um Projektziele zu erreichen.

Ausgehend von den Beiträgen erfolgte ein strukturierter Austausch in zwei Teilen. Dieser war in vier Themenbereiche gegliedert: (1) die Projektkonzeption, (2) die Umsetzung und Implementierung, (3) die Gestaltung der wissenschaftlichen Begleitung einschließlich der Wirkungsevaluation und (4) die Dissemination von Erfahrungen und Ergebnissen. In Teil 1 des strukturierten Austauschs benannten die Expert*innen in vier aufeinanderfolgenden Diskussionen, ausgehend von ihren Erfahrungen in vergangenen Kooperationsprojekten, zu jedem der vier Punkte Hürden sowie Good-Practice Beispiele und Strategien zum Umgang mit Hürden. Die Wortmeldungen wurden, für alle Teilnehmenden sichtbar, im Stil eines virtuellen Flipcharts protokolliert. Nach Abschluss jedes Themenbereichs wurde ein Zwischenfazit gezogen, bei dem die protokollierten Ergebnisse mittels „Saying-it-Back“-Methode rekapituliert wurden. In Abstimmung mit den Teilnehmenden wurden dabei zusätzliche Informationen ergänzt und weitere Differenzierungen vorgenommen. Es wurde außerdem sichergestellt, dass die erarbeiteten Inhalte von allen Expert*innen gemeinschaftlich angenommen werden.

Teil 2 des strukturierten Austauschs hatte die Erarbeitung konkreter Empfehlungen für künftige Projekte zum Ziel. Entlang der Themenbereiche (1)–(4) wurden die in Teil 1 erarbeiteten Inhalte hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit diskutiert und in konkrete Empfehlungen überführt. Wiederum wurden die Wortmeldungen für alle Teilnehmenden sichtbar im Stil eines virtuellen Flipcharts protokolliert und nach jedem Themenbereich mittels „Saying-it-Back“-Methode rekapituliert, ergänzt, ausdifferenziert und Konsens sichergestellt. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Gruppendiskussionen entlang der vier Themenbereiche dargestellt und in einschlägiger Literatur verortet.

2.1 Empfehlungen für die Projektkonzeption

Die Konzeptionsphase eines Projekts legt den Grundstein für sämtliche Planungen sowie den gesamten Verlauf der Durchführung (Joham et al. 2009). Aufgrund zahlreicher Beteiligter und Handlungsebenen müssen insbesondere bei groß angelegten, komplexen Projekten in Kooperation zwischen Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Praxis ausreichend Zeit, personelle und finanzielle Ressourcen in diese Phase fließen. Dies gilt umso mehr in föderalen Staaten, wenn Projekte übergreifend über mehrere Bundesländer durchgeführt werden und die politische Zuständigkeit mehreren länderspezifischen Institutionen oder Behörden (z. B. pädagogische Landesinstitute in Deutschland, Bildungsdirektionen in Österreich) obliegt. Die Herstellung von Einvernehmen der Stakeholder hinsichtlich der Grundelemente und der Grundausrichtung der Projektkonzeption ist dabei umso wichtiger, wenn es sich um ein politisch sensibles Projekt mit hoher Sichtbarkeit handelt. Ein damit verbundener öffentlicher Druck kann die Projektkomplexität deutlich erhöhen. Dies unterstreicht die Relevanz, von Beginn an die jeweiligen Perspektiven und Ziele der Stakeholder offenzulegen, diese in der Konzeptionsphase einvernehmlich abzustimmen und in Einklang zu bringen, um die Kooperation auf eine tragfähige Basis zu stellen (San Cristóbal et al. 2018, siehe auch van Marrewijk et al. 2008). In diesem Zusammenhang kann eine professionell moderierte Konzeptionsphase, in der zwischen den Interessen und Herausforderungen der einzelnen Stakeholder vermittelt wird, eine solide Basis für den Projekterfolg legen. Die Konzeptionsphase eines Projekts sollte insofern als maßgeblicher strategischer Schritt verstanden werden, der über die Definition von Zielen und Aktivitäten hinausgehend, die Grundlagen für die erfolgreiche und koordinierte Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteur*innen auf verschiedenen Systemebenen schafft (vgl. auch Köller et al. 2022).

Als für diese Phase besonders ausschlaggebend können folgende Kriterien gelten: (a) die Klärung der Problemlage aus unterschiedlichen Perspektiven und die Explikation von Zielen und Rollen, (b) die Klärung der für die Projektumsetzung und -implementierung wesentlichen bürokratisch-organisatorischen Abläufe und Herstellung von Kohärenz mit bestehenden Strukturen, (c) die Berücksichtigung angemessener Vor- und Nachbereitungsphasen und Ermöglichung von Flexibilität im Projektablauf.

2.1.1 Klärung der Problemlage und Explikation von Zielen und Rollen

Grundlage für Projekte in Kooperation zwischen Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Praxis ist zunächst eine gemeinsame Problemwahrnehmung. Die geteilte Wahrnehmung eines spezifischen Problems, das alle beteiligten Stakeholder betrifft, bildet die Basis für das Erkennen von Handlungsbedarf und die Möglichkeit, eine Problemlösung über ein gemeinsames Projekt zu suchen. Darauf aufbauend ist ein Projektrahmen mit klar definierten Zielen wesentliche Voraussetzung für die gemeinsame Entwicklung der Projektkonzeption und letztlich für deren Erfolg (Mirza et al. 2013). Dabei stehen Projekte in Kooperation zwischen Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Praxis vor der Herausforderung, unterschiedliche Perspektiven auf eine bestimmte Problemlage, Logiken, Erwartungen und Ziele anzuerkennen, aufeinander abzustimmen und in Einklang zu bringen. Gelingt dies, kann eine Synergie entstehen, die Unstimmigkeiten, Ineffizienzen und dadurch bedingte potenzielle Verzögerungen im späteren Projektverlauf minimiert. Ein offener Dialog, in welchem wichtige Eckpunkte von Projekten ausgehandelt werden, ist dabei förderlich für den Aufbau von Vertrauen unter den Akteur*innen (Terje Karlsen et al. 2008). Vertrauen wiederum gilt als unabdingbare Voraussetzung für fließende Kommunikation und den Austausch von Informationen zwischen Projektbeteiligten (Misztal 1996) und bildet damit die Grundlage für ein umsichtiges und lösungsorientiertes Herangehen an komplexe Probleme. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn Projektkonzepte großflächig implementiert werden sollen (Krainer 2021).

In einem entsprechenden vorgelagerten Prozess sollten jedenfalls folgende zentrale Punkte ausgehandelt und expliziert werden:

Klärung der Problemlage aus unterschiedlichen Perspektiven

Welche unterschiedlichen Perspektiven haben die Stakeholder auf die bestimmte Problemlage? Wie manifestiert sich die Problemlage in ihren jeweiligen Handlungsfeldern?

Explikation der Projektziele

Welche Leitziele zur Problembewältigung werden kurz-, mittel-, und langfristig angestrebt? Welche Handlungs‑, Entwicklungs- und Erkenntnisziele ergeben sich daraus? Welche Ziele werden in Bezug auf die Dissemination von Erfahrungen und Ergebnissen angestrebt? Bestehen Zielkonflikte? Inwieweit können diese, beispielsweise durch Flexibilisierung oder Kompromisse, aufgelöst werden? Aufbauend auf der Klärung dieser Fragen sind messbare Kriterien der Zielerreichung festzulegen.

Gemeinsame Entwicklung einer Handlungstheorie

Welche Faktoren beeinflussen die Zielerreichung (z. B. intervenierende Variablen)? Die Auseinandersetzung mit dieser Frage mündet idealerweise in die gemeinsame Erarbeitung einer konkreten Handlungstheorie, bzw. „theory of change“ (siehe z. B. Mayne 2017) im Sinne der Entwicklung konkreter Projektelemente und expliziter Annahmen darüber, wie Projektelemente zu Ergebnissen und Wirkungen führen (i.e., eines Wirkmodells, siehe auch Kapitel „Empfehlungen für die Gestaltung der wissenschaftlichen Begleitung“).

Festlegung von Rollen und Verantwortlichkeiten

Welche Erwartungen an Stakeholder und Akteur*innen ergeben sich aus den festgelegten Zielen und Handlungen? Aufbauend auf der Klärung dieser Frage erfolgt eine Konkretisierung von Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der beteiligten Stakeholder und Akteur*innen an den beteiligten Institutionen im Sinne der Zielerreichung.

Festlegung von Verbindlichkeiten

Welche Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung der Projektziele bestehen im Kontext der projekt- bzw. möglicherweise schulspezifischen Rahmenbedingungen? Aufbauend auf der Klärung dieser Frage kann eine Differenzierung zwischen Minimal- bzw. Maximalzielen (siehe auch Mirza et al. 2013) sowie die Festlegung von Verbindlichkeiten erfolgen. Diese umfassen insbesondere auch die einvernehmliche Definition von unveränderbaren Kernelementen der Projektkonzeption vs. adaptierbaren Projektelementen (siehe Kapitel „Empfehlungen für die Umsetzung und Implementierung“). Zudem sollte festgelegt werden, ob es sich bei dem Vorhaben um ein nachhaltig ausgerichtetes Projekt oder um einen Modellversuch (mit bzw. ohne Perspektive auf Rollout/Verstetigung) handelt bzw. welche Perspektive der Modellversuch auf Rollout, Verstetigung oder Transfer hat, wenn sich das Projekt als erfolgreich erweist. So unterscheidet etwa das Projekt „Schule macht stark“ verbindlich zwischen einer Entwicklungs- und einer Transferphase, die sich auf jeweils vier Jahre erstrecken (BMBF 2023a). Insofern sollte die Nachhaltigkeit (z. B. Verstetigung) von Projekten bereits in der Konzeption – in Form verbindlicher Konsequenzen der Zielerreichung – verankert werden. Ein abruptes Ende von Projekten kann insbesondere Akteur*innen in der Praxis irritieren, beispielsweise wenn zusätzliche Ressourcen plötzlich wegfallen.

Eine entsprechende Ziel- und Rollenexplikation sollte im Idealfall dazu führen, dass alle Beteiligten Klarheit über die Ziele und Rollen im Projekt haben, diese als verbindlich begreifen und bei der Erreichung sämtlicher Ziele entsprechend ihrer Rollen mitwirken. Ein solcher Prozess kann ein aufwändiges und komplexes Unterfangen darstellen und erfordert die Fähigkeit zur Vermittlung und Koordination, da mit den Logiken aller Stakeholder operiert werden muss (siehe z. B. Lezotte et al. 2022). Daher empfiehlt es sich bei komplexen Vorhaben, externe Institutionen oder Expert*innen einzubeziehen, die innerhalb des Projekts keine eigenen Agenden haben und eine entsprechende mediierende und koordinierende Funktion übernehmen. Besonders qualifiziert für diese Rolle sind Personen, die Erfahrungen in mehreren der beteiligten „Welten“ (z. B. Praxis und Wissenschaft) haben und somit als Vermittler*innen („broker“, Sjölund et al. 2022) wirken können. Zudem ist es wichtig sicherzustellen, dass in der Phase der Ziel- und Rollenexplikation alle relevanten Stakeholder angemessen vertreten sind. Neben Vertreter*innen der Projektsteuerung sind dabei insbesondere auch Vertreter*innen aus der schulischen Praxis (z. B. Schulleitungen, Lehrpersonen) bzw. ihrer Unterstützungssysteme miteinzubeziehen. Es muss gewährleistet werden, dass die gesamte Konzeption eines Projekts, inklusive der Implementierung und Evaluation, systematisch die Bedürfnisse des Felds berücksichtigt (Spiel et al. 2018a). Hinsichtlich der Rollen individueller Akteur*innen an Einzelschulen ist zudem zu klären, inwieweit die Praktiker*innen aufgrund eigener Kompetenzen und Ressourcen bzw. externer Unterstützungen selbst (Teil‑)Ziele (mit) festlegen und (Teil‑)Umsetzungen autonom gestalten und reflektieren können. Im Sinne designbasierter Schulentwicklung (Mintrop et al. 2022) ist es in dieser Hinsicht wünschenswert, schulspezifische Schwerpunkte und Zielsetzungen nicht nur zuzulassen, sondern explizit zu befördern. Eine besondere Bedeutung kommt zudem der Frage zu, inwiefern Schulleitungen und Lehrpersonen dem Projekt Akzeptanz entgegenbringen, d. h. ob sie den Nutzen und Mehrwert des Projekts kennen und schätzen (siehe z. B. Bowen et al. 2009; Fixsen et al. 2015; Hasselhorn et al. 2014; Proctor et al. 2011) und inwieweit sie sich mit dem Projekt identifizieren. Wenn dies der Fall ist, profitiert die Identifikation mit dem Projekt seitens der Ausführenden und damit die Bereitschaft, durch koordinierte Anstrengungen an der Zielerreichung mitzuwirken (Coburn 2003). Dies unterstreicht umso mehr die Relevanz, Vertreter*innen der schulischen Praxis von Beginn in die Konzeptionsphase von Projekten miteinzubeziehen, sodass es zu einer tatsächlichen Ko-Konstruktion des Projektkonzepts durch alle beteiligten Stakeholder kommt. Ein entsprechender partizipativer Ansatz trägt letztlich dazu bei, ein gemeinsam geteiltes Verständnis zu etablieren, wonach sich alle Beteiligten – aus Praxis, Wissenschaft und Politik – als voneinander und miteinander Lernende verstehen (siehe z. B. Krainer 2021). Dies ist die Voraussetzung für einen offenen und konstruktiven Dialog über Erfolge und Hürden im Projektverlauf sowie gemeinsames Verstehen und Handeln im Sinne der Projektziele.

2.1.2 Klärung der für die Projektumsetzung und -implementierung wesentlichen bürokratisch-organisatorischen Abläufe und Herstellung von Kohärenz mit bestehenden Strukturen

Die vorausschauende Klärung von Voraussetzungen und Bedingungen für die Umsetzung und Implementierung sollte bereits in der Konzeptionsphase erfolgen (siehe auch z. B. Hasselhorn et al. 2014; Metz und Albers 2014). Vor Beginn von Projekten müssen die Rahmenbedingungen (z. B. Handlungsspielräume der individuellen Schulen), wesentliche Prozesse (z. B. Verwaltungsschritte, bürokratische Erfordernisse), sowie die entsprechenden Voraussetzungen geklärt und geschaffen werden. Haben Schulen beispielsweise die Möglichkeit, im Rahmen von Projekten bauliche oder andere größere Veränderungen am Schulgebäude zu realisieren, müssen Zeiträume für Genehmigungsverfahren seitens des Schulträgers (bzw. Schulerhalters) in den Projektablauf eingeplant werden. Gegebenenfalls könnte die Umsetzung von Projektelementen auch die Änderung gesetzlicher Bestimmungen auf der Makroebene erfordern, etwa wenn grundlegende schulorganisatorische Rahmenbedingungen adaptiert werden müssen (z. B. um alternative Mechanismen der Ressourcenbewirtschaftung zu erproben). Der zeitliche Ablauf von Projekten muss in Abhängigkeit dieser Rahmenbedingungen geplant werden, um einen realistischen zeitlichen Rahmen für die Umsetzung des Projekts, einschließlich der wissenschaftlichen Begleitforschung, zu schaffen. Die Projektkonzeption muss zudem berücksichtigen, inwiefern die Beteiligten für ihre Aufgaben ausreichend geschult und vorbereitet sind, sowie ausreichend zeitliche Ressourcen dafür zur Verfügung haben (siehe auch Kapitel „Empfehlungen für die Umsetzung und Implementierung“). Sind Projekte im Sinne designbasierter Schulentwicklung etwa darauf ausgelegt, dass Schulen schulspezifische Schwerpunkte und Zielsetzungen festlegen um darauf aufbauend Aktivitäten zu setzen (Mintrop et al. 2022), könnte dies dadurch unterstützt werden, dass den Lehrpersonen und Schulleitungen für die Entwicklung maßgeschneiderter Methoden und Konzepte zusätzlich bezahlte Planungs- und/oder Fortbildungszeiten vergütet werden.

Zudem ist bei der Konzeption von Projekten darauf zu achten, Kohärenz und Verschränkungen mit bestehenden Strukturen innerhalb des Systems herzustellen. Konkret kann dies etwa heißen, Strukturen zu nutzen, die bereits breitflächig an den Schulen implementiert sind, um Schulentwicklung zu befördern. Dabei ist zu prüfen, ob die jeweiligen Strukturen mit den Projektzielen und -ansätzen kompatibel sind, bzw. sie gegebenenfalls zu adaptieren, wenn sie nicht funktional sind. In Projekten, die in Österreich durchgeführt werden, könnte dies beispielsweise die Integration von bestehenden Instrumenten des Qualitätsmanagementsystems für Schulen bedeuten, die bundesweit von allen Schulen verwendet werden, um den Schulalltag und Entwicklungsvorhaben zu steuern (BMBWF 2021). Auf diese Weise wird einerseits die Komplexität für Akteur*innen in der schulischen Praxis reduziert, da Praktiker*innen nicht mit zusätzlichen, möglicherweise widersprüchlichen Anforderungen und Instrumenten konfrontiert werden. Andererseits können so Ressourcen, die bereits im System existieren, nutzbar gemacht werden. Im Sinne der Herstellung von Kohärenz sind in diesem Schritt gegebenenfalls Bemühungen notwendig, ein gemeinsames Begriffsverständnis herzustellen, d. h. einheitliche Definitionen und Interpretationen von Schlüsselbegriffen und Konzepten, die im Rahmen des Projekts verwendet werden, sicherzustellen. Dies ist Voraussetzung für die inhaltliche Koordination, wie auch eine Maßnahme zur Stärkung kultureller Nähe zwischen verschiedenen Stakeholdern und Akteur*innen (siehe z. B. Kolomytseva et al. 2020). Eine entsprechende gemeinsam geteilte Begrifflichkeit, die systematisch entwickelt und eingeübt wird, kann dazu beitragen, Stakeholder-übergreifende kommunikative Prozesse zu erleichtern, Missverständnisse zu reduzieren und damit die erfolgreiche Zusammenarbeit im Sinne gemeinsam geteilter Ziele zu befördern.

2.1.3 Berücksichtigung angemessener Vor- und Nachbereitungsphasen und Ermöglichung von Flexibilität im Projektablauf

Politische Zielsetzungen oder Opportunitäten führen häufig dazu, dass Projekte sehr kurzfristig und unter hohem Zeitdruck konzipiert und umgesetzt werden. Zudem ist die Finanzierung von Projekten typischerweise im Voraus auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt. Bei Projekten, die auf Schulentwicklung setzen, ist jedoch zu berücksichtigen, dass Schulen als lernende Organisationen zu verstehen sind – Systeme, die Ereignisse als Anregungen auffassen und für ihre Weiterentwicklung nutzen (Grützmacher et al. 2023; Klein 2017). Vor dem Hintergrund multipler Herausforderungen an Schulen ist dies jedoch ein anspruchsvolles Unterfangen. Es muss auch damit gerechnet werden, dass Entscheidungsspielräume, die für die Bewältigung der Herausforderungen und für die Gestaltung von Prozessen erforderlich sind, zunächst zu einer Überforderung führen; zum Beispiel dann, wenn Schulen wenig Erfahrung in der autonomen Nutzung von Spielräumen haben bzw. hier keine angemessene Unterstützung angeboten wird. In Schulentwicklungsprojekten muss Schulen daher ausreichend Zeit und Unterstützung eingeräumt werden, um sich gezielt, gründlich und möglichst auch datengestützt mit pädagogischen Fragestellungen und schulischen Prozessen auseinanderzusetzen (siehe auch Bremm et al. 2017). Darauf aufbauend können Entwicklungsziele sowie zielgerichtete Maßnahmen festgelegt werden. Dementsprechend sollte in der Projektkonzeption eine Planungs- bzw. Vorbereitungsphase für die Schulen (und ggf. weitere Akteur*innen) berücksichtigt werden.

Bei Schulentwicklungsprojekten mit kurzer Projektlaufzeit ist zudem nicht zu erwarten, dass sich rasch große Effekte in Outputs wie etwa Leistungsindikatoren zeigen, da diese komplexen Wirkketten unterliegen. Entsprechend gilt es, Erwartungsmanagement zu betreiben (siehe Kapitel „Erwartungsmanagement in Bezug auf Projektprozesse und -ergebnisse“). Zudem können tatsächliche Projekteffekte zunächst von Hürden bei der Projektimplementierung überlagert sein und erst nach und nach hervortreten (Baumert et al. 2013). Daher ist es nicht nur sinnvoll die Projektziele bzw. -erfolge anhand möglicher intervenierender Variablen zu operationalisieren (siehe z. B. Stein et al. 2008), sondern auch längerfristige Beobachtungs- sowie Nachbereitungsphasen vorzusehen, die eine Bandbreite unterschiedlicher Perspektiven einschließen (Ogden und Fixsen 2014) und im Idealfall gemeinsame Reflexionen aller Beteiligten über die Phasen des gemeinsamen Prozesses umfassen. Auf Seiten einer hier beteiligten Bildungspolitik erfordert dies die Bereitschaft, längerfristig konzipierte Projekte möglichst über mehrere Legislaturperioden hinweg, unabhängig von politischen Ereignissen wie Wahlen oder Regierungswechsel, zu fördern.

Damit zusammenhängend sollten Projektkonzepte Flexibilität im Projektablauf zulassen. So können trotz gewissenhafter Vorbereitungen Hürden im Projektverlauf auftreten, die zu Verzögerungen führen, oder es können sich alternative Wege der Zielerreichung ergeben, die ursprünglich nicht konzipiert waren, den Besonderheiten unterschiedlicher Settings (z. B. heterogene Voraussetzungen der einzelnen Schulstandorte) aber besser gerecht werden. Zur systematischen Erfassung entsprechender Anpassungsbedarfe empfiehlt es sich, spezifische Instrumente für die Nachsteuerung von Projekten von vornherein in das Gesamtvorhaben zu integrieren. Dementsprechend können projektbegleitende Evaluationen (z. B. durch die systematische Erfassung von Rückmeldungen aus der Praxis bezüglich der Projektumsetzung) Anlass für die Änderungen von Teilzielen, Abläufen oder Maßnahmen auf Ebene des Gesamtprojekts sein. Um auf entsprechende unvorhergesehene Umstände bestmöglich und im Sinne der übergeordneten Projektziele zu reagieren, braucht es Handlungsspielraum im Projektablauf, sowohl auf Ebene des Gesamtprojekts, der Projektumsetzung an den Einzelschulen, wie auch auf Ebene der wissenschaftlichen Begleitung. Dementsprechend benötigt die wissenschaftliche Begleitforschung ausreichend und gegebenenfalls auch zusätzliche personelle und zeitliche Ressourcen, wenn Evaluationsdesigns durch Abweichungen des ursprünglich geplanten Projektverlaufs an Komplexität gewinnen.

2.2 Empfehlungen für die Umsetzung und Implementierung

Die Projektumsetzung und -implementierung bezieht sich auf die Prozesse, die ergriffen werden, um die Konzeption in der Praxis tatsächlich umzusetzen, deren Erfolg bzw. Hindernisse (Fixsen et al. 2005; Schober et al. 2019). In den Blick geraten hier beispielsweise Aspekte der Zusammenarbeit aller Stakeholder wie auch Einzelakteur*innen im Sinne der Projektziele, oder inwieweit wesentliche Elemente sowie bürokratisch-organisatorische Abläufe und Prozesse reibungslos und entsprechend dem Projektkonzept in die Praxis umgesetzt werden können. Hier gilt es, die Umsetzung zu begleiten und zu klären, wie auf unvorhergesehene Hindernisse oder Unzulänglichkeiten flexibel, aber zielorientiert reagiert werden kann.

Rahmenbedingungen der Umsetzung und Merkmale sowie Qualität der Implementierung können Ergebnisse von Projekten und Maßnahmen maßgeblich beeinflussen (Durlak und DuPre 2008; Schultes et al. 2015). Die Umsetzung von Projekten entsprechend ihrer Konzeption ist insofern wesentliche Voraussetzung dafür, dass Wirkungen auf Projektelemente zurückgeführt werden können (z. B. Breitenstein et al. 2010). Das Ausmaß, in dem Projektelemente wie vorgesehen in die Praxis umgesetzt werden, wird dabei als Implementierungstreue bezeichnet (Berkel et al. 2011). Zahlreiche Arbeiten verweisen auf Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß einer getreuen Implementierung und der Effektivität von Maßnahmen (Burke et al. 2011; Hirschstein et al. 2007; Lillehoj et al. 2004). Daher sind die sorgfältige Vorbereitung, Implementierungsbegleitung, wie auch Dokumentation von Projektumsetzung und -implementierung sowohl für die Erreichung von Projektzielen als auch für die Interpretation von Projektergebnissen zentral. Insbesondere die Dokumentation von Abweichungen von der Programmkonzeption kann wertvolle Hinweise für die Weiterentwicklung von Projekten liefern und ist sowohl für Modellversuche, als auch Projekte mit abgeschlossener Konzeption hochrelevant. Gleichzeitig sei hervorgehoben, dass eine getreue, mit einem Projektkonzept konforme Implementierung nicht impliziert, an allen Schulen im Sinne eines one-fits-all Ansatzes schablonenhaft dieselben Handlungen zu setzen. Vielmehr ist es wesentlich, Kernelemente von Projekten (i.e., Core Intervention Components, Blase et al. 2012) als solche von Beginn an klar festzulegen und damit einen Rahmen für kontextadäquate, schulspezifische Adaptionen des Projektkonzepts zu schaffen (siehe Kapitel „Kontinuierliche Überprüfung der Implementierungstreue hinsichtlich wesentlicher Kernelemente der Projektkonzeption“). Zudem ist hervorzuheben, dass Projekte mit einer gewissen Komplexität häufig mit sich ändernden Rahmenbedingungen und Herausforderungen konfrontiert sind und daher auch Ziel- und Implementationsadaptionen sinnvoll sein können (siehe Kapitel „Berücksichtigung angemessener Vor- und Nachbereitungsphasen und Ermöglichung von Flexibilität im Projektablauf“).

Um eine möglichst reibungslose Umsetzung und -implementierung zu fördern, bzw. Abweichungen davon zu identifizieren, sind folgende Ansprüche in Betracht zu ziehen, die über den gesamten Projektverlauf hinweg erfüllt werden sollten: (a) Transparenz über Hintergründe der Projektkonzeption, Aufgaben und Rollen der Stakeholder und Akteur*innen, (b) Funktionalität der Implementation Driver, sowie (c) kontinuierliche Überprüfung der Implementierungstreue hinsichtlich wesentlicher Kernelemente der Projektkonzeption.

2.2.1 Transparenz über Hintergründe der Projektkonzeption, Aufgaben und Rollen der Stakeholder und Akteur*innen

Die Transparenz über die Hintergründe der Projektkonzeption (z. B. Erfahrungen vorangegangener Projekte, wissenschaftliche Erkenntnisse, bürokratische und organisatorische Rahmenbedingungen, finanzieller Rahmen, Projektressourcen), insbesondere gegenüber den ausführenden Akteur*innen an Einzelschulen (z. B. Schulleitungen und Lehrpersonen), ermöglicht ein Verständnis für das Zustandekommen von Zielsetzungen, Rollen und Aufgabenbereichen, Vorgehensweisen, Abläufen und Entscheidungen, sowie auch Verzögerungen oder Hürden, die möglicherweise während des Projektverlaufs auftreten. Durch die Ermöglichung des Blicks „hinter die Kulissen“, bzw. auch die gemeinsame Gestaltung dieser (siehe Kapitel „Klärung der Problemlage und Explikation von Zielen und Rollen“), kann vermieden werden, dass bei Praktiker*innen an den Schulen der Eindruck entsteht, willkürlichen Entscheidungen durch Akteur*innen höherer Systemebenen ausgesetzt zu sein. Stattdessen kann deutlich werden, dass Entscheidungen der Projektsteuerung auf Ebene des Gesamtprojekts auf nachvollziehbaren Umständen beruhen und im Rahmen der gegebenen Bedingungen im Sinne der gemeinsam geteilten Projektziele getroffen wurden. Dies kann die Akzeptanz der Beteiligten erhöhen und ihre Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit und Unterstützung des Gesamtprojekts steigern. Zusätzlich kann ein vertieftes Verständnis über Zusammenhänge zwischen Projektelementen dazu beitragen, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Projektverständnis entwickeln und ihre Arbeit im Zuge der Projektumsetzung sinnvoll und konstruktiv entsprechend der Projektlogik in ihren jeweiligen Wirkungsbereichen ausrichten. Werden Projektelemente von Akteur*innen hingegen abgelehnt oder für die eigene Praxis als ungeeignet erachtet, haben sie schlechtere Chancen entsprechend der Projektkonzeption implementiert zu werden (Hasselhorn et al. 2014).

Um eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu ermöglichen, sollten zudem auch die Beziehungen zwischen den einzelnen Rollen und Aufgabenbereichen geklärt sein, sowie Sensibilität dahingehend geschaffen werden, dass einzelne Akteur*innen in ihrem Tun voneinander abhängig sind und sich aufeinander verlassen müssen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der gegenseitigen Kenntnis über die Rahmenbedingungen, Möglichkeiten und Grenzen der Aufgabenerfüllung der verschiedenen Akteur*innen und Stakeholder. Dies hat in Kooperationsprojekten zwischen Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Praxis besondere Relevanz, da die täglichen Realitäten der Akteur*innen erheblich variieren. So liegt etwa der Fokus der Akteur*innen der schulischen Praxis, gut nachvollziehbar, primär auf dem unmittelbaren Schulgeschehen und der direkten Interaktion mit Schüler*innen, Eltern und dem Kollegium. Dabei spielen persönliche Interaktionen, zwischenmenschliche Beziehungen und Emotionen, die in Zusammenhang mit der Bewältigung der beruflichen Anforderungen im Kontext Schule auftreten, eine große Rolle bei der Implementierung von Projekten (z. B. Kallestad und Olweus 2003). Hürden, die im Projektverlauf auftreten, können dementsprechend große persönliche Betroffenheit auslösen, wenn beispielsweise Schulentwicklungsvorhaben stagnieren oder Aktivitäten im Sinne der Schüler*innen eingeschränkt oder verzögert durchgeführt werden können. Im Kontrast dazu haben Akteur*innen aus den Bereichen der wissenschaftlichen Projektbegleitung bzw. Evaluation sowie der politischen Steuerungsebene aufgrund ihrer Rollen eine andere „Flughöhe“ und betrachten schulisches Geschehen aus einer größeren Distanz als Akteur*innen, die Projekte in der schulischen Praxis umsetzen. Sie diskutieren projektbezogene Herausforderungen in der Regel mit einem höheren Grad an Abstraktion und gegebenenfalls auch nüchterner. Dies kann Praktiker*innen irritieren und das Gefühl hervorrufen, dass die Realität an Schulen nicht adäquat verstanden wird. Entsprechende Missverständnisse zwischen Akteur*innengruppen gilt wiederum als implementierungshemmender Faktor (Schrader et al. 2020). Die Unterschiedlichkeit der Erfahrungen und Perspektiven zwischen Akteur*innengruppen verdeutlicht die Relevanz offener Kommunikation über die Rahmenbedingungen und Handlungsmöglichkeiten in gemeinsamen Projekten, um ein Verständnis für die verschiedenen Realitäten und Anforderungen sicherzustellen. Die Transparenz über die Hintergründe der Projektkonzeption sowie Aufgaben und Rollen, bzw. die im Vorfeld aktive Beteiligung aller Stakeholder an der Projektkonzeption, bildet somit das Fundament für eine kooperative und zielgerichtete Projektumsetzung durch alle beteiligten Akteur*innen im Sinne gemeinsam geteilter Ziele.

2.2.2 Funktionalität der Implementation Driver

Unter Implementation Driver werden Faktoren und Maßnahmen verstanden, die den Erfolg der Implementierung eines Projekts maßgeblich unterstützen (Blase et al. 2012). Sie sind projektspezifisch festzulegen und werden dabei typischerweise in die Bereiche Kompetenzen (z. B. Aufbau von Kompetenzen zur erfolgreichen Projektumsetzung durch ausführende Akteur*innen), Organisation (z. B. Schaffung organisatorischer Rahmenbedingungen zur reibungslosen Projektumsetzung) und Leadership (z. B. Steuerung von Veränderungsprozessen) unterteilt (Fixsen et al. 2018; Schober et al. 2019). Sind Implementation Driver klar und explizit definiert, ermöglicht dies systematisch zu überprüfen, ob diese die Projektumsetzung wie intendiert unterstützen. Dies kann beispielsweise durch Befragungen, Interviews oder Gruppendiskussionen projektbegleitend evaluiert werden, um bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen.

Ein wesentlicher Implementation Driver in Kooperationsprojekten unter Beteiligung verschiedener Stakeholder sind funktionierende Kommunikations- und Vernetzungsstrukturen (Ogden und Fixsen 2014; Schrader et al. 2020). Konkrete Kommunikationskanäle können entsprechend der zu übermittelnden Information bzw. des Bedarfs an Austausch variieren. Insofern besteht eine entscheidende Voraussetzung für den reibungslosen Informationsfluss zunächst darin, dass allen Beteiligten bekannt ist, über welche Kanäle welche Informationen zu erhalten bzw. einzuholen sind. Beschleunigt durch die Erfordernisse der COVID-19 Pandemie haben sich in den vergangenen Jahren insbesondere Online-Videokonferenzen als gängiges Kommunikationsformat etabliert. Diese ermöglichen direkten Austausch zwischen einer beliebigen Anzahl an Personen an unterschiedlichen Standorten. Im Kontext von großangelegten Projekten bringt dieses Format zahlreiche Vorteile. So werden Zeit und Kosten, die andernfalls für die Organisation von Großgruppentreffen und Reisen anfallen würden, eingespart und direkter, synchroner Austausch zwischen einer großen Anzahl an Projektbeteiligten kann häufiger stattfinden. Trotz der Effizienz und praktischen Vorteile, die diese und andere Formen digitaler Kommunikation erlauben, bieten persönliche Begegnungen in Präsenz vielfältigere Möglichkeiten zwischenmenschlicher Interaktion, was als maßgeblich für den Aufbau von sozialen Beziehungen, wechselseitigem Vertrauen, Nähe und einer gemeinsamen Identifikation erachtet wird (Gruber et al. 2022; Haythornthwaite und Nielsen 2007). Finden Begegnungen zwischen Projektbeteiligten direkt an Schulen statt, ermöglicht dies zudem, schulisches Geschehen unmittelbar wahrzunehmen. Insbesondere Akteur*innen mit geringerem Bezug zur schulischen Praxis kann dies ein vertieftes Verständnis der Komplexität des schulischen Alltags ermöglichen. Zudem ist in dieser Hinsicht die Rolle professioneller Lerngemeinschaften in Schulnetzwerken, d. h. dem Zusammenschluss von Schulen aufgrund ähnlicher Merkmale, hervorzuheben. Schulnetzwerke bieten einen Rahmen für Praktiker*innen, sich gemeinsam mit Kolleg*innen anderer Standorte über spezifische, ähnliche Herausforderungen und Entwicklungsprojekte auszutauschen und dabei voneinander und miteinander zu lernen (siehe z. B. van Ackeren-Mindl et al. 2023).

Weiters ist es von Vorteil, wenn ausführende Akteur*innen unkomplizierte Wege zur raschen und direkten Kontaktaufnahme mit der leitenden Ebene des Projekts haben. Dies kann beispielsweise über die Bereitstellung einer speziellen E‑Mail-Adresse oder einer Telefonhotline ermöglicht werden. Zudem erwiesen sich Ansprechpartner*innen für Schulen direkt in deren Regionen in vergangenen Projekten als hilfreich. Je nach Projekt könnten das Netzwerkkoordinator*innen, Moderator*innen, Schulqualitätsmanager*innen (i.e., die Bediensteten der Schulaufsicht in Österreich) oder Projektmitarbeiter*innen sein. Durch rasche und niederschwellige Möglichkeiten der Kontaktaufnahme können spezifische Herausforderungen direkt angesprochen, Hintergrundinformationen zur Projektgestaltung erfragt oder auch neue Ideen eingebracht werden, wenn bestimmte Abläufe unklar erscheinen. Rasche Problemlösungen oder Klärungen offener Fragen können dazu beitragen, Motivation zu heben, Frustration zu vermeiden und Abläufe im Projekt für alle Beteiligten zu optimieren. So gab es zum Beispiel im Projekt IMST (vgl. Krainer 2019) für je ca. 20 Innovationsvorhaben an Schulen jeweils ein Team aus erfahrenen Praktiker*innen und Hochschullehrenden, die diese Vorhaben begleiteten. Zusätzlich wurde pro Bundesland ein regionales Netzwerk etabliert, in welchem die Vorhaben in der Region ausgetauscht und verbreitet werden konnten.

Ein weiterer relevanter Implementation Driver, um der Komplexität großangelegter Projekte gerecht zu werden, sind personelle Ressourcen, die spezifisch auf den Implementierungsprozess fokussieren. Die Bildung sogenannter Implementation Teams wird insbesondere für den Bildungsbereich empfohlen (Fixsen et al. 2016). Mitglieder von Implementation Teams sind in Implementierungswissen und -handlungen geschult. Dies umfasst neben einem grundlegenden Verständnis des Implementierungsvorhabens insbesondere die Fähigkeit zur multidisziplinären Zusammenarbeit, Systemwissen und Kompetenzen zur Vermittlung komplexer Sachverhalte an unterschiedliche Zielgruppen (Schober et al. 2019; Tabak et al. 2017). Erfahrungen aus vorangegangen Großprojekten im Bildungskontext unterstreichen in diesem Zusammenhang die Rolle der Schulaufsicht als Partner*innen der Schulen in der Umsetzung von komplexen Vorhaben. So etwa unterstützen Schulqualitätsmanager*innen im Projekt „100 Schulen – 1000 Chancen“ die Projektumsetzung maßgeblich, indem sie als Vermittler*innen zwischen der Ebene der Projektsteuerung und den einzelnen Schulen agieren. Da die Schulqualitätsmanager*innen sowohl mit der Projektkonzeption als auch den konkreten Bedingungen der ihnen zugeteilten Einzelschulen vertraut sind, können sie dabei unterstützen, dass die Projektziele an den Schulen verstanden und projektbezogene Maßnahmen entsprechend der Projektkonzeption an den jeweiligen schulischen Kontext transferiert werden. Als erste Ansprechpartner*innen für Schulen unterstützen sie bei der Lösung von Problemen, der Aufklärung von Unklarheiten und stellen, wenn es notwendig ist, direkten Kontakt zur Projektsteuerung her. Damit sind Schulqualitätsmanager*innen im Projekt „100 Schulen – 1000 Chancen“ ein wichtiger Bestandteil des positiven Dialogs zwischen den Stakeholdern und maßgebliche Implementation Driver.

2.2.3 Kontinuierliche Überprüfung der Implementierungstreue hinsichtlich wesentlicher Kernelemente der Projektkonzeption

Im Rahmen der Projektumsetzung ist es von entscheidender Bedeutung, sicherzustellen, dass die zentralen Projektprinzipien eingehalten werden. Regelmäßige Überprüfungen der Implementierungstreue (siehe z. B. Schober et al. 2019; Schultes et al. 2015) hinsichtlich wesentlicher Kernelemente der Projektkonzeption können dabei helfen sicherzustellen, dass sämtliche Akteur*innen auf die gemeinsamen Ziele hinarbeiten und dass Projektergebnisse letztlich auf Projektelemente zurückgeführt werden können. Voraussetzung für die Überprüfung der Implementierungstreue sind dementsprechend klare Vorstellungen über die Projektlogik im Sinne eines Wirkmodells, bzw. einer „theory of change“, welche die wesentlichen Kernelemente eines Projekts als solche festlegt (Domitrovich et al. 2008; Nelson et al. 2012). Dabei ist darauf zu achten, dass Wirkelemente einerseits klar spezifiziert sind, andererseits aber unterschiedlichen Praxissituationen gerecht werden und situations- bzw. schulspezifische Freiheitsgrade bei der Projektumsetzung zulassen. So plädiert etwa das Dynamic Sustainability Framework (Chambers et al. 2013) für eine Anpassung von Maßnahmen an kontextuelle Bedingungen, um nachhaltig positive Wirkungen zu entfalten, solange sichergestellt ist, dass diese weiterhin der gegebenen Projektkonzeption folgen und zentrale Elemente, die sogenannten Core Intervention Components (Blase et al. 2012), nicht verändert werden. Mögliche Methoden zur Überprüfung der Implementierungstreue umfassen Feldbeobachtungen (Palinkas et al. 2011; Schoenwald und Garland 2013), Dokumentation des Implementierungsprozesses in Tagebüchern oder Portfolios (Schoenwald und Garland 2013) oder Befragungen der ausführenden Akteur*innen sowie der Adressat*innen von Maßnahmen (Mowbray et al. 2003).

Ein Beispiel für die Einhaltung wesentlicher Projektprinzipien ist, dass die ausführenden Akteur*innen entsprechend ihrer Rollen agieren. Dafür muss einerseits immer wieder hinterfragt werden, ob den Ausführenden ihre Rollen und Aufgaben nach wie vor bekannt und bewusst sind. Zudem sollte über den gesamten Implementierungsprozess hinweg sichergestellt sein, dass Ausführende mit geeigneten Strategien und Handlungswissen vertraut sind, um die Kernelemente von Projekten wie geplant umzusetzen (Blase und Fixsen 2013; Metz und Albers 2014). Ein dem Implementierungsprozess inhärentes Monitoring in Bezug auf die Erfüllung von Rollen, Aufgaben und Zielen kann Informationen liefern, die in Form von Feedback an die Ausführenden weitergegeben werden können. So kann deren Performanz bereits im Zuge der Implementierung optimiert werden (Fixsen et al. 2005).

2.3 Empfehlungen für die Gestaltung der wissenschaftlichen Begleitung

Eine wissenschaftliche Begleitung von Projekten im Bildungskontext birgt vielfältige Potenziale, sowohl für den Erfolg der einzelnen Projekte als auch für die Weiterentwicklung des Bildungssystems insgesamt (siehe z. B. Schrader et al. 2020). Entsprechende Potenziale reichen von der Projektkonzeption (z. B. um sicherzustellen, dass diese der neuesten wissenschaftlichen Evidenz folgt), über die Begleitforschung (z. B. um funktionale und dysfunktionale Prozesse zu identifizieren und rückzumelden), bis hin zur summativen Evaluation der Projektwirksamkeit und der systematischen Aufbereitung von Projekterkenntnissen, um evidenz-informierte Entscheidungen auf Ebene des Gesamtsystems zu ermöglichen. Innerhalb dieses Möglichkeitsrahmens kann wissenschaftliche Begleitung in Kooperationsprojekten zwischen Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Praxis vielfältig ausgestaltet sein. So identifizierten Sjölund et al. (2022) in einem systematischen Review sechs verschiedene Rollen von Wissenschaftler*innen in gemeinsamen Projekten mit Praxis und Politik in Bildungskontexten. Diese werden in die drei Aufgabenbereiche Forschung (Inquiry), Design von Interventionen oder Problemlösungen (Design) sowie Dissemination von Wissen und Expertise (Dissemination) kategorisiert und je nach Ausmaß der Partizipation der Projektpartner*innen aus Praxis und Politik in Subkategorien unterteilt. Jede Rolle bringt dabei sowohl Möglichkeiten als auch Grenzen für die Stakeholder-übergreifende Zusammenarbeit mit sich. Deren Berücksichtigung wird umso komplexer, wenn Wissenschaftler*innen mehrere Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten gleichzeitig übernehmen. Als für die Gestaltung der wissenschaftlichen Begleitung von Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis können folgende Kriterien gelten: (a) Berücksichtigung der Dynamiken von Autorität, Autonomie und Zuschreibungen von Expertise, (b) Spezifikation von Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der wissenschaftlichen Begleitung, (c) Erwartungsmanagement in Bezug auf Projektprozesse und -ergebnisse.

2.3.1 Berücksichtigung der Dynamiken von Autorität, Autonomie und Zuschreibungen von Expertise

Etablierte Dynamiken von Autorität und Autonomie sowie implizite und explizite Zuschreibungen von Expertise im Triangel von Wissenschaft, Politik und Praxis spielen eine maßgebliche Rolle für die Ausgangslage, wie Stakeholder zu Projektbeginn miteinander in Beziehung stehen (Coburn et al. 2008; Sjölund et al. 2022; Tseng et al. 2017). Entsprechend historisch gewachsenen klassischen Rollenbildern kommt dabei sowohl Wissenschaft als auch Politik ein hohes Maß an Autorität zu. So gelten Wissenschaftler*innen gemäß traditionellen Auffassungen als jene, die über das Wissen verfügen, wie Bildungsprozesse optimal gestaltet werden können. Politik ist dabei in der Position, weitreichende Entscheidungen darüber zu treffen, welche Gestaltungsspielräume für die Optimierung von Bildungsprozessen ermöglicht werden. Zudem kommt jener Instanz ein hohes Maß an Autorität im Projektkontext zu, welche die Projektfinanzierung bereitstellt (Tseng et al. 2017). Entsprechende Dynamiken sind nachteilig für die Etablierung von partnerschaftlicher Zusammenarbeit, wenn sie dazu führen, dass Praktiker*innen an Schulen eine passive Rolle als Rezipient*innen von Anweisungen und Ressourcen zufällt. Denn während wissenschaftliche Erkenntnisse wertvolle Beiträge zur Bereicherung schulischer Praxis liefern können, sind sie nicht immer abschließend oder universell anwendbar. Praktiker*innen hingegen verfügen über unmittelbare Erfahrung und Wissen aus dem täglichen Umgang mit Herausforderungen und Bedürfnissen im Feld. Ihre Perspektive ist entscheidend, um wissenschaftliche Erkenntnisse in realistische und umsetzbare Maßnahmen zu übersetzen. Insofern entspricht eine passive Rolle der schulischen Praxis im Kontext von Kooperationsprojekten weder ihrer Expertise, noch ihrer aktiven Rolle Implementierungsprozess und kann sich negativ auf die erlebte Autonomie auswirken (siehe Sjölund et al. 2022). Autonomie im Sinne von Gestaltungsmöglichkeiten, Handlungsspielräumen und persönlicher Identifikation mit projektbezogenen Prozessen sind wiederum elementar für die nachhaltige Aufrechterhaltung der Motivation der Ausführenden (Ryan und Deci 2000). Neuere Ansätze aus dem Bereich der Research-Practice-Partnerships betonen daher die Relevanz einer gleichmäßigeren Verteilung von Autorität und Autonomie im Verhältnis zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis (Tseng et al. 2017). Dementsprechend ist anzuerkennen, dass alle Akteur*innen über spezifische Expertise verfügen. Beispielsweise sind Wissenschaftler*innen Expert*innen in Hinblick auf den aktuellen Forschungsstand zu einem spezifischen Thema, während Lehrpersonen Expert*innen in Bezug auf die schulische Praxis sind und politische Akteur*innen über das relevante Systemwissen verfügen, um Projekte großflächig zu implementieren. Zudem sollte zuerkannt werden, dass alle Akteur*innen hohe Projektverantwortung in ihrem jeweiligen Umfeld tragen. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass Wissenschaftler*innen damit betraut sind sicherzustellen, dass Maßnahmen gemäß aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen konzipiert sind und entsprechend wissenschaftlichen Standards evaluiert werden, während die politische Steuerung verantwortlich ist, die Rahmenbedingungen für die Umsetzung und Evaluation von Maßnahmen zu schaffen. Praktiker*innen auf der schulischen Mikroebene fällt damit die entscheidende Rolle als Gatekeeper zu, die erstens gewährleisten, dass die Maßnahmen bei den Schüler*innen ankommen und zweitens, durch Rückmeldungen zum Projektverlauf, wissenschaftliche Begleitforschung überhaupt erst ermöglichen (Lezotte et al. 2022; Stein et al. 2008).

2.3.2 Spezifikation von Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der wissenschaftlichen Begleitung

In Anbetracht der vielfältigen Möglichkeiten der Ausgestaltung wissenschaftlicher Begleitung in Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis sind Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar zu spezifizieren (Farrell et al. 2019; Penuel et al. 2013). Die Erwartungen an die wissenschaftliche Begleitung können dabei je nach Stakeholder variieren. Beispielsweise zeigen Erfahrungen aus vergangenen Projekten, dass Praktiker*innen an Schulen häufig konkrete Beratung und Unterstützung bei der Projektumsetzung auf Schulebene erwarten, während politische Entscheidungsträger*innen in besonderer Weise an der Generierung von Ergebnissen und Erkenntnissen in Bezug auf das Gesamtprojekt interessiert ist. In diesem Zusammenhang sollte bei komplexen Projekten insbesondere klar zwischen den Bereichen wissenschaftlicher Begleitforschung (z. B. im Sinne wissenschaftlicher Evaluation), wissenschaftlicher Beratung (z. B. durch Beratung hinsichtlich der Projektkonzeption, Umsetzung und Implementierung), Intervention (z. B. durch Anbieten von Workshops zu inhaltlichen und methodischen Themen) und Dissemination unterschieden werden (siehe auch obengenannte Aufgabenfelder nach Sjölund et al. 2022). Es muss festgehalten werden, ob und wie die wissenschaftliche Begleitung sich in die jeweiligen Bereiche einbringt, welche konkreten Verantwortlichkeiten sie dabei übernimmt und gegebenenfalls, welche Aufgaben ausdrücklich nicht übernommen werden. Damit zusammenhängend sollte erwogen werden, eine personelle Trennung zwischen wissenschaftlicher Begleitforschung und wissenschaftlicher Beratung bzw. Intervention vorzunehmen. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Wissenschaftler*innen (z. B. durch Prozessfeedback an Einzelschulen) nicht Teil jener Intervention werden, die sie letztlich selbst evaluieren. Eine entsprechende personelle Trennung kann dazu beitragen, größere Objektivität im wissenschaftlichen Prozess zu gewährleisten. Dennoch ist kritisch hervorzuheben, dass die Objektivität wissenschaftlicher Arbeit insbesondere dann herausgefordert ist, wenn Wissenschaftler*innen selbst Veränderungen anstreben (siehe z. B. Spiel et al. 2018a) und positive Ergebnisse erhoffen. Daher ist es für Wissenschaftler*innen unerlässlich, ihr Handeln kontinuierlich kritisch zu reflektieren, um Projektergebnisse nicht zu beschönigen. Gleichzeitig kann es bei Praktiker*innen an Schulen zu Irritationen führen, wenn Wissenschaftler*innen ausschließlich Daten sammeln, Ergebnisse aber nicht zeitnah rückmelden und auf spätere Berichte vertrösten. Umso wichtiger ist daher die klare, transparente Kommunikation über Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Akteur*innen, sowohl vorbereitend in der Phase der Projektkonzeption (siehe Kapitel „Klärung der Problemlage und Explikation von Zielen und Rollen“), als auch im Zuge der Projektumsetzung und Implementierung (siehe Kapitel „Transparenz über Hintergründe der Projektkonzeption, Aufgaben und Rollen der Stakeholder und Akteur*innen“), um als wissenschaftliche Begleitung den Spagat zwischen der nüchternen Außenperspektive und der Rolle als wohlwollender Projektpartner zu schaffen.

2.3.3 Erwartungsmanagement in Bezug auf Projektprozesse und -ergebnisse

Schulen sind soziale Organisationen, die sich durch verflochtene Interaktionen auf verschiedenen Ebenen auszeichnen. Projekte, die bei standortspezifischer Schulentwicklung ansetzen um Effekte auf Schüler*innenoutcomes zu erzielen beruhen demgemäß auf komplexen Wirkketten (Stein et al. 2008). Diese reichen von der Schulebene, auf der Entscheidungen bezüglich pädagogischer Zielsetzungen durch Lehrpersonen und die Schulleitung getroffen werden, über die Klassenebene, auf der pädagogische Maßnahmen implementiert werden, bis hin zur individuellen Ebene, auf der pädagogische Maßnahmen mit den individuellen Eigenschaften und Ausgangslagen der Schüler*innen interagieren. Zudem ist schulisches Geschehen stets in ein komplexes Netzwerk außerschulischer Beziehungen (z. B. mit Eltern und Familien), sowie schulexterner Einflüsse, Rahmenbedingungen und Ressourcen (z. B. Rahmenvorgaben durch die Makroebene) eingebettet. Bezüglich zu erwartender Projektprozesse und -ergebnisse muss daher berücksichtigt werden, dass Effekte von Schulentwicklung häufig erst nach und nach hervortreten bzw. sich im Laufe der Zeit verändern können (siehe z. B. Baumert et al. 2013). Im Kontrast dazu zeigen Erfahrungen aus vergangenen Projekten, die in Zusammenarbeit zwischen Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Praxis durchgeführt werden, dass oft hohe Erwartungen an rasch sichtbare, große Effekte geweckt werden. Solche positiven Erwartungen können für die Motivation der Beteiligten von großer Bedeutung sein. Jedoch sind nicht alle Erwartungen immer realistisch. Die wissenschaftliche Begleitung sollte daher unterstützen – auf Basis von Theorien und vorangegangener Evidenz – realistische Erwartungen an Projektprozesse und -ergebnisse vor dem Hintergrund der Projektlaufzeit, der Rahmenbedingungen, Ressourcen und Maßnahmen zu definieren und die Wahrscheinlichkeit von Projekterfolgen auf bestimmten Variablen, wie z. B. schulischer Leistung, realistisch einzuschätzen. Damit in Zusammenhang sollte die wissenschaftliche Begleitforschung intervenierende Variablen berücksichtigen, um Wirkungen von Projekten differenzierter beurteilen zu können (siehe auch Stein et al. 2008). Um ein tiefergehendes Verständnis für die Komplexität von Vorhaben bei den Projektbeteiligten zu fördern, empfiehlt es sich zudem, angenommene Wirkketten durch Wirkmodelle zu visualisieren und den beteiligten Akteur*innen zur Verfügung zu stellen (siehe z. B. das Rahmenwirkmodell für standortspezifische Schulentwicklung im Projekt „100 Schulen – 1000 Chancen“, Holzer et al. 2021) bzw. im Idealfall gemeinsam mit Stakeholdern aus der schulischen Praxis zu erarbeiten (siehe Kapitel „Empfehlungen für die Projektkonzeption“). Letztlich zeichnet sich ausgewogenes Erwartungsmanagement gegenüber sämtlichen Stakeholdern durch offenen Dialog sowohl über Potenziale als auch Limitationen aus. Sind Erwartungen an Projekte in Einklang mit den tatsächlichen Möglichkeiten, kann dies langfristig dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit sämtlicher projektbeteiligter Akteur*innen zu stärken.

2.4 Empfehlungen für die Dissemination von Erfahrungen und Ergebnissen

Dissemination zielt typischerweise darauf ab, spezifische Zielgruppen wie zum Beispiel Praktiker*innen, (politische) Entscheidungsträger*innen und Wissenschaftler*innen gezielt zu unterstützen, Forschungsergebnisse zu verstehen, sodass sie diese für ihre Arbeit nutzen können (Fixsen et al. 2015; Holt und Chambers 2017). Die Dissemination von Erfahrungen und Ergebnissen aus Projekten ist daher ein wesentlicher Faktor für deren nachhaltigen Mehrwert über die engeren Ziele hinaus. Ein von Beginn an klares Bekenntnis aller Stakeholder zur transparenten Dissemination von Konzepten, Erfolgen und Ergebnissen, insbesondere auch von Learnings in Bezug auf Herausforderungen und den Umgang damit, ist dabei von zentraler Bedeutung. Hinsichtlich der Dissemination von Erfahrungen und Ergebnissen werden folgende zentrale Empfehlungen formuliert: (a) Ergebnisoffene Dissemination, (b) Zielgerichtete Dissemination, (c) Kontextualisierung von Ergebnissen in Relation zu Implementierungsaspekten aus multiplen Perspektiven.

2.4.1 Ergebnisoffene Dissemination

Ergebnisoffene Dissemination bedeutet, Forschungsergebnisse und Projekterkenntnisse offen und transparent zu verbreiten, ohne sich auf bestimmte vordefinierte oder wünschenswerte Ergebnisse oder Schlussfolgerungen zu beschränken (siehe z. B. DeGEval – Deutsche Gesellschaft für Evaluation 2021). Dies ist Grundlage dafür, dass mit Herausforderungen in Zukunft besser umgegangen werden kann. Hierfür braucht es ein klares Bekenntnis sämtlicher Stakeholder. Während es für Wissenschaftler*innen gängige Praxis ist, Ergebnisse unabhängig von deren Ausgang zu präsentieren, kann dies für Stakeholder aus Politik und Praxis gegebenenfalls problematisch sein (Schrader et al. 2020; Weingart 2017). So kann die Politik unter Rechtfertigungsdruck geraten, wenn steuerfinanzierte Projekte nicht die erwarteten Erfolge verzeichnen oder unerwartet Schwierigkeiten bei der Implementierung auftreten. Auch Praktiker*innen in Schulen könnten sich mit negativen Reaktionen sowohl aus dem eigenen Kollegium als auch von außerschulischer Seite konfrontiert sehen, wenn Projekte, denen sie Zeit und Ressourcen gewidmet haben, nicht die Erwartungen erfüllen. Ein von Projektbeginn an umsichtiges Erwartungsmanagement hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen von Projektergebnissen (siehe Kapitel „Erwartungsmanagement in Bezug auf Projektprozesse und -ergebnisse“) ist daher ebenso von Bedeutung, wie die Etablierung der Haltung, dass sich alle Projektbeteiligten als eine Gemeinschaft Lernender begreifen (siehe Kapitel „Klärung der Problemlage und Explikation von Zielen und Rollen“) und dies auch in der externen Kommunikation des Projekts reflektieren. Letztlich ermöglicht Transparenz über Schwierigkeiten und Hürden im Zuge der Projektumsetzung die unabhängige und kritische Reflexion durch die wissenschaftliche Gemeinschaft und andere Interessengruppen. Diese Gruppen können wiederum alternative Perspektiven und Lösungen einbringen, die sonst möglicherweise übersehen worden wären. Sowohl politische Entscheidungsträger*innen, als auch Praktiker*innen erhalten damit Zugang zu einem breiteren Spektrum an Informationen und Erkenntnissen, auf deren Grundlage sie zukünftige Entscheidungen treffen können. Auch die Öffentlichkeit kann durch transparente Kommunikation von Erfahrungen und Ergebnissen differenzierter über Potenziale von Projekten, Herausforderungen und mögliche Lösungen informiert werden. Entsprechende Zugänglichkeit von Informationen kann wiederum zu einer höheren Akzeptanz künftiger politischer Entscheidungen und Maßnahmen führen (siehe z. B. Weingart 2017).

2.4.2 Zielgerichtete Dissemination

Die gezielte Kommunikation von Informationen an spezifische Zielgruppen ist entscheidend, um Wissen effektiv und nachhaltig zu disseminieren (siehe z. B. Holt und Chambers 2017). Demnach sind bereits in der Konzeptionsphase für die Dissemination Prozess- und Ergebnisziele festzulegen, auf deren Basis Strategien für effektive Kommunikation entwickelt werden können (Lezotte et al. 2022). Es muss entschieden werden, welche Erkenntnisse schwerpunktmäßig disseminiert werden sollen und welche Zielgruppen angesprochen werden sollen. Als Grundlage für diese Entscheidungen können die ursprünglichen (Erkenntnis‑)Ziele des Projekts herangezogen werden. Hatte ein Projekt beispielsweise die Förderung von sprachlichen Kompetenzen zum Ziel, sollte die Dissemination insbesondere auf jene Erkenntnisse ausgerichtet sein, die dazu beitragen können, sprachliche Kompetenzen in Zukunft besser zu fördern. Um spezifische Zielgruppen mit Erkenntnissen zu erreichen, müssen diese für den entsprechenden Kontext übersetzt werden. Dies umfasst jedoch mehr als eine bloße vereinfachte Aufbereitung von Forschungsdaten, sondern erfordert die maßgeschneiderte Präsentation von Inhalten. Dabei sind vorherrschende Diskurse, praktische, politische und gegebenenfalls ethische Aspekte zu berücksichtigen, die für die jeweiligen Zielgruppen relevant sind (siehe auch Nerghes et al. 2022). Zudem sollte eine Vielfalt an Kommunikationswegen in Betracht gezogen werden, um den Zugang zu Projekterfahrungen und -erkenntnissen zu erweitern (Lezotte et al. 2022).

2.4.3 Kontextualisierung von Ergebnissen in Relation zu Implementierungsaspekten aus multiplen Perspektiven

Merkmale der Umsetzung können Projektergebnisse maßgeblich beeinflussen (Durlak und DuPre 2008; Schultes et al. 2015). Um Erfahrungen und Ergebnisse aus Projekten angemessen zu nutzen und zu interpretieren, sollten bei der Dissemination die Kontextualisierung der Ergebnisse in Relation zu Rahmenbedingungen und Implementierungsaspekten berücksichtigt werden. Dies ist insbesondere relevant, wenn Projekte verstetigt oder ausgeweitet werden sollen. So kann festgestellt werden, inwiefern sich Bedingungen des Pilotprojekts von den Bedingungen der Verstetigung oder des Rollouts unterscheiden. Im Optimalfall sind Daten darüber vorhanden, in welchem Ausmaß die zentralen Kernelemente der Projektkonzeption tatsächlich umgesetzt werden konnten bzw. an welchen Stellen während des Projektverlaufs Hürden auftraten (siehe Kapitel „Kontinuierliche Überprüfung der Implementierungstreue hinsichtlich wesentlicher Kernelemente der Projektkonzeption“). Dies macht wiederum deutlich, dass Dissemination von Projekterkenntnissen die Perspektiven und Erfahrungen aller relevanten Stakeholder erfordert um den Wert der gewonnen Erkenntnisse für die schulische Praxis und politische Entscheidungsprozesse zu optimieren (Chambers und Azrin 2013; Holt und Chambers 2017). Dabei sind insbesondere jene Perspektiven relevant, die sich auf Möglichkeiten und Grenzen der praktischen Umsetzbarkeit bzw. die Implementierung von Projekt- bzw. Maßnahmenelementen beziehen. Zu diesem Zweck können Tagungen, gemeinsame Veröffentlichungen und andere Formate entstehen, im Rahmen derer alle Beteiligten ihre Erkenntnisse und Sichtweisen einbringen und Projektexterne einen systemischen Einblick in das gesamte Wirkungsgefüge erlangen können.

3 Zusammenfassung und Fazit

Um Bildungsprozesse an Schulen zielorientiert zu unterstützen, sollte die vorliegende Evidenz zu erfolgversprechenden Ansatzpunkten berücksichtigt werden (siehe z. B. Bonsen 2016; Bryk et al. 2010; Klein 2017; Muijs et al. 2004). Die systematische Umsetzung entsprechender Erkenntnisse in die schulische Praxis ist jedoch anforderungsreich und erfordert koordinierte Anstrengungen von Wissenschaft, Politik und Praxis. Vor diesem Hintergrund entstanden in den letzten Jahren vermehrt Kooperationsprojekte, die zum Ziel haben, Kapazitäten unterschiedlicher Stakeholder und Akteur*innen aus schulischer Praxis, Wissenschaft sowie der politischen Ebene zu bündeln, um Schulen bei der Optimierung schulischer Prozesse zu unterstützen und Bildungschancen von Schüler*innen zu verbessern (BMBF 2023a; BMBWF 2023). Die Durchführung solcher Kooperationsprojekte stellt jedoch ebenso eine anspruchsvolle Aufgabe dar, da mit unterschiedlichen Logiken, Interessen und Erwartungen der beteiligten Stakeholder operiert werden muss. Wie in einschlägigen Fallstudien dokumentiert, können Ergebnisse von Projekten in Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis weit hinter ihren Potenzialen zurückbleiben, wenn es nicht gelingt, einen offenen Dialog über gegenseitige Erwartungen und gemeinsam geteilte Projektziele sowie Vertrauen zwischen den beteiligten Akteur*innen zu etablieren (siehe z. B. Lezotte et al. 2022). Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Überwindung traditioneller Rollenbilder von Wissenschaftler*innen und Politiker*innen als Bereitsteller*innen von Wissen und Ressourcen und Praktiker*innen an Schulen als passive Rezipient*innen. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, die Implementierung von Projektkonzeptionen in die schulische Praxis nicht länger als unidirektionale Übergabe von einer Systemebene in die andere zu betrachten. Stattdessen sollte darauf fokussiert werden, die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Wissenschaft, Politik und Praxis von Beginn an als integrales Projektelement zu betrachten (siehe auch Chambers und Azrin 2013) und Autorität und Autonomie im Verhältnis zwischen den Stakeholdern gleichmäßiger zu verteilen (Tseng et al. 2017). Einhergehend mit dem Konzept von Team Science (Stokols et al. 2008) soll sämtlichen Akteur*innen eine aktive Rolle zuteil werden, um gemeinsam komplexe Probleme zu lösen und Erkenntnisse zu generieren, die Relevanz für alle beteiligten Stakeholder haben.

Letztlich geht es also darum, eine Grundhaltung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu etablieren, die sich durch sämtliche Aspekte von Projekten in Kooperation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis zieht – von der Projektkonzeption, über die Umsetzung und Implementierung, die Gestaltung der wissenschaftlichen Begleitung, bis hin zur Dissemination von Erfahrungen und Ergebnissen. Für all diese Bereiche wurden im vorliegenden Beitrag konkrete Empfehlungen formuliert, welche diesen partnerschaftlichen Ansatz widerspiegeln (für eine Zusammenfassung, siehe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Empfehlungen für Projekte in Kooperation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis – zusammenfassender Überblick