1 Einleitung

Während der Corona-Pandemie mussten viele Lehr-Lern-Situationen kurzfristig in den digitalen Raum verlagert werden. Dies betraf auch Fortbildungen, die spontan nicht wie geplant in Präsenz angeboten werden konnten. Bei fachdidaktischen Fortbildungen zum Gegenstand Diagnose und Förderung von Verstehensgrundlagen im Kontext des Projektes „Mathe sicher können“ (Prediger 2023) trat dieser Fall auch auf. Die zuvor für die Durchführung der erwähnten Fortbildungsreihe qualifizierten Fortbildner:innen äußerten im Rahmen von Reflexionsgesprächen nach den Fortbildungen, dass sie hinsichtlich des spontanen Wechsels in das digitale Format insbesondere die Aktivierung der teilnehmenden Lehrkräfte und das Leiten der Diskussionen als sehr herausfordernd wahrnahmen. In bisherigen Studien zum Vergleich von Fortbildungen in Präsenz und Online-Fortbildungen zeigten sich allerdings kaum Differenzen zwischen beiden Formaten hinsichtlich der Effekte auf der Lehrkräfte- oder Lernendenebene (u. a. Carey et al. 2008; Fishman et al. 2013; Heck et al. 2019; Rock 2017; Russell et al. 2008, 2009).

Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass in der bestehenden Forschung kaum auf Differenzen beider Formate in der konkreten Fortbildungsgestaltung eingegangen wird, erfolgt in diesem Beitrag in Rückgriff auf eine Gelegenheitsstichprobe eine diesbezügliche explorative Analyse. Dabei wird untersucht, inwiefern sich Fortbildungen zu einem mathematischen Gegenstand (wie Multiplikation und Zahlenrechnen), die von den Fortbildner:innen-Tandems einmal in Präsenz und einmal im digitalen Format durchgeführt wurden, charakterisieren lassen und inwiefern tatsächlich Unterschiede zwischen den Formaten ausgemacht werden können.

Dabei findet eine Orientierung am Angebots-Nutzungsmodell von Lipowsky und Rzejak (2019) statt, in dem die Wirkungsweisen von Fortbildungen dargestellt beziehungsweise verschiedene Einflussfaktoren für die Fortbildungsebene unterschieden werden. Zudem werden zur Charakterisierung der durchgeführten Fortbildungen die folgenden Merkmale von qualitativ hochwertigen Lehrkräftefortbildungen herangezogen, die sich in diversen Meta-Studien (Desimone et al. 2002; Garet et al. 2008; Timperley et al. 2007 oder Yoon et al. 2007) als zentral herausgestellt haben: Balancierung von Input-Phasen durch die Fortbildner:innen und aktiven Phasen (Forschungsfrage 1) sowie Qualität und Quantität angebotener Lerngelegenheiten durch Adressierung der Merkmale effektiver Fortbildungen (Forschungsfrage 2). Betrachtet wird dabei insbesondere, inwiefern ein inhaltlicher Fokus eingenommen wird, aktives Lernen der Lehrkräfte stattfindet, die Fortbildungen durch Feedback und Reflexion gekennzeichnet sind, Lehrkräfte-Kooperation angeregt wird, die Lehrkräfte durch die Fortbildner:innen unterstützt werden und eine Auseinandersetzung mit der unterrichtlichen Umsetzung der Fortbildungsinhalte stattfindet (Cohen-Nissan und Kohen 2023). Darüber hinaus werden im Rahmen der Analysen auch die durch die Fortbildner:innen angewandten Moderationsstrategien betrachtet (Forschungsfrage 3), die bei der Gestaltung von Lerngelegenheiten beziehungsweise der Durchführung der Fortbildungen eine zentrale Rolle spielen (González et al. 2016; van Es et al. 2014). Dabei handelt es sich um Impulse, die das Lernen der Lehrkräfte in der Fortbildung in unterschiedlichem Maße unterstützen können und hinsichtlich verschiedener Ziele eingesetzt werden (Schüler und Rösken-Winter 2018).

2 Gestaltung von Fortbildungen durch Fortbildner:innen

Im Angebots-Nutzungsmodell von Lipowsky und Rzejak (2019) werden für die Fortbildungsebene verschiedene Einflussfaktoren unterschieden, wobei der Qualität und Quantität der Lerngelegenheiten für Lehrkräfte in Fortbildungen eine besondere Bedeutung zukommen. Dementsprechend wird hierauf für den Vergleich der beiden Fortbildungsformate zum jeweils selben Fortbildungsinhalt und vermittelt durch dasselbe Fortbildungs-Tandem der Fokus gelegt. Dazu wird in Abschn. 2.1 zunächst auf Forschungsergebnisse zum Vergleich von digitalen Fortbildungen und Präsenz-Fortbildungen und allgemeine Ergebnisse zu digitalen Fortbildungen eingegangen. Anschließend wird die Gestaltung von Fortbildungen durch die Fortbildner:innen aufgegriffen, indem in Abschn. 2.2 herausgestellt wird, welche inhaltlichen und strukturellen Aspekte hinsichtlich der Konzeption von Lerngelegenheiten in Fortbildungen für beide Formate bedeutend sind und in Abschn. 2.3 die Merkmale effektiver Fortbildungen dargelegt werden und aufgezeigt wird, inwiefern es diesbezügliche Forschungsergebnisse zu Unterschieden für digital vs. Präsenz gibt. Da bei der konkreten Gestaltung von Fortbildungen auch relevant ist, wie die Fortbildner:innen mithilfe verschiedener Moderationsstrategien auf die Beiträge der Lehrkräfte eingehen können, wird in Abschn. 2.4 auf diesbezügliche theoretische Rahmungen eingegangen.

2.1 Forschungsergebnisse zum Vergleich von digitalen und Präsenz-Fortbildungen und allgemeine Ergebnisse zu digitalen Fortbildungen

In den letzten Jahren haben verschiedene Vergleichsstudien gezeigt, dass Präsenz- und digitale Fortbildungen sich hinsichtlich der Effekte auf der Lehrkräfte- und der Schüler:innen-Ebene nicht deutlich unterscheiden (z. B. Carey et al. 2008; Fishman et al. 2013; Heck et al. 2019; Rock 2017; Russell et al. 2008, 2009). Fishman et al. (2013) verglichen beispielsweise ein digitales und ein Präsenz-Format einer Fortbildungsreihe zur Implementierung eines Science Curriculums hinsichtlich der Effekte auf das Wissen und die Beliefs der Lehrkräfte, ihr unterrichtliches Handeln und das Lernen der Schüler:innen. Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Fortbildungsformaten konnten nicht ausgemacht werden. In einer weiteren Vergleichsstudie zeigten sich auch bei verschiedenen Realisierungen digitaler Fortbildungen (z. B. synchron versus asynchron, Fortbildner:innen mit/ohne Expertise im Fach, unterschiedlicher Grad der Interaktion der Teilnehmer:innen) keine Unterschiede (Russell et al. 2009). Unabhängig von der Expertise der Fortbildner:innen, dem Tempo der Fortbildung oder dem Grad der Interaktion zwischen den Lehrkräften waren die Effekte auf die pädagogischen Überzeugungen der Lehrkräfte sowie ihre Unterrichtspraktiken vergleichbar (Russell et al. 2008).

Eine aktuelle Meta-Analyse zu Effekten von digitalen Lehrkräfte-Fortbildungen, in die 85 Studien im Pre-Post-Design einbezogen wurden, bescheinigt hohe Effekte auf der Lehrkräfte-Ebene, mittlere auf der Unterrichtsebene und kleine Effekte auf der Schüler:innen-Ebene (Morina et al. 2023). Zudem wird in Studien, in denen sich bei asynchronen digitalen Fortbildungen Lerneffekte bei Schüler:innen zeigten, herausgestellt, dass die Kooperation der Lehrkräfte in Bezug auf Materialien und Erfahrungen für den Erfolg der Veranstaltungen ausschlaggebend war (Frumin et al. 2018). In einem Übersichtsbeitrag zu digitalen Lehrkräfte-Fortbildungen wird des Weiteren als ein wichtiges Ergebnis benannt, dass Fortbildner:innen die Lehrkräfte-Aktivitäten vor allem zu Beginn der digitalen Fortbildung lernförderlich begleiten (Dille und Røkenes 2021).

In vielen Studien wird somit zum einen die Wirksamkeit von digitalen Fortbildungen herausgestellt oder zum anderen empirische Evidenz dafür beigesteuert, dass sich digitale Fortbildungen und Präsenz-Fortbildungen hinsichtlich ihrer Effekte auf Lehrkräfte‑, Unterrichts- und Schüler:innen-Ebene nicht unterscheiden (Lipowsky und Rzejak 2021). Wenig berichtet wird darüber, inwiefern die beiden Formate Unterschiede in der konkreten Gestaltung der Fortbildungen aufweisen. In dieser Hinsicht zeigen Fishman et al. (2013) den Bedarf an Studien auf, die viele verschiedene Fortbildungsformate untersuchen und betonen, dass die Bezeichnungen „digital“ und „in Präsenz“ für ein Verständnis dessen, wie die Fortbildungen konzipiert waren und welche Lerngelegenheiten den Lehrkräften geboten wurden, wenig aussagekräftig sind. Moon et al. (2014) formulierten einen Kommentar zu dem Beitrag von Fishman et al. (2013) und griffen darin auf, dass auch das Design einer Fortbildung hinsichtlich der zu erreichenden Lernziele spezifiziert werden sollte. Insbesondere stellten sie heraus, dass über die Frage hinaus, ob mit digitalen Formaten vergleichbare Effekte wie bei Präsenzfortbildungen erzielt werden können, insbesondere in den Blick genommen werden muss, inwieweit der Vergleich der Formate mit den spezifischen Fortbildungszielen und den integrierten Ansätzen der Unterstützung des Lehrkräftelernens zusammenhängt. Inwiefern sich Unterschiede in Bezug auf die Quantität und Qualität der Lerngelegenheiten bei digitalen und Präsenz-Fortbildungen ergeben, stellt somit ein Forschungsdesiderat dar.

2.2 Lerngelegenheiten in Fortbildungen: inhaltliche und strukturelle Aspekte

Ein wichtiges Qualitätsmerkmal von fachlichen und fachdidaktischen Lehrkräfte-Fortbildungen sind Lerngelegenheiten für Lehrkräfte, die auf für das Unterrichtsfach (hier Mathematik) relevantes fachliches Wissen und fachdidaktisches Wissen ausgerichtet sind (Garet et al. 2016; Penuel et al. 2007; Yoon et al. 2007). In Bezug auf die methodische Gestaltung dieser Lerngelegenheiten wird übereinstimmend die Bedeutung aktiven Lernens herausgestellt (Darling-Hammond et al. 2017; Desimone 2009; Lipowsky et al. 2011; Timperley et al. 2007). Das heißt, Lehrkräfte sollten insbesondere in fachdidaktisch ausgerichteten Fortbildungen die Möglichkeit erhalten, sich aktiv mit Aufgaben und Materialien auf der Unterrichtsebene auseinanderzusetzen, indem zum Beispiel Schüler:innenprodukte hinsichtlich eines bestimmten Lerngegenstands analysiert werden (Desimone et al. 2002). Barzel und Selter (2015) subsummieren die Relevanz der kognitiven Aktivierung unter das Gestaltungsprinzip der Teilnehmendenorientierung, mit dem betont werden soll, dass die Lehrkräfte mit ihren jeweiligen individuellen Wissensständen und Handlungsroutinen als Lernende in Fortbildungen adressiert werden. Auch für digitale Fortbildungen wird eine solche kognitive Aktivierung der Lehrkräfte als ein wichtiges Merkmal herausgestellt (Meyer et al. 2023). Im digitalen Format ist ebenso wichtig, dass Lehrkräfte neue Unterrichtsideen gemeinsam diskutieren und dabei ihre bisherige unterrichtliche Praxis reflektieren können (Yoon et al. 2020). Bisherige Studien zeigen, dass so auch in digitalen Fortbildungen eine kognitive Aktivierung der Lehrkräfte erreicht werden kann (Meyer et al. 2023; Scott und Huffling 2022).

Wenig berichtet wird darüber, welchen Anteil verschiedene Phasen von Fortbildungen an der Gesamtveranstaltung haben. In einer Studie von Garet et al. (2016) wird für eine Fortbildungsreihe herausgestellt, dass 90 % der Gesamtzeit der Behandlung mathematischer Inhalte und fachdidaktischer Aspekte, wie z. B. dem Verfolgen verschiedener Wege beim Problemlösen, gewidmet wurden. Etwa 10 % der Gesamtzeit wurden darauf verwendet, die Lernwege der Schüler:innen zu analysieren. Auch wenn in vielen Forschungsbeiträgen keine expliziten Angaben zu den einzelnen Phasen einer Fortbildung gemacht werden, ist davon auszugehen, dass die Elemente einer Veranstaltung in einer bestimmten Reihenfolge auftreten und mit spezifischen zeitlichen Kontingenten ausgewiesen werden können. Bei einem Übergang vom Präsenz- zum digitalen Format könnten sich solche Anteile durchaus verschieben, dazu gibt es in den bisherigen Forschungsarbeiten allerdings kaum, und wenn dann eher implizite Aussagen.

2.3 Effektive Fortbildungsbestandteile

Von besonderer Bedeutung für die spätere unterrichtliche Umsetzung ist die ko-konstruktive unterrichtsbezogene Kooperation der Lehrkräfte (Darling-Hammond et al. 2017; Lipowsky und Rzejak 2019). Auch dieses Merkmal wird als bedeutend für digitale Fortbildungen ausgewiesen. In einem Meta-Review stellten Bragg et al. (2021) heraus, dass die Zusammenarbeit mit anderen Lehrkräften sich auf die Zufriedenheit mit der Online-Fortbildung auswirkte. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Kooperation in digitalen Formaten nicht in derselben Art und Weise wie in Präsenzformaten stattfinden kann. Entsprechend berichten Meyer et al. (2023) in ihrer Studie mit 387 Lehrkräften, dass diese lediglich ein moderates Level für die Lehrkräfte-Kooperation im digitalen Format bescheinigten. Neben Input-Phasen durch die Fortbildner:innen sind somit auch Arbeitsphasen, in denen gezielt gemeinsam an den inhaltlichen Fortbildungsgegenständen gearbeitet wird, von Bedeutung (Lipowsky und Rzejak 2012).

In einem aktuellen Beitrag wird untersucht, inwiefern sich die Anteile von effektiven Fortbildungsbestandteilen wie inhaltlicher Fokus, aktives Lehrkräfte-Lernen, Feedback und Reflexion, Kooperation der Lehrkräfte, Unterstützung durch Fortbildner:innen und unterrichtliche Umsetzung beim Vergleich einer Präsenz- und einer Corona-bedingten Online-Fortbildung unterscheiden (Cohen-Nissan und Kohen 2023). Als Ergebnisse legten die Autor:innen dar, dass die Fortbildner:innen einen höheren Inhaltsfokus für die digitale Fortbildung ausmachten und eine geringere Unterstützung der Lehrkräfte berichteten.

Hier zeigen sich Ansatzpunkte für den Vergleich unterschiedlicher Fortbildungsformate, die vor allem auch das Agieren der Fortbildner:innen in den Blick nehmen. Für Präsenz-Fortbildungen wurde herausgestellt, dass die Diskussion unterrichtlicher Aspekte in Kleingruppen und das Feedback durch Peers, aber auch durch die Fortbildungsleitung, entscheidend sind (Barzel und Selter 2015; Lipowsky und Rzejak 2012). In Bezug auf die Lerngelegenheiten, die den Lehrkräften in beiden Formaten geboten wurden, hielten Fishman et al. (2013) fest, dass sich die Formate darin unterschieden, wie die Lehrkräfte mit den Fortbildungsmaterialien, den Fortbildner:innen selbst sowie untereinander interagierten und wie lange sie sich aktiv mit den Fortbildungsaktivitäten auseinandersetzten. Ob in digitalen Formaten effektive Fortbildungsbestandteile in ähnlicher Weise wie in Präsenz-Fortbildungen realisiert werden, ist eine offene Forschungsfrage, die in diesem Beitrag für inhaltlich identische Fortbildungen analysiert wird.

2.4 Moderationsstrategien in Fortbildungen

Die Relevanz der Rolle von Fortbildner:innen für das Lernen der Lehrkräfte in Fortbildungen ist unumstritten. Als Forschungsgegenstand fungieren dabei häufig die von Fortbildner:innen angewandten Praktiken, mit denen sie – etwa anhand der Durchführung von produktiven Diskussionen – das Lernen der Lehrkräfte in Fortbildungen unterstützen (Prediger et al. 2022). Untersucht wurden die Praktiken von Fortbildner:innen in den letzten Jahren primär aus zwei Perspektiven: Einerseits wird in einer kognitiven Perspektive das notwendige sowie vorhandene Wissen von Fortbildner:innen analysiert, andererseits werden in einer situierten Perspektive die von ihnen als didaktische Werkzeuge genutzten sichtbaren Moderationsstrategien in den Blick genommen. Genauer gesagt werden dabei die Impulse, die die Fortbildner:innen nutzen, um Beiträge der Lehrkräfte zu initiieren beziehungsweise auf solche zu reagieren, untersucht sowie kategorisiert. Zu diesen von Fortbildner:innen angewandten Moderationsstrategien liegen bereits zahlreiche theoretische Rahmungen (u. a. González et al. 2016; Tekkumru-Kisa und Stein 2017; van Es et al. 2014) und Untersuchungen (u. a. Borko et al. 2014; Coles 2013; Prediger und Pöhler 2019; Schüler und Rösken-Winter 2018; Zhang et al. 2011) vor, die sich teilweise auf videobasierte Fortbildungen beziehen und damit die Moderation von Diskussionen zu Unterrichtsvideos fokussieren. Die Studien zeigen, dass Fortbildner:innen vielfältige Moderationsstrategien nutzen, die dazu dienen können, produktive Diskussionen unter Lehrkräften zu initiieren und aufrechtzuerhalten. Die Moderationsstrategien, die in den verschiedenen Publikationen identifiziert werden, stimmen im Großen und Ganzen überein, werden allerdings in unterschiedlicher Art und Weise strukturiert beziehungsweise kategorisiert.

Borko et al. (2014) unterscheiden beispielsweise drei Ansätze zum Orchestrieren produktiver Diskussionen mit Videos, nämlich das Einholen von Ideen beziehungsweise Gedanken der Lehrkräfte, das Suchen nach Belegen im Video für bestimmte Annahmen sowie das Herstellen von Verknüpfungen zwischen den Beobachtungen im Video und mathematischen Kernideen.

Van Es et al. (2014) hingegen ordnen ihre gelisteten Moderationsstrategien (s. aufgegriffene Moderationsstrategien unten in Klammern bzw. Definitionen dieser im Anhang) den folgenden vier Kategorien von Ansätzen zur Ermöglichung substanzieller Diskussionen in videobasierten Fortbildungen zu:

  1. 1.

    Lenken der Aufmerksamkeit der Lehrkräftegruppe auf die Aufgabe beziehungsweise das Video (Zugeordnete Moderationsstrategien: Contextualizing und launching).

  2. 2.

    Aufrechterhalten substanzieller und produktiver Diskussionen zum Video (Zugeordnete Moderationsstrategien: Highlighting, lifting up, pressing, clarifying, offering an explanation, countering).

  3. 3.

    Beibehalten des Fokus auf dem Video und der Mathematik (Zugeordnete aufgegriffene Moderationsstrategie: Connecting ideas).

  4. 4.

    Unterstützen des Austausches innerhalb der Gruppe der Fortbildungsteilnehmenden (Zugeordnete Moderationsstrategien: Standing back, distributing participation, validating participant ideas).

Die Oberkategorien der Moderationsstrategien von Borko et al. (2014) sowie van Es et al. (2014) lassen den Bezug der Moderationen speziell auf die Diskussion von Unterrichtsvideos in Fortbildungen erkennen. Dennoch hat sich der Großteil der in diesem Rahmen identifizierten Moderationsstrategien zur Initiierung von und Reaktion auf Lehrkräftebeiträge als gut übertragbar auf die allgemeine Fortbildungsmoderation erwiesen (Prediger und Pöhler 2019; Schwarts et al. 2021). Das heißt, neben der Diskussion von Unterrichtsvideos können die Moderationsstrategien auch für die Einführung, Durchführung und Reflexion von Fortbildungsaktivitäten, die sich zum Beispiel auf Schüler:innenbeiträge beziehen, betrachtet werden.

Eine Forschungslücke existiert allerdings in Bezug auf Studien aus der Mathematikdidaktik, die auf einen Fortbildungsgegenstand bezogen, die Moderationsstrategien von Fortbildner:innen in Fortbildungen, die sowohl in Präsenz als auch digital stattgefunden haben, sowie deren Oberkategorien vergleichend in den Blick nehmen.

3 Zusammenfassung und Forschungsfragen

In Anlehnung an das Angebots-Nutzungsmodell wird für den Vergleich einer Fortbildung, die einmal in Präsenz und einmal digital von denselben Fortbildner:innen-Tandems angeboten wurde, die konkrete Ausgestaltung der Fortbildungen fokussiert. Insbesondere werden die Qualität und Quantität der Lerngelegenheiten hinsichtlich der folgenden Aspekte betrachtet: Anteil der aktiven und der reinen Input-Phasen, Auftreten der Merkmale effektiver Fortbildungen nach Cohen-Nissan und Kohen (2023) und von den Fortbildner:innen eingesetzte Moderationsstrategien (Borko et al. 2014 und van Es et al. 2014) zur Unterstützung des Lernens der Lehrkräfte. Insbesondere werden die nachstehenden Forschungsfragen vor dem Hintergrund der jeweiligen Hypothesen verfolgt:

FF1

Inwiefern unterscheiden sich der zeitliche Anteil aktiver Phasen und reiner Input-Phasen in einer fachdidaktischen Fortbildung, die einmal in Präsenz und einmal digital von denselben Fortbildner:innen-Tandems angeboten wurde?

Herausgestellt wird für digitale Fortbildungen, dass der Anteil aktiven Lernens entscheidend für Wissenszuwächse bei Lehrkräften und die Änderung von Handlungsroutinen ist (Meyer et al. 2023). Für digitale Fortbildungen stellen Dille und Røkenes (2021) zudem die Begleitung der Lehrkräfte bei Aktivitäten durch die Fortbildner:innen als entscheidendes Ergebnis ihres Übersichtsartikels heraus. In bisherigen Studien wird jedoch wenig darüber berichtet, in welchem Umfang verschiedene Phasen in den unterschiedlichen Fortbildungsformaten auftreten können. Insofern wird explorativ für die vom selben Fortbildungstandem zum selben Fortbildungsinhalt angebotenen digitalen und Präsenz-Fortbildungen analysiert, ob sich Unterschiede hinsichtlich des Anteils aktiver Phasen und reiner Input-Phasen durch die Fortbildner:innen zeigen.

FF2

Inwieweit treten Merkmale effektiver Fortbildungen in einer fachdidaktischen Fortbildung, die von denselben Fortbildner:innen-Tandems jeweils einmal in Präsenz und digital angeboten wurde, auf?

In Anlehnung an die Untersuchung von Cohen-Nissan und Kohen (2023) wird für Präsenz- und digitale Fortbildungen zum selben Fortbildungsgegenstand untersucht, inwiefern effektive Fortbildungsmerkmale wie inhaltlicher Fokus, aktives Lehrkräfte-Lernen, Feedback und Reflexion, Kooperation der Lehrkräfte, Unterstützung durch Fortbildner:innen und unterrichtliche Umsetzung auftreten. Unterschieden wird dabei ebenso wie bei Cohen-Nissan und Kohen (2023), ob allgemein-pädagogische oder fachlich-fachdidaktische Aspekte in der jeweiligen Fortbildungssequenz im Mittelpunkt standen.

Für die Online-Fortbildungen wird in Übereinstimmung mit den bisherigen Forschungsergebnissen eine geringere Unterstützung durch die Fortbildner:innen-Tandems und ein stärkerer Fokus auf den Inhalt erwartet.

FF3

Welche Moderationsstrategien von zwei Fortbildner:innen-Tandems zeigen sich bei einer fachdidaktischen Fortbildung, die einmal in Präsenz und einmal digital angeboten wurde?

In Rückgriff auf van Es et al. (2014) und Borko et al. (2014) wird angenommen, dass sich in beiden Varianten Moderationsstrategien zeigen, die verschiedenen Oberkategorien zugeordnet werden können. Da es bisher keine Forschungsergebnisse zu Unterschieden bei digitalen und Präsenz-Fortbildungen in Bezug auf die Moderation gibt, können für das unterschiedliche Auftreten in den beiden Formaten keine Angaben gemacht werden.

4 Methode

4.1 Forschungs- und Fortbildungskontext der Studie

Die präsentierte Studie ist Teil des Forschungsprojekts PuL_Fo: „Praktiken & Lernwege von Multiplikator:innen bei Fortbildungen zur ‚Diagnose & Förderung von Verstehensgrundlagen‘“. In Pul_Fo wird primär die wiederholte Durchführung von Fortbildungsreihen zum Projekt „Mathe sicher können“ (Prediger 2023) durch Fortbildner:innen, die zuvor eine einjährige Qualifizierung durchlaufen haben, untersucht. Die Fortbildungsreihen, die jeweils mehrere (hauptsächlich auf drei Stunden ausgelegte und über ein Jahr verteilte) Fortbildungen umfassen, werden von insgesamt sieben Fortbildner:innen-Tandems verantwortet. Zur Realisierung der einzelnen Fortbildungen stehen den Fortbildner:innen adaptierbare Foliensätze sowie weitere Materialien wie Unterrichtsvideos oder Arbeitsblätter zur Verfügung. Initial war geplant, die Fortbildungen vollständig in Präsenz durchzuführen. Im Verlauf der ersten Fortbildungsreihe im Jahr 2020 mussten die Fortbildungen Corona-bedingt teils spontan auf das digitale Format umgestellt werden. In den zwei darauffolgenden Durchgängen der Fortbildungsreihe (September 2021 bis Mai 2022 und September 2022 bis Mai 2023) wurden die Fortbildungen entweder im digitalen Format oder in Präsenz angeboten.

4.2 Stichprobe und Methoden der Datenerhebung

Als Datenkorpus der hier berichteten Studie fungieren die insgesamt acht Videos von drei unterschiedlichen Fortbildungen aus dem oben erwähnten Kontext von zwei der Fortbildner:innen-Tandems. Während das erste Tandem aus einer Fortbildnerin und einem Fortbildner besteht, setzt sich das zweite Tandem aus zwei Fortbildnerinnen zusammen. Die Fortbildnerin des ersten Tandems ist an einer Grundschule als Mathematiklehrkraft tätig, bei ihrem Tandempartner handelt es sich um einen Mathematiklehrer an einem Gymnasium. Die Fortbildnerinnen des zweiten Tandems sind beide Mathematiklehrerinnen an Grundschulen. Die Kohorten der Lehrkräfte, die an den Fortbildungen in den drei Durchgängen der Fortbildungsreihe teilgenommen haben, setzten sich aus Personen mit unterschiedlicher Unterrichtserfahrung zusammen. So haben sowohl Lehrkräfte teilgenommen, die im ersten Jahr, als auch solche, die seit mehr als 20, in einigen Fällen seit mehr als 30 Jahren, unterrichteten. Außerdem bestanden alle drei Kohorten zu mehr als 70 % aus weiblichen Lehrkräften. Weitere Informationen zu den Hintergründen der Lehrkräfte stehen nicht zur Verfügung, da es sich Corona-bedingt um eine Gelegenheitsstichprobe handelt. Für den vorliegenden Beitrag werden drei verschiedene Fortbildungen aus der Fortbildungsreihe näher betrachtet – nicht alle Fortbildungen konnten videographiert werden, da teils die Zustimmungen der Schulleitungen fehlten. Aus diesem Grund fokussieren wir in diesem Beitrag diejenigen Fortbildungen, die uns videographiert für beide Fortbildungsformate vorlagen (Tab. 1).

Tab. 1 Digitale und Präsenz-Fortbildungen der beiden fokussierten Fortbildner:innen-Tandems

Insgesamt wurden acht Fortbildungssitzungen videographiert. Gegenstände der ersten Fortbildung des ersten Fortbildner:innen-Tandems waren das gegenseitige Kennenlernen der Lehrkräfte und Fortbildner:innen, der Austausch über Erwartungen der Lehrkräfte an die Fortbildungsreihe und ihre Motivation für die Teilnahme an dieser sowie die Auseinandersetzung mit den didaktischen Leitideen und Materialien des Projektes „Mathe sicher können“. Zudem wurde der Einsatz exemplarischer Standortbestimmungen zur Diagnose von Verstehensgrundlagen bei Schüler:innen thematisiert, die die Lehrkräfte in der anschließenden Distanzphase bis zur nächsten Fortbildung mit ihren eigenen Schüler:innen durchführten. Die zweite Fortbildung, die für die Studie betrachtet wurde, wurde von beiden Fortbildner:innen-Tandems durchgeführt, jeweils einmal in Präsenz und einmal digital. Gegenstand dieser Fortbildung war die Diagnose und Förderung des multiplikativen Operationsverständnisses. Dabei wurde dies als relevante Verstehensgrundlage für viele im Mathematikunterricht später zu behandelnde Themen herausgestellt und an die Grundvorstellungen zur Multiplikation und Division angebunden. Darüber hinaus erfolgte anhand von Fallbeispielen die Auseinandersetzung mit typischen Lernendenschwierigkeiten hinsichtlich des Operationsverständnisses und es wurde erarbeitet, wie dies mit den Materialien von Mathe sichern können gezielt gefördert werden kann. Eine dritte Fortbildung, die vom zweiten Fortbildnerinnen-Tandem einmal digital und einmal in Präsenz durchgeführt wurde, widmete sich dem Thema „halbschriftliches Rechnen“. In dieser wurde zunächst das Zahlenrechnen als mündliches und halbschriftliches Rechnen dem Ziffernrechnen im Sinne der schriftlichen Normalverfahren gegenübergestellt. Bevor eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Strategien des halbschriftlichen Rechnens zu den vier Grundrechenarten und Förderansätzen stattfand, wurde das Potenzial des Rechnens auf verschiedenen Wegen im Allgemeinen thematisiert.

4.3 Methoden der Datenanalyse

Die vier Videos der Präsenz-Fortbildungen und die vier Videos der digitalen Fortbildungen wurden mithilfe der Software MAXQDA (2023) qualitativ analysiert. Für die Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurden die zeitlichen Anteile verschiedener Fortbildungsphasen bestimmt. Unterschieden wurden dabei Input-Phasen (durch die Fortbildner:innen) und aktive Phasen mit Lehrkräfte-Aktivitäten beziehungsweise deren Diskussion (Fortbildner:innen und Lehrkräfte gemeinsam). Zusätzlich wurden Phasen mit technischen Erklärungen (durch die Fortbildner:innen) kategorisiert. In Fällen, in denen sich die Phasen überschnitten haben, wurden die Fortbildungssequenzen mehrfach kodiert. In die Betrachtung einbezogen wurden nur aktive Fortbildungsphasen, d. h. Pausen oder Erklärungen zum Distanzauftrag für die Zeit bis zur nächsten Fortbildung etc. wurden nicht berücksichtigt und nicht kodiert. Beide Aspekte bedingen, dass die prozentualen Anteile 100 % zum Teil unter- bzw. überschreiten.

Mit Blick auf die zweite Forschungsfrage wurde eine inhaltlich-strukturierende Inhaltsanalyse als methodischer Zugang verwendet, um zentrale Aspekte im Datenmaterial zu identifizieren und den Datenkorpus deduktiv zu beschreiben. Dabei wurden die Videos hinsichtlich der folgenden Merkmale effektiver Fortbildungen nach Cohen-Nissan und Kohen (2023) kodiert:

  • „Inhaltlicher Fokus“: Fokus der Fortbildungssequenz liegt auf allgemein-pädagogischen oder fachlich-fachdidaktischen Aspekten mit Bezug zur Entwicklung des mathematischen Verständnisses der Schüler:innen.

  • „Aktives Lehrkräfte-Lernen“: Fortbildungssequenz lässt Lehrkräfte als Lernende erkennen, die vor dem Hintergrund ihres Vorwissens und ihrer Erfahrungen neue allgemein-pädagogische oder fachlich-fachdidaktische Aspekte in ihr Wissen integrieren.

  • „Feedback und Reflexion“: Diskussion und Nachdenken über allgemein-pädagogische oder fachlich-fachdidaktische Aspekte der Unterrichtspraxis.

  • „Kooperation der Lehrkräfte“: Fortbildner:innen regen Kooperation der Lehrkräfte an oder Lehrkräfte tauschen sich zu Ideen in Bezug auf allgemein-pädagogische oder fachlich-fachdidaktische Aspekte zur Entwicklung des Unterrichts im Team aus.

  • „Unterstützung durch Fortbildner:innen“: Förderung des allgemein-pädagogischen oder fachlich-fachdidaktischen Wissens der Lehrkräfte in Bezug zum mathematischen Gegenstand und mit Blick auf die Erweiterung des unterrichtlichen Handlungsrepertoires.

  • „Unterrichtliche Umsetzung der Inhalte“: Fokussierung bestimmter Aspekte des mathematischen Gegenstandes aus einer fachlich-fachdidaktischen Perspektive mit Blick auf die unterrichtliche Umsetzung.

Differenziert wurden dabei in Anlehnung an Cohen-Nissan und Kohen (2023) Phasen mit einem Fokus auf allgemein-pädagogischen und fachlich-fachdidaktischen Inhalten. Wurden in einer Fortbildungssequenz zum Beispiel motivationale Aspekte der Schüler:innen diskutiert, wurde diese Sequenz als pädagogischer Inhalt kodiert. Standen eher Aspekte wie das Vorgehen der Schüler:innen bei einer bestimmten Mathematikaufgabe im Vordergrund, wurde die Sequenz als fachlich-fachdidaktischer Inhalt kodiert. Bei der Kodierung wurden für einzelne Segmente mehrere Kodes vergeben, um zu berücksichtigen, dass z. B. die unterrichtliche Umsetzung eines mathematischen Gegenstands im Mittelpunkt stand und gleichzeitig reflektiert wurde, wie die Lehrkräfte den Gegenstand bisher unterrichtet haben. Die Kategorisierung erfolgte sowohl auf Basis der Äußerungen der Teilnehmer:innen als auch der Fortbildner:innen. Der Anhang gibt einen Überblick über die Kategorien, ihre Definitionen und aufgetretene Ankerbeispiele für die Kategorien.

Für die Datenanalysen zu den Forschungsfragen 1 und 2 wurden zunächst Fortbildungssequenzen ausgemacht, in denen sich das jeweilige Merkmal zeigte. Dann wurde festgehalten, wie lang die jeweilige Fortbildungssequenz war. Anschließend wurden die Zeiten der Fortbildungssequenzen zu einem Merkmal addiert und an der Gesamtzeit des Videos relativiert.

Zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage erfolgte zunächst die Kodierung der Impulse der Fortbildner:innen in den aktiven Phasen mit Lehrkräfte-Aktivitäten bzw. deren Diskussion auf Basis des Kategoriensystems nach van Es et al. (2014). Da in den fokussierten Fortbildungen nicht nur der Umgang der Fortbildner:innen mit der Analyse von Unterrichts- oder Fördervideos durch die Lehrkräfte im Vordergrund stand, musste die Beschreibung der Moderationsstrategien minimal adaptiert werden. Ferner wurden einzelne Moderationsstrategien datenbasiert ergänzt, weggelassen, sofern sie gar nicht aufgetreten sind, oder konkretisiert. Abweichend zu van Es et al. (2014) erfolgte die Strukturierung der Moderationsstrategien (s. Anhang) in Anlehnung an die Kategorisierung von Borko et al. (2014) in Bezug auf das „Einfordern von Beiträgen“ der Lehrkräfte, das „Einbringen eigener Beiträge“ durch die Fortbildner:innen und das „Reagieren auf Beiträge“ der Lehrkräfte. Das heißt, ausgehend vom „Einholen von Ideen“ beziehungsweise Gedanken der Lehrkräfte nach Borko et al. (2014) erfolgte die Bildung dieser drei Oberkategorien der Moderationsstrategien basierend auf den potenziell mit ihnen verknüpften Zwecken. So wird danach unterschieden, ob die Impulse primär auf das Einfordern von (weiteren) Beiträgen der Lehrkräfte abzielen (wie beim „Pressing“ als Auffordern zur Präzisierung von Lehrkräftebeiträgen), ob durch diese hauptsächlich eigene Beiträge der Fortbildner:innen transportiert werden (wie beim „Offering an explanation“ als Liefern von Erklärungen für gewisse Phänomene) oder ob mit diesen auf bestimmte Lehrkräftebeiträge direkt reagiert wird (wie beim „Countering“ als Hereinbringen einer zur Äußerung der Lehrkräfte alternativen Perspektive). Der Anhang gibt einen Überblick über das Kategoriensystem für Moderationsstrategien dieser drei Oberkategorien. Anschließend wurde die Quantität der vorgekommenen Moderationsstrategien kontrastiert. Da in den Fortbildungsvideos unterschiedlich viele Moderationsimpulse kodiert wurden, werden für den Vergleich die relativen Häufigkeiten herangezogen. Zusätzlich wurden die angewandten Moderationsstrategien anhand der erwähnten Oberkategorien (Einfordern von Lehrkräftebeiträgen, Einbringen eigener Beiträge, Reagieren auf Lehrkräftebeiträge) aufsummiert, da einzelne Moderationsstrategien in dem fokussierten Datenkorpus eher selten auftraten.

Die Kodierung der Videos erfolgte für die verschiedenen Analysen unabhängig durch drei Forscherinnen, die zu zweit die jeweiligen Videos kodiert haben. Für die Bestimmung der Interrater-Reliabilität wurde 20 % des Datenmaterials herangezogen (Stokhof et al. 2019). Für die Kodierung der Phasen (FF1) und Moderationsstrategien (FF3) ergab sich ein Cohens Kappa zwischen Κ = 0,80 und Κ = 0,87, für die Kodierung der Merkmale von effektiven Fortbildungen (FF2) wurde ein Cohens Kappa zwischen Κ = 0,83 und Κ = 0,90 erreicht.

5 Ergebnisse

Die Ergebnisse zur Quantität und Qualität der Lerngelegenheiten von Fortbildungen, die einmal in Präsenz und einmal digital durchgeführt wurden, werden im Folgenden entlang der Forschungsfragen berichtet. Zunächst wird auf den Anteil verschiedener Phasen und die unterschiedliche Beteiligung der Akteur:innen sowie die Qualität dieser Phasen eingegangen (Abschn. 5.1 und 5.2). Anschließend wird berichtet, inwiefern sich die Moderationsstrategien der Fortbildner:innen-Tandems in den beiden Fortbildungsformaten unterscheiden und welche Begründungen für Abweichungen in der digitalen Variante berichtet werden (Abschn. 5.3).

5.1 Zeitlicher Anteil aktiver Phasen derselben Fortbildungen in Präsenz und digital

In der ersten Forschungsfrage ging es darum, zu klären, ob sich die zeitlichen Anteile aktiver Phasen und reiner Input-Phasen ein- und derselben Fortbildung, die in unterschiedlichem Format (Präsenz versus digital) vom selben Fortbildner:innen-Tandem angeboten wurde, unterscheiden. Betrachtet werden dabei Input-Phasen, in denen die Fortbildner:innen eine kurze Einführung in die fachlichen und fachdidaktischen Aspekte des Fortbildungsthemas geben. Zweitens wurden Phasen mit Aktivitäten, in denen die Lehrkräfte zum Beispiel eine Schulbuchaufgabe bzgl. möglicher Schüler:innenlösungen erarbeiten und dann gemeinsam mit den Fortbildner:innen diskutieren und reflektieren, kodiert. Drittens wurden Phasen berücksichtigt, in denen es um rein technische Erklärungen rund um die Fortbildungen, insbesondere im digitalen Format, ging.

Tab. 2 zeigt die Anteile der Phasen für die beiden Formate für das Fortbildner:innen-Tandem 1.

Tab. 2 Zeitliche Anteile der Phasen in den Fortbildungen 1 und 2 der „Mathe sicher können“-Fortbildungsreihe des Fortbildner:innen-Tandems 1

Ein Vergleich der Input-Phasen durch das Fortbildner:innen-Tandem 1 weist für die digitale Variante der Fortbildung 1 einen wesentlich höheren Anteil aus, für die Fortbildung 2 zeigt sich der Unterschied in dieser Höhe nicht. Sehr deutlich unterscheiden sich für beide Fortbildungen die Phasen, in denen die Fortbildner:innen eine Aktivität für die Lehrkräfte angeboten haben und diese gemeinsam diskutiert wurde. In der Präsenz-Fortbildung der Auftaktveranstaltung der Fortbildungsreihe (Fortbildung 1) und auch in Fortbildung 2 nahm diese Phase einen hohen Anteil ein, in der digitalen Variante blieb für die aktive Beteiligung der Lehrkräfte nur wenig Zeit. Eine ähnliche Verteilung für diese Phase zeigt sich für dasselbe Fortbildner:innen-Tandem für die Fortbildung 2 zum multiplikativen Operationsverständnis. In beiden digitalen Fortbildungen treten Phasen, in denen technische Erklärungen gegeben werden, auf und nehmen ungefähr gleich viel Zeit in Anspruch.

Ein zum Teil ähnliches Bild zeigt sich für die Fortbildungen 2 und 3 der Fortbildungsreihe, die vom Fortbildner:innen-Tandem 2 durchgeführt wurden (Tab. 3). Nicht kodiert wurden Pausen und Erklärungen der Fortbildner:innen zum Distanzauftrag für die Erprobung von Unterrichtsideen für den nächsten Präsenztermin. Letztgenannter Aspekt nahm in Fortbildung 3 viel Zeit ein, sodass diese Phase nicht berücksichtigt wurde, um die drei betrachteten Fortbildungen in ihrer inhaltlichen Ausrichtung gleich zu halten. Die Angaben in Tab. 3 ergeben zusammengenommen nicht die Gesamtzeit des Videos.

Tab. 3 Zeitliche Anteile der Phasen in den Fortbildungen 2 und 3 der „Mathe sicher können“-Fortbildungsreihe des Fortbildner:innen-Tandems 2

Bei Fortbildner:innen-Tandem 2 zeigt sich beim Vergleich der Input-Phasen der Präsenz-Fortbildungen und der digitalen Varianten derselben Fortbildungen ein unterschiedliches Bild. In Fortbildung 2 nahm die Input-Phase der Präsenzveranstaltung viel Raum ein, für Fortbildung 3 kann ein geringfügig höherer Anteil bei der digitalen Variante festgehalten werden. Ein ähnliches Bild für die Phase Aktivität bzw. Diskussion wie bei Fortbildner:innen-Tandem 1 kann auch für das Tandem 2 bei Fortbildung 3 festgehalten werden. Der Anteil dieser Phase ist in der Präsenzveranstaltung deutlich höher als bei der digitalen Variante – kein Unterschied zeigt sich bei Fortbildung 2. Bei den digitalen Fortbildungen treten auch wieder Phasen auf, in denen die Fortbildner:innen technische Erklärungen geben und Fragen dazu klären. Der Anteil dieser Phasen ist ähnlich hoch wie bei den digitalen Fortbildungen des Fortbildner:innen-Tandems 1.

5.2 Merkmale effektiver Fortbildungen derselben Fortbildung in Präsenz vs. digitale Variante

In Bezug auf Forschungsfrage 2 wird nun betrachtet, inwiefern sich die beiden Formate auch hinsichtlich ihrer Qualität unterscheiden. Zurückgegriffen wird dabei zum Teil auf Merkmale effektiver Fortbildungen nach Cohen-Nissan und Kohen (2023). Tab. 4 zeigt differenziert nach pädagogischen und fachdidaktischen Aspekten, inwiefern und mit welchem zeitlichen Anteil die Merkmale Inhaltlicher Fokus, Feedback & Reflexion, Kooperation, Unterstützung durch die Fortbildner:innen und Unterrichtliche Umsetzung der Inhalte in den Präsenz- und den digitalen Fortbildungen beider Fortbildner:innen-Tandems aufgetreten sind. Die Kategorie aktives Lehrkräfte-Lernen trat in beiden Fortbildungsformaten nur geringfügig auf (weniger als 1 %) und wird in der Tabelle nicht ausgewiesen.

Tab. 4 Zeitliche Anteile der Merkmale effektiver Fortbildungen in der Präsenz- und der digitalen Fortbildung differenziert nach der Behandlung pädagogischer und fachdidaktischer Aspekte

Bei beiden Fortbildungen des Fortbildner:innen-Tandems 1 fällt auf, dass sich die relativen zeitlichen Anteile der Merkmale effektiver Fortbildungen bei Fortbildungssequenzen, in denen vorrangig pädagogische Aspekte geklärt wurden, kaum unterscheiden. Ein anderes Bild zeigt sich beim Vergleich von Fortbildungssequenzen, in denen fachdidaktische Aspekte im Vordergrund standen. In der digitalen Fortbildung 1 des ersten Fortbildner:innen-Tandems ist der Anteil der Unterstützung durch die Fortbildner:innen im Vergleich zur Präsenz-Fortbildung deutlich höher. In Bezug auf das Merkmal Inhaltlicher Fokus zeigt sich bei Fortbildung 1 ein deutlicher höherer Anteil bei der Präsenz-Fortbildung im Vergleich zur digitalen Fortbildung. Dieser Unterschied ist bei der Fortbildung 2 desselben Fortbildner:innen-Tandems nicht auszumachen. Unterschiede zwischen den beiden Fortbildungsformaten zeigen sich bei dem Merkmal Feedback und Reflexion. In allen vier Fortbildungen nimmt das Merkmal einen hohen Anteil im Vergleich zu den anderen Merkmalen ein und dieser ist in den Präsenz-Fortbildungen höher. Für das Merkmal Unterrichtliche Umsetzung der Inhalte gibt es keine einheitlichen Befunde. Für die Kooperation der Lehrkräfte wurde für die Auftaktveranstaltung des Fortbildner:innen-Tandems 1 kein Kode vergeben. In dieser Fortbildung stand dieser Aspekt aufgrund der Einführung in die Fortbildungsreihe nicht im Vordergrund. Bei Fortbildung 2 trat dieses Merkmal etwas häufiger in der Präsenz-Fortbildung auf.

Bei den beiden Fortbildungen des Fortbildner:innen-Tandems 2 zeigen sich auch Unterschiede zwischen den beiden Fortbildungsformaten für Fortbildungssequenzen, in denen pädagogische Aspekte geklärt wurden. Die Unterstützung durch die Fortbildner:innen nahm bei der digitalen Variante mehr Raum ein. Auch wurde das Merkmal Feedback und Reflexion bei pädagogischen Aspekten häufiger kodiert. In Bezug auf Sequenzen, in denen fachdidaktische Aspekte im Vordergrund standen, ist für die Fortbildungen 2 und 3 des Fortbildner:innen-Tandems 2 kein Unterschied auszumachen für das Merkmal Unterstützung durch die Fortbildner:innen. Unterschiede zeigen sich beim Merkmal Inhaltlicher Fokus. Dieses Merkmal tritt in der Präsenz-Fortbildung einmal mit deutlich und einmal mit geringfügig höherem Anteil auf. Auch Feedback und Reflexion wurde wie zuvor bei Fortbildner:innen-Tandem 1 insgesamt mit hohem Anteil im Vergleich zu den anderen Merkmalen kodiert und trat bei den Präsenz-Fortbildungen häufiger auf. Wie bei den Fortbildungen des Tandems 1 wurde das Merkmal Unterrichtliche Umsetzung der Inhalte kaum kodiert und erweist sich als nicht relevant, um Unterschiede zwischen den beiden Fortbildungsformaten aufzuzeigen. Unterschiede zwischen beiden Fortbildungsformaten zeigen sich für beide Fortbildungen des Fortbildner:innen-Tandems 2 für das Merkmal Kooperation. Für beide digitalen Varianten der Fortbildungen wurde das Merkmal nicht kodiert. In den Präsenz-Fortbildungen nahm die Kooperation der Lehrkräfte vor allem bei Fortbildung 3 einen moderaten Anteil ein.

5.3 Verwendete Moderationsstrategien in Präsenz- und Online-Fortbildungen

Ein weiterer wichtiger Aspekt zum Vergleich der Qualität der Lerngelegenheiten in den beiden Fortbildungsformaten sind die Moderationsstrategien, die angewendet werden, um die Inhalte in den Veranstaltungen zu erarbeiten und mit den Lehrkräften in einen Diskurs zu kommen. In Bezug auf die dritte Forschungsfrage zeigen sich bei den Oberkategorien von Moderationsstrategien (Einfordern von Lehrkräftebeiträgen, Einbringen eigener Beiträge sowie Reagieren auf Lehrkräftebeiträge) keine wesentlichen und eindeutigen Unterschiede zwischen den Fortbildungen im digitalen Format beziehungsweise in Präsenz zum selben Fortbildungsthema beziehungsweise von einem Fortbildner:innen-Tandem (s. Tab. 5). Es lässt sich hingegen ein Muster erkennen, das sich nicht in Abhängigkeit von Format oder Gegenstand der Fortbildung ändert: So werden in allen acht untersuchten Fortbildungen überwiegend Moderationsstrategien verwendet, die dem Einfordern von Lehrkräftebeiträgen dienen. Zudem lassen sich die weiteren Impulse der Fortbildner:innen eher der Oberkategorie „Reagieren auf Lehrkräftebeiträge“ als der Oberkategorie „Einbringen eigener Beiträge“ zuordnen.

Tab. 5 Anteile der Oberkategorien der rekonstruierten Moderationsstrategien in den digitalen und Präsenz-Fortbildungen der beiden Fortbildner:innen-Tandems

Weiterhin zeigt sich bei den rekonstruierten Moderationsstrategien, die den drei Oberkategorien zugeordnet sind, dass nur wenige der aus der Literatur abgeleiteten Moderationsstrategien gar nicht oder sehr selten (maximal einmal pro Fortbildung) kodiert wurden. In beiden Formaten und für beide Fortbildner:innen-Tandems trifft dies auf die Moderationsstrategien connecting ideas, bei der verschiedene von den Lehrkräften geäußerte Ideen verknüpft werden und lifting up, die sich durch das Hervorheben eines Teilbeitrags beziehungsweise einer Äußerung von Lehrkräften kennzeichnen lässt, zu. Auch bei den Moderationsstrategien, die innerhalb der drei Oberkategorien besonders häufig angewandt wurden, gibt es gewisse Auffälligkeiten. Über die verschiedenen Fortbildungen der beiden Fortbildner:innen-Tandems hinweg, konnte innerhalb der Oberkategorie des Einforderns von Beiträgen häufig die Moderationsstrategie standing back rekonstruiert werden. Sie zeichnet sich durch eine kurze Reaktion auf Lehrkräftebeiträge dahingehend aus, dass der Beitrag wahrgenommen wurde, die Diskussion aber nicht aktiv unterbrochen wird. Während das erste Fortbildner:innen-Tandem darüber hinaus vor allem die Moderationsstrategie distributing participation nutzt, mit der das Ziel verfolgt wird, mehr Lehrkräfte an der Diskussion zu beteiligen, kommen beim zweiten Fortbildner:innen-Tandem eher die Moderationsstrategien launching, mit der Lehrkräfte initial zu Beiträgen aufgefordert werden und pressing, mit der die Präzisierung der Lehrkräftebeiträge intendiert wird, vor.

Das Einbringen eigener Beiträge wird unabhängig vom Fortbildungsthema und von den Fortbildner:innen-Tandems insbesondere in Form von Erklärungen für gewisse Phänomene (Moderationsstrategie offering an explanation) realisiert. Das Reagieren auf Lehrkräftebeiträge erfolgt in allen videographierten Fortbildungen insbesondere in Form einer kurzen Bestätigung (validating participant ideas). Während das erste Fortbildner:innen-Tandem darüber hinaus vor allem Lehrkräftebeiträge aufgreift sowie weiterverarbeitet (Moderationsstrategie enriching; in der Auftaktveranstaltung) beziehungsweise wiederholt sowie umformuliert (Moderationsstrategie clarifying; in der Fortbildung zur Multiplikation), tendiert das zweite Fortbildner:innen-Tandem dazu, den Lehrkräften eine zu ihrer Äußerung alternative Perspektive aufzuzeigen (Moderationsstrategie countering; in der Fortbildung zur Multiplikation und zum Zahlenrechnen).

6 Diskussion

6.1 Diskussion der Ergebnisse

Eine detaillierte Betrachtung der Phasierung und Strukturierung von Mathematik-Fortbildungen einer Fortbildungsreihe zur Diagnose und Förderung von Verstehensgrundlagen durch die Fortbildner:innen und der von ihnen angewandten Moderationsstrategien liefert aber Hinweise auf die unterschiedliche Gestaltung der Fortbildungen. So wie von Fishman et al. (2013) postuliert, zeigen die im Rahmen dieser Studie gewonnenen Ergebnisse durchaus unterschiedliche Realisierungen der Fortbildungen zu dem jeweils selben Fortbildungsinhalt in den beiden unterschiedlichen Formaten.

Hinsichtlich der Phasierung der Fortbildungen zeigt sich in drei von vier Fortbildungen, dass Phasen, in denen Lehrkräfte sich aktiv mit den Fortbildungsinhalten auseinandersetzten und gemeinsam mit den Fortbildner:innen diskutierten, einen höheren Anteil in den Präsenz-Fortbildungen einnahmen. Die von Dille und Røkenes (2021) bei digitalen Fortbildungen herausgestellte nötige Begleitung der Lehrkräfte bei Aktivitäten durch die Fortbildner:innen wird somit eher nicht eingelöst. Dies ist einerseits damit zu erklären, dass es, auch wenn die Fortbildungsfolien für beide Formate dieselben waren und darin die Input-Phasen der Fortbildner:innen und die Aktivitätsphasen in gewisser Weise vorgegeben waren, keine festen Zeitvorgaben für die einzelnen Phasen gab. Die Zeiteinteilung konnte also durch die Fortbildner:innen unterschiedlich realisiert werden. Andererseits musste in allen vier digitalen Fortbildungen Zeit für technische Erklärungen eingeräumt werden (8 bis 14 %), die dann nicht für die Fortbildungsinhalte und insbesondere die Aktivitätsphasen zur Verfügung stand.

In Bezug auf Merkmale effektiver Fortbildungen nach Cohen-Nissan und Kohen (2023) zeigen unsere Ergebnisse zum einen, mit welchen Anteilen diese überhaupt in den Fortbildungen aufgetreten sind und zum anderen, dass für einige Merkmale Unterschiede zwischen den beiden Fortbildungsformaten ausgemacht werden können, für andere nicht. Ein uneinheitliches Bild zeigt sich etwa für die Merkmale Inhaltlicher Fokus und Unterrichtliche Umsetzung der Inhalte. Ein eher einheitliches Bild kann für die folgenden Merkmale festgehalten werden: In drei von vier Präsenz-Fortbildungen ist die Unterstützung durch die Fortbildner:innen höher als in den digitalen Fortbildungen. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass der Unterstützungsbedarf der Lehrkräfte in den digitalen Fortbildungen weniger von den Fortbildner:innen wahrgenommen werden konnte. Auch wird die Kooperation der Lehrkräfte hauptsächlich in den Präsenz-Fortbildungen angeregt. Die Ergebnisse von Meyer et al. (2023), die ein moderates Level für Lehrkräfte-Kooperation in digitalen Fortbildungen herausstellten, finden sich in unserer Studie selbst für die Anregung von Lehrkräfte-Kooperation nicht wieder. Für die Lehrkräfte scheint die Kleingruppenarbeit in Break-Out-Rooms der digitalen Fortbildungen herausfordernder zu sein als in den Präsenzfortbildungen. Die Umstellung auf das digitale Format bedeutete auch eine Umstellung auf eine nicht vertraute digitale Umgebung. Auch für das Merkmal Feedback und Reflexion kann ein höherer Anteil in den Präsenz-Fortbildungen ausgemacht werden. Insgesamt geben unsere Ergebnisse Hinweise darauf, dass die Lehrkräfte in Präsenz-Fortbildungen tendenziell stärker unterstützt werden, eher miteinander kooperieren und Feedback sowie Reflexionsphasen mehr Zeit eingeräumt wird. Die Übertragung der Kooperation in das digitale Format könnte auch davon beeinflusst sein, dass die Fortbildner:innen nicht über Strategien verfügten, die Lehrkräfte auch in Break-Out-Rooms zu einem intensiven Austausch anzuregen.

Die Untersuchung der Moderationsstrategien in Anlehnung an van Es et al. (2014) ermöglicht über Einblicke in die Struktur und Phasierung von Fortbildungen auch Erkenntnisse darüber, wie Fortbildner:innen digitale oder Präsenz-Fortbildungen moderieren. Auch wenn in digitalen Fortbildungen technische Schwierigkeiten auftreten, gelingt es den Fortbildner:innen in einer ähnlichen Art und Weise, den Fortbildungsgegenstand mit den Teilnehmer:innen zu diskutieren und zu reflektieren. Auffällig ist hierbei, dass sich hinsichtlich der Oberkategorien der Moderationsstrategien über acht Fortbildungs-Moderationen ein einheitliches Bild zeigt: Hauptsächlich forderten die Fortbildner:innen innerhalb der Diskussionen Beiträge der Lehrkräfte ein. An zweiter Stelle rangiert das Reagieren auf Beiträge der Lehrkräfte und selten bringen die Fortildner:innen ihre eigenen Erfahrungen in die Diskussion ein oder stellen diese zur Reflexion. Das sich hier über alle Fortbildungen zeigende Muster entspricht in anderen Studien herausgestellten Ergebnissen (Schwarts et al. 2021), die verdeutlichen, dass Fortbildner:innen das komplexere Reagieren auf Lehrkräftebeiträgen oft schwerer fällt als das Sammeln dieser.

6.2 Limitationen der Studie

Für unsere Studie sind verschiedene Limitationen zu benennen. Untersucht wurden insgesamt acht Fortbildungen, jeweils vier die von demselben Fortbildner:innen-Tandem durchgeführt wurden. Die Gelegenheitsstichprobe ist somit als klein zu bewerten und erlaubt keine generalisierenden Schlüsse. Bedacht werden muss auch, dass die Fortbildungen originär für das Präsenzformat konzipiert wurden und die Umstellung auf das digitale Format bedingt durch die Pandemie spontan erfolgen musste. Es wurden also dieselben Fortbildungsfolien eingesetzt und die inhaltliche Konzeption der Veranstaltung wurde nicht speziell für das digitale Format adaptiert. Aktivitäten und Diskussionen, in denen die Lehrkräfte miteinander kooperieren sollten, mussten dementsprechend in das digitale Fortbildungsformat umgewandelt werden. Dabei könnten Möglichkeiten für Kooperation, z. B. in Breakout-Räumen, einen Effekt darauf haben, wie die Lehrkräfte tatsächlich miteinander kooperieren. Diese Studie konnte nicht aufzeigen, warum dieser Unterschied bezüglich der Kooperation in den unterschiedlichen Formaten entstanden ist; dies könnte Forschungsgegenstand möglicher Anschlussstudien sein.

Eine weitere Limitation der Studie liegt darin, dass lediglich die Qualität und Quantität der Lerngelegenheiten während der Fortbildungen betrachtet wurden. Aufgrund der Corona-bedingten Gelegenheitsstichprobe konnten Merkmale der Fortbildner:innen wie z. B. Wissen oder Überzeugen und Voraussetzungen der teilnehmenden Lehrkräfte wie z. B. Vorwissen, Überzeugungen und Motivation nicht erhoben werden. Das heißt, die Ergebnisse beleuchten nur einen kleinen Ausschnitt des Angebots-Nutzungs-Modells für Lehrkräftefortbildungen nach Lipowsky und Rzejak (2019).

6.3 Implikationen der Studie

Insgesamt sind die Ergebnisse unserer qualitativen Studie dahingehend vielversprechend, dass sich für das digitale Format in Bezug auf die Phasierung der Fortbildungen und der Strukturierung im Hinblick auf Merkmale effektiver Fortbildungen und angewandter Moderationsstrategien Übereinstimmungen zu Präsenz-Fortbildungen ergeben. Die aufgetretenen Unterschiede können allerdings zum Anlass genommen werden, diese Aspekte in die Qualifizierung der Fortbildner:innen aufzunehmen. Ein wichtiger Aspekt ist zum einen, dass bei digitalen Fortbildungen zusätzliche Zeit für technische Erklärungen aufgewendet werden muss und diese dann für die Auseinandersetzung mit den Fortbildungsinhalten nicht zur Verfügung steht. Zum anderen ist darauf zu achten, dass Merkmale wie Kooperation in einer Qualifizierung von Fortbildner:innen expliziter fokussiert werden und thematisiert wird, wie sie in Fortbildungen (vor allem digital, aber auch in Präsenz) integriert werden können. Strategien, wie diese Aspekte besser digital integriert werden, könnten auch untersucht werden. Da diese Studie gezeigt hat, dass Fortbildner:innen digitale Fortbildungsformate und Präsenz-Fortbildungen ähnlich strukturieren und in einer ähnlichen Art und Weise moderieren, bieten digitale Fortbildungen eine Option für die Ausbreitung von Fortbildungsprogrammen an. Für beide Formate erscheint es auch sinnvoll, Moderationsstrategien von Fortbildner:innen stärker in Qualifizierungen zu thematisieren und unterschiedliche Strategien in Bezug auf die Lernzielerreichung zu diskutieren.

7 Schlussbetrachtung

Im Rahmen dieses Beitrags konnte für Fortbildungen zur Diagnose und Förderung von Verstehensgrundlagen gezeigt werden, dass Fortbildner:innen Fortbildungen, die in Präsenz oder im digitalen Format durchgeführt werden, in einer ähnlichen Art und Weise strukturieren sowie moderieren. Daraus kann – auch wenn sich in Bezug auf die zugrunde liegende Stichprobe Limitationen in Bezug auf eine mögliche Generalisierung ergeben – herausgestellt werden, dass digitale Fortbildungen durchaus eine Möglichkeit zur Erweiterung des Fortbildungsangebots darstellen. Damit können im Sinne einer Skalierung von Fortbildung auch mehr Lehrkräfte erreicht werden. Damit die Fortbildner:innen die Realisierung der digitalen Fortbildungen auch als weniger herausfordernd wahrnehmen, ist es von besonderer Relevanz, diese auch für die Durchführung im digitalen Format zu qualifizieren. Darüber hinaus konnten Unterschiede in Bezug auf die Phasierung und Strukturierung von Fortbildungen ausgemacht werden, die einen Vorteil für das Präsenzformat herausstellten. Hier bieten sich Anhaltspunkte für weitere Studien, die zum Beispiel die Lehrkräfte-Kooperation im digitalen Format vertiefend betrachten.