1 Einleitung

Lehrkräfte nehmen in unserer Gesellschaft eine besondere Rolle ein, da sie im Unterricht nicht nur Wissen und Fertigkeiten vermitteln, sondern auch wichtige Bezugspersonen für ihre Schüler:innen sind (Stürmer und Gröschner 2022). Daher ist es entscheidend, dass sie über eine fundierte fachliche und pädagogische Qualifikation verfügen, um den vielfältigen Anforderungen ihres Berufs gerecht zu werden und alle Schüler:innen in ihrer Entwicklung zu fördern (Baumert und Kunter 2006; Kunter et al. 2011). Aktuell lässt sich in Deutschland und weltweit ein großer Mangel an grundständig qualifizierten Lehrkräften feststellen, der dazu führt, dass vielerorts Quer- und Seiteneinsteiger:innen in den Schuldienst eingestellt werden (KMK 2023; Sutcher et al. 2019). Die Einstellung dieser Personengruppe bringt jedoch Herausforderungen für ihre Integration in das Bildungssystem mit sich und wirft die Frage nach der gerechten Verteilung von qualifizierten Lehrkräften auf. In diesem Kontext kommt es neben der Einstellung von Quer- und Seiteneinsteiger:innen auch häufig vor, dass Unterricht in Zeiten des Mangels nicht von fachlich ausgebildeten Lehrkräften erteilt wird (Porsch 2016). Auch diese Entwicklung kann dazu beitragen, die Qualität schulischer Lernprozesse einzuschränken und die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem zu beeinträchtigen.

Untersuchungen zur Situation von Quer- und Seiteneinsteiger:innen in Schulen haben gezeigt, dass ihre vielfältigen beruflichen Erfahrungen und Perspektiven die schulische Arbeit bereichern können (Dedering 2020; Zaruba et al. 2023). Dennoch stehen Quer- und Seiteneinsteiger:innen zu Beginn ihrer Tätigkeit oft vor besonderen Herausforderungen, die sich insbesondere in den didaktischen Fähigkeiten und in der Gestaltung des Klassenmanagements niederschlagen (Richter, E. et al. 2023). Darüber hinaus sind auch die Planung und die Gestaltung von Unterricht sowie das Verständnis für Schulrecht Bereiche, in denen sich Quer- und Seiteneinsteiger:innen oftmals weniger gut auskennen. Diese Herausforderungen in der pädagogischen Arbeit könnten potenziell die Qualität des Unterrichts beeinflussen und möglicherweise Auswirkungen auf den Lernerfolg der Schüler:innen haben (Dedering 2020; Lucksnat et al. 2024). Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Studie darauf ab, zu untersuchen, an welchen Schulen Quer- und Seiteneinsteiger:innen überwiegend eingesetzt werden. Darüber hinaus wird in dieser Studie auch der fachfremde Unterricht als ein weiterer Indikator des Lehrkräftemangels in den Blick genommen und untersucht, an welchen Schulen fachfremder Unterricht vermehrt zu beobachten ist. Die Daten für diese Studie stammen aus der Schulstatistik eines ostdeutschen Bundeslandes und liefern vollständige Informationen über die betrachteten Schulen. Die Ergebnisse liefern wertvolle Erkenntnisse für die Steuerung der Lehrkräfteeinsatzes insbesondere im Hinblick auf die Verteilung von Lehrkräften und die Bereitstellung eines fachgerechten Unterrichts.

Im nachfolgenden Literaturüberblick gehen wir zunächst auf die Ursachen des Lehrkräftemangels ein und beleuchten dabei sowohl gesellschaftliche als auch strukturelle Faktoren, die zu diesem Mangel beitragen haben. Anschließend werden die bildungspolitischen Konsequenzen der Kultusministerkonferenz (KMK) als Reaktion auf den Lehrkräftemangel erörtert. Der letzte Abschnitt des Literaturüberblicks fasst empirische Befunde zu den Unterschieden im Lehrkräftemangel zwischen verschiedenen Bundesländern, Schulformen und Schulen mit unterschiedlichem Schülerklientel zusammen. Dieser Literaturüberblick bildet somit die Grundlage für ein besseres Verständnis der komplexen Dynamik des Lehrkräftemangels und seiner Auswirkung auf das Bildungssystem, wobei er zugleich den Rahmen für die nachfolgende empirische Untersuchung unserer Studie absteckt.

2 Lehrkräftemangel in Deutschland und seine bildungspolitischen Konsequenzen

Das deutsche Bildungssystem steht derzeit vor vielfältigen Herausforderungen, darunter die Bewältigung des bestehenden Ungleichgewichts zwischen Lehrkräfteangebot und -nachfrage und dem sich daraus ergebenden Lehrkräftemangel (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020; Klemm 2022; Monitor Lehrerbildung 2020). Der aktuelle Lehrkräftemangel in Deutschland wird im Wesentlichen auf drei Ursachen zurückgeführt: Erstens wird diskutiert, dass die lehrerbildenden Einrichtungen nicht in ausreichendem Maße neue Lehrkräfte ausbilden. So ist es beispielsweise in den letzten Jahren nicht gelungen, die Zahl der Absolvent:innen zu erhöhen (KMK 2023). Aus den Zahlen der KMK geht konkret hervor, dass im Jahr 2022 insgesamt 29.435 Personen ihr Hochschulstudium mit der Ersten Lehramtsprüfung abgeschlossen haben. Dies ist zwar ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr (28.137), liegt aber unter den Zahlen von 2013 (30.288). Diskutiert wird auch, dass zu viele Lehramtsstudierende ihr Studium abbrechen. Insgesamt steht diese Frage jedoch auf einer unsicheren Datenbasis (Gehrmann 2023) und die Ergebnisse sind nicht einheitlich. So zeigen etwa Heublein et al. (2020), dass im Jahr 2016 die Quote der Abbrecher:innen im Lehramtsstudium im Bachelorstudiengang bei 15 % und im Master bzw. Staatsexamen bei 14 % lag. Auch wenn die Abbruchquote damit im Vergleich zu anderen Studiengängen als eher gering einzuschätzen ist (32 % in anderen Bachelorstudiengängen), ist die Zahl der Abbrecher:innen seit 2010 dennoch gestiegen. Demgegenüber stehen zudem Befunde aus Mecklenburg-Vorpommern. Güldener et al. (2020) zeigen hier beispielsweise, dass es insbesondere in den ersten Semestern einen hohen Schwund an Lehramtsstudierenden gibt – wobei die Autor:innen betonen, dass Schwund nicht grundsätzlich mit Studienabbruch gleichzusetzen ist, sondern nur knapp die Hälfte des Schwunds ausmacht. Auch Radisch et al. (2018) zeigen für Mecklenburg-Vorpommern, dass von der Erstsemesterkohorte 2012/13 bzw. 2013/14 im Lehramt an Gymnasien maximal nur 40 % und im Lehramt an Regelschulen der Sekundarstufe I nur etwa 25 % einen Abschluss erreichen werden. In ähnlicher Weise zeigen Schätzungen aus Sachsen, dass von den potenziell 850 Absolvent:innen pro Semester nicht einmal 60 % tatsächlich in den Beruf eintreten (vgl. SMK 2022). Zusammengefasst deutet die Befundlage somit daraufhin, dass die Absolventenzahlen niedriger sind, als auf Basis der Studienanfängerzahlen zu erwarten wäre (Rackles 2020).

Ein zweiter Grund, der im Zusammenhang mit dem aktuellen Lehrkräftemangel diskutiert wird, ist die Ungenauigkeit der KMK-Prognosen zu Schülerzahlen und Lehrkräftebedarf. Gehrmann (2023) stellt fest, dass rückblickend alle von der KMK in die Zukunft geschätzten Daten seit 2003 für Deutschland insgesamt beziehungsweise für die ostdeutschen Bundesländer allein falsch waren. So zeigten die Prognosen für Deutschland aus dem Jahr 2003 für 2015 insgesamt einen ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Noch im Jahr 2011 wurde für 2020 sogar ein Überangebot von mehreren Tausend Lehramtsabsolvent:innen prognostiziert (vgl. KMK 2011, 2013b, 2014). Ein Grund für diese Fehleinschätzung dürfte darin begründet sein, dass die Zahl der Schüler:innen stärker anstieg als von der KMK prognostiziert (Klemm und Zorn 2019). Zudem hat auch der Ausbau des Ganztags vor allem an Grundschulen zu einem erhöhten Bedarf an Lehrkräften geführt (Klemm und Zorn 2018). Klemm und Zorn (2018) errechneten bis 2030/2031 einen zusätzlichen Lehrkräftebedarf an Grundschulen von 21.135 Personen aufgrund steigender Schülerzahlen. Zusätzlich prognostizieren Klemm und Zorn (2018) aufgrund des Ausbaus der Ganztagsschulen bis 2030/2031 einen zusätzlichen Anstieg des Lehrkräftebedarfs an Grundschulen um 24.297 Personen. In einer aktualisierten Prognose rechnet Klemm (2022) bis 2035 sogar mit einem ungedeckten Lehrkräftebedarf zwischen 85.000 und 158.000. Unabhängig von der genauen Zahl steht somit fest, dass sich der aktuelle Lehrkräftemangel auch in Zukunft fortsetzen wird (Rotter 2023).

Ein dritter Grund, der im Zusammenhang mit dem aktuellen Lehrkräftemangel diskutiert wird, ist die Altersstruktur der Lehrkräfte in Deutschland. Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern weisen Lehrkräfte in Deutschland ein höheres Durchschnittsalter auf, was aktuell und zukünftig zu hohen Pensionierungszahlen führen wird (Klemm und Zorn 2018; OECD 2020). Dieser Befund wird durch die Ergebnisse von Klemm und Zorn (2018) untermauert, die berechnen, dass bis 2030 rund 40 % der im Jahr 2018 aktiven Lehrkräfte das Pensionsalter erreichen werden. Es besteht also ein großer Bedarf an neuen Lehrkräften, um die Stellen der ausscheidenden Lehrkräfte zu besetzen.

Der Mangel an traditionell ausgebildeten Lehrkräften war Anlass für die Schaffung von Sondermaßnahmen zur Gewinnung von Lehrkräften, die von den Ländern ergriffen werden können, wenn nicht genügend grundständig ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen (KMK 2013a). Dabei lassen sich im Kern zwei verschiedene Maßnahmen unterscheiden. Eine erste Maßnahme stellt der fach- oder auch schulartfremde Einsatz von Lehrkräften dar (Driesner und Arndt 2020; Porsch 2016). Dies bedeutet, dass Lehrkräfte in Schulformen oder Fächern eingesetzt werden, für die sie nicht spezifisch ausgebildet wurden. Klemm und Zorn (2018) beschreiben in diesem Zusammenhang zusätzlich, dass der Einsatz von Lehramtsabsolvent:innen für die Sekundarstufe in der Primarstufe eine Möglichkeit darstellt, um den hohen Bedarf an Grundschulen zu decken (vgl. Winter et al. 2023).

Eine zweite Maßnahme stellt der alternative Zugang zum Lehramt dar (Puderbach und Gehrmann 2020). Alternative Wege ins Lehramt umfassen Mechanismen, die es Personen ohne Lehramtsstudium ermöglichen, in den Lehrerberuf einzusteigen (OECD 2014). Die KMK hat hierfür Voraussetzungen festgelegt, die Personen ohne traditionelles Lehramtsstudium erfüllen müssen, um in den Beruf einsteigen zu können. Zum einen muss ein universitärer Masterabschluss oder ein gleichwertiger Hochschulabschluss vorliegen, aus dem sich mindestens zwei lehramtsbezogene Fächer ableiten lassen (KMK 2013a). Personen mit dieser Voraussetzung können in den regulären Vorbereitungsdienst aufgenommen werden und erwerben dort zusätzlich die bildungswissenschaftlichen Basiskompetenzen. Interessent:innen, aus deren Abschluss sich zunächst nur ein Schulfach ableiten lässt, können über ein Studium den Abschluss in einem zweiten Fach erwerben und sich anschließend für den Vorbereitungsdienst bewerben (KMK 2013a). In der empirischen Bildungsforschung hat sich für Personen mit diesen Voraussetzungen der Begriff Quereinsteiger:innen etabliert (Melzer et al. 2014). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht alle Länder permanent von der Möglichkeit des Quereinstiegs in ihrem Land Gebrauch machen (z. B. Brandenburg).

Über den Quereinstieg hinaus hat die KMK (2013a) den Ländern die Möglichkeit eröffnet, weitere Maßnahmen zu ergreifen, wenn dieser nicht ausreicht, um den Lehrermangel vollständig zu decken. Dies ist in einigen Bundesländern wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt der Fall. Dort werden Personen eingestellt, die nicht über einen Abschluss in einem oder zwei lehramtsrelevanten Fächern verfügen und daher formal auch keinen Vorbereitungsdienst durchlaufen können. Stattdessen werden sie direkt in den Schuldienst eingestellt und erhalten „eine pädagogische Zusatzqualifikation, die teilweise auch berufsbegleitend vermittelt wird“ (KMK 2019, S. 32). Dies wird als Seiteneinstieg bezeichnet.

Sowohl fachfremd erteilter Unterricht als auch der Quer- und Seiteneinstieg sind für die Primarstufe seit einiger Zeit dokumentiert (vgl. Porsch 2016; Richter, D. et al. 2018; Richter, D. und Marx 2019; Ziegler et al. 2019). Daten aus den Bildungstrendstudien des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) zeigen für die Jahre 2011 und 2016, dass durchschnittlich ca. 17 % (2011) bzw. 19 % (2016) der befragten Deutschlehrkräfte und ca. 27 % (2011) bzw. 32 % (2016) der Mathematiklehrkräfte in der 4. Jahrgangsstufe fachfremd unterrichten (Richter, D. et al. 2012; Rjosk et al. 2017). Bezogen auf die erteilten Unterrichtsstunden selbst zeigt sich für das Bundesland Berlin, dass der durchschnittliche Anteil fachfremd erteilter Unterrichtsstunden im Schuljahr 2012/2013 über alle Grundschulen hinweg im Fach Deutsch bei 63 %, im Fach Englisch bei 40 % und im Fach Mathematik bei 73 % lag. Im Schuljahr 2016/2017 waren die Anteile jeweils etwas geringer und lagen im Fach Deutsch bei 56 %, im Fach Englisch bei 32 % und im Fach Mathematik bei 69 % (Ziegler et al. 2019).

Die Zahl der aktuell im Schuldienst tätigen Personen, die über einen alternativen Zugang in den Schuldienst gelangt sind, ist schwieriger zu ermitteln, da in der offiziellen Statistik der KMK jeweils nur die Einstellungszahlen ausgewiesen werden. In ihren Berichten zu den Einstellungszahlen von Lehrkräften berichtet die KMK seit 2011 jährlich über den Anteil an Seiteneinsteiger:innen. Seit 2021 bezeichnet die KMK diese Gruppe als „sonstige (unbefristet beschäftigte) Lehrkräfte“ und unterscheidet dabei zwischen Personen mit einem nicht lehramtsbezogenen Hochschulabschluss auf Masterniveau und Personen ohne Hochschulabschluss auf Masterniveau. Darunter fallen mithin Personen mit einem Abschluss auf Bachelorniveau, aber auch Personen, die überhaupt kein Hochschulstudium abgeschlossen haben. Zaruba et al. (2023) zeigen, dass zu dieser Personengruppe mittlerweile auch Personen ohne formale Hochschulzugangsberechtigung zählen. Die aktuelle Auswertung der KMK zur Einstellung von Lehrkräften zeigt, dass im Jahr 2022 über alle Schulformen hinweg 3153 Seiteneinsteiger:innen (unbefristet beschäftigte sonstige Lehrkräfte) unbefristet in den öffentlichen Schuldienst eingestellt wurden, was einem Anteil von ca. 9 % aller Neueinstellungen entspricht (KMK 2023).

Die Betrachtung der Personen im Quereinstieg stellt sich komplexer dar, da diese nicht direkt in den Schuldienst, sondern in den Vorbereitungsdienst einsteigen. In der offiziellen Statistik der KMK (2023, S. 61) handelt es sich hierbei um „Einstellungen in den Vorbereitungsdienst mit nicht lehramtsbezogenem Studienabschluss“. Für das Jahr 2022 zeigt sich über alle Schularten hinweg, dass 1178 Einstellungen in den Vorbereitungsdienst mit einem nicht lehramtsbezogenen Studienabschluss durchgeführt wurden, was einem Anteil von ca. 4 % aller Neueinstellungen entspricht (KMK 2023).

3 Unterschiede im Lehrkräftemangel nach Bundesland, Schulart und Komposition der Schülerschaft

Der Lehrkräftemangel ist in Deutschland sehr unterschiedlich ausgeprägt, sowohl regional zwischen den Bundesländern als auch nach Schulart und Zusammensetzung der Schülerschaft. Ein besonders ausgeprägtes Defizit an Lehrkräften ist in Berlin und den ostdeutschen Ländern zu beobachten, wie aus der aktuellen KMK-Statistik über die 2022 neu eingestellten Lehrkräfte hervorgeht (KMK 2022). Bundesweit waren 9,4 % der neu eingestellten Lehrkräfte unbefristet beschäftigte sonstige Lehrkräfte (vormals Seiteneinsteiger:innen), während dieser Anteil in Ostdeutschland 28,2 % und in Berlin 18,1 % erreichte – somit deutlich über dem Durchschnitt. Neben den KMK-Statistiken liefert auch das IQB regelmäßige Bildungstrendstudien, die Aufschluss über Quer- und Seiteneinsteiger:innen sowie den fachfremden Unterricht geben. Dabei zeigte sich im IQB-Bildungstrend 2015 in der Sekundarstufe I, dass in Deutsch und Englisch die Quoten der Quereinsteigenden in den ostdeutschen Ländern höher waren als im gesamtdeutschen Durchschnitt (Hoffmann und Richter 2016). Im Gegensatz dazu wiesen die ostdeutschen Länder im IQB-Bildungstrend 2018, der Mathematik und Naturwissenschaften in der Sekundarstufe I fokussierte, eher geringe Quoten an Quereinsteiger:innen auf (Richter, D. et al. 2019). Die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der IQB-Studie und den aktuellen Zahlen der KMK lässt sich darauf zurückführen, dass in der KMK-Statistik lediglich neu eingestellte Lehrkräfte aufgeführt sind, während an den IQB-Befragungen die Fachlehrkräfte teilnahmen, deren Klassen für die Leistungstests ausgewählt wurden.

Auch im Bereich des fachfremden Unterrichts liefern die IQB-Studien aufschlussreiche Erkenntnisse (Richter, D. et al. 2019; Rjosk et al. 2017). Bei einer bundeslandspezifischen Betrachtung zeigten sich erneut deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Auffällig ist dabei, dass in den ostdeutschen Bundesländern der Anteil der Lehrkräfte, die fachfremd in der Grundschule unterrichten, niedriger ist als im gesamtdeutschen Durchschnitt. Dieser Befund findet sich tendenziell auch in der Sekundarstufe I für das Fach Mathematik. Für die einzelnen naturwissenschaftlichen Fächer wie Biologie, Chemie und Physik lassen sich keine spezifischen Aussagen ableiten, da eine differenzierte Aufschlüsselung nach Bundesländern fehlt. Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass der akute Mangel an Lehrkräften in den ostdeutschen Ländern und Berlin durch Personen ohne Lehramtsabschluss kompensiert werden. Die aktuelle Einstellungspraxis spiegelt sich jedoch nicht direkt in den Befunden des IQB zum Quereinstieg und dem fachfremden Unterrichten nieder.

Unterschiede im Lehrkräftemangel zeigen sich auch zwischen den Schulformen in Deutschland. Laut aktuellen KMK-Prognosen wird bis 2025 ein Mangel an regulär ausgebildeten Grundschullehrkräften bestehen, der sich ab 2026 in ein Überangebot verwandelt (KMK 2022). Für die Sekundarstufe I wird bis 2035 ein jährliches Defizit erwartet, das jedoch stetig sinkt. Ebenso besteht ein Mangel an Lehrkräften für berufliche Schulen, der bis 2032 zunehmen soll. Einzig für Gymnasien wird ein Überangebot prognostiziert, mit durchschnittlich 1100 überzähligen Lehrkräften pro Jahr bis zum Ende des Prognosezeitraums.

Diese Unterschiede im Lehrkräftemangel zwischen den Schulformen spiegeln sich auch in der Praxis des Unterrichts wider. So belegen Daten aus den IQB-Bildungstrends, dass insbesondere in der Grundschule ein höherer Anteil an Lehrkräften fachfremd unterrichtet, vor allem im Fach Mathematik, im Vergleich zur Sekundarstufe I (Grundschule ca. 32 %; Rjosk et al. 2017; Sekundarstufe I ca. 14 %; Richter, D. et al. 2013). Die insgesamt hohen Zahlen, die für die Grundschule berichtet werden, lassen sich zum Teil darauf zurückführen, dass in der Grundschule das Klassenlehrerprinzip zur Anwendung kommt (KMK 2015). Demnach werden Klassen in vielen Fächern von der gleichen Lehrkraft unterrichtet, auch wenn diese keine entsprechende Lehrbefähigung in diesem Fach aufweist. Demnach fallen die Anteile für das fachfremde Unterrichten in der Grundschule eher höher aus als in der weiterführenden Schule. Zudem weist eine auf Berliner Daten basierende Studie für das Schuljahr 2016/17 darauf hin, dass mehr als die Hälfte der 900 eingestellten Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium in Grundschulen tätig waren, was die spezifischen Herausforderungen und Bedürfnisse dieser Schulform unterstreicht (Richter, D. und Marx 2019). Ein knappes Drittel unterrichtete an Integrierten Sekundarschulen und nur 13 % an Gymnasien. Dies verdeutlicht, dass in Berlin bereits zu dieser Zeit ein deutlicher Lehrkräftemangel vor allem an Grundschulen zu verzeichnen war.

Der Lehrkräftemangel zeigt sich auch in den Unterschieden zwischen Schulen mit verschiedenem Schülerklientel. So haben Studien auf Basis von Berliner Daten verdeutlicht, dass Schulen mit einer hohen Anzahl an Schüler:innen, die von einer Lernmittelbefreiung profitieren (Helbig und Nikolai 2019; Richter, D. et al. 2018), sowie mit einem hohen Anteil an Schüler:innen mit nichtdeutscher Herkunftssprache (Richter, D. et al. 2018) vermehrt Lehrkräfte ohne Lehramtsabschluss beschäftigen. Dies deutet darauf hin, dass Schulen in sozial herausfordernden Lagen verstärkt auf Lehrkräfte ohne formale Lehrerausbildung zurückgreifen müssen. Dieses Ergebnis lässt sich auf zwei mögliche Erklärungen zurückführen: Erstens stehen womöglich weniger regulär qualifizierte Lehrkräfte zur Verfügung, als freie Stellen existieren, und zweitens könnten Lehrkräfte ohne Lehramtsabschluss gezielt an jenen Schulen eingesetzt werden, an denen sich keine regulär qualifizierten Lehrkräfte beworben haben (SenBJW 2014). Als Folge dieser bevorzugten Einstellungspraxis für regulär qualifizierte Lehrkräfte müssen Schulen, die als weniger attraktiv gelten oder eine hohe Fluktuation aufweisen, häufiger auf Lehrkräfte ohne Lehramtsabschluss zurückgreifen. Diese Notwendigkeit für bestimmte Schulen verstärkt auf Lehrkräfte ohne Lehramtsabschluss zu setzen, könnte durch die Präferenzen der Lehrkräfte selbst noch verschärft werden. Laut einer Studie von Horng (2009) würden Lehrkräfte, hätten sie die freie Wahl, ihre Bewerbungen vorrangig nach Kriterien wie der Qualität der schulischen Einrichtungen, der Unterstützung durch die Schulleitung und der Klassengröße richten. Dies könnte zu einer weiteren Konzentration qualifizierter Lehrkräfte an attraktiveren Schulen führen.

Die Tendenz, vermehrt Lehrkräfte ohne formales Lehramtsstudium in sozial herausfordernden Lagen einzusetzen, spiegelt sich auch in der Praxis des fachfremden Unterrichts wider. Laut einer Analyse des IQB-Ländervergleichs 2011 wird fachfremder Unterricht in Deutsch und Mathematik häufiger in Klassen mit einem höheren Anteil an Kindern mit Zuwanderungshintergrund erteilt (Ziegler und Richter 2017). Ein vergleichbares Muster findet sich jedoch nicht bei Klassen mit unterschiedlichem sozio-ökonomischen Status. Somit lässt sich anhand dieser Daten verdeutlichen, dass Fachlehrkräfte in der Grundschule ungleich auf sozial unterschiedlich zusammengesetzte Klassen und Schulen verteilt sind.

Die Frage der Verteilung der Lehrkräfte auf Schulen wurde nicht nur in Deutschland untersucht, sondern auch in internationalen Studien. Insbesondere in amerikanischen Studien zeigte sich, dass Lehrkräfte ohne grundständige Ausbildung (d. h. ohne „teaching certificate“ im jeweiligen Bundesstaat) verstärkt an Schulen mit ethnischen Minderheiten unterrichten (Learning Policy Institute 2018). Eine Studie, die sich mit der Lehrkräfteverteilung im Bundesstaat New York beschäftigt, zeigt, dass Lehrkräfte in der Stadt New York im Vergleich innerhalb des Bundesstaates am wenigsten qualifiziertFootnote 1 sind und dass Lehrkräfte mit geringer Qualifikation vor allem an Schulen mit hohen Anteilen ethnischer Minderheiten und sozioökonomisch benachteiligten bzw. leistungsschwachen Schüler:innen unterrichten (Lankford et al. 2002). Die Arbeit zeigt darüber hinaus, dass verstärkt qualifizierte Lehrkräfte die Schule bzw. den Beruf wechseln und Schulen in urbanen Regionen bzw. mit vielen sozioökonomisch benachteiligten Schüler:innen verlassen. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass auch außerhalb Deutschland Lehrkräfte ungleich auf Schulen mit unterschiedlicher Schülerklientel verteilt sind.

4 Fragestellung

In den vergangenen Jahren ist der Lehrkräftemangel in Deutschland zu einer besonderen Herausforderung für die Schulen insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern geworden. Dies trägt dazu bei, dass vor allem dort verstärkt Lehrkräfte ohne grundständiges Lehramtsstudium eingestellt werden und Unterricht von Lehrkräften ohne entsprechende fachliche Qualifizierung erteilt wird. Bei der Untersuchung der Verteilung von Quer- und Seiteneinsteigenden zeigt sich für das Bundesland Berlin, dass dort die nicht grundständig ausgebildeten Lehrkräfte verstärkt in Schulen mit hohen Anteilen von sozial benachteiligten und zugewanderten Familien unterrichten. Auch für den fachfremd erteilten Unterricht gibt es Hinweise aus der Forschung, dass dieser verstärkt in Klassen mit hohen Anteilen von sozial benachteiligten Schüler:innen stattfindet. Bislang ungeklärt ist allerdings die Frage, inwieweit die beiden Indikatoren des Lehrkräftemangels (Zahl der Quer- und Seiteneinsteiger:innen und Umfang des fachfremden Unterrichts) mit jeweils spezifischen Merkmalen der Zusammensetzung der Schülerschaft der Schule und des jeweiligen sozialen Kontextes zusammenhängen. Aus diesem Grund sollen in der vorliegenden Untersuchung für das Land Brandenburg und für die Schulart Grundschule folgende Fragen beantwortet werden:

  1. 1.

    Wie hängt der Lehrkräftemangel an Grundschulen, gemessen an der Zahl von Lehrkräften ohne Lehramtsabschluss und der Zahl fachfremd unterrichteter Stunden, mit der soziodemografischen und leistungsbezogenen Komposition der Schule sowie dem sozioökonomischen Kontext zusammen?

  2. 2.

    Wie hängt die Veränderung des Lehrkräftemangels an Grundschulen, gemessen an der Zahl von Lehrkräften ohne Lehramtsabschluss und der Zahl fachfremd unterrichteter Stunden, mit der soziodemografischen und leistungsbezogenen Komposition der Schule sowie dem sozioökonomischen Kontext zusammen?

Die erste Forschungsfrage zielt auf die Untersuchung querschnittlicher Zusammenhänge zwischen der Komposition der Schülerschaft und dem sozio-ökonomischen Kontext einerseits und den Merkmalen des Lehrkräftemangels andererseits. Da bisherige Studien zu diesem Thema oftmals querschnittliche Designs nutzten, soll auch zunächst in dieser Untersuchung ein vergleichbares Setting gewählt werden. Die zweite Forschungsfrage betrachtet hingegen im Längsschnitt, wie die Veränderung des Lehrkräftemangels an Grundschulen (gemessen über die Anzahl an Lehrkräften ohne Abschluss und der Zahl fachfremd unterrichteter Stunden) mit der Diversität der Schülerschaft und dem sozio-ökonomischen Kontext der Schule zusammenhängt. Damit werden Erkenntnisse darüber gewonnen, mit welchen schulischen und kontextuellen Merkmalen eine Zunahme bzw. eine Verringerung des Lehrkräftemangels an der Schule zusammenhängt.

5 Methode

5.1 Stichprobe

Zur Beantwortung der Fragestellungen werden Daten der amtlichen Statistik des Bundeslandes Brandenburg herangezogen, welche vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport zur Auswertung zur Verfügung gestellt wurden. Die Daten beziehen sich auf Angaben aller Grundschulen bzw. kombinierte Grund- und Oberschulen in öffentlicher Trägerschaft des Landes. Die Daten wurden für die Schuljahre 2016/2017 sowie 2019/2020 zur Verfügung gestellt, sodass auch längsschnittliche Analysen für die Entwicklung der Schulen möglich sind. In dieser Zeit bestand bereits ein hoher Lehrkräftebedarf innerhalb des Bundeslandes, welcher im Zeitverlauf weiterhin zunahm (KMK 2023). Die Daten des Schuljahres 2016/2017 und 2019/2020 umfassen jeweils Angaben von 441 Grundschulen. Der gesamte Datensatz basiert jedoch auf 446 Grundschulen, da im Jahr 2019/20 Einträge von fünf weiteren Schulen aufgeführt wurden und gleichzeitig fünf Schulen des Jahres 2016/17 nicht mehr im Datensatz enthalten waren. Diese Veränderung entstand durch die Schaffung von Schulzentren, bei denen einzelne Schulen in einer Region zusammengelegt wurden. Die Schulen weisen im Schuljahr 2016/17 im Durchschnitt eine mittlere Schülerzahl von 257,2 auf (SD = 124,4) und im Schuljahr 2019/20 eine Zahl von 274,3 (SD = 129,8). Die Zahl der Lehrkräfte betrug im Schuljahr 2016/17 im Durchschnitt 19 Personen pro Schule (SD = 10,2) und im Schuljahr 2019/20 im Durchschnitt 21,3 Personen pro Schule (SD = 11,3). Bei den vorliegenden Daten handelt es sich um einen vollständigen Datensatz der Population aller Grundschulen bzw. Grund- und Oberschulen in öffentlicher Trägerschaft.

5.2 Instrumente

5.2.1 Lehrkräftemangel

Der Lehrkräftemangel wird in dieser Studie durch zwei Indikatoren abgebildet, welche den Mangel bei der Personalversorgung und bei der Unterrichtsversorgung abbilden. Der Mangel bei der Personalversorgung wird in dieser Untersuchung durch die Zahl der Lehrkräfte pro Schule repräsentiert, welche ohne lehramtsspezifischen Hochschulabschluss an der Schule unterrichten. Dabei handelt es sich um Personen, die sowohl der Gruppe der Seiteneinsteiger:innen als auch der Gruppe der Quereinsteiger:innen zugeordnet werden können, da beide Gruppen nicht über einen grundständigen Hochschulabschluss mit Lehramtsbezug verfügen. Darüber hinaus wird der Lehrkräftemangel bei der Unterrichtsversorgung durch die Zahl der fachfremd unterrichteten Unterrichtsstunden in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch in den Jahrgangsstufen 5 und 6 abgebildet. Für diese Studie wurden nur die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch ausgewählt, da es sich hierbei um Kernfächer handelt, welche mit einem Stundendeputat von 4 bis 5 h pro Woche in der Grundschule unterrichtet werden. Der Fokus lag weiterhin auf den Jahrgangsstufen 5 und 6, da dieser Zeitraum eine große Bedeutung für die weitere Schullaufbahn besitzt und in dieser Zeit die Übergangsempfehlungen für die Sekundarstufe I ausgesprochen werden. Die deskriptiven Angaben zur Anzahl der Lehrkräfte ohne lehramtsspezifischen Hochschulabschluss für die beiden Schuljahr sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Deskriptive Statistiken der Indikatoren des Lehrkräftemangels sowie der Komposition der Schule und des sozio-ökonomischen Kontextes

5.2.2 Soziodemografische und leistungsbezogene Komposition der Schule

Die soziodemografische Komposition der Schüler:innen an der Schule wird über die Zahl der Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. mit Migrationshintergrund erfasst. Der sonderpädagogische Förderbedarf wurde anhand schulinterner Dokumentation ermittelt und schließt alle Schüler:innen in den Jahrgangsstufen 1 bis 6 ein, die einem Förderschwerpunkt zugewiesen wurden. Zu diesen Förderschwerpunkten zählen Sehen, Hören, Lernen, emotionale und soziale Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, autistisches Verhalten und geistige Entwicklung. Ausgeschlossen von dieser Erfassung waren Schüler:innen, die in speziellen Förderklassen unterrichtet werden. Der Migrationshintergrund einer Schülerin oder eines Schülers wurde anhand des Geburtslandes der Eltern ermittelt und schließt alle Schüler:innen, bei denen mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren wurde. Die Daten zur soziodemografischen Komposition wurden über die Schuldatenerhebung erfasst, welche zum Beginn des Schuljahres durchgeführt wird.

Die leistungsbezogene Komposition der Schule wird anhand der Anzahl der Schüler:innen mit einer Übergangsempfehlung für Gymnasium in der 6. Jahrgangsstufe operationalisiert. Die entsprechenden Daten wurden zu beiden Messzeitpunkten (2016/17 und 2019/20) durch eine Zusatzerhebung im Anschluss an das jeweilige erste Schulhalbjahr im Rahmen des „Übergangsverfahrens in die 7. Jahrgangsstufe“ erhoben.

5.2.3 Sozio-ökonomischer Kontext der Schule

Die Erfassung des sozio-ökonomischen Kontextes der Schule erfolgt über die Quote der Regelleistungsberechtigten im Einzugsgebiet der Schule. Als Regelleistungsberechtigte werden Personen bezeichnet, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II „Grundsicherung für Arbeitssuchende“) erhielten. Auf Basis des Wohnortes aller Schüler:innen der Schule wird eine gewichtete Quote der Regelleistungsberechtigten im Einzugsgebiet der Schule bestimmt. Dieser Wert spiegelt das soziale Milieu des Umfeldes der Schule wider und kann deshalb als Indikator für den sozio-ökonomischen Kontext genutzt werden.

5.3 Analysen

Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden multiple Regressionen verwendet und im Programm SPSS geschätzt. Zur Beantwortung der Forschungsfrage 1 werden für die beiden abhängigen Variablen (Anzahl der Lehrkräfte ohne lehramtsspezifischen Hochschulabschluss sowie Anzahl der fachfremd unterrichteten Unterrichtsstunden) jeweils drei Regressionsmodelle spezifiziert. Bei den Modellen handelt es sich um hierarchische Modelle, in denen von Modell zu Modell weitere Variablen aufgenommen wurden. Bei Modell 1 handelt es sich um das Basismodell, in dem die Zahl der Lehrkräfte der Schule bzw. die Anzahl der in Klasse 5 und 6 erteilten Unterrichtsstunden in Deutsch, Mathematik und Englisch als Kontrollvariablen aufgenommen werden. In Modell 2 werden zusätzlich die Merkmale der demografischen und leistungsbezogenen Komposition der Schule aufgenommen. Darüber hinaus wird in Modell 3 der Indikator für den sozio-ökonomischen Kontext zusätzlich aufgenommen.

Zur Beantwortung der Forschungsfrage 2 werden ebenfalls pro abhängige Variable drei Regressionsmodelle gebildet. Dabei werden die abhängigen Variablen aus dem Schuljahr 2019/20 durch die entsprechenden Ausgangswerte zum Schuljahr 2016/17 und weitere Variablen vorhergesagt. Durch dieses Vorgehen wird für die Ausgangswerte aller Schulen kontrolliert und die zusätzlich aufgenommenen Variablen repräsentieren Effekte, die mit der Veränderung der abhängigen Variablen einher gehen. Aufgrund des längsschnittlichen Charakters der Analysen unterscheiden sich die drei Modelle von denen in Forschungsfrage 1. Zur Vorhersage der Lehrkräfte ohne lehramtsbezogenen Hochschulschulabschluss im Schuljahr 2019/20 werden in Modell 1 neben dem entsprechenden Kennwert im Schuljahr 2016/17 auch die Gesamtzahl der Lehrkräfte pro Schule sowie die Veränderung Gesamtzahl von 2016/17 bis 2019/20 aufgenommen. Damit wird nicht nur die Ausgangssituation an der Schule, sondern auch die Veränderung in der Zahl der Lehrkräfte berücksichtigt. Zur Betrachtung der fachfremd unterrichteten Unterrichtsstunden im Jahrgang 5 und 6 im Schuljahr 2019/20 wird äquivalent die entsprechende Zahl an Unterrichtsstunden im Schuljahr 2016/17 sowie die Anzahl aller erteilten Stunden in Jahrgang 5 und 6 sowie die Veränderung dieser Zahl von 2016/17 bis 2019/20 aufgenommen. In Modell 2 werden analog zum Vorgehen bei Fragestellung 1 die Variablen zur demografischen und leistungsbezogenen Komposition aufgenommen und in Modell 3 die Angabe zum sozioökonomischen Kontext. Alle zusätzlich aufgenommenen Variablen in Modell 2 und 3 enthalten Angaben aus dem Schuljahr 2016/17, da die Ausgangswerte der Schulen beschreiben und Rückschlüsse darauf zulassen, in welchen Schulen Veränderungen zu beobachten waren.

6 Ergebnisse

6.1 Deskriptive Analysen

Vor der Beantwortung der Forschungsfragen werden zentrale deskriptive Befunde der zentralen abhängigen Variablen und ihrer Prädiktoren für die Schuljahre 2016/17 sowie 2019/20 in Tab. 1 dargestellt. Die Zahl der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium im Lehramt stieg statistisch signifikant von durchschnittlich 1,5 Personen pro Schule auf 2,9 Personen innerhalb von 3 Jahren. Auch für die Zahl der fachfremd unterrichteten Unterrichtsstunden in den Fächern Deutch, Mathematik und Englisch (in Klasse 5 und 6) konnte ein signifikanter Anstieg von 12,2 h pro Schule auf 15,6 h festgestellt werden. Neben diesen beiden Indikatoren des Lehrkräftemangels zeigen sich für die Gruppe der betrachteten Grundschulen weitere Veränderungen im betrachteten Zeitraum. Die Schulen weisen einen signifikanten Anstieg in der Zahl der unterrichtenden Lehrkräfte und in der Anzahl der erteilten Unterrichtsstunden in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch (in Klasse 5 und 6) auf. Hinsichtlich der Komposition der Schulen lassen sich nur für ausgewählte Merkmale Veränderungen über die Zeit feststellen. Während die Zahl der Schüler:innen mit Migrationshintergrund und die Zahl derjenigen mit Empfehlung für das Gymnasium signifikant anstieg, so blieb die Zahl der Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf über den Untersuchungszeitraum unverändert. Für den schulischen Kontext zeigte sich, dass sich die gewichtete Quote der Regelleistungsberichtigten im Einzugsgebiet von 2016/2017 bis 2019/20 nicht statistisch signifikant veränderte.

Neben der Darstellung der Mittelwerte und Standardabweichungen für die betrachteten Variablen berichten wir in Tab. 2 darüber hinaus die Korrelationen zwischen den untersuchten abhängigen und unabhängigen Variablen. Aus dieser Übersicht wird bereits deutlich, dass die Zahl der Lehrkräfte ohne Lehramtshochschulabschluss zu t1 positiv mit der Zahl der Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, mit Migrationshintergrund und mit der Zahl der Schüler:innen mit Gymnasialempfehlung zu t1 zusammenhängt. Für die Zahl der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium zu t2 finden sich vergleichbare Zusammenhänge für die beiden erstgenannten Merkmale und die Quote der Regelleistungsberechtigten im Einzugsgebiet der Schule zu t1. Auch für die fachfremd unterrichteten Unterrichtsstunden in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch in den Jahrgangsstufen 5 und 6 zeigen sich sowohl für t1 als auch für t2 statistisch signifikante und positive Zusammenhänge mit der Komposition der Schülerschaft der Schule hinsichtlich des sonderpädagogischen Förderbedarfs, des Migrationshintergrunds und der Schüler:innen mit Gymnasialempfehlung. Auffällig ist ebenfalls, dass die Zahl der Schüler:innen mit Gymnasialempfehlung stark mit der Zahl der Lehrkräfte an der Schule sowie der Zahl der unterrichteten Unterrichtsstunden zusammenhängt. Aus diesem Grund werden in den nachfolgenden Modellen jeweils die Größe der Schule bzw. die Zahl der unterrichteten Unterrichtsstunden kontrolliert.

Tab. 2 Korrelationen zwischen betrachteten abhängigen und unabhängigen Merkmalen

6.2 Vorhersage des Lehrkräftemangels im Querschnitt

Zur Untersuchung der ersten Forschungsfrage werden jeweils drei Regressionsmodelle zur Vorhersage der Zahl der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium und zur Zahl der fachfremd unterrichteten Unterrichtsstunden in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch (in Klasse 5 und 6) geschätzt. Die drei Modelle in Tab. 3 bauen hierarchisch aufeinander auf und umfassen die Zahl der Lehrkräfte der Schule (Modell M1), zusätzlich Angaben zur Komposition der Schülerschaft (Modell M2) und schließlich auch Angaben zum sozio-ökonomischen Kontext der Schule (Modell M3). Bei der Vorhersage der Zahl der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium erklärt bereits die Anzahl der Lehrkräfte an der Schule insgesamt 21 % der Varianz (Modell M1). Bei Hinzunahme von Variablen zur Komposition der Schülerschaft erhöht sich die aufgeklärte Varianz auf insgesamt 24 % (Modell M2). Dementsprechend fällt die Anzahl der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium an den Schulen höher aus, an denen mehr Schüler:innen mit Migrationshintergrund (\(\hat{\beta }\) = 0,11, p = 0,03) unterrichtet werden und an Schulen mit weniger Schüler:innen mit Empfehlung für die Allgemeine Hochschulreife (\(\hat{\beta }\) = −0,15, p = 0,03). Bei zusätzlicher Berücksichtigung des sozio-ökonomischen Kontextes in Modell M3 zeigt sich, dass die gewichtete Quote der Regelleistungsberechtigten keine weitere Erklärungskraft zur Vorhersage der abhängigen Variablen aufweist.

Tab. 3 Regressionsmodelle zur Vorhersage der Lehrkräfte ohne Lehramtshochschulabschluss (t1) durch die soziodemografische und leistungsbezogene Komposition der Schule sowie den sozio-ökonomischen Kontext

Bei der Betrachtung der Zahl an fachfremd unterrichteten Stunden in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch in Tab. 4 erklärt bereits die Gesamtzahl der erteilten Unterrichtsstunden in diesen Jahrgangsstufen 25 % der Varianz (Modell M1). Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Diversität der Schülerschaft (Modell M2) und dem sozio-ökonomischen Kontext der Schule (Modell M3) können jedoch keine weiteren signifikanten Prädiktoren identifiziert werden. Dies deutet darauf hin, dass sowohl die Zusammensetzung der Schülerschaft als auch der sozio-ökonomische Kontext der Schule nicht systematisch mit der Zahl der fachfremd unterrichteten Stunden in den betreffenden Jahrgangsstufen assoziiert ist.

Tab. 4 Regressionsmodelle zur Vorhersage der fachfremd unterrichteten Stunden in D, Ma und En in Klasse 5 und 6 (t1) durch die soziodemografische und leistungsbezogene Komposition der Schule sowie den sozio-ökonomischen Kontext

6.3 Vorhersage des Lehrkräftemangels im Längsschnitt

Die zweite Forschungsfrage konzentriert sich auf die Vorhersage des Lehrkräftemangels im Längsschnitt über drei Schuljahre. Hierfür wurden Regressionsmodelle entwickelt, die auf den Ausgangswerten von 2016/17 sowie weiteren Merkmalen der Schule und des sozio-ökonomischen Kontextes basieren, um die Anzahl der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium und die fachfremd unterrichteten Stunden im Schuljahr 2019/20 zu prognostizieren. Die in Tab. 5 dargestellten Ergebnisse verdeutlichen, dass diese Modelle zwischen 40 % (in M1) und 49 % der Varianz in der abhängigen Variablen erklären können. Modell M1 zeigt, dass neben den Ausgangswerten die Größe des Lehrerkollegiums (\(\hat{\beta }\) = 0,10, p = 0,02) und der Lehrkräftezuwachs (\(\hat{\beta }\) = 0,33, p < 0,001) während des dreijährigen Untersuchungszeitraums maßgeblich zur Vorhersage der Anzahl der Lehrkräfte ohne Hochschulstudium beigetragen. Insbesondere an Schulen mit einem großen und stark gewachsenen Kollegium ist demnach ein Anstieg von Lehrkräften ohne Lehramtsstudium zu beobachten. Modell M2 ergänzt, dass auch die Zusammensetzung der Schülerschaft eine Rolle spielt. Es zeigt sich, dass Schulen mit mehr Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (\(\hat{\beta }\) = 0,10, p = 0,01) und weniger Gymnasialempfehlungen (\(\hat{\beta }\) = −0,22, p < 0,001) tendenziell mehr Lehrkräfte ohne formale Lehramtsausbildung einsetzen, wenn alle anderen Variablen im Modell konstant bleiben. Im finalen Modell M3 wird deutlich, dass auch der sozio-ökonomische Kontext der Schule entscheidend ist: Ein Zuwachs an Lehrkräften ohne Lehramtsstudium ist vor allem in Gegenden mit hohen Anteilen von Regelleistungsberechtigten zu finden (\(\hat{\beta }\) = 0,23, p < 0,001), auch wenn die Komposition der Schüler:innenschaft und die Größe bzw. die Veränderung des Kollegiums konstant bleibt.

Tab. 5 Regressionsmodelle zur Vorhersage der Veränderung der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium (t2) durch die soziodemografische und leistungsbezogene Komposition der Schule sowie den sozio-ökonomischen Kontext

Die letzte Gruppe an Modellen nimmt die Veränderung der fachfremd erteilten Unterrichtsstunden in Klasse 5 und 6 in den Blick (Tab. 6). Im ersten Modell (M1) werden neben den Anfangswerten der fachfremden Unterrichtsstunden auch die gesamte Stundenanzahl und deren Zuwachs in diesen Jahrgangsstufen berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem an großen und wachsenden Schulen vermehrt fachfremd unterrichtet wird. Modell M2 verdeutlicht zudem, dass auch die Schülerkomposition an der Schule bedeutsam ist: An Schulen mit einer geringeren Anzahl an Schüler:innen mit Gymnasialempfehlung ist der Anstieg des fachfremden Unterrichts geringer – unter Kontrolle der in M1 aufgenommenen Variable. Schließlich zeigt Modell M3, dass Schulen in sozioökonomisch schwierigen Umgebungen, erkennbar an hohen Anteilen von Regelleistungsberechtigten, einen Anstieg der fachfremd erteilten Unterrichtsstunden erfahren. Auch in diesem Modell muss bei der Interpretation des Koeffizienten berücksichtigt werden, dass die weiteren im Modell enthaltenen Variablen konstant gehalten werden. Insgesamt erklären die Modelle 47 bis 50 % der Varianz in der abhängigen Variablen auf.

Tab. 6 Regressionsmodelle zur Vorhersage der Veränderung der fachfremd unterrichteten Stunden in D, Ma und En in Klasse 5 und 6 (t2) durch die soziodemografische und leistungsbezogene Komposition der Schule sowie den sozio-ökonomischen Kontext

7 Diskussion

Die vorliegende Studie geht zwei zentralen Forschungsfragen nach, die den Zusammenhang zwischen dem Lehrkräftemangel an Grundschulen und verschiedenen schulischen Kontextvariablen beleuchten. Sie geht damit im Kern Fragen der Bildungsgerechtigkeit nach und fragt, nach den unterschiedlichen Voraussetzungen für das Lernen von Schüler:innen an Grundschulen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass bestimmte Grundschulen hinsichtlich der Ausstattung mit qualifiziertem Lehrpersonal besonders benachteiligt sind, wobei sich der Effekt vor allem im Zeitverlauf zeigt.

Die Erkenntnisse bieten präzise Einblicke in die Veränderungen von über 400 Schulkollegien über einen Zeitraum von drei Jahren (2016/17 bis 2019/20). Dabei zeigen sich signifikante Entwicklungen in Bezug auf Lehrkräfte ohne Lehramtsabschluss sowie den fachfremd erteilten Unterricht in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Insgesamt erhöhte sich die Anzahl der Lehrkräfte ohne Lehramtsabschluss signifikant von durchschnittlich 1,5 Personen pro Schule auf 2,9 Personen. Ebenso wurde ein statistisch signifikanter Anstieg der fachfremd erteilten Unterrichtsstunden in den genannten Fächern von 12,2 auf 15,6 h pro Schule verzeichnet. Diese Ergebnisse weisen auf eine zentrale Herausforderung im Bildungssystem hin, da sie auf einen zunehmenden Lehrermangel und eine vermehrte Inanspruchnahme fachfremder Lehrkräfte hinweisen.

Unsere Befunde zeigen, dass nicht alle Schulen gleichermaßen von dieser Herausforderung betroffen sind. Die Regressionsanalysen zur ersten Forschungsfrage deuten darauf hin, dass insbesondere größere Grundschulen häufiger auf Lehrkräfte im Seiteneinstieg zurückgreifen müssen. Zusätzlich korreliert die Schulgröße mit der Komposition der Schülerschaft, insbesondere dem Anteil an Schüler:innen mit Migrationshintergrund, sowohl im Querschnitt als auch im Längsschnitt. Darüber hinaus sagt der leistungsbezogene Indikator der Gymnasialempfehlung sowohl im Querschnitt als auch im Längsschnitt den Anteil der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium im Kollegium einer Schule vorher. Im Längsschnitt zeigt sich zudem, dass die gewichtete Quote der Regelleistungsberechtigten im Einzugsgebiet der Schule einen prädiktiven Einfluss auf die Entwicklung der Anzahl der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium an einer Schule hat.

Der Einsatz von Lehrkräften ohne Lehramtsstudium kann für die betreffenden Schulen sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Diese Lehrkräfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich bewusst zu einem späteren Zeitpunkt ihrer beruflichen Karriere für den Beruf der Lehrkraft entscheiden haben und berufliche Erfahrungen aus anderen Kontexten in die Schule mitbringen (Melzer et al. 2014). Diese Erfahrungen können die Schulen und den Unterricht bereichern und so die Arbeit in der Schule voranbringen. Aus der Forschung ist jedoch auch bekannt, dass Quer- und Seiteneinsteigende im Vergleich zu regulär ausgebildeten Lehrkräften weniger pädagogisches Wissen mitbringen (Kunina-Habenicht et al. 2013; Lucksnat et al. 2020; Oettinghaus et al. 2014) und in der schulischen Arbeit Herausforderungen bei der Differenzierung im Unterricht und im Umgang mit herausforderndem Schülerverhalten berichten (Richter, E. et al. 2023). Vor diesem Hintergrund erfordert der verstärkte Einsatz von Lehrkräften ohne Lehramtsstudium eine stärkere Unterstützung und Begleitung der betreffenden Lehrkräfte, z. B. durch Mentor:innen (Zaruba et al. 2023). Dies setzt jedoch die Verfügbarkeit von erfahrenen und regulär ausgebildeten Lehrkräften im Kollegium der Schule voraus. Steigt der Anteil von Lehrkräften ohne entsprechende Qualifikationen in kurzer Zeit sehr schnell an, so sind entsprechende Unterstützungsangebote nur schwer zu realisieren.

Die Bedeutung der Schülerkomposition und der sozialräumlichen Lage einer Schule für die Ausstattung mit qualifiziertem Lehrpersonal, die wir erstmals für ein Flächenland in Deutschland zeigen konnten, steht im Einklang mit Forschungsarbeiten aus dem Stadtstaat Berlin (Richter, D. et al. 2018). Darüber hinaus sind sie anschlussfähig an internationale Forschungsarbeiten, beispielsweise aus den USA. Auch Hanushek et al. (2004) fanden heraus, dass Schulen mit leistungsschwachen Schüler:innen und einem höheren Anteil an Schüler:innen mit Migrationshintergrund größere Schwierigkeiten hatten, Lehrkräfte zu halten, als Schulen mit leistungsstarken Schüler:innen und einem geringen Anteil an Schüler:innen mit Migrationshintergrund. Smith und Ingersoll (2004) stellten ebenfalls fest, dass sozialräumliche Faktoren mit Fragen der Lehrkräfteversorgung zusammenhingen und dass Lehrkräfte an „high-poverty schools“ eher die Schule verließen als ihre Kollegen an „medium-poverty schools“.

Die Ergebnisse werfen die Frage auf, warum einige Schulen größere Schwierigkeiten haben als andere, qualifiziertes Lehrpersonal zu finden, und nach welchen Kriterien sich Lehrkräfte für eine bestimmte Schule entscheiden – oder auch nicht. Diese Frage kann in der vorliegenden Arbeit auf der Basis der verfügbaren Daten nicht beantwortet werden. Studien aus den USA deuten jedoch darauf hin, dass Lehrkräfte Schulen bevorzugen, deren Schülerschaft als leichter zu unterrichten wahrgenommen wird. Wenn möglich, wählen qualifiziertere und erfahrenere Lehrkräfte eher Schulen mit leistungsstärkeren Schüler:innen, weniger Schüler:innen die zu den ethnischen Minderheiten zählen, mehr Schüler:innen aus Familien mit höherem Einkommen und Schulen, die als sicherer gelten und in denen es weniger Disziplinprobleme gibt (Kalogrides et al. 2013). Die Arbeitsbedingungen an einer Schule, einschließlich der wahrgenommenen Qualität der schulischen Einrichtungen, der Unterstützung durch die Schulleitung und der Klassengröße, stehen ebenfalls in Zusammenhang mit der Wahl der Lehrkräfte (Horng 2009). In einer neueren Studie konnten James et al. (2023) zeigen, dass sich in leistungsstarken Schulen mehr Lehrkräfte auf offene Stellen bewerben. Sie zeigten weiterhin, dass Schulen mit vielen Bewerber:innen in der Regel eine privilegierte Schülerschaft haben: Sie haben im Durchschnitt weniger Schüler:innen, die Anspruch auf ein kostenloses oder preisreduziertes Mittagessen haben.

Die divergierenden Ergebnisse der Querschnitts- und Längsschnittanalysen weisen auf vielschichtige Aspekte hin, die jeweils die spezifischen Charakteristika und Dynamiken der beiden Analyseansätze widerspiegeln. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Analyseansätzen liegt in der Komplexität der zeitlichen Dynamik. Während die Querschnittsanalyse die zeitliche Dimension vernachlässigt und alle Unterschiede zwischen den Schulen zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst, ermöglicht die Längsschnittanalyse die Betrachtung von mittelfristigen Veränderungen in der Gruppe der Schüler:innen und der Lehrkräfte. Ein zweiter zentraler Unterschied liegt in der Berücksichtigung der zeitlichen Variabilität. Dies bietet die Möglichkeit, nicht nur Assoziationen und Korrelationen aufzudecken, sondern auch Kausalzusammenhänge über die Zeit zu analysieren. Aus diesen Unterschieden ergibt sich die Notwendigkeit einer integrativen Betrachtung beider Analyseansätze, um zu einem umfassenderen Verständnis der komplexen Dynamik der Lehrkräfteverteilung und ihrer Entwicklung zu gelangen. Die Synergie zwischen Querschnitts- und Längsschnittanalysen könnte dazu beitragen, sowohl aktuelle Strukturen als auch langfristige Entwicklungen im Bildungssystem besser zu erfassen.

Neben einer Reihe von Stärken sind bei der Interpretation der Ergebnisse auch Einschränkungen zu beachten. Dazu gehört, dass die Beschreibung der Schulen anhand weniger Kompositionsmerkmale erfolgte. Weitere Merkmale der Schulen, wie z. B. die Ausstattung oder die Führung durch die Schulleitung, werden in den Analysen nicht berücksichtigt. Des Weiteren basiert die Analyse auf den Daten eines Bundeslandes und fokussiert hier nur eine Schulform. Der Untersuchungszeitraum von drei Jahren erlaubt zudem keine Darstellung eines längerfristigen Trends und markiert nur einen Ausschnitt. Darüber hinaus nimmt diese Arbeit die Schulart Grundschule in den Blick, bei der das Klassenlehrerprinzip zur Anwendung kommt und deshalb höhere Anteile im fachfremden Unterricht zu erwarten sind als an weiterführenden Schulen. Aus diesem Grund ist bei der Interpretation der Werte für das fachfremde Unterrichten zu berücksichtigen, dass an Grundschulen der gemeinsame Klassenunterricht in einem ausgewogenen Verhältnis zum Fachunterricht stehen soll (KMK 2015).

Trotz dieser Einschränkung ergeben sich aus dieser Arbeit eine Reihe von Implikationen für Praxis und Forschung. Die wohl drängendste Frage ist, wie die Bildungsverwaltung durch Steuerung einen Ausgleich schaffen kann, um eine angemessene Verteilung des Lehrpersonals zu gewährleisten. Eine individuelle und unterstützende Integration von Personen ohne grundständige Lehramtsausbildung setzt eine ausreichende Zahl von erfahrenen und gut qualifizierten Lehrkräften an der Einzelschule voraus, die diese Aufgabe übernehmen kann. Mit einer steigenden Zahl von nicht grundständig qualifizierten Personen wird die Zahl an erfahrenen Lehrkräften an der Einzelschule geringer und damit auch die Möglichkeit die Erstgenannten angemessen zu unterstützen. Das Fehlen sozialer Unterstützung könnte Quer- und Seiteneinsteiger:innen dazu veranlassen, über einen Ausstieg aus dem Lehrberuf nachzudenken (Richter, E. et al. 2022). Aus diesem Grund sollte eine überproportionale Verteilung von Lehrkräften ohne grundständiges Lehramtsstudium an Schulen mit einer tendenziell benachteiligten Schüler:innenschaft vermieden werden. In diesem Zusammenhang wird häufig über die Schaffung finanzieller Anreize nachgedacht. Für Forschungsarbeiten aus den USA konnten u. a. Guarino et al. (2006) in einer Übersichtsarbeit zeigen, dass Gehälter positiv mit dem Verbleib an einer Schule zusammenhängen. Allerdings sind die Ergebnisse aus dem angloamerikanischen Raum aufgrund spezifischer Besonderheiten, z. B. des Beamtenrechts, nur schwer auf den deutschen Kontext übertragbar. Zwar gab es in der Vergangenheit in einigen Bundesländern (z. B. Brandenburg) Initiativen, Lehrkräfte durch standortbezogene Zulagen zu motivieren, an Schulen in peripheren Regionen zu unterrichten. Der Erfolg solcher Maßnahmen wurde bislang jedoch nicht wissenschaftlich evaluiert. Im Rahmen einer Pressekonferenz zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 berichtete der damalige brandenburgische Bildungsminister Günter Baaske allerdings, dass in seinem Bundesland nur eine Lehrkraft eine solche Sonderzahlung in Anspruch genommen habe. Inzwischen hat Brandenburg seine Strategie geändert und versucht im Rahmen des Programms „Landlehrerinnen und Landlehrer“ bereits Lehramtsstudierende für den Unterricht an Brandenburger Schulen mit besonderem Bedarf an voll ausgebildeten Lehrkräften zu gewinnen (MBJS 2021). Ähnliche Versuche sind auch für andere Professionen zu beobachten, etwa für Mediziner:innen, für die einige Bundesländer, z. B. Bayern, eine sogenannte Landarztprämie eingeführt haben (Bayerische Staatskanzlei 2020).

Die vorliegenden Ergebnisse bieten darüber hinaus Anlass, die zukünftige Ausgestaltung von schulscharfen Ausschreibungen bzw. schulscharfen Bewerbungen erneut zu diskutieren. Diese ermöglichen den Schulen Autonomie und werden als Grundlage schulischer Personalentwicklung beschrieben (Thiel und Schewe 2022). Schulforschung und reformorientierte Schulpolitik sehen in der Einstellung von Lehrkräften, deren Qualifikation und Motivation zum Schulprogramm oder zu einem bestimmten Schulentwicklungsprojekt passen, einen entscheidenden Faktor für den Erfolg der Schule und für die Stärkung der Schulautonomie (Bellenberg et al. 2001). Eine schulbezogene Stellenbesetzung ermöglicht somit der Einzelschule eine aktive Gestaltung ihrer Personalpolitik. Unsere Befunde stützen jedoch die Befürchtung, dass dadurch die Gleichwertigkeit des schulischen Bildungsangebots gefährdet sein könnte (Klemm und Meetz 2004). In Flächenländern und Stadtstaaten wird das Verfahren vor allem aufgrund der Erfahrung kritisiert, dass Schulen in weniger attraktiven Regionen oder Lagen im Wettbewerb um hochqualifiziertes Personal deutlich benachteiligt sind (Thiel und Schewe 2022). So würde die Autonomie der einen Schule zu Lasten der anderen Schule gehen. Treptow und Rothland (2005) kommen daher zu dem Schluss, dass in Mangelsituationen die Einstellungsbehörden der Länder nicht umhin kommen, administrativ steuernd einzugreifen, um eine gleichmäßige Versorgung aller Schulen zu gewährleisten.

Neben der Frage der Verteilung von qualifizierten Lehrkräften wird in der Bildungspolitik insbesondere die Frage diskutiert, wie mehr Lehrkräfte für den Schuldienst gewonnen und gut ausgebildet werden können. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) schlägt in ihrem Gutachten aus dem Jahr 2023 dazu unter anderem vor, die Zahl der Personen für eine Tätigkeit im Lehramt zu erweitern, z. B. durch die Gewinnung von Fachstudierenden für ein weiterführendes Lehramtsstudium oder der Gewinnung von international ausgebildeten Lehrkräften (SWK 2023). Darüber hinaus spricht sich die SWK auch für die Einrichtung von Master-Studiengängen aus, die einen zweiten Weg in den Lehrberuf ermöglichen und die Voraussetzungen für die Teilnahme am Vorbereitungsdienst schaffen. Auch der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (2023) hat sich ausführlich mit dem bestehenden Mangel an Lehrkräften beschäftigt und selbst eine umfassende Sammlung an Maßnahmen zur Reform der Lehrkräftebildung vorgeschlagen. Wie die SWK schlägt auch der Stifterverband eine Ausweitung der Zielgruppe für den Lehrberuf vor und spricht sich sowohl für die Einführung von Ein-Fach-Studiengängen als auch für einen qualitätsgesicherten Quereinstieg als gleichberechtigten Weg in den Lehrberuf aus. Darüber hinaus sollen die Studiengänge attraktiver und qualitativ verbessert werden, um so die Zahl der Lehramtsabsolvent:innen zu erhöhen. Die bisherigen Vorschläge zur Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung und zur Gewinnung neuer Lehrkräfte haben dazu beigetragen, dass die KMK am 14.03.2024 weitreichende Ergänzungen beschloss. Dazu gehört die Zulassung von Ein-Fach-Lehrkräften für bestimmte Lehramtstypen sowie die Einrichtung eines dualen Lehramtsstudiums bzw. von Quereinstiegs-Masterstudiengängen (KMK 2024). Damit eröffnen sich für die Länder weitere Möglichkeiten den Weg in das Lehramtsstudium zu öffnen und weitere Personen über die unterschiedlichen Wege zu gewinnen.

Hinsichtlich der Implikationen für die Forschung zeigt unsere Arbeit, wie erkenntnisreich schulstatistische Daten für die Bildungsverwaltung und die Bildungsforschung sein können. Durch ein partnerschaftliches Erkenntnisinteresse können Symbiosen entstehen, die es ermöglichen, Steuerungswissen über das Bildungssystem zu generieren. Unsere Befunde machen auch deutlich, dass wir mehr Forschung darüber brauchen, wie die Zuweisung von Lehrkräften an Schulen erfolgt und nach welchen Kriterien sich Lehrkräfte für eine bestimmte Schule entscheiden. Nach dem Vorbild des US-amerikanischen Schools and Staffing Survey bedarf es zudem nicht nur Daten über die Zahl der Einstellungen, wie sie derzeit von der KMK für Deutschland bereitgestellt werden. Um Phänomene wie den Lehrkräftemangel besser verstehen und untersuchen zu können, braucht es auch Daten darüber, wie viele und welche Lehrkräfte wo und wann aus dem System ausscheiden.