1 Weiterbildung und Raum

Auch in der Weiterbildungsforschung setzt sich zunehmend der ‒ in anderen Bereichen der Bildungsforschung bereits etablierte ‒ „spatial turn“ durch. Die Zugänge und Anknüpfungspunkte zu räumlichen Kontexten sind dabei vielfältig. Ganz unmittelbar werden Räume als didaktische Settings thematisiert. Im Zentrum stehen dabei die Architektur, die lokale Verortung und die konkreten Arrangements von Lernräumen (vgl. Mania et al. 2015). Ein weiterer Zugang zur räumlichen Analyse von Weiterbildung ergibt sich aus der Verknüpfung von Sozialstruktur und deren Verortung in Gemeinden, Stadtteilen und Quartieren. Dieser Sozialraum wird dabei vor allem als Regulativ der Weiterbildungsbeteiligung verstanden und auf spezifische Personengruppen, wie etwa Menschen mit Migrationshintergrund, bezogen. Im Mittelpunkt stehen dabei zum einen milieuspezifische Gruppen-Kompositionseffekte in kleinräumigen Einheiten sowie Wechselwirkungen räumlicher Distanz und verfügbarer Ressourcen und deren Einfluss auf die Weiterbildungsbeteiligung (Mania et al. 2015, S. 31). Ein dritter wichtiger Anknüpfungspunkt leitet sich schließlich aus den Anforderungen der Steuerung von Weiterbildung ab. Unter diesem Gesichtspunkt erweisen sich regionale, besonders aber kommunale Räume als wichtige Bezugsrahmen für die Koordination und Kooperation von zentralen Akteuren der Weiterbildung (Mania et al. 2015, S. 33). Im Folgenden sollen vor allem die beiden letzten Aspekte im Mittelpunkt stehen. Von zentralem Interesse ist dabei, ob kommunale Bildungssteuerung als ein Regulativ der Weiterbildungsbeteiligung identifiziert werden kann.

Die zunehmende Bedeutung regionaler, besonders aber kommunaler Räume für die Steuerung von Bildung ist auch in der Weiterbildung eng verbunden mit der Ablösung alter, inputorientierter Steuerungskonzepte durch ein neues, outputorientiertes Steuerungsparadigma. Durch die Umorientierung auf die Ergebnisse von Prozessen werden hierarchische Eingriffe in die operativen Abläufe reduziert. Mit diesem programmatischen Paradigma, für das sich der Begriff Governance durchgesetzt hat, werden Akteuren der Bildung weitgehende Handlungsspielräume für die Anpassung an lokale Gegebenheiten und kurzfristige Erfordernisse eröffnet. Der Staat wird dabei immer mehr aus seiner unmittelbaren Verantwortung für die Gestaltung von Strukturen entlassen und übernimmt zunehmend die Rolle eines aktivierenden und koordinierenden Akteurs unter anderen (vgl. Gnahs und Weiß 2012). Die Dezentralisierung der Bildungssteuerung zugunsten regionaler und kommunaler Verantwortung hat sich besonders in OECD-Ländern durchgesetzt (vgl. Christ und Dobbins 2015, S. 145). Mit dem neuen Paradigma wurde zugleich eine systematische Erfassung standardisierter Leistungsdaten zu den Ergebnissen des Bildungssystems etabliert.

Besondere Anforderungen an die Steuerung von Bildung und besonders der Weiterbildung auf regionaler und kommunaler Ebene ergeben sich im Zuge der Umsetzung einer Strategie lebenslangen Lernens (vgl. Europäische Kommission 2000). Für den Bereich der Weiterbildung leitet sich daraus die Notwendigkeit ab, eine Vielzahl von Akteuren aus verschiedenen Kontexten auf unterschiedlichen Handlungsebenen so zu koordinieren, dass ein personenzentriertes, dem Bedarf verschiedener Bildungsphasen angepasstes, gut zugängliches Weiterbildungsangebot bereit gestellt werden kann. Dabei wird besonders die Bedeutung der Kommunen als Bezugsraum zur Koordination der Weiterbildung immer wieder herausgestellt (vgl. BMBW 1985, S. 9; KMK 2001, S. 18; OECD 2003; Europäische Kommission 2007, S. 6; Deutscher Städtetag 2007).

Es stellt sich die Frage, welche Rolle die Kommunen (Kreise und kreisfreie Städte) bei der Koordination von Weiterbildung tatsächlich spielen und inwiefern es auf diesem Wege gelingt, die Weiterbildung auf individuelle Anforderungen auszurichten. Dies soll anhand der Weiterbildungsbeteiligung in Kommunen untersucht werden, in denen ein Konzept des lebenslangen bzw. lebensbegleitenden Lernens im Rahmen eines kommunalen Bildungsmanagements umgesetzt wird. Die Untersuchung fokussiert dabei das Weiterbildungsverhalten jener Personengruppen, deren Förderung in den Empfehlungen des Innovationskreises Weiterbildung für die Strategie zur Gestaltung des Lernens im Lebenslauf ausdrücklich hervorgehoben wurde (vgl. IKWB 2008). Dies sind zuvorderst Personen mit Migrationshintergrund, Ältere sowie Geringqualifizierte.

2 Regionale Handlungskoordination von Akteuren der Weiterbildung in der Praxis

Zur Umsetzung einer Strategie des lebenslangen Lernens wurden von Bund, Ländern und EU eine Reihe von Initiativen und Projekten gefördert, deren Ziel vor allem in der Koordination vielfältiger Akteure unterschiedlicher Bildungsfelder und -bereiche bestand. Eine Vorreiterrolle hatte dabei das Projekt „Lernende Regionen“, in dessen Rahmen zwischen 2001 und 2006 über 80 regionale Netzwerke gefördert wurden (vgl. Tippelt et al. 2009; vgl. Reupold et al. 2009). Ein weiteres wichtiges Programm zur Bildungssteuerung, in dem vor allem die Kommunen eine zentrale Rolle spielen, ist „Lernen vor Ort“ (LvO). Dieses Projekt wurde vom Europäischen Sozialfond und dem BMBF mit insgesamt 100 Mio. € im Zeitraum von 2009 bis 2014 gefördert. Die Zahl der beteiligten Kommunen belief sich zunächst auf 40 und sank im Projektverlauf auf 35. Bei „Lernen vor Ort“ ging es zuvorderst um die Etablierung eines kommunalen Bildungsmanagements und eines kommunalen Bildungsmonitorings, um die Einrichtung neutraler Institutionen zur Bildungsberatung sowie um den Wissenstransfer zwischen den Bildungssektoren (vgl. Busemeyer und Vossiek 2015, S. 23). Im Zentrum steht die bereichsübergreifende Koordination von Akteuren im Bildungsbereich mit dem Ziel, Bildungschancen im Lebensverlauf zu erhöhen. Im Rahmen von Aktionsfeldern sollte das kommunale Bildungssystem zudem auf Themenschwerpunkte wie den demographischen Wandel, Familienbildung, Integration, Demokratie sowie Wirtschaft und Technik ausgerichtet werden (vgl. BMBF 2008). Obgleich sich auch in LvO-Kommunen die Frage nachhaltiger Finanzierung stellt und besonders die über verschiedene Ebenen verteilten Kompetenzen im deutschen Bildungssystem kommunale Bildungssteuerung limitieren, wird LvO ein positiver Einfluss auf die Strukturen der Bildungssteuerung in den beteiligten Kommunen zugeschrieben: „Despite these limitations, the programme had a significant and positive impact on improving governance structures, and creating capacities for educational monitoring and management at the local level“ (Busemeyer und Vossiek 2015, S. 51).

Eine spezifisch auf Hessen zugeschnittene Initiative ist der „Hessencampus“. Ursprünglich unter dem Titel „Zentren lebensbegleitenden Lernens“ (ZLL) initiiert, soll der Hessencampus vor allem Bildungsübergänge im Anschluss an die schulische und berufliche Erstausbildung verbessern (vgl. Harney et al. 2007). Zwischen 2007 bis 2013 haben sich hier in 21 Regionen bereichsübergreifende Netzwerke etabliert, deren hauptsächliche Aufgaben in einer trägerübergreifenden, neutralen Bildungsberatung, einer kooperativen Abstimmung des Weiterbildungsangebotes, der Förderung neuer Lernstrukturen, der Ansprache bildungsferner Bevölkerungsgruppen und der Etablierung einer erwachsenengerechten Lernkultur bestehen (vgl. Seitter 2014, S. 97).

Programme zur nachfrageorientierten Gestaltung der regionalen Weiterbildung und der Koordination der dazu relevanten Akteure wurden auch in anderen Bundesländern etabliert. In Schleswig-Holstein wurden zwischen 2008 und 2014 zwölf regionale Weiterbildungsverbünde gefördert. Die Gelder stammten aus den europäischen Fonds für Regionalentwicklung sowie aus dem „Zukunftsprogramm Wirtschaft“ (ZPW) des Landes. Mit diesen Netzwerken sollte die Kooperation und Koordination zwischen Weiterbildungseinrichtungen und anderen Akteuren hergestellt, Öffentlichkeitsarbeit und Beratung gestärkt, die Qualitätssicherung verbessert sowie die Transparenz der Angebote und der Nachfrage erhöht werden (vgl. Ambos et al. 2013). Ziel war auch hier, die Weiterbildungsbeteiligung entlang differenzierter Teilnehmergruppen zu erhöhen. Die räumliche Zuordnung der Verbünde orientierte sich ebenfalls an den Kreisen.

3 Die Kommune im Schnittpunkt zwischen Bildungspolitik und organisierter Weiterbildung: Theoretische Annahmen und empirische Fragen

Mit der Bedeutungszunahme tief regionalisierter Bezugsräume für die Gestaltung der Weiterbildung und die Koordination der relevanten Akteure stellt sich die Frage, wie der räumliche Bezug und wie räumliche Abgrenzungen hergestellt werden können. Die Raumforschung bietet eine ganze Reihe unterschiedlicher Raumkonzepte, welche sich durch Gliederungstiefe und Abgrenzungskriterien unterscheiden (vgl. Burgdorf et al. 2012). Abgrenzungskriterien können funktionalen, administrativen oder hoheitlichen Gesichtspunkten folgen und unterschiedlichen Zwecken dienen. Funktionale Regionen werden häufig entlang ökonomischer und siedlungsstruktureller Zusammenhänge gebildet. Administrativregionen hingegen sind Raumabgrenzungen, welche nur Verwaltungszwecken dienen und sich häufig an bestehender Infrastruktur orientieren. Raumabgrenzungen unterscheiden sich zudem in der Gliederungstiefe. Die Spanne reicht hier von zwölf Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit (BA) (Administrativregion) bis zu 11.292 Gemeinden (Gebietskörperschaft). Die kommunale Ebene umfasst die Kreise und kreisfreien Städte (402) sowie die Gemeinden. Wenn im Folgenden von der kommunalen Ebene gesprochen wird, bezieht sich dies auf Kreise und kreisfreie Städte.

Für die Auffassung der Quantität, Qualität und Relation örtlicher Gegebenheiten sind die Abgrenzung einer räumlichen Einheit sowie die dabei zugrunde gelegten Abgrenzungskriterien und die Gliederungstiefe entscheidend. Dabei kommt es zunächst darauf an, dass überhaupt eine räumliche Abgrenzung stattfindet. Dies ist in den Projekten zur regionalen Koordination der Bildungsakteure auf ganz unterschiedlichen Wegen geschehen. Der räumliche Bezug der Lernenden Regionen folgt einem eher relationalen Zugang räumlicher Ordnung (vgl. Fürst 2002), in dem das „Containerdenken“ durch einen stärkeren Bezug auf die soziale Konstitution von Raum ersetzt wird (vgl. Werlen 2005). Diese Strategie wurde aus der Programmatik netzwerkförmiger Handlungskoordination abgeleitet (vgl. Tippelt et al. 2009, S. 32). Die Bezugsgröße „Lernende Region“ wird im diesem Konzept durch das Netzwerk konstituiert (vgl. Dobischat et al. 2006, S. 24).

Im Gegensatz zu den Lernenden Regionen wurden sowohl beim Hessencampus als auch bei Lernen vor Ort die Kreise und kreisfreien Städte als zentrale Bezugsräume gewählt. Damit ist zum einen eine klare räumliche Abgrenzung gewährleistet; zum anderen ist ein relevanter Akteur im Bereich der Bildung benannt. Der Bezug auf Kreise und kreisfreie Städte leitet sich aus den Erfahrungen der Lernenden Regionen ab (vgl. Busemeyer und Vossiek 2015, S. 21) und lässt sich darüber hinaus durch die ohnehin bestehenden Aufgaben der Kreise im Bereich der frühen Bildung, dem (äußeren) Bereich der Schulen, der Kinder und Jugendhilfe sowie der Grundversorgung mit Weiterbildungsangeboten begründen (vgl. Lohre 2015, S. 52). Mit den in diesen Aufgabenfeldern festgelegten Verantwortungsbereichen verbinden sich zugleich Einflussmöglichkeiten. Diese beziehen sich sowohl auf unmittelbare Steuerungsinstrumente wie Personal, Finanzen und rechtliche Regulation als auch auf outputorientierte Steuerungskonzepte (vgl. Tege 2015). Für die Koordination von Gelegenheitsstrukturen mit Blick auf lebenslanges Lernen scheinen Kommunen also prädestiniert.

Die Bedeutung kommunaler Gebietskörperschaften wie Kreise und kreisfreie Städte für die Bildungssteuerung ist mit Blick auf die damit verbundene staatliche Einflussnahme besonders im Bereich der Weiterbildung jedoch nur zu einem Teil beschrieben. Besonders im Weiterbildungsbereich ist es bedeutsam, die Vielzahl und Heterogenität der Akteure und Akteurskonstellationen zu beachten, deren Aktivitäten auf unterschiedlichen Handlungsebenen für die Weiterbildung konstitutiv sind. Mit Schrader (2008) lässt sich der Bereich der Weiterbildung als ein Mehrebenensystem mit Akteuren auf unterschiedlichen Handlungsebenen beschreiben. Auf der Ebene der Lehr-Lern-Interaktionen sind dies Teilnehmende und Lehrende, auf der Ebene der Organisationen das hauptberufliche Personal sowie die Organisationen selbst, auf der Ebene der Organisationsumwelt u. a. Bildungsträger, auf der Ebene des Staates Bund, Länder und Kommunen und auf internationaler Ebene inter- und supranationale Organisationen wie die OECD oder die EU.

Das Handeln der Akteure in diesem Mehrebensystem ist dadurch gekennzeichnet, dass sich Akteure in ihrem Handeln am Verhalten anderer Akteure orientieren. Die unterschiedlichen Handlungsebenen legen es dabei nahe, die kontextuell und institutionell bedingten Erwartungsstrukturen, an denen sich Handeln orientiert, als Resultat und Bestandteil anderer Handlungsebenen zu betrachten. Die möglichen Formen der Handlungskoordination leiten sich aus den Kontexten der Akteure ab. Die Vorteile dieses Rahmenmodells liegen (aus Perspektive der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung) vor allem darin, dass tatsächlich alle maßgeblich am Prozess der Weiterbildung Beteiligten als Akteure aufgefasst werden. Dies betrifft besonders den Teilnehmenden, der hier ausdrücklich auch als Nichtteilnehmender Berücksichtigung findet (vgl. Schrader 2008, S. 47).

Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Wirkung der Weiterbildung der Interaktionsebene zugeschrieben wird. Dadurch wird es plausibel, die Analyse von Prozessen und Handlungen der Akteure auf allen Ebenen auf das Zustandekommen dieser Lehr-Lernaktivitäten und deren wirksame Gestaltung auszurichten. Der (Nicht-)Teilnehmende rückt dadurch in den Mittelpunkt. Vor allem diese Perspektivverschiebung ist für die Steuerungsdebatte von zentraler Bedeutung, denn die Weiterbildungsbeteiligung (und damit das tatsächliche Zustandekommen von Weiterbildung) ist ein Verhalten, das in hohem Maße vom Individuum selbst und dessen unmittelbaren familiären, sozialräumlichen und betrieblichen Kontext abhängt (vgl. Martin und Schömann 2015). Die Zuweisung von Handlungsebenen und Kontexten macht darüber hinaus deutlich, dass sich das Handeln der Akteure aus ganz unterschiedlichen kontextuellen Hintergründen ableitet und dementsprechend ganz unterschiedliche Formen der Handlungskoordination zu erwarten sind. Wichtig ist dabei, dass in der Logik des Mehrebenenmodells Interventionen in der Regel nicht darauf angelegt sind, das Verhalten von Akteuren unmittelbar zu lenken, sondern sich darauf richten, den Handlungsrahmen von Akteuren so zu gestalten, dass gewünschte Handlungen oder gewünschtes Verhalten wahrscheinlicher werden. Diese Eingriffe in den Handlungsrahmen anderer Akteure werden jedoch nur dann wirksam, wenn sie rekontextualisiert, also in die je eigene Handlungsorientierung aufgenommen werden. Dabei ist anzunehmen, dass solche steuernden Interventionen über verschiedene Handlungsebenen hinweg stattfinden, dass dabei aber auch der Zusammenhang und die Einbettung von Handlungsebenen durch die Akteure antizipiert werden. Die Prämisse, dass die Einflussnahme von Akteuren wechselseitig erfolgt, erlaubt es zudem, Steuerung und Einflussnahme nicht nur Top-Down zu analysieren, sondern auch den Einfluss von Akteuren der untersten Handlungsebene abzuschätzen.

Unter Anwendung dieser Rahmenbedingungen lässt sich die Stellung von Kommunen hinsichtlich der Organisation und Steuerung von Weiterbildung näher bestimmen. Kommunen sind Akteure der staatlichen Handlungsebene. Als Gebietskörperschaften verfügen sie ebenso wie der Bund, die Länder und einige Bezirke über ein Hoheitsgebiet. Eine besondere Eigenschaft der räumlichen (und hoheitlichen) Abgrenzung der Kommunen besteht darin, dass sowohl die Gebietskörperschaften von Bund, Ländern und Bezirken als auch andere funktionale und administrative Bezugsräume staatlicher Akteure kreisscharf abgegrenzt sind. Für jeden Kreis lässt sich genau angeben, zu welchem Bundesland, Regierungsbezirk, Gemeindeverband, Agenturbezirk oder zu welcher Raumordnungs-, Planungs-, und Arbeitsmarktregion er jeweils gehört. Staatliche Aktivitäten, die sich direkt oder indirekt auf die Weiterbildung beziehen, sind auf unterschiedliche Raumgliederungen gerichtet. Auf der Ebene der Bundesländer beziehen sich staatliche Aktivitäten zum einen auf Weiterbildungs- und Freistellungsgesetze (vgl. Grotlüschen et al. 2009) und zum anderen auf Regelungen zur Vergabe von Bildungsgutscheinen (vgl. Haberzeth und Kulmus 2013). Auf die Ebene der Regierungsbezirke orientieren sich in einigen Ländern Bemühungen zur Regionalentwicklung, etwa anhand von Regionalkonferenzen (§ 21, WBG NRW). Raumordnungs- und Planungsregionen dienen dem Bund und den Ländern zur Analyse von regionalen Ausgangsbedingungen und der Planung der Regionalentwicklung. Die Maßgabe der Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen (§ 2, Abs. 2, Nr. 1, ROG) bezieht sich vor allem auf diese Regionalgliederungen. Arbeitsmarktpolitische Aktivitäten des Staates orientieren sich räumlich auf die Administrativregionen der Agenturbezirke der Bundesagentur für Arbeit (vgl. Doerr und Kruppe 2015).

Auf der kommunalen Ebene schließlich ist in den meisten Bundesländern die Verantwortung für die Bereitstellung und Finanzierung der Grundversorgung mit Weiterbildungsangeboten angesiedelt (vgl. Dohmen 2014). Die Unterschiede zwischen kommunalen Bildungslandschaften sind also nicht nur Ergebnis unterschiedlicher kommunaler Regelungen und Aktivitäten, sondern lassen sich auch auf die Zugehörigkeit unterschiedlicher, übergeordneter Raumgliederungen zurückführen. Auf der Ebene der Kreise kumulieren dementsprechend alle Regulierungen und Interventionen, die sich auf kreisscharf abgegrenzte Bezugsräume richten. Dieser Kumulationseffekt lässt sich quantitativ abschätzen (vgl. Martin und Schömann 2015). Der Kreis ist folglich nicht nur ein Akteur auf der staatlichen Handlungsebene, sondern zugleich die Summe aller staatlichen Aktivitäten, die sich auf die übergeordneten Raumgliederungen beziehen, denen der Kreis zugeordnet ist. Im Gegensatz zu den Gemeinden ist die kommunale Ebene auf dem Aggregationsniveau der Kreise und kreisfreien Städte dabei überschaubar.

Die Bedeutung der Kreise für die Weiterbildungssteuerung leitet sich jedoch nicht nur aus dem Umstand ab, dass sich hier staatliche Aktivitäten verdichten. Die Kommune ist auch der wichtigste Bezugsraum für den zentralen Akteur des Weiterbildungssystems: den (Nicht-)Teilnehmenden. Die Kommune stellt als Gebietskörperschaft die unmittelbare Präsenz des Staates dar und vertritt die öffentlichen Interessen. Die Aufgaben der Kommune sind dabei in besonderem Maße auf die konkrete Daseinsvorsorge der jeweiligen Wohnbevölkerung von Kinderbetreuung über Gewährung von Sozialleistungen bis zur Altenpflege ausgerichtet. Die Interessen und Aufgaben der Kommune betreffen in ihrer Gesamtheit nicht nur partielle Aspekte und Merkmale der Einwohner, wie dies bei den meisten Organisationen der Fall ist, sondern umfassen alle Lebensbereiche und Lebensabschnitte (vgl. Gnahs und Weiß 2012, S. 60). Dementsprechend richten sich Ansprüche und Erwartungen der Einwohner auch umso mehr an die kommunale Gebietskörperschaft, je mehr sie auf öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind. Dies zeigt sich bspw. bei der Adressierung von Erwartungen Älterer an den Staat (vgl. Naegele 2012). Mit der ausgeprägten Erwartungshaltung verbindet sich auf der Ebene der Kommunen zugleich die Möglichkeit der Einflussnahme. Als Bürger haben die Bewohner einer Kommune umfangreiche demokratische und zivilgesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten. Sie sind in diesem Sinne nicht nur Klienten, sondern Akteure, die durch ihr Engagement und ihr Wahlverhalten Einfluss auf die staatliche Handlungsebene ausüben. Auch unter diesem Gesichtspunkt sind Kommunen ein zentraler Bezugsrahmen, wenn es darum geht, (Nicht-)Teilnehmer als Akteure bei der Steuerung und Organisation der Weiterbildung zu berücksichtigen.

Ein großer Teil der Weiterbildungsaktivitäten dient beruflichen Zwecken und findet häufig in betrieblichen Kontexten statt (BMBF 2014). Auch unter diesem Gesichtspunkt erweisen sich Kommunen als zentrale Schnittstelle der Handlungskoordination von Akteuren vor Ort. Zum einen zeigen sich erhebliche regionale Unterschiede hinsichtlich des Fachkräftebedarfs von Betrieben nach Größe, Branchen und Berufen (vgl. Dummert et al. 2014; Bellmann und Schwengler 2015; Czepek et al. 2015). Zum anderen unterscheiden sich die zur Verfügung stehenden Arbeitskräftepotenziale sowie deren sozioökonomischen und demographischen Merkmale in den Regionen erheblich (vgl. Zika et al. 2015; Schwengler und Hirschenauer 2015). Daraus ergeben sich auch regional sehr unterschiedliche Anforderungen an die berufliche und betriebliche Weiterbildung. Zur räumlichen Analyse solcher Zusammenhänge werden Arbeitsmarktregionen genutzt. Diese Raumabgrenzungen orientieren sich an Pendlerverflechtungen von Erwerbstätigen zwischen Wohn- und Arbeitsstätte, beziehen sich in der Regel auf ein Mittel- oder Oberzentrum und dessen Umland und sind kreisscharf gegliedert: „Um diese Arbeitsmarktregionen für die Wirtschaftspolitik möglichst alltagstauglich durch klare administrative Zuständigkeiten sowie Verfügbarkeit von statistischen Informationen zu gestalten, bilden die kreisfreien Städte und Kreise die räumliche Ausgangsbasis für Arbeitsmarktregionen“ (vgl. Burgdorf et al. 2012). Dabei impliziert der räumliche Verflechtungszusammenhang von Wohn- und Betriebsstätte die Kooperation der Kommunen in einem gemeinsamen Einzugsgebiet. Ein Beispiel dafür ist das Fachkräftemonitoring in den „Lernen vor Ort“-Kommunen Osnabrück (Kreisfreie Stadt und Landkreis) (vgl. Landkreis Osnabrück 2015). Betriebliche und berufliche Weiterbildung ist zudem in erheblichem Maße Gegenstand öffentlicher Förderung und Interventionen. In diesem Bereich engagiert sich eine große Zahl von Akteuren auf unterschiedlichen Handlungsebenen. Dazu gehören die EU mit den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie den Kohäsions- und Sozialfonds (ESF), der Bund mit Bildungsgutscheinen, die Initiative „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“ (WeGebAU) und die Bildungsprämie (vgl. Haberzeth und Kulmus 2013), die Länder mit einer Vielzahl von Bildungsgutscheinen und Bildungschecks (Haberzeth und Kulmus 2013) sowie unterschiedlichen Weiterbildungsgesetzen und schließlich die Kommunen (Kreise) in Form kommunaler Wirtschaftsförderung (vgl. Deutscher Städtetag 2012). Diese Akteure orientieren sich in ihren Aktivitäten an unterschiedlichen räumlichen Bezugsrahmen: NUTS2 (Nomenclature des unités territoriales statistiques) (EU), Agenturbezirke der BA (Bund), Bundesländer, Planungsregionen und Regierungsbezirke (Länder) und Kreise (Kommunen). Obgleich diese Raumgliederungen nicht deckungsgleich sind, basieren sie auf kreisscharfen Raumabgrenzungen. Für jeden Kreis lassen sich demzufolge auf allen Ebenen die eindeutigen Zuständigkeiten, gesetzlichen Regelungen sowie Förder- und Finanzierungskonditionen identifizieren und zuweisen. Eine räumliche Koordination unterschiedlicher Akteure der Wirtschaft, wie dies etwa im Rahmen der Wirtschaftsförderung notwendig ist, lässt sich darum vor allem auf Kreisebene realisieren.

Die Bildungssteuerung auf kommunaler Ebene ist vor allem auf die Koordination von Akteuren der Organisationsebene und der Ebene der unmittelbaren Organisationsumwelt (Träger) gerichtet (vgl. Wagner und Weißhaupt 2015) und konzentriert sich damit besonders auf die Angebotsseite. Diese Handlungsebene zeichnet sich dadurch aus, dass hier eine große Zahl von Akteuren aus ganz unterschiedlichen Reproduktionskontexten (vgl. Schrader 2010) heraus agiert. Die Steuerung und Organisation dieser Akteure verweist auf die Notwendigkeit erweiterter Steuerungskonzepte, in deren Rahmen die jeweils angemessene Koordinationsform gewählt werden kann. Öffentliche bzw. staatliche Anbieter sind für gewöhnlich in hierarchische Steuerungszusammenhänge eingebunden. Die Bereitstellung öffentlicher Güter kann jedoch auch in Form eines Anbieterwettbewerbs outputorientiert organisiert werden (vgl. Benz 2007). Auf diesem Weg ist es möglich, kommerzielle, gemeinwohlorientierte oder betriebliche Akteure in die Gestaltung von Bildung einzubeziehen und Verwaltungseinheiten leistungsorientiert zu steuern.

Kommunen haben im Zuge der Verwaltungsreformen und des „Public Private Partnership“ bereits Erfahrungen in dieser Hinsicht gesammelt. Akteure aus einem gemeinschaftlichen Kontext können in der Regel nicht über hierarchische oder marktwirtschaftliche Mechanismen koordiniert werden. Deren Einbindung erfolgt in vielen Fällen über Netzwerke oder andere Formen der Verhandlung. Die Kommune tritt in diesem Zusammenhang als ein Partner unter vielen auf. Dennoch kann auch hier die Kommune auf Vorteile zurückgreifen, die sich aus der hierarchischeren Einbettung der Kommune in eine ungebrochene demokratische Legitimationskette (vgl. Döhler 2007) ergeben. In den Kommunen kumuliert die Legitimation demokratischer Prozesse auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Die Kommune ist also in mehrfacher Hinsicht ein legitimer Agent öffentlicher Interessen. Das öffentliche Interesse ist jedoch zugleich die Legitimationsgrundlage von Akteuren aus dem gemeinschaftlichen Reproduktionskontext (vgl. Schrader 2010). Der Kommune kommt darüber hinaus in Bezug auf das lebenslange Lernen ein strukturelles Primat zu, denn im Gegensatz zu anderen Institutionen ist die Kommune in allen Bildungsbereichen aktiv.

Kreise und kreisfreie Städte scheinen aus den genannten Gründen theoretisch besonders geeignete Bezugsräume für die Handlungskoordination von Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen bei der Umsetzung einer Strategie Lebenslangen Lernens: „Letztlich lässt sich nur auf der kommunalen Ebene die Koordination der verschiedenen Bildungsbemühungen und deren optimale Abstimmung unter der Perspektive der Unterstützung von Bildungsprozessen im Lebenslauf erreichen“ (Döbert und Weishaupt 2015, S. 13). Dabei sind besonders das Koordinationspotenzial auf der Ebene der Organisationen und die institutionalisierte Nähe zu den Akteuren der Ebene der Lehr-Lern-Interaktion hervorzuheben.

Die zentralen Aspekte der Förderung lebenslangen Lernens sind die Ausrichtung und Abstimmung von Bildungsangeboten an individuelle Bedarfslagen, die Bereitstellung einer an der Biografie des Einzelnen orientierten Bildungsberatung sowie die Verbesserung von Übergängen im Bildungssystem durch eine bildungsbereichsübergreifende Begleitung der Lernenden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Beteiligung von Geringqualifizierten (vgl. IKWB 2008, S. 4), Älteren (IKWB 2008, S. 13) und Personen mit Migrationshintergrund (IKWB 2008, S. 12). Die Koordination von Akteuren der Bildung im Rahmen eines Kommunalen Bildungsmanagements wie etwa „Lernen vor Ort“ ist vor allem an diesen Aufgaben orientiert: „Das Programm „Lernen vor Ort“ will Bildung näher an die Menschen bringen“ (BMBF 2008, S. 6). Im Zentrum steht dabei die Koordination von Akteuren im Bildungsbereich wie Kindertagesstätten, Jugendhilfe, Schulen, Volkshochschulen, sonstige Weiterbildungseinrichtungen, die Bundesagentur für Arbeit, Kammern und Unternehmen mit dem Ziel, Bildungsübergänge durch ein Übergangsmanagement zu erleichtern (BMBF 2008, S. 6). Der Fokus auf individuelle Bildungsverläufe bezieht sich dabei ausdrücklich auch hier auf die berufliche und allgemeine Weiterbildungsbeteiligung (BMBF 2008, S. 4) und sollte zudem auf die Sicherstellung von gleichen Zugangschancen zu Weiterbildungsangeboten auch für Bildungsbenachteiligte gerichtet sein (vgl. Gnahs und Weiß 2012, S. 66).

Die Ziele des Programms „Lernen vor Ort“ sind in dieser Sicht eindeutig und bestehen darin,

  • „die Bildungsbeteiligung insgesamt zu erhöhen,

  • die Motivation für das Lernen im Lebenslauf langfristig zu stärken und

  • qualitative und quantitative Verbesserungen der Angebotsstrukturen, im Sinne einer stärkeren Ausrichtung auf die Nutzerinnen und Nutzer, zu erreichen“ (BMBF 2008, S. 5).

Prämisse der hier vorgestellten Untersuchung ist die Annahme, dass eine bereichsübergreifende Ausrichtung von Bildungsangeboten und Bildungsberatung auf die Verbesserung von Übergängen im individuellen Bildungsverlauf und das soziale Umfeld nicht nur zu einer Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung insgesamt führt, sondern dass davon ganz besonders jene Personengruppen profitieren, deren Beteiligung im erhöhten Maße durch Hürden und Barrieren eingeschränkt ist. Dies betrifft zuvorderst Geringqualifizierte, Ältere und Migrantinnen und Migranten.

Wechselwirkungen zwischen Merkmalen räumlich abgegrenzter Aggregate und dem Bildungsverhalten wurden in Hinblick auf sozialräumliche Einflüsse auch für die Weiterbildung vor allem in den 1970’er und 1980’er Jahren untersucht und erfordern eine sinnvolle Annahme über den jeweiligen Wirkungszusammenhang (vgl. Weishaupt und Böhm-Kasper 2014). Solche Annahmen lassen sich für die genannten Zielgruppen u. a. auf der Basis vorliegender Forschungsbefunde zu Weiterbildungsbarrieren formulieren. Der Begriff Barrieren impliziert dabei zunächst einen dem Subjekt äußerlichen Widerstand. Eine sichere Unterscheidung zwischen subjektiven Gründen, Motiven oder Intentionen und äußeren Widerständen ist im Detail jedoch häufig wenig sinnvoll (vgl. Grotlüschen 2010). Gerade für die hier fokussierten Gruppen lassen sich typische Kombinationen motivationaler und struktureller Barrieren identifizieren.

Im Weiterbildungsverhalten Geringqualifizierter setzt sich eine Bildungsbiographie fort, in der sich Nachteile besonders der formalen Bildung im weiteren Bildungsverlauf verfestigen (vgl. Becker 2000; Bremer 2007; Rammstedt 2013, S. 15; Konsortium Bildungsberichterstattung 2014, S. 141). Besonders aufgrund des fakultativen Charakters der Weiterbildung können sich negative Bildungserfahrungen auch im weiteren Erwachsenenalter auf die Bildungsbiographie auswirken. Einflüsse auf die Bildungsmotivation ergeben sich zudem aus den häufig problematischen Lebenslagen und Arbeitssituationen. Geringqualifizierte sind häufiger und länger arbeitslos. Damit geht in vielen Fällen ein Status- und Anerkennungsverlust einher, der in einem geringen Selbstwertgefühl mündet. Dies führt nicht selten zu einer Aufgabe längerfristiger Lebensplanung und beruflicher Ambitionen (vgl. Reutter 2011). Doch auch im Falle einer Erwerbstätigkeit sind Geringqualifizierte häufig in eine wenig lernförderliche Arbeitsorganisation eingebunden. Geringqualifizierte üben meistens sehr einfache, monotone und standardisierte Tätigkeiten ohne Anregungspotential aus. Dieser Kontext ist in der Regel nicht motivationsförderlich (vgl. Siebert 2006). Gleichzeitig führen jedoch höhere Anforderungen aufgrund des niedrigen Kompetenzniveaus auch häufiger zu Erfahrungen des Misserfolgs und der Überforderung. Auch dies ist nicht motivierend (vgl. Siebert 2006). Barrieren ergeben sich jedoch auch aus einer ungünstigen Werterwartung für Investitionen in das Humankapital von Geringqualifizierten auf Seiten der Arbeitgeber. Investitionen in das allgemeine Humankapital können die Arbeitsmarktchancen von Geringqualifizierten verbessern. Von den verbesserten Arbeitsmarktchancen profitiert aber vor allem der Arbeitnehmer, nicht der Arbeitgeber. Differenzierter stellt sich diese Situation bei der Investition in spezifisches, nur im betrieblichen Kontext verwertbares Humankapital dar (vgl. Becker 1964). Hier hat der Arbeitgeber ein erweitertes Interesse an Weiterbildung, wird jedoch zur Absicherung dieser Investition auf einer Beteiligung an den Kosten durch den Arbeitnehmer bestehen (vgl. Ericson 2005). Für Geringqualifizierte mit unterdurchschnittlichen Einkommen ist dies eine hohe Hürde.

Die Weiterbildungsbeteiligung Älterer ist zuvorderst von dem Umstand geprägt, dass mit Erreichen des Rentenalters die Erwerbstätigkeit entfällt und berufliche Weiterbildung kaum mehr eine Rolle spielt (vgl. Schmidt-Hertha 2014, S. 48). Doch auch bei älteren Erwerbspersonen (60–64 Jahre) ist die Weiterbildungsbeteiligung geringer als im Vergleich zu den unter 60-Jährigen; auch wenn sich die Beteiligungsquote älterer Erwerbspersonen in den vergangenen Jahrzehnten erhöht hat (vgl. Tippelt et al. 2014, S. 20). Barrieren der Weiterbildungsbeteiligung Älterer sind ebenso heterogen und spezifisch wie die Gruppe der Älteren insgesamt (vgl. Schmidt 2009, S. 65). Dennoch lassen sich auch hier typische, altersbedingte Barrieren identifizieren. Neben der eingeschränkten Mobilität bzw. der Erreichbarkeit von Angeboten spielen die Kosten, der Zeitaufwand und fehlende Informationen bei Älteren eine besondere Rolle (vgl. Schmidt 2009, S. 66). Zudem kommt bei Älteren vor allem die häufig geringe Erfahrung mit Weiterbildung zur Geltung. Mehr als ein Drittel der über 65-Jährigen hat noch nie an Weiterbildung teilgenommen (vgl. Schmidt-Hertha 2014, S. 50). Weiterbildungsangebote für Ältere erfordern zudem didaktische Anpassungen an das spezifische Lernverhalten. Neben möglichen physiologischen Einschränkungen ist es notwendig, auch das Vorwissen Älterer zu berücksichtigen. Zugleich müssen jedoch bei der Gestaltung altersgerechter Kursangebote Stigmatisierungen vermieden werden (vgl. Schmidt-Hertha 2014, S. 56). Als entscheidendes Hindernis erweist sich häufig die subjektiv erwartete und objektiv gegebene geringe Verwertbarkeit von Weiterbildung Älterer (vgl. Schmidt 2009, S. 65).

Die Weiterbildungsbeteiligung von Migrantinnen und Migranten ist im Vergleich zur Wohnbevölkerung ohne Migrationshintergrund ebenfalls unterdurchschnittlich, auch wenn die Unterschiede zwischen Teilgruppen beträchtlich sind. Dabei ist die Schere zwischen Migranten und Nichtmigranten in den vergangenen Jahren weiter auseinander gegangen. Dieser Unterschied ist in allen Bereichen der Weiterbildung sichtbar, wird jedoch in der betrieblichen Weiterbildung besonders deutlich (vgl. Öztürk 2015, S. 47). Doch auch Migranten sind eine sehr heterogene Subpopulation, deren Weiterbildungsbeteiligung von einer Vielzahl sozialer Faktoren und individueller Erfahrungen abhängt. Auch für Migranten lassen sich jedoch typische Barrieren identifizieren: fehlender Bedarf, fehlende Orientierung und Information zum Weiterbildungsangebot, fehlende Zugangsvoraussetzungen, befürchtete Überforderung, ein unklarer Aufenthaltsstatus, die Sprache, Angst vor Vorurteilen, kulturelle Tabus, finanzielle Einschränkungen, die religiöse Trägerschaft der Einrichtung, Angst vor Behörden und Institutionen (vgl. Öztürk 2015).

Zusammenfassend lassen sich Annahmen zum Wirkungszusammenhang von kommunaler Steuerung und Weiterbildungsbeteiligung wie folgt formulieren. Maßnahmen, welche darauf abzielen, strukturelle und individuelle Hindernisse im Bildungsverlauf systematisch abzubauen, um Übergänge zu erleichtern, sollten besonders denjenigen zugutekommen, deren Bildungsverlauf – und das heißt hier im Besonderen die Teilnahme an Weiterbildung – durch solche Hindernisse geprägt ist. Personen, deren Weiterbildungsbeteiligung aufgrund der geschilderten Barrieren besonders gering ist, sollten auch besonders profitieren, wenn in ihrer Kommune abgestimmte Beratungsleistungen und Weiterbildungsangebote zur Verfügung gestellt werden, die sich an individuellen Merkmalen orientieren und die darauf abzielen, Übergänge in Bildung zu erleichtern (vgl. BMBF 2008, S. 6). Die übergreifende Fragestellung der vorgestellten Untersuchung lautet daher, ob bzw. inwieweit sich Einflüsse des Programms „Lernen vor Ort“ auf die Weiterbildungsbeteiligung von Älteren, Geringqualifizierten sowie Migrantinnen und Migranten aufzeigen lassen.

Vorangehende empirische Studien erbrachten bereits Belege dafür, dass Kontexte auf kommunaler Ebene einen Einfluss auf das Weiterbildungsverhalten haben und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. So konnte in einer Untersuchung zur Relevanz unterschiedlicher Raumgliederungen für das Weiterbildungsverhalten gezeigt werden, dass es zum einen signifikante regionale und kommunale Einflüsse gibt und dass Kreisen auch unter Berücksichtigung der Einbettung in übergeordnete Raumabgrenzungen dabei die größte Bedeutung zukommt (vgl. Martin und Schömann 2015). Die Intraclass correlation ergab für die Kreise einen Varianzanteil von etwa vier Prozent und unter Berücksichtigung der Kumulation übergeordneter regionaler Gliederungen (Bundesländer, Agenturbezirke, Raumordnungsregionen) von 2,5 Prozent. Mehr als 95 Prozent der Varianz hingegen entfielen auf die Individuen bzw. deren unmittelbare familiäre, sozialräumliche oder betriebliche Kontexte unterhalb der Kreisebene. Auch zum Einfluss spezifischer regionaler Kontextfaktoren auf das Weiterbildungsverhalten liegen Untersuchungen vor. Anhand von Belegungszahlen der Volkshochschule und von fünf Familienbildungsstätten konnte auf der Ebene von Stadtteilen in Bochum gezeigt werden, dass die lokale Sozialstruktur nicht ohne Weiteres die Weiterbildungsbeteiligung vorwegnimmt (vgl. Wittpoth 2014). Auf der Ebene der Raumordnungsregionen ließ sich anhand von Makromodellen zeigen, dass die regionale Sozialstruktur, die Wirtschaftsleistung (Bruttowertschöpfung), die Siedlungs- und Infrastruktur sowie das Weiterbildungsangebot (Kurse der Volkshochschulen, privatkommerzielle Anbieter, betriebliche Weiterbildung) einen deutlichen Einfluss auf die Weiterbildungsbeteiligung haben (Martin et al. 2015). Ähnliche Ergebnisse zum Einfluss von Weiterbildungsangeboten auf die Weiterbildungsbeteiligung berichten Görlitz und Rezepka (2014) auf der Ebene der Arbeitsmarktregionen.

Die hier aufgeworfene Frage unterstellt jedoch eine über den Einfluss regionaler Kontexte hinausgehende, spezifische Wechselwirkung zwischen den Merkmalen einer Kommune (Kommunales Bildungsmanagement) und dem Einfluss von Personenmerkmalen (Alter, Migrationsstatus, Qualifikation) auf das Weiterbildungsverhalten. Diese Interaktion zwischen der kommunalen und individuellen Ebene (cross-level-interaction) setzt voraus, dass es überhaupt einen Zusammenhang zwischen diesen Personenmerkmalen und der Weiterbildungsbeteiligung gibt und dass dieser Zusammenhang in den Kommunen unterschiedlich ausgeprägt ist. Unsere erste Hypothese lautet dementsprechend, dass Ältere, Migranten und Geringqualifizierte eine geringere Weiterbildungsbeteiligung aufweisen und dass diese Weiterbildungsbenachteiligung sich zwischen den Kommunen unterscheidet.

Nur wenn sich zeigt, dass es überhaupt unterschiedliche Beteiligungschancen dieser Subpopulationen zwischen den Kommunen gibt, können diese durch ein kommunales Bildungsmanagement erklärt werden. Unsere Annahme ist, dass in Kommunen, in denen im Rahmen eines kommunalen Bildungsmanagements individualisierte Bildungsberatung und Angebote bereitgestellt werden, Nachteile aufgrund sozioökonomischer oder demographischer Merkmale weniger ins Gewicht fallen und Barrieren der Weiterbildungsbeteiligung, die sich aus diesen Merkmalen ergeben, leichter überwunden werden können. In „Lernen vor Ort“-Kommunen sollten die Weiterbildungschancen von Älteren, von Migrantinnen und Migranten sowie von Geringqualifizierten weniger oder gar nicht hinter den Bildungschancen der übrigen erwachsenen Wohnbevölkerung zurückbleiben. Wir erwarten also in „Lernen vor Ort“-Kommunen ein höheres Maß an Chancengleichheit in dieser Hinsicht.

Unsere zweite Hypothese lautet daher, dass in „Lernen vor Ort“-Kommunen die Weiterbildungsbeteiligung von Migrantinnen und Migranten, von Älteren und von Geringqualifizierten weniger hinter der Beteiligung der übrigen Wohnbevölkerung zurück bleibt, als dies in Kommunen ohne ein solches Bildungsmanagement der Fall ist. Zu erwarten ist ein deutlicher Interaktionseffekt zwischen dem Merkmal Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene und den Merkmalen Migrationshintergrund, Alter und geringe Qualifikation auf der individuellen Ebene.

4 Datengrundlage und Auswertungsmethoden

4.1 Der Mikrozensus als Datenquelle

Datengrundlage der Untersuchung ist der Mikrozensus 2012, der im Rahmen der On-Site-Nutzung auch tiefregionalisiert zur Verfügung steht. Der Mikrozensus ist eine jährlich durchgeführte, mehrfach geschichtete Klumpenstichprobe. Der angestrebte Stichprobenumfang liegt bei einem Prozent der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik. Im Jahr 2012 waren dies 688.924 Personen. Grundgesamtheit der Untersuchung ist die Wohnbevölkerung über 25 Jahren mit Hauptwohnsitz in der Bundesrepublik. Dies sind im Mikrozensus 2012 genau 521.206 Fälle. Die wichtigsten unabhängigen Variablen sind auf der Ebene der Individuen der Migrationshintergrund, das Alter und der Bildungsstand. Auf der Makroebene (Kreise) wird zudem der Wohnort in einer LvO-Region als Makrovariable berücksichtigt. Lernen vor Ort wurde gewählt, weil hier die größten Fallzahlen sowohl auf der individuellen als auch auf der kommunalen Ebene zur Verfügung stehen.

Um die Effekte eines kommunalen Bildungsmanagements möglichst sicher zu bestimmen, ist es zudem nötig, eine eindeutige Referenzgruppe herzustellen. Um Uneindeutigkeiten in diesem Punkt zu vermeiden, wurden Kreise, in denen 2012 ähnliche Netzwerke zur kommunalen Koordination von Weiterbildungsakteuren aktiv waren, aus der Analyse ausgeschlossen. Dabei handelt es sich um die Kreise der Weiterbildungsverbünde in Schleswig-Holstein (N = 17) sowie um die Kommunen des Hessencampus (N = 21). Dies betrifft 41.366 Personen. Die berücksichtigten LvO-Kommunen beziehen sich auf die aktiven 35 Kreise, die sich an dem Projekt beteiligten. Dabei sind zwei Kommunen des Hessencampus (Offenbach und Rheingau-Taunus) zugleich im Projekt LvO aktiv. Auch diese wurden aus der Analyse ausgeschlossen. In den verbleibenden 33 LvO-Kommunen wurden insgesamt 73.499 Personen erfasst. Die Datengrundlage besteht nach diesen Korrekturen aus insgesamt 469.979 Fällen in 365 Kreisen und kreisfreien Städten. Davon sind 136.937 Personen über 65 Jahre (Ältere), 69.072 Personen haben einen Migrationshintergrund und 43.484 Personen weisen geringe Qualifikationsniveaus auf (Erwerbspersonen zwischen 25 und 65 Jahren mit einem ISCED-Level 1 oder 2).

Die abhängige Variable ist hier die Weiterbildungsbeteiligung in den letzten zwölf Monaten. Die entsprechende Fragestellung im Erhebungsinstrument lautet: „Haben Sie in den letzten 12 Monaten an einer oder mehreren Lehrveranstaltung/-en der allgemeinen oder beruflichen Weiterbildung teilgenommen oder nehmen Sie gegenwärtig daran teil?“ (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2011, S. 33). Im Erläuterungstext wird Weiterbildung dann näher bestimmt: „Formen der Weiterbildung sind zum Beispiel Kurse, Seminare, Tagungen, Privatunterricht, Studienzirkel. Berufliche Weiterbildungen sind Umschulungen, Lehrgänge oder Kurse für einen beruflichen Aufstieg, neue berufliche Aufgaben, Fortbildungen (Computer, Management, Rhetorik o. Ä.). Allgemeine Weiterbildungen haben meist einen privaten Zweck und dienen dem Erwerb oder der Erweiterung eigener Fähigkeiten und Kenntnisse (Musik, Sport, Erziehung, Gesundheit, Kunst, Politik, Technik, Kochen o. Ä.)“ (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2011, S. 33). Die Erfassung der Weiterbildungsbeteiligung im Mikrozensus weist im Vergleich zu anderen Statistiken eine geringere Weiterbildungsbeteiligung aus. Grund dafür kann unter anderem eine Untererfassung der Beteiligung aufgrund fehlender Interessen bei den auskunftspflichtigen Befragten sein (vgl. Eisermann et al. 2014). Anzunehmen ist jedoch auch, dass gerade die Auskunftspflicht des Mikrozensus dazu führt, dass Selektionseffekte fehlender Bildungsaffinität im Antwortverhalten unterbunden werden. Die Weiterbildungsbeteiligungsquote liegt 2012 im Schnitt bei 12,62 %; sie ist jedoch regional sehr unterschiedlich verteilt (siehe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Weiterbildungsbeteiligungsquote 2012 in Raumordnungsregionen (Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2007–2012, gewichtet, eigene Berechnung; © GeoBasis-DE / BKG 2013)

4.2 Methoden der Datenanalyse

Zentraler Gegenstand der Analyse ist die Frage, inwiefern es regional-spezifische Unterschiede im Weiterbildungsverhalten von Personen mit demographischen und sozioökonomischen Merkmalen gibt, mit denen sich eine geringere Weiterbildungsbeteiligung verbindet und inwiefern sich diese regional-spezifischen Unterschiede durch ein kommunales Bildungsmanagement erklären lassen. Die Fragestellung gibt dabei schon eine Modellstruktur vor, in der Effekte auf individueller und kommunaler Ebene unterschieden und aufeinander bezogen werden müssen. Um abschätzen zu können, inwiefern sich mit den Merkmalen eines Migrationshintergrundes, höheren Alters oder geringer Qualifikation eine insgesamt geringere Weiterbildungsbeteiligung verbindet und ob diese auf der Ebene der Kommunen nennenswert variiert, wurde zunächst die Weiterbildungsbeteiligung in drei logistischen Random-Intercept und -Slope-Modellen jeweils auf die drei genannten Merkmale regressiert. Dabei wurden Kreise als Level-2-Indikator aufgenommen, in denen die Subjekte überschneidungsfrei zusammengefasst sind. Zunächst wurde ein multivariates logistisches Random-Intercept-Modell berechnet, in dem ein zusätzlicher Fehlerterm(\( {{\zeta }_{kr}} \)) das regional spezifische Niveau der Weiterbildungsbeteiligung berücksichtigt.

$$logit\{ Pr({y_{ikr}} = 1|{x_{1ikr}};{x_{2kr}} \ldots {x_{35ikr}})\} = {\beta _0} + {\beta _1}{x_{1ikr}} + {\beta _2}{x_{2kr}} + {\beta _3}{x_{3kr}} + {\beta _4}{x_{4kr}} + {\beta _5}{x_{5kr}} \ldots + {\beta _{35}}{x_{35ikr}} + {\zeta _{kr}} + {\varepsilon _{ikr}}$$

Wobei \( Pr({{y}_{ikr}}=1|{{x}_{1kr}};{{x}_{2kr}}\ldots {{x}_{35ikr}}) \) die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Weiterbildungsbeteiligung bei Person i in Kreis kr und \( {{\mathrm{ }\!\!\beta\!\!\text{ }}_{0}} \) die Konstante ist. Mit \( {{\beta }_{1}}{{x}_{1ikr}} \) wird eine Person i in Kreis kr als Träger des Merkmals Älterer, Migrationshintergrund oder Geringqualifiziert identifiziert. Mit \( {{\beta }_{2}}{{x}_{2kr}} \) wird ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt als LvO-Kommune in das Modell aufgenommen. Bei den Termen \( {{\beta }_{3}}{{x}_{3kr}};{{\beta }_{4}}{{x}_{4kr}};{{\beta }_{5}}{{x}_{5kr}} \) handelt es sich um die Kreistypen des BBSR, wobei \( {{x}_{3kr}} \) kreisfreie Großstädte, \( {{x}_{4kr}} \) städtische Kreise,\( {{x}_{5kr}} \) ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen beschreiben. Mit \( {{\beta }_{6}}{{x}_{6ikr}}+\ldots +{{\beta }_{35}}{{x}_{35ikr}} \) ist ein Set von Merkmalen der Person i in Kreis kr bezeichnet, welches den Erwerbsstatus, die Stellung im Beruf, den Beschäftigungsumfang, den betrieblichen Kontext (Größe und Branche), den ausgeübten Beruf, das verfügbare Haushaltseinkommen, die Schul- und Berufsbildung, demographische Merkmale sowie den Familienstand und den Migrationsstatus umfasst. Die Branche ist nach wissensintensiven Dienstleistungen und Industrien differenziert (Gehrke et al. 2010), der ausgeübte Beruf nach wissensintensiven Berufen (Tiemann 2009).

Dieses Modell dient als Referenz und wird in den Tabellen nicht aufgeführt. Im Anschluss daran wurde ein Random-Intercept und -Slope-Modell mit identischen Variablen berechnet, in dem jedoch ein weiterer Fehlerterm regional spezifische Zusammenhänge zwischen einem individuellen Merkmal (Alter, Migrationshintergrund, Qualifikation) und der Weiterbildungsbeteiligung aufnimmt:

$$logit\{ Pr({y_{ikr}} = 1|{x_{1ikr}};{x_{2kr}} \ldots {x_{35ikr}})\} = {{\rm{\beta }}_0} + {\beta _1}{x_{1ikr}} + {\beta _2}{x_{2kr}} + {\beta _3}{x_{3kr}} + {\beta _4}{x_{4kr}} + {\beta _5}{x_{5kr}} \ldots + {\beta _{35}}{x_{35ikr}} + {\zeta _{1kr}} + {\zeta _{2kr}}{x_{1ikr}} + {\varepsilon _{ikr}}$$

Dieser Fehler (\( {{\zeta }_{2kr}} \)) wird dann auf seinen Beitrag zu Modellverbesserung in einem Likelihood-Ratio-Test (LRT) getestet. Wenn es regionalspezifische Unterschiede im Weiterbildungsverhalten der genannten Gruppen gibt, sollte dieser Test einen signifikanten Wert ausweisen.

Um herauszufinden, inwiefern sich regional unterschiedliche Zusammenhänge zwischen persönlichen Merkmalen und der Weiterbildungsbeteiligung (soweit solche regionalen Unterschiede vorhanden sind) auf eine Eigenschaft des Kreises – hier die Existenz eines kommunalen Bildungsmanagements aufgrund der Beteiligung am Programm „Lernen vor Ort“ – zurückführen lassen, wurde in einem weiteren Schritt ein Interaktionsterm (\({{\beta }_{3}}{{x}_{1ikr}}{{x}_{2kr}}\)) in das Random-Slope Modell aufgenommen. Dieser Interaktionsterm beschreibt die Wechselwirkung zwischen einem Merkmal auf der Kreisebene (Lernen vor Ort) und individuellen Eigenschaften (Alter, Qualifikation, Migrationshintergrund).

$$logit\{ \Pr ({y_{ikr}} = 1|{x_{1ikr}};{x_{2kr}} \ldots {x_{36ikr}})\} = {\beta _0} + {\beta _1}{x_{1ikr}} + {\beta _2}{x_{2kr}} + {\beta _3}{x_{1ikr}}{x_{2kr}} + {\beta _3}{x_{3kr}} + {\beta _4}{x_{4kr}} + {\beta _5}{x_{5kr}} + \ldots + {\beta _{36}}{x_{36ikr}} + {\zeta _{1kr}} + {\zeta _{2kr}}{x_{1ikr}} + {\varepsilon _{ikr}}$$

Die Modelle wurden jeweils für Frauen und Männer getrennt geschätzt. In dem Model zur Analyse der regionalen Weiterbildungsbeteiligung Älterer wurde die Kovariable Alter bzw. quadriertes Alter ausgeschlossen und durch den Dummy Ältere ersetzt. Bei dem Modell zur Analyse der regionalen Weiterbildungsbeteiligung der Geringqualifizierten wurden die Variablen zur Berufsausbildung ausgenommen. Um sicherzustellen, dass Koeffizienten über Modelle und Gruppen vergleichbar sind, werden zusätzlich die durchschnittlichen Marginaleffekte ausgewiesen (vgl. Windzio 2013, S. 69).

5 Effekte kommunaler Bildungssteuerung am Beispiel „Lernen vor Ort“

In der ersten Tabelle sind zunächst die Effekte individueller, sozioökonomischer und demographischer Merkmale sowie eines kommunalen Bildungsmanagements (LvO) auf die Weiterbildungsbeteiligung in einem Random-Slope-Modell abgetragen (Tab. 1). Dabei sind hier die regionalen Slopes entlang des Merkmals Ältere angepasst. Die Intraclass correlation (ICC) bestätigt mit etwa vier Prozent Varianzanteil für die kommunale Ebene die bereits oben beschriebenen Ergebnisse. Die Effekte der individuellen Merkmale entsprechen dem, was die Forschung zum Weiterbildungsverhalten anhand anderer Datengrundlagen beschreibt (vgl. Kuper et al. 2013). Weiterbildungsbeteiligung hängt vom Einkommen, dem Bildungsstand, dem Erwerbsstatus, der Betriebsgröße, der Stellung im Beruf, dem Familienstand und dem Migrationsstatus ab. Ältere haben eine geringere Teilnahmewahrscheinlichkeit. Interessant sind die Effekte der Siedlungsstruktur auf der Kommunalebene. Es sind nicht die städtischen Ballungszentren, in denen die Weiterbildungsbeteiligung am höchsten ist, sondern ländliche Regionen mit Verstädterungsansatz. Dies bestätigt auf der Kreisebene Ergebnisse, welche auch auf Ebene der Raumordnungsregionen identifiziert werden konnten (vgl. Martin et al. 2015). Der Wohnsitz in einer LvO-Kommune hat keinen Effekt auf die Weiterbildungsbeteiligung. Zentral ist hier jedoch der in den Modellen 1 und 3 abgetragene Likelihood-Ratio-Test, in dem die Relevanz des Fehlerterms für den kommunalen Zusammenhang zwischen dem Merkmal Ältere und der Weiterbildungsbeteiligung gegen ein Random-Intercept-Modell getestet wird. Er zeigt sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, dass sich der Zusammenhang des Merkmals Ältere mit der Weiterbildungsbeteiligung zwischen den Kommunen signifikant unterscheidet. Es gibt also deutliche Unterschiede zwischen Kreisen bei der Weiterbildungsbenachteiligung Älterer.

In den Modellen 2 und 4 ist jeweils für Männer und Frauen abgetragen, inwiefern sich der Zusammenhang zwischen dem Merkmal Alter und der Weiterbildungsbeteiligung ändert, wenn die Person in einer LvO-Region lebt. Hier zeigt sich kein Effekt. Auch der LRT-Wert deutet darauf hin, dass durch den Interaktionseffekt keine Verbesserung der Modellanpassung erreicht wird.

Tab. 1 Weiterbildungsbeteiligung in den Kommunen: Ältere. (Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2012, gewichtet, eigene Berechnung)

Tabelle 2 weißt die Ergebnisse einer Modellierung aus, welche der Methode nach dem oben beschriebenen Modell zur kommunalen Weiterbildungsbeteiligung Älterer entspricht, sich dabei jedoch auf geringqualifizierte Personen richtet. Die Effekte sozioökonomischer und demographischer Merkmale weisen dementsprechend keine Überraschungen auf. Die Weiterbildungsbeteiligung Geringqualifizierter ist erwartungsgemäß unterdurchschnittlich, ein Hauptwohnsitz in einer LvO-Kommune hat auch hier keinen Effekt auf die Weiterbildungsbeteiligung insgesamt. Entscheidend ist auch hier zunächst der LRT zu Modell 1 und 3. Er macht deutlich, dass nicht jedes Merkmal einen kommunalspezifischen Zusammenhang mit der Weiterbildungsbeteiligung aufweist. Die Weiterbildungsbenachteiligung von geringqualifizierten Männern ist in den Kommunen zwar unterschiedlich, dieser Effekt fällt jedoch geringer aus, als es beim Merkmal der Älteren zu beobachten war. Die Weiterbildungsbenachteiligung geringqualifizierter Frauen unterscheidet sich nicht signifikant zwischen den Kommunen. Obgleich sich die Benachteiligung geringqualifizierter Männer nur in relativ geringem Maße zwischen den Kommunen unterscheidet, hat der Umstand, in einer LvO-Kommune zu leben, dennoch einen signifikanten Effekt. Hier ist die Benachteiligung deutlich geringer. Auch der LRT zeigt eine Modellverbesserung von Modell 1 zu Modell 2. Kommunales Bildungsmanagement spielt hier anscheinend ein wichtige Rolle (Modell 2 und 4 in Tab. 2).

Tab. 2 Weiterbildungsbeteiligung in den Kommunen: Geringqualifizierte. (Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2012, gewichtet, eigene Berechnung)

Wie zu den Älteren und Geringqualifizierten wurde eine entsprechende Analyse auch zu Migrantinnen und Migranten und deren Weiterbildungsbeteiligung in den Kommunen durchgeführt (Tab. 3). Noch deutlicher als bei den Geringqualifizierten zeigt sich hier, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Kommunen in Bezug auf einen Migrantenstatus und der damit zusammenhängenden Weiterbildungsbeteiligung gibt. Besonders hier fehlt die Basis regionaler Varianzanteile beim Zusammenhang von Migrationsstatus und Weiterbildungsbeteiligung, die durch kommunales Bildungsmanagement erklärt werden könnte.

Tab. 3 Weiterbildungsbeteiligung in den Kommunen: Migranten. (Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2012, gewichtet, eigene Berechnung)

6 Interpretation der Befunde

Die Ergebnisse bestätigen zunächst die Annahme, dass die Weiterbildungsbeteiligung von Migranten, Geringqualifizierten und Älteren deutlich hinter der Beteiligung der übrigen Wohnbevölkerung zurückbleibt. Darüber hinaus wird jedoch auch deutlich, dass diese Nachteile bei Älteren und männlichen Geringqualifizierten in den Kommunen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Solche regionalspezifischen Zusammenhänge stellen sich jedoch bei Migranten und weiblichen Geringqualifizierten nicht ein. Deren spezifische Weiterbildungsbenachteiligung scheint von regionalen Kontexten weitgehend unabhängig zu sein.

Ein genereller Einfluss von Kommunalem Bildungsmanagement auf die Weiterbildungsbeteiligung ist nicht zu beobachten. Da endogene Varianz sowie Selektionsprozesse bei der Auswahl von Kommunen im Rahmen des Förderprograms LvO nicht kontrolliert und Veränderungen nicht modelliert werden können, ist dies jedoch nur mit Unsicherheiten interpretierbar. Interessant ist der signifikante Effekt von LvO auf die Weiterbildungsbeteiligung von geringqualifizierten Männern. Deren Weiterbildungsbenachteiligung fällt in Kommunen mit regionalem Bildungsmanagement geringer aus. Daraus lässt sich unter Berücksichtigung des Fehlens solcher Effekte bei Älteren und Migrantinnen und Migranten schlussfolgern, dass sich Bemühungen zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung in diesen Kommunen vor allem auf die berufliche Weiterbildung richten und an den Qualifikationsniveaus orientieren.

Doch auch das Fehlen von Effekten stellt einen wichtigen Hinweis dar. Dies betrifft vor allem die fehlende kommunale Varianz der Weiterbildungsbenachteiligung bei geringqualifizierten Frauen und Personen mit Migrationshintergrund. Hier wird deutlich, dass sich die Weiterbildungsbeteiligung von Personen entlang besonderer individueller und sozioökonomischer Merkmale nur dann durch die Gestaltung kommunaler Bildungslandschaften verändern lässt, wenn diese Zielgruppen überhaupt spezifisch auf kommunale Kontexte reagieren. Die Ergebnisse zeigen jedoch sehr deutlich, dass bei diesen Personengruppen die Weiterbildungsbeteiligung ausnahmslos und im selben Maß hinter der Weiterbildungsbeteiligung der sonstigen Bevölkerung zurückbleibt, unabhängig davon, in welcher Kommune sie jeweils leben. Daraus lässt sich vor allem für Migranten und Migrantinnen zunächst ableiten, dass die Chancenungleichheit zwischen Personen mit Migrationshintergrund und ohne Migrationshintergrund ein allgemeines Phänomen ist und kein regional-spezifisches. Unter Berücksichtigung der hier noch einmal bestätigten Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen zum allgemeinen Einfluss regionaler Kontexte auf die Weiterbildungsbeteiligung insgesamt, in denen gezeigt wurde, dass dem Kreis mit einem Varianzanteil von etwa 4 Prozent durchaus ein Einfluss zukommt, lassen sich diese Resultate weiter interpretieren. Zum einen scheinen kommunale Kontexte das Weiterbildungsverhalten zwar zu beeinflussen. Da die Unterschiede bei den Beteiligungschancen zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund dabei jedoch immer gleich bleiben, handelt es sich anscheinend um Kontexte, welche Bewohner mit und ohne Migrationshintergrund gleicher Massen betreffen. Als erstes kann man dabei an die Wirtschaftskraft sowie die Siedlungs- und Infrastruktur denken. Auch deren Einfluss wurde in den oben genannten Untersuchungen bestätigt. Zum anderen wird deutlich, dass die Faktoren, die für die insgesamt geringere Weiterbildungsbeteiligung von Personen mit Migrationshintergrund ursächlich sind, offensichtlich nicht auf kommunaler Ebene variieren.

Anders stellt sich die Situation jedoch bei den Älteren und geringqualifizierten Männern dar. Deren Weiterbildungsverhalten variiert deutlich zwischen den Kommunen. Diese Gruppen scheinen also in ihrem Weiterbildungsverhalten spezifisch auf unterschiedliche Kontexte zu reagieren. Dies macht sie als Gruppe für Kontextveränderungen ansprech- und adressierbar. Unter dieser Voraussetzung sind dann auch Effekte einer zielgerichteten Veränderung der Bildungslandschaft durch kommunale Koordinationsleistungen wenigstens ansatzweise identifizierbar. Dies macht die Rolle des (Nicht-)Teilnehmenden bei der Steuerung der Weiterbildung deutlich. Die Gestaltung von kommunalen Kontexten zur Steuerung des Weiterbildungsverhaltens setzt auf Seiten des (Nicht-)Teilnehmenden eine Orientierung seines Verhaltens am Kontext voraus. Diese Voraussetzung scheint jedoch nicht immer gegeben.

Die vorliegenden Befunde machen deutlich, dass die Veränderung des Kontextes der (Nicht-)Teilnehmer allein nicht genügt, um deren Weiterbildungsverhalten zu ändern. Vielmehr müssen die Akteure der „untersten“ Handlungsebene diese Rahmenbedingungen auch re-kontextualisieren (vgl. Schrader 2008, S. 46), also in ihre Handlungsorientierungen aufnehmen. Dies verweist auf die Relevanz subjektiver Werterwartungen (vgl. Becker 2010) der (Nicht-)Teilnehmer und die Option, die Re-Kontextualisierung gegebener institutioneller Handlungsoptionen zu unterstützen. Zudem rücken Formen aufsuchender Bildungsarbeit in den Fokus (vgl. Barz und Tippelt 2004). Bei Geringqualifizierten bieten betriebliche Gelegenheitsstrukturen wahrscheinlich einen direkteren Ansatz zur Erreichung dieser Zielgruppe (vgl. Schiener et al. 2013).