1 Einleitung

Test- und Fragebogenstudien mit Schülerinnen und Schülern, Eltern oder Lehr- und Schulpersonal haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einer zentralen Datenquelle in der empirischen Bildungsforschung entwickelt. Die empirische Bildungsforschung sieht sich dadurch mit einem bekannten Phänomen empirischer Untersuchungen konfrontiert: angefragte Personen nehmen nicht teil und erzeugen damit das Fehlen von Angaben (Nonresponse). Nonresponse per se ist unproblematisch, solange das Fehlen zufällig auftritt und die Stichprobengröße hinreichend groß bleibt. Besteht jedoch ein systematischer Zusammenhang zwischen den zu untersuchenden Variablen und dem Fehlen von Werten, kann dies zu Verzerrungen in den Ergebnissen führen, wodurch die Qualität der erhobenen Daten sinkt und die Aussagekraft der Befunde eingeschränkt oder verfälscht wird (Groves 2006). Zwar gibt es inzwischen leistungsstarke statistische Verfahren, die diesem Fehler entgegenwirken können (vgl. Rubin 1987; Lüdtke et al. 2007; Rässler et al. 2008; Graham 2009), gleichwohl liegt die Priorität bei der Datenerhebung weiterhin auf der Vermeidung bzw. Reduktion von Nonresponse.

Um zu erreichen, dass ein möglichst hoher Teil der anvisierten TeilnehmerFootnote 1 tatsächlich an der Erhebung teilnimmt, können gezielt Maßnahmen der Teilnahme-Motivation im Rahmen der Implementierung und Administrierung des Erhebungsinstruments im Feld angewandt werden (z. B. die teilnehmerfreundliche Gestaltung des Fragebogens, eine Incentivierung der Teilnahme, Vorab- oder Erinnerungsschreiben). Doch nicht allein externe administrative Strategien bestimmen, ob sich die Zielperson tatsächlich für eine Teilnahme entscheidet. Vielmehr handelt es sich um einen Entscheidungsprozess, der in der Zielperson selbst stattfindet und häufig unter dem Paradigma von Handlungs- und Entscheidungsprozessen betrachtet wird, die dem Kosten-Nutzen-Ansatz folgen (Dillman 1978, 2007; Schnell 1997; Groves et al. 2000). Dabei werden individuelle Eigenschaften, Einstellungen und Merkmale der Person selbst als zentrale Einflussfaktoren auf die Teilnahmeentscheidung berücksichtigt.

Während für Surveystudien im Allgemeinen bereits eine Vielzahl an Forschungsarbeiten bezüglich der Effektivität von administrativen Strategien und Einflüssen von Personenmerkmalen auf das Teilnahmeverhalten vorliegen, ist dieses Forschungsthema für empirische Studien im Erhebungskontext der Schule, trotz der in den letzten Jahren immer zahlreicher werdenden empirischen Erhebungen in Schulen (z. B. PISA, IGLU, NEPS, VERA und eine Vielzahl anderer), bisher wenig untersucht (vgl. Trapp et al. 2012). Das ist überraschend, denn gezielte Maßnahmen könnten auch hier die Teilnahme der Zielpersonen an den Befragungen verbessern. An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag an. Es wird der Frage nachgegangen, ob die administrativen Maßnahmen der Mehrfachkontaktierung und Incentivierung, umgesetzt in einem experimentellen Untersuchungsdesign bei einer Elternbefragung, Einfluss auf die Höhe des Rücklaufs der Fragebögen im Rahmen von im Schulkontext verankerter Studien haben. Dabei werden die Personenmerkmale der Zielgruppe zusätzlich berücksichtigt.

2 Maßnahmen des administrativen Untersuchungsdesigns – theoretische Bezugspunkte und empirische Forschungsbefunde

In den Sozialwissenschaften gibt es eine inzwischen langjährige Forschungstradition, die sich mit Nonresponse und der Optimierung der Teilnahmequote an Befragungen und Surveystudien auseinandersetzt (vgl. Heberlein und Baumgartner 1978; Singer und Ye 2013). Seit den 1960er Jahren werden zunehmend Arbeiten publiziert, die das Ziel einer maximalen Ausschöpfung der anvisierten Stichprobe über den Ansatz des administrativen Untersuchungsdesigns (etwa über die Gestaltung des Instruments und die Kommunikationsstrategie mit den potentiellen Teilnehmern) verfolgen.

Die Anwendung solcher Strategien begründet sich in der Annahme, dass das Herantreten an eine Person mit der Bitte, an einer Studie teilzunehmen, diese Person sowohl auf kognitiver als auch auf motivationaler Ebene anspricht und fordert. Durch die gezielte strategische Gestaltung und Administration des Fragebogeninstruments soll die angesprochene Person auf beiden Ebenen unterstützt werden (Dillman 1978, 2007). Die theoretische Basis bilden verschiedene Kosten-Nutzen-Konzepte (Rational Choice Theorie: Esser 1986; Schnell 1997; Soziale Austauschtheorie: Dillman 1978, 2007; Groves und Couper 1998; Leverage-Salience-Theorie: Groves et al. 2000), die in ihrer Grundannahme postulieren, dass die Entscheidung zugunsten der Teilnahme dann getroffen wird, wenn die Argumente der Nutzen-Seite (z. B. Möglichkeit zum Ausdruck der eigenen Meinung, gesellschaftliches Engagement) höher gewichtig sind als die der Kosten-Seite (z. B. zeitlicher Aufwand, kognitive Anstrengung). Die strategischen Maßnahmen zielen darauf ab, das Gewicht auf die Nutzen-Seite zu verlagern (z. B. durch materielle Entlohnung) bzw. die Argumente auf der Kosten-Seite zu minimieren (z. B. durch portofreien Rückversand der Unterlagen), um eine positive Entscheidung im Sinne der Teilnahme zu erwirken.

Als besonders wirksame administrative Strategien haben sich in der Survey-Forschung die Incentivierung sowie die Mehrfachkontaktierung herausgestellt (vgl. Heberlein und Baumgartner 1978; Yu und Cooper 1983; Fox et al. 1988; Yammarino et al. 1991). Incentives (lat. Anreize) sind Geschenke, Prämien oder Belohnungen. Sie können an die Bedingung der Teilnahme an der Studie geknüpft sein (und damit nach erfolgter Rücksendung des Instruments übergeben werden, Post-Incentive), oder ohne die Bedingung der Teilnahme bereits mit dem Instrument mitversandt werden (Prä-Incentive). Klassische Incentives sind Bargeld oder Sachgeschenke. Eine weitere Variante ist die Verlosung. Hierbei wird der Zielperson die Möglichkeit geboten, im Rahmen ihrer Teilnahme an der Studie zusätzlich an einer Verlosung teilzunehmen. Der Effekt eines Incentives ist im Rahmen der Kosten-Nutzen-Modelle ein extrinsischer motivationaler Anreiz, der für die Zielperson als Nutzen gewertet wird und somit ebenfalls positiv auf die Entscheidung für eine Teilnahme wirken soll. Mehrfachkontaktierung bedeutet, dass der potentielle Teilnehmer außer zur Kontaktierung, bei der das Fragebogeninstrument übergeben wird, mindestens ein weiteres Mal zusätzlich kontaktiert wird. Dies kann vor oder nach dem eigentlichen Fragebogenkontakt und auf unterschiedliche Art und Weise geschehen (z. B. als Vorab-Schreiben, als Erinnerungsschreiben mit erneutem Fragebogenversand etc.). Erinnerungskontakte dienen dazu, beim potentiellen Teilnehmer die Aufforderung zur Teilnahme nochmals bewusst zu machen und, in weiterer Auslegung im Sinne der Kosten-Nutzen-Modelle, erneut die Wichtigkeit der Studie und vor allem die Wichtigkeit seiner Teilnahme in dessen Wahrnehmung zu verstärken, dies als Nutzen-Argument zu unterstreichen und damit die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme zu erhöhen.

Für die Effekte von Incentives auf die Teilnahme an Fragebogenstudien liegen zahlreiche Untersuchungen vor, die durchweg positive Effekte der Incentivierung auf die Teilnahmequote nachwiesen (u. a. Meta-Analysen von Armstrong 1975; Hopkins und Gullickson 1992; Church 1993). So zeigte beispielsweise Church (1993) in einer Meta-Analyse, bei der 38 experimentelle und quasi-experimentelle Fragebogenstudien untersucht wurden, dass Studien ohne Einsatz eines Incentives eine mittlere Teilnahmequote von 35,8 % erreichten, Studien, bei denen eine Incentivierung als administrative Strategie eingesetzt wurde, hingegen eine mittlere Teilnahmequote von 48,9 % aufwiesen. Als besonders effektiv stellten sich monetäre Incentives heraus, die bereits mit dem Fragebogeninstrument an den potentiellen Teilnehmer übergeben wurden (Hopkins und Gullickson 1992; Church 1993; Edwards et al. 2002). Die Verlosung als Sonderform der Incentivierung wurde bisher weniger häufig untersucht und auch die Befundlage fällt weniger eindeutig aus. Positive Effekte dieser Maßnahme berichten Baron et al. (2001) sowie Hubbard und Little (1988); in den Studien von Porter und Whitcomb (2003) zeigten sich nur schwache Effekte und Warriner et al. (1996) konnten keinen empirischen Beleg für die Effektivität von Verlosungen auf die Teilnahmequote finden.

Dahingegen liegen für die Strategie der mehrfachen Kontaktierung des potentiellen Teilnehmers eine Reihe von Studien und mehrere Meta-Analysen vor, die den positiven Effekt dieser Strategie auf den Fragebogenrücklauf wiederholt empirisch bestätigen konnten (Heberlein und Baumgartner 1978; Yu und Cooper 1983; Fox et al. 1988; Yammarino et al. 1991; Edwards et al. 2002). In der vielzitierten Meta-Analyse von Heberlein und Baumgartner (1978) berichten die Autoren, dass ein einziger zusätzlicher Kontakt zur Zielperson einen Zuwachs der Rücklaufquote von etwa 20 % im Vergleich zum Einmalkontakt erzeugte und ein zweiter und dritter weiterer Kontakt nochmals 10 Prozentpunkte Zugewinn ergaben. Die Autoren verweisen auf eine Vielzahl von Studien, in denen mit drei zusätzlichen Kontakten Rücklaufquoten von bis zu 80 % erreicht werden konnten.

Auch wenn die Incentivierung und Mehrfachkontaktierung als teilnahmewirksame Strategien belegt sind, wurden beide bisher meist unabhängig voneinander geprüft. Nur in vergleichsweise wenigen Studien wurden sie gegeneinander getestet bzw. deren kombinierter Effekt auf die Teilnahmequote untersucht. Studien, die ein experimentelles Untersuchungsdesign anwenden, stehen bisher aus. Erste Hinweise zu den Effekten des Zusammenwirkens von Incentivierung und Mehrfachkontakt geben die Ergebnisse von Untersuchungen, in denen die Strategie der Incentivierung experimentell variiert und für die gesamte Stichprobe Erinnerungen administriert wurden (James und Bolstein 1990; Brennan und Charbonneau 2009; Meta-Analyse: Hopkins und Gullickson 1992). Die positiven Effekte des Incentives zeigten sich in allen Studien und vor allem bei einer monetären Incentivierung des potentiellen Teilnehmers blieben diese auch über mehrere Kontakte bestehen. Zudem wurden Tendenzen sichtbar, dass eine (monetäre) Incentivierung im Erstkontakt effektiver sein kann, als mehrere Erinnerungskontakte ohne Incentivierung (James und Bolstein 1990; Hopkins und Gullickson 1992).

3 Die Bedeutung von Personenmerkmalen für das Teilnahmeverhalten

Kann durch die administrative Ausgestaltung einer Befragung das Teilnahmeverhalten der Zielpersonen external beeinflusst werden, steuern letztlich individuelle Merkmale der Person deren Entscheidungs- und Teilnahmeverhalten. Die bisherigen Forschungsbefunde aus der Survey- und Umfrageforschung weisen auf unterschiedliche Einflussfaktoren hin. Ein seit den 1940er Jahren bekanntes Phänomen ist dabei der Effekt des sozioökonomischen Status (SES), der als sogenannter Mittelschicht-Bias bezeichnet wird und die unterschiedliche Ausfallwahrscheinlichkeit verschiedener gesellschaftlicher Schichten umschreibt (Hartmann und Schimpl-Neimanns 1992; Goyder et al. 2002). Dieser hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Ausfall von Bevölkerungsschichten mit niedrigerem sozialen Status verschoben und stellt weniger einen Effekt der Klassenlage als einen Bildungsbias dar, also die selektiv geringere Beteiligung von Personen aus bildungsfernen Schichten (Hartmann und Schimpl-Neimanns 1992). Ebenfalls aus dieser Forschungsrichtung, insbesondere in Bezug auf Interviewstudien, ist zudem bekannt, dass Personen aus ethnischen Minderheiten bzw. mit Migrationshintergrund seltener an Umfragen teilnehmen. Neben schwierigerer Erreichbarkeit wird ein wesentlicher Grund in den höheren sprachlichen Barrieren für diese Personengruppe gesehen (Blohm und Diehl 2001; Feskens et al. 2006), was wiederum vor dem Hintergrund des Kosten-Nutzen-Ansatzes betrachtet werden kann, da die Bearbeitung in einer fremden Sprache einen höheren Aufwand und damit höhere Kosten für den Teilnehmer darstellt. Ein weiterer relevanter Einflussfaktor ist das Interesse der Person am Thema der Befragung (Heberlein und Baumgartner 1978; Groves et al. 2004; Groves et al. 2006). Das Interesse spiegelt gleichzeitig die Wichtigkeit des Themas für den Befragten wider und hat damit im Rückgriff auf die Erklärung von Teilnahmeverhalten durch Kosten-Nutzen-Modelle eine entscheidende Bedeutung (Heberlein und Baumgartner 1978; Groves et al. 2000).

In Anlehnung an verschiedene Kosten-Nutzen-Theorien ist naheliegend, dass zwischen den Personenmerkmalen und administrativ eingesetzten Strategien zur Verbesserung der Teilnahme Interaktionen auftreten können. Denn wird beispielsweise der Nutzen der Teilnahme durch eine Person als niedrig eingeschätzt, könnte der zusätzliche Effekt der administrativen Strategie höher sein, als wenn die Person den Nutzen schon ohne Strategie hoch einschätzt. Empirisch wurden diese Annahmen vor allem im Rahmen von Interview-Surveystudien geprüft. Die dazu vorliegenden Ergebnisse weisen tendenziell darauf hin, dass Incentives differenziell wirken können und über die Incentivierung ein Bias in der Stichprobenzusammensetzung bezüglich demographischer Merkmale wie Armut oder Bildungshintergrund (Mack et al. 1998; Olsen et al. 2012) oder auch die Unterrepräsentanz bestimmter Gruppen von weniger Interessierten (Groves et al. 2004) vermindert werden kann bzw. der Effekt des Incentives minimiert wird, wenn eine andere, intrinsische Motivation für die Teilnahme vorliegt (Groves et al. 2000). Bezogen auf die Strategie der Mehrfachkontaktierung zeigten Roose et al. (2007), dass verschiedene Erinnerungsaktionen bei Personen einen höheren Effekt erzielten, die bei einem Vorkontakt weniger Interesse am Thema äußerten als bei interessierten Personen. Jedoch besteht hier aufgrund einer bisher unzureichenden Befundlage weiterer Forschungsbedarf, der sowohl aus inhaltlichen als auch methodischen Gründen vor allem experimentell auf diese Fragestellung ausgerichtet sein sollte (Singer und Ye 2013).

4 Der Einfluss von Maßnahmen des administrativen Untersuchungsdesigns und von Personenmerkmalen auf die Teilnahme in Studien im Schulkontext

Die bisher berichteten Forschungsbefunde zu den Effekten der administrativen Strategien sind meist in Survey- oder Haushaltsstudien zu verorten. Eine Übertragbarkeit dieser Befunde auf Befragungen im schulischen Kontext kann jedoch nicht per se angenommen werden, denn bereits die administrative Umsetzung von Studien im Schulkontext erfolgt nicht, wie in Surveystudien üblich, in direktem Kontakt zur Zielperson, sondern meist über unterschiedliche Vermittlungsinstanzen innerhalb der Schule, wie Schulleitungen oder Lehrkräfte. Deren individuelle Wertungen und Einstellungen gegenüber einer Studie können möglicherweise das Teilnahmeverhalten von Schülerinnen und Schülern oder Eltern beeinflussen, beispielsweise durch unterstützende oder kritische Aussagen zur Wichtigkeit der Studie oder die Erinnerung an das Ausfüllen der Fragebögen. Darüber hinaus stehen die Zielpersonen häufig in Beziehung zueinander, innerhalb einer Gruppe, z. B. innerhalb von Klassen oder Kursen, wodurch das individuelle Teilnahmeverhalten durch das Verhalten der Mitschüler/-innen bzw. deren Eltern mitbeeinflusst werden könnte. Die situative Unterscheidung zu Befragungen von Personen im Haushaltskontext und die daraus folgenden Einflussmöglichkeiten verschiedener Kontextpersonen auf das Teilnahmeverhalten werfen die Frage auf, ob sich für administrative Strategien im schulischen Kontext ähnliche Effekte nachweisen lassen wie in Surveystudien. Empirische Untersuchungen zum Einsatz administrativer Strategien im schulischen Kontext liegen bisher kaum vor. Einige, eher der medizinischen Interventionsforschung zuzuordnende Untersuchungen, fokussieren die Ausstellung von Einverständniserklärungen von Eltern für die Teilnahme ihrer Kinder an Präventions- oder Interventionsprogrammen (vgl. Thompson 1984; Esbensen et al. 2008; Leakey et al. 2004) oder die Motivation der Eltern zur Teilnahme an Interventionsstudien (Axford et al. 2012; für Kindergarteneltern: Heinrichs 2006; Dumas et al. 2010). Im bildungswissenschaftlichen Kontext wurde von Baumert et al. (2001) u. a. der Einfluss eines Incentives auf die Testmotivation von Schülerinnen und Schülern bei Leistungsuntersuchungen in Schulen untersucht, jedoch ohne einen Effekt aufzeigen zu können. Martinez-Ebers (1997) erprobte experimentell die Wirkung eines monetären Incentives bei einer Elternbefragung und konnte einen positiven Einfluss auf den Rücklauf berichten (72 % Rücklauf bei der incentivierten Elterngruppe, 60 % in der nicht-incentivierten Elterngruppe). Allerdings wurde der schulische Kontext hier ausschließlich für die Akquise der Adressen genutzt, die Befragung selbst wurde auf postalischem Weg durchgeführt. Für Online-Befragungen von Schulleiterinnen und Schulleitern (Jacob und Jacob 2012) und High-School-Schülerinnen und Schülern (Porter und Whitcomb 2003) zeigten sich ebenfalls positive Effekte einer Incentivierung, hier unterscheidet sich der Befragungsmodus jedoch deutlich von klassischen Schulstudien, die meist noch paper-pencil-basiert durchgeführt werden. Obwohl diese wenigen Befunde in der Tendenz positive Auswirkungen von Incentives erwarten lassen, ergeben sich aufgrund der methodischen Umsetzungen der Administration auch hier Einschränkungen für die Übertragbarkeit der Befunde auf typische Studien im Schulkontext.

Ebenso ist für den Bereich der Bildungsforschung bisher vergleichsweise wenig darüber bekannt, welche personenbezogenen Eigenschaften von Schülerinnen und Schülern, Eltern oder pädagogischem Personal die Teilnahme an Befragungen im Schulkontext beeinflussen. Erste Hinweise zu Einflussfaktoren geben die Ergebnisse von Selektivitätsanalysen vorliegender Bildungsstudien. Diese deuten für Schülerinnen und Schüler an, dass die mittlere Leistung, operationalisiert über Noten oder Testleistungen aus vorherigen Erhebungswellen, von teilnehmenden Schülerinnen und Schülern tendenziell besser ist als die von nicht-teilnehmenden (Prenzel et al. 2006; Bos et al. 2010; Lüdtke et al. 2010). Für Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe wurden zudem leichte Unterschiede nach Geschlecht (häufigere Teilnahme von Mädchen als Jungen), Intelligenz (höhere Teilnahme bei höherer kognitiver Grundfähigkeit) und bezüglich des sozioökonomischen Hintergrunds (höhere Teilnahme der Schülerinnen und Schüler aus Familien mit höherem SES) berichtet (Maaz 2006). Über die Selektivität der Teilnahme von Eltern an Studien im Schulkontext ist noch weniger bekannt. Dabei sind Elternbefragungen besonders relevant, denn Informationen zu den zentralen Kontextmerkmalen wie beispielsweise dem familiären Umfeld oder dem sozialen Hintergrund des Elternhauses können von den Schülerinnen und Schülern selbst nicht immer in valider Form erhoben werden (Kreuter et al. 2010). Zur Selektivität der Elternteilnahme berichten zum Beispiel Becker et al. (2010) im Rahmen der TIMSS-ÜBERGANG-Studie, dass eher Eltern an einer Elternbefragung teilnehmen, deren Kinder bessere Noten und häufiger eine Gymnasial-Empfehlung haben. Diese Unterschiede waren jedoch als relativ klein einzustufen (Cohens d < = 0,11). In den späteren Erhebungswellen des Längsschnitts waren Eltern überrepräsentiert, deren Kinder bessere Noten und Testleistungen, und die selbst eine höhere sozioökonomische Stellung innehatten (Becker et al. 2010). Vergleichbare Befunde bezüglich des Bildungsabschlusses und des sozioökonomischen Status fanden sich auch bei Ehmke und Siegle (2007) für die mit PISA 2003 verbundene IPN-Elternstudie.

5 Die vorliegende Studie

Während für Surveystudien umfassende Erkenntnisse zum Einfluss der administrativen Strategien und der Personenmerkmale auf die Teilnahme vorliegen, wurde bisher kaum untersucht, ob sich diese Befunde auch auf Befragungen und die besonderen Zielgruppen im Schulkontext übertragen lassen. Sofern sich vergleichbare Befunde wie in anderen Befragungskontexten finden ließen und zusätzlich Interaktionen zwischen Merkmalen der Personen und administrativen Strategien aufgezeigt werden könnten, wäre dies ein Hinweis darauf, dass Interventionsmaßnahmen auch im Rahmen von Studien im Schulkontext möglich sind und ein Bias in den erhobenen Daten bei Merkmalen wie dem sozioökonomischen Status oder dem Migrationshintergrund, die eng mit den zentralen Outcome-Variablen in Bildungsstudien in Verbindung stehen, minimiert werden könnten.

Im vorliegenden Beitrag soll daher untersucht werden, welche Auswirkungen sich für Maßnahmen des administrativen Untersuchungsdesigns im Rahmen einer Studie im Schulkontext finden. Hierfür werden die nach aktuellem Forschungsstand besonders erfolgsversprechenden Strategien der Incentivierung und der Mehrfachkontaktierung untersucht. Die Strategien wurden in einer Elternbefragung im Schulkontext in einem experimentellen Design administriert. Sind die vorliegenden Forschungsbefunde auch auf den Schulkontext übertragbar, wäre zu erwarten, dass durch den Einsatz der Strategien Mehrfachkontaktierung und Incentivierung höhere Rücklaufquoten in der Elternbefragung erzielt werden können, als ohne Anwendung dieser Maßnahmen. Zusätzlich soll geprüft werden, welche der beiden Strategien effektiver ist und ob die Kombination beider Maßnahmen höhere Effekte erzielt als die Implementierung nur einer einzelnen Strategie.

Die Betrachtung der administrativen Strategien erfolgt unter Berücksichtigung der Personenmerkmale. Folgt man bisherigen Ergebnissen, die hauptsächlich zur Vorhersage von Teilnahme im außerschulischen Kontext sowie im schulischen Kontext aus Selektivitätsanalysen vorliegen (vgl. z. B. Becker et al. 2010; Goyder et al. 2002; Groves et al. 2004), sollten vor allem der Bildungshintergrund, der sozioökonomische Status, der Migrationsstatus sowie – hier besonders direkt auf wert-erwartungs-theoretische Überlegungen bezogen – das Interesse am Thema Bildung für die Teilnahme an der Elternbefragung prädiktiv sein. Zu erwarten wäre, dass ein hoher Bildungsgrad, ein hoher sozioökonomischer Status und ein hohes Interesse auch eine höhere Teilnahmewahrscheinlichkeit zur Folge haben sollten, während sich für Personen mit Migrationshintergrund eher eine niedrigere Teilnahmewahrscheinlichkeit zeigen sollte.

In einem letzten Schritt wird der Frage der Interaktion administrativer Maßnahmen mit den individuellen Merkmalen der Personen nachgegangen. Finden sich Hinweise, dass Incentives und Mehrfachkontaktierung vor allem bei Personen wirken, die mit geringerer Wahrscheinlichkeit an der Elternbefragung teilnehmen, also bei bildungsferneren Personen, weniger Interessierten und Eltern mit eigener Migrationserfahrung? Befunde außerhalb des Schulkontextes (vgl. z. B. Heberlein und Baumgartner 1978; Hartmann und Schimpl-Neimanns 1992) weisen tendenziell auf solche Zusammenhänge hin.

6 Methode

Die Fragestellungen werden anhand eines experimentellen Untersuchungsdesigns geprüft, das in einer Elternbefragung im Rahmen der BERLIN-Studie implementiert wurde. Im Folgenden werden die Anlage der Studie, das experimentelle Untersuchungsdesign, die herangezogene Stichprobe und die zentralen Prädiktoren zur Vorhersage der Teilnahme sowie die Analysestrategie dargestellt.

6.1 Anlage der BERLIN-Studie

Die BERLIN-Studie ist die wissenschaftliche Begleituntersuchung zur Berliner Schulstrukturreform (vgl. Maaz et al. 2013). Die Grundlage der folgenden Analysen bilden Erhebungen, die zum Ende der Grundschulzeit begonnen und längsschnittlich weitergeführt wurden. Der vorliegende Beitrag fokussiert vor allem auf die zweite Erhebungswelle, in der das Experimentaldesign umgesetzt wurde. In dieser Welle wurden Schülerinnen und Schüler der sechsten Jahrgangsstufe sowie deren Eltern, Klassenlehrkräfte und Schulleitungen mittels Fragebögen befragt.

Die Befragung der Schülerinnen und Schüler fand im Schulkontext statt. Der Elternfragebogen wurde den Kindern im Zuge der Schülerbefragung für die Weitergabe an die Eltern mitgegeben. Er wurde anschließend von der koordinierenden Lehrkraft an der Schule über die Kinder wieder eingesammelt und an das Erhebungsinstitut (IEA-DPC Hamburg) übermittelt. Alternativ konnten die Eltern den Fragebogen auch direkt in einem frankierten Rückumschlag an das Erhebungsinstitut zurücksenden. Der Elternfragebogen umfasste im Wesentlichen Fragen zum Übergang in die neue Schule und zur Bewertung der Schulstrukturreform. Neben Schüler- und Elternfragebogen wurde eine Schülerteilnahmeliste in der Schule administriert, auf der zentrale Hintergrundinformationen wie z. B. Angaben zum Migrationshintergrund, zu Klassenwiederholungen oder zur Fremdsprachenbelegung für alle Schülerinnen und Schüler erfasst wurden. Zudem lagen Noten der Schülerinnen und Schüler aus den Förderprognosen (Übergangsempfehlung) vor.

Die realisierte Stichprobe umfasste 87 öffentliche Berliner Grundschulen, die anhand einer repräsentativen Stichprobenziehung ermittelt wurden. Zum Zeitpunkt der zweiten Befragungswelle besuchten N = 3935 Schülerinnen und Schüler diese Schulen, deren Eltern gleichsam die anvisierte Brutto-Stichprobe darstellen.

6.2 Experimentelles Untersuchungsdesign

Zur zweiten Elternbefragung wurde ein experimentelles Untersuchungsdesign eingeführt, bei dem zwei administrative Strategien – Incentivierung und Mehrfachkontaktierung – zur Verbesserung der Teilnehmerquote in den Untersuchungsablauf implementiert wurden. Als Incentive wurde eine Verlosung gewählt. Wenngleich die Effektivität dieser Form des Incentives nicht eindeutig belegt ist, bietet sie sich vor allem aus Kostengründen eher an, als alle Eltern finanziell zu incentivieren. Den Eltern wurde in einem dem Fragebogen beiliegenden Anschreiben mitgeteilt, dass sie die Möglichkeit hätten, bei Teilnahme an der Befragung einen tablet-Computer zu gewinnen. Die Mehrfachkontaktierung wurde durch die Implementierung eines Erinnerungsschreibens umgesetzt (ohne erneut den Fragebogen beizulegen). Die Rückgabe des Elternfragebogens konnte entweder an die koordinierende Lehrkraft (in einem verschlossenen Umschlag) oder direkt auf postalischem Weg an das Erhebungsinstitut erfolgen. Das Erinnerungsschreiben wurde durch die Lehrkraft eine Woche nach dem Erhebungstag mit der Bitte um Weiterleitung an die Eltern an diejenigen Schülerinnen und Schüler verteilt, deren Elternfragebogen nicht in der Schule vorlag. Das Schreiben enthielt einen Passus, der auf die verschiedenen Rückgabemodalitäten hinwies und das Schreiben selbst für nichtig erklärte, falls Eltern den Fragebogen in der Zwischenzeit bereits direkt an das Erhebungsinstitut versandt haben sollten.

Beide administrativen Merkmale wurden jeweils einzeln und kombiniert eingesetzt, so dass ein Vierfelder-Design resultierte, welches drei Experimentalgruppen und eine Kontrollgruppe beinhaltete: 1. Experimentalgruppe: Verlosung und Erinnerungsschreiben; 2. Experimentalgruppe: nur Verlosung; 3. Experimentalgruppe: nur Erinnerungsschreiben; Kontrollgruppe: weder Verlosung noch Erinnerungsschreiben (vgl. Abb. 1.) Die Experimentalvariation wurde auf Ebene der Schulen durchgeführt, so dass alle Eltern innerhalb einer Schule das gleiche Treatment erhielten. Auf eine Variation innerhalb der Schule auf Individualebene wurde neben organisatorischen Gründen auch aufgrund der angestrebten Durchführung als ‚blindes‘ Experiment verzichtet. Hätten Eltern einer Schule unterschiedliche Treatments erhalten und dies untereinander kommuniziert, wäre eine Beeinflussung der Experimentalsituation nicht auszuschließen gewesen.

Abb. 1
figure 1

Experimentaldesign der Elternbefragung

6.3 Individuelle Personenmerkmale

Die zu betrachtenden individuellen Personenmerkmale orientieren sich an den bisherigen Forschungsbefunden aus der Surveyforschung und den Selektivitätsanalysen der Bildungsforschung. Als Merkmale der Eltern wurden der Migrationsstatus, der sozioökonomische Status, der Bildungshintergrund und das Interesse der Eltern an Bildungsfragen berücksichtigt. Zusätzlich wurden für die Analysen Merkmale der Schülerinnen und Schüler (die Noten und das Geschlecht) als Kontrollvariablen mit aufgenommen. Die verschiedenen Eltern- und Schülermerkmale wurden über unterschiedlichen Quellen erfasst, die im Folgenden benannt werden. Dabei sei daran erinnert, dass das Studiendesign mehrere Erhebungszeitpunkte vorsah, wobei die erste Elternbefragung der Haupterhebung, bei der Schülerinnen und Schüler untersucht und Eltern erneut befragt wurden, um etwa 6 Monate vorgelagert war.

Der Migrationsstatus wurde über die zu Hause gesprochene Sprache (deutsch vs. nicht-deutsch; Dummy-Variable 1 = zu Hause gesprochene Sprache ist eine andere als Deutsch) operationalisiert, da der häusliche Sprachgebrauch am ehesten für das Ausfüllen eines deutschsprachigen Fragebogens relevant sein dürfte. Die Angaben wurden der Schülerteilnahmeliste entnommen, die durch die koordinierende Lehrkraft im Zuge der Haupterhebung für alle Schülerinnen und Schüler der Stichprobe ausgefüllt wurde. Der sozioökonomische Status wurde über den höchsten ISEI (International Socio-Economic Index of Occupational Status; Ganzeboom et al. 1992) in der Familie gebildet. Zudem wurde der höchste Berufsabschluss in der Familie differenziert nach (Fach)-Hochschulabschluss vs. kein (Fach)-Hochschulabschluss mit in die Analysen einbezogen (0 = kein akademischer Bildungsabschluss in der Familie, 1 = mind. ein Elternteil mit akademischem Bildungsabschluss (Abschluss FH/Uni/Promotion)). Die Berufsangaben der Eltern sowie die Angaben zum elterlichen Bildungsabschluss wurden über die erste und zweite Elternbefragung erhoben. Das Interesse an Bildungsfragen wurde mit folgendem Item operationalisiert: „Die Schulstrukturreform und die Veränderung des Übergangsverfahrens in Berlin verfolge ich mit sehr großem Interesse“ (vierstufige Likert-Skala von „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft völlig zu“). Die Leistung der Schülerinnen und Schüler wurde durch die Durchschnittsnote der Förderprognose (Übergangsempfehlung der Grundschule für die weiterführende Schule) abgebildet, die den miterhobenen Prognoseformularen entnommen wurde. Das Geschlecht des Kindes wurde ebenfalls über die Schülerteilnahmeliste erfasst. Für die Analysen wurde sowohl das Interesse, der höchste ISEI in der Familie als auch die Durchschnittsnote der Förderprognose z-standardisiert.

6.4 Analyseverfahren

In einem ersten Schritt erfolgte die deskriptive Betrachtung der Rücklaufquoten der Elternfragebögen in Abhängigkeit der individuellen Merkmale und der administrativen Strategien. Anschließend wurde der Einfluss der administrativen Strategien auf die Teilnahme an der Elternbefragung unter simultaner Berücksichtigung der individuellen Merkmale mittels multivariater logistischer Regressionen analysiert. Die abhängige Variable der Teilnahme an der Elternbefragung wurde als Dummy-Variable (0 = nicht teilgenommen; 1 = teilgenommen) operationalisiert.

Eine wesentliche Herausforderung bei der Vorhersage von Teilnahme an einer Befragung mittels individueller Merkmale besteht darin, dass über Teilnehmende und Nicht-Teilnehmende vergleichbare Informationen vorliegen müssen, was sich bei Nicht-Teilnehmenden durch deren Ausfall in den Daten in der Regel schwierig gestaltet. Um dem Fehlen von Daten auf den individuellen Merkmalen entgegenzuwirken, wurde in der vorliegenden Studie auf unterschiedliche Wege versucht, Informationen zu erhalten. Zum einen wurde ein Teil der Variablen von allen Schülerinnen und Schülern, unabhängig von deren Teilnahme oder der Teilnahme der Eltern, über die Schülerteilnahmeliste (zu Hause gesprochene Sprache, Geschlecht des Kindes) bzw. direkt aus den Unterlagen an der Schule (Durchschnittsnote der Förderprognose) erfasst. Zum zweiten wurden Informationen bei fehlenden Angaben einer Quelle (z. B. Elternangaben) aus einer anderen ergänzt (z. B. Schülerangaben). Letztlich wurden fehlende Daten mittels eines multiplen Imputationsverfahrens geschätzt (vgl. Lüdtke et al. 2007; Graham 2009). Der Anteil fehlender Werte war auf den verschiedenen Variablen unterschiedlich hoch. Die abhängige Variable (Teilnahme an der zweiten Elternbefragung) sowie die Variable ‚Geschlecht des Kindes‘ wurden nicht imputiert, da sie vollständig vorlagen. Die Angaben zur Durchschnittsnote der Förderprognose sowie zur zu Hause gesprochenen Sprache wiesen einen sehr geringen Anteil zu imputierender fehlender Werte von 2 bzw. 3 % auf. Für den HISEI, den höchsten beruflichen Bildungsabschluss und das Interesse an Bildungsfragen fiel der Anteil fehlender Werte mit 30 bis 37 % höher aus. Auf Grundlage dieser vorliegenden Daten und einer Reihe weiterer Hintergrundvariablen wurden umfangreiche Imputationsmodelle spezifiziert, anhand derer mit der im Programmpaket R implementierten Routine Multivariate Imputation by Chained Equiations (MICE, van Buuren und Groothuis-Oudshoorn 1999) zehn vollständige Datensätze erzeugt wurden. Innerhalb der produzierten Datensätze wurden die fehlenden Werte durch Plausible Values ersetzt (für eine ausführliche Beschreibung des Imputationsvorgehens vgl. Becker et al. 2013). Im Ergebnis lagen somit für alle Variablen vollständige Daten für alle Schülerinnen und Schüler der Bruttostichprobe und deren Eltern vor (die Verteilung der Variablen ist in Tabelle 1 in der letzten Spalte dargestellt). Die Mittelwertanalysen und logistischen Regressionen wurden mit dem Programpaket MPlus 6.1.1 (Muthén und Muthén 19982011) auf der Basis 10 imputierter Datensätze über die in MPlus implementierte Analyseoption Type = imputation durchgeführt.

7 Ergebnisse

Vor der Analyse der Effekte des administrativen Untersuchungsdesigns wurde geprüft, inwieweit sich die Merkmale der Eltern und Schülerinnen und Schüler zwischen den Experimentalgruppen unterscheiden. Aus den im Methodenabschnitt genannten Gründen wurde die Experimentalvariation auf Ebene der Schulen umgesetzt. Für jede Gruppe wurden 22 Schulen (in Experimentalgruppe 1 abweichend 21 Schulen) zufällig gezogen. Wenngleich sich die Eltern auf Individualebene bezüglich der Größe der Stichprobe in den vier Treatmentgruppen nahezu gleich verteilen (N Gesamt = 3935; N Exp1 = 1001/N Exp2 = 995/N Exp3 = 957/N Kont = 982), ist aufgrund der geringen Stichprobengröße auf Schulebene und vorliegenden Befunden zur differenziellen Zusammensetzung von Schulen (vgl. z. B. Baumert et al. 2006; Nikolova 2011) für die wenigen Untersuchungseinheiten pro Treatmentgruppe nicht zwangsläufig zu erwarten, dass sich die Merkmale in den Experimentalgruppen vollständig gleich verteilen.

Tab. 1 Deskriptive Betrachtung der individuellen Eltern- und Schülermerkmale nach Zugehörigkeit zur Experimentalvariation und in der Gesamtstichprobe

Tabelle 1 zeigt die Verteilung der individuellen Merkmale in der Brutto-Stichprobe für die einzelnen Gruppen und die Gesamtstichprobe und bestätigt die Annahme, dass trotz zufälliger Auswahl der Schulen und Gleichverteilung der Gruppengröße leichte Unterschiede auf den Personenmerkmalen zwischen den Gruppen festzustellen sind. Diese zeigen sich jedoch nicht systematisch in allen Merkmalen. Eltern der Experimentalgruppe 1 sprechen im Vergleich zu denjenigen der anderen drei Gruppen häufiger Deutsch zu Hause (Unterschiede zu den anderen Gruppen zwischen 10,9 und 13,6 Prozentpunkten) und sind etwas häufiger Akademiker (im Vergleich 4,5 bis 6,9 Prozentpunkte). In den Noten der Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich die ersten beiden Experimentalgruppen leicht positiv zur Experimentalgruppe 3 und zur Kontrollgruppe (Cohens d = 0,12/0,10). Für das Geschlecht der Kinder, den höchsten familiären sozioökonomischen Status und das Interesse an Bildungsfragen zeigen sich nach Bonferroni-Korrektur keinerlei Unterschiede zwischen den Gruppen. Da anzunehmen ist, dass die individuellen Merkmale einen Effekt auf das Teilnahmeverhalten haben können, muss berücksichtigt werden, dass der Effekt des Treatments durch die Unterschiede zwischen den Gruppen in den einzelnen Merkmalen unter Umständen mit den Unterschieden der Personenmerkmale konfundiert sein kann. Im Folgenden werden daher die Effekte der administrativen Strategien zunächst ohne und anschließend unter Kontrolle der individuellen Personenmerkmale geprüft.Footnote 2

7.1 Effekte der administrativen Strategien

Der Vergleich der prozentualen Teilnahmequoten in den einzelnen Gruppen ergab, dass der höchste Rücklauf der Elternfragebögen mit 54,3 % in der Experimentalgruppe 1, in der sowohl die Verlosung als auch das Erinnerungsschreiben implementiert wurden, erzielt wurde. In den Experimentalgruppen, in denen jeweils nur eine Maßnahme Anwendung fand, lag die Beteiligung etwas niedriger (nur Erinnerungsschreiben: 51,9 %; nur Verlosung: 49,8 %). In der Kontrollgruppe, bei der keine Maßnahme eingesetzt wurde, wurde lediglich ein Rücklauf von 44,4 % erreicht. Die Unterschiede der Rücklaufquoten aller Treatmentgruppen sind im Vergleich zur Kontrollgruppe statistisch signifikant (p < 0,05). Die Unterschiede zwischen den einzelnen Experimentalgruppen verfehlen zwar knapp das Signifikanzniveau, können jedoch als Tendenzen zugunsten der Experimentalgruppe 1 im Vergleich zu den beiden anderen Experimentalgruppen interpretiert werdenFootnote 3.

Diese Befunde stützen somit vorerst die Annahme, dass der Einsatz von administrativen Strategien im Schulkontext eine positive Wirkung auf die Teilnahme haben kann. Im Folgenden wird mittels logistischer Regressionsanalysen geprüft, ob die beobachteten Unterschiede in der Teilnahme zwischen den Gruppen auch nach Berücksichtigung der Unterschiede in den Personenmerkmalen zwischen den Gruppen bestehen bleiben (vgl. Tabelle 2).

Tab. 2 Logistische Regression zur Vorhersage der Teilnahme an der zweiten Elternbefragung durch administrative Strategien und individuelle Personenmerkmale

In Modell 1a, das als Prädiktoren für die Teilnahme lediglich die Zugehörigkeit zu den drei Experimentalgruppen enthält, finden sich zunächst noch einmal die Unterschiede in der Teilnahme zwischen den Gruppen, nun jedoch in Form von Odds Ratios dargestellt. Das Odds Ratio für Experimentalgruppe 1 in Höhe von OR exp1  = 1,49 besagt, dass durch die kombinierte administrative Strategie die Chance der Teilnahme der Eltern um das 1,49-fache höher ist als in der KontrollgruppeFootnote 4. In den beiden anderen Experimentalgruppen fiel die Chance der elterlichen Beteiligung an der Befragung um das 1,35-fache bzw. 1,25-fache höher aus als in der Kontrollgruppe. Gleichzeitig ist jedoch auf die relativ geringe Varianzaufklärung von lediglich 0,6 % hinzuweisen.

Zur Untersuchung des Einflusses individueller Personenmerkmale wurden in Modell 1b ausschließlich die Individualmerkmale als Prädiktoren für die Teilnahme an der Elternbefragung eingeführt. Für die meisten Personenmerkmale zeigte sich bei simultaner BetrachtungFootnote 5 ein signifikanter Effekt auf die Teilnahme. Die Chance, an der Elternbefragung teilzunehmen, war geringer, wenn zu Hause eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird (OR = 0,76, p < 0,001) und es sich um einen Akademikerhaushalt handelt (OR = 0,68, p < 0,001). Gleichzeitig war die Chance der Teilnahme höher, wenn der sozioökonomische Hintergrund der Familie höher ist (OR = 1,14; p < 0,05). Positive Effekte fanden sich ebenfalls für die Schülermerkmale, sowohl für die Noten (OR = 1,42, p < 0,001) als auch, wenn das Kind ein Mädchen war (OR = 1,16; p < 0,05). Lediglich das Interesse an Bildungsfragen hatte unter Kontrolle der bereits genannten Prädiktoren keinen signifikanten Einfluss auf die Teilnahme an der Elternbefragung. Der durch die Individualmerkmale aufgeklärte Varianzanteil fiel 5,2 Prozentpunkte höher aus als der durch die administrativen Strategien aufgeklärte Varianzanteil (0,6 %).

Für die Überprüfung des Einflusses der administrativen Strategien bei Berücksichtigung von Gruppenunterschieden in den Personenmerkmalen wurden in Modell 2 sowohl die Merkmale der administrativen Strategien als auch die Individualmerkmale aufgenommen. Den Ergebnissen ist zu entnehmen, dass die Effekte der administrativen Strategien auch nach Berücksichtigung der Personenmerkmale weitgehend stabil sind. Für alle drei Experimentalgruppen bleiben auch unter Kontrolle der Personenmerkmale positive, statistisch signifikante Effekte der Treatments auf die Teilnahme an der Elternbefragung bestehen. Der zusätzliche Effekt der Treatments spiegelt sich auch in der, wenn auch eher geringen, zusätzlichen Varianzaufklärung von 0,5 % im Vergleich zum Modell 1b wider.

In den weiteren Analyseschritten wird abschließend die Frage aufgegriffen, ob die eingesetzten administrativen Maßnahmen differentiell in Abhängigkeit von den individuellen Personenmerkmalen wirken. Hierfür wurden die Interaktionseffekte der administrativen Strategie jeweils einzeln mit einem Personenmerkmal in das Regressionsmodell einbezogen (vgl. in Tabelle 3 die Modelle 3a bis 3d).

Tab. 3 Logistische Regression zur Vorhersage der Teilnahme an der zweiten Elternbefragung durch administrative Strategien und individuelle Personenmerkmale sowie deren Interaktion

Wie Tabelle 3 zu entnehmen ist, fanden sich für drei der vier betrachteten Personenmerkmale Hinweise auf Interaktionseffekte, jedoch ausschließlich für die Experimentalgruppe 1, bei der eine Kombination aus Erinnerungsschreiben und Verlosung eingesetzt wurde. In Modell 3a wird die Interaktion mit der zu Hause gesprochenen Sprache abgebildet. Der Haupteffekt des Treatments weist ein Odds Ratio vonOR = 1,26 aus. Dieser Wert gibt den Effekt der kombinierten Strategie für Eltern mit der zu Hause gesprochenen Sprache Deutsch an. Der das statistische Signifikanzniveau nur marginal verfehlende (p = 0,052) Koeffizient des Interaktionseffekts spiegelt den zusätzlichen Effekt des Treatments auf die Gruppe der Eltern, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, wider. Durch die Addition der Beta-Koeffizienten von Interaktions- und Haupteffekt ergibt sich ein Odds Ratio von OR = 1,93Footnote 6. Für die nicht-deutschsprechenden Eltern zeigt sich tendenziell also ein nochmals positiverer Effekt des Treatments.

In Modell 3b wurde der Interaktionseffekt des Treatments mit dem sozioökonomischen Hintergrund geprüft. In Familien mit mittlerem sozioökonomischem Status erhöht das Treatment die Teilnahmechance im Vergleich zur Kontrollgruppe um das 1,45-fache (Haupteffekt). Liegt der sozioökonomische Status eine Standardabweichung über dem Mittelwert, sinkt das Chancenverhältnis auf OR = 1,11 (p < 0,05). Die kombinierte Strategie der Verlosung und Erinnerung hat also (nach Kontrolle aller anderen Personenmerkmale) nur bei mittlerem (bzw. niedrigem) ISEI einen positiven Effekt auf die Teilnahmechance. Ein ähnliches Muster ist für den akademischen Bildungsabschluss der Eltern zu beobachten (Tabelle 3, Modell 3c). Für Eltern ohne akademischen Bildungsabschluss erhöht die kombinierte Strategie der Experimentalgruppe 1 die Teilnahmechance im Vergleich zur Kontrollgruppe um das 1,82-fache. Für Akademikereltern bleibt dieser positive Effekt aus (OR = 0,96, p < 0,05).

8 Zusammenfassung und Diskussion

Aus langjähriger Forschungsarbeit zur Reduktion bzw. Vermeidung von Nonresponse in Fragebogenstudien ist vor allem aus der Surveyforschung bekannt, dass verschiedene Maßnahmen des administrativen Untersuchungsdesigns einen positiven Effekt auf die Teilnahmequote haben können. Die effektivsten Maßnahmen sind dabei die Mehrfachkontaktierung sowie die Incentivierung des potentiellen Teilnehmers (Yu und Cooper 1983; Fox et al. 1988; Hopkins und Gullickson 1992; Church 1993). Ziel des vorliegenden Beitrags war es zu untersuchen, ob sich die Erkenntnisse aus der Surveyforschung auf die Situation einer Befragung im Schulkontext übertragen lassen. Hierfür wurden im Rahmen eines experimentellen Untersuchungsdesigns die administrativen Maßnahmen einer Erinnerungskontaktierung und einer Verlosung in eine Elternbefragung im Schulkontext implementiert und deren Einfluss auf die Teilnahme der Eltern an der Befragung geprüft. Gleichzeitig wurden Personenmerkmale einbezogen, für die ein Einfluss auf das Teilnahmeverhalten erwartet wurde. Zusätzlich wurden Interaktionseffekte der Merkmale der Personen und der administrativen Strategien betrachtet, um differentielle Wirkmechanismen der Strategien zu prüfen.

Die Ergebnisse des vorliegenden Beitrags zeigen, dass die eingesetzten Strategien des Erinnerungsschreibens und der Verlosung positive Effekte auf die Rücklaufquoten der Elternfragebögen hatten. Am deutlichsten zeigte sich der Effekt für die Kombination von Erinnerungsschreiben und Verlosung, während die Effekte in Gruppen, die ausschließlich ein Erinnerungsschreiben oder die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Verlosung erhalten hatten, etwas geringer ausfielen, allerdings immer noch zu einer signifikant höheren Teilnahme als in der Gruppe ohne Treatment führten. Diese Effekte blieben auch unter Kontrolle der individuellen Personenmerkmale weitgehend stabil. Damit konnten im Rahmen einer Elternbefragung im Schulkontext ähnliche Wirkungszusammenhänge beobachtet werden, wie sie für Survey-Studien berichtet wurden. Administrative Strategien können folglich auch im Schulkontext als effektive Maßnahmen bewertet werden, die Teilnahmebereitschaft der Zielpersonen zu erhöhen.

Die gezeigten Analysen bieten zudem erste Hinweise auf die Effektivität kombinierter Strategien. Im Unterschied zu bisherigen Forschungsarbeiten ermöglicht das gewählte Experimentaldesign, die Effekte der Strategien als Einzelmaßnahme und in Kombination gegenüberzustellen. Es zeigte sich in der Tendenz, dass kombinierte Maßnahmen effektiver sind als der Einsatz einzelner Strategien. Vor dem Hintergrund theoretischer Konzepte mit Kosten-Nutzen-Annahmen kann die Kombination der Strategien als Addition zweier Nutzen-Argumente interpretiert werden, die damit stärker gewichtet sind als Einzelargumente und folglich stärkeren Einfluss auf die Teilnahmeentscheidung haben.

Auch für die individuellen Merkmale der Eltern konnte die vorliegende Untersuchung zeigen, dass ähnliche Effekte im Schulkontext wie außerhalb der Schule sichtbar werden. Unter Kontrolle der weiteren individuellen Merkmale war bei einem höheren sozioökonomischen Status die Chance der Teilnahme der Eltern höher, während Eltern, die zu Hause eine andere Sprache sprechen als Deutsch, in geringerem Maße teilnahmen. Die aufgrund von bisherigen Befunden aus Selektivitätsanalysen einbezogenen Kontrollvariablen der Schülerinnen und Schüler (Noten und Geschlecht) hatten auch bei Kontrolle der Elternmerkmale einen signifikanten Effekt auf die Teilnahme der Eltern. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass für die Teilnahme der Eltern weitere Faktoren relevant sind, die möglicherweise spezifisch für den Schulkontext sind und über die Kinder vermittelt werden. Diese Spezifika bedürfen in zukünftigen Forschungsarbeiten einer genaueren Betrachtung. Im Unterschied zu anderen Arbeiten findet sich in den vorliegenden multivariaten Analysen nicht der als „Bildungsbias“ umschriebene Effekt der höheren Teilnahmebereitschaft von Eltern mit höherem Bildungsabschluss, sondern eher ein gegenläufiger Trend. Hat mindestens ein Elternteil einen akademischen Abschluss, ist die Chance der Teilnahme geringer. Dies steht scheinbar im Widerspruch zu dem gleichzeitig positiven Effekt des höchsten sozioökonomischen Status (HISEI) der Familie. Zu beachten ist, dass in das Analysemodell neben dem elterlichen Bildungsabschluss weitere Variablen (u. a. HISEI und Interesse) simultan eingeführt wurden und der negative Effekt des akademischen Abschlusses auf die Teilnahme erst unter Kontrolle dieser Variablen hervortritt. In bivariaten Analysen findet sich dagegen kein signifikanter Effekt des elterlichen Bildungshintergrundes. Eine Erklärung für den negativen Effekt scheint daher in der teilweisen Konfundierung von sozioökonomischem Status und elterlichem Bildungsabschluss zu liegen, da in die Kodierung des HISEI der elterliche Bildungsabschluss implizit mit einfließt (Ganzeboom et al. 1992). Gehen die Variablen HISEI und beruflicher Abschluss simultan in die Analysen ein, kann angenommen werden, dass die eigentliche berufliche Stellung durch den HISEI zumindest in Teilen aus der Variable beruflicher Abschluss herauspartialisiert wird und andere Merkmale zum Tragen kommen, die weniger mit dem sozioökonomischen, sondern mehr mit dem kulturellen Status der Familie einhergehen, wie beispielsweise kritische Einstellungen oder Bedenken (etwa mit Blick auf datenschutzbezogene Aspekte). Diese Aspekte sollten in zukünftigen Untersuchungen stärker in den Blick genommen werden.

Letztlich konnte die vorgestellte Untersuchung auch zeigen, dass die Strategien des administrativen Untersuchungsdesigns (zumindest die Kombination von Erinnerungsschreiben und Verlosung) zu differenziellen Effekten mit den individuellen Merkmalen der Eltern führen können. Die Kombination der administrativen Strategien Verlosung und Erinnerung hatte signifikant höhere Effekte auf Personen, die einen geringeren sozioökonomischen Status hatten, eine nicht-akademische Ausbildung absolviert haben und tendenziell einen höheren Effekt auf Personen, die einen Migrationshintergrund aufwiesen (zu Hause eine andere Sprache als Deutsch sprachen). Bisherige Arbeiten zeigten, dass diese Personengruppen eher seltener an Befragungen teilnehmen (Hartmann und Schimpl-Neimanns 1992; Olsen et al. 2012) und lassen die Vermutung zu, dass in diesen Gruppen die Einschätzung der Kosten wegen der Sprachbarriere höher bzw. die Einschätzung des Nutzens der Teilnahme an einer Bildungsstudie niedriger gewichtet ist. Im Rahmen der theoretischen Annahmen von Kosten-Nutzen-Theorien wurde postuliert, dass durch eine externe Motivation, die vom potentiellen Teilnehmer als Nutzen gewertet wird, verstärkt positive Effekte auf Personen zu erwarten sind, für die die Teilnahme per se höhere Kosten darstellt. Die hier berichteten Befunde bestärken diese Hypothese. Aus theoretischer Sicht ließe sich interpretieren, dass der externe motivationale Anreiz einer Verlosung und die Erinnerung an die Befragung im Sinne einer erneuten Bitte um Teilnahme an einer wichtigen Studie die Abwägung von Kosten und Nutzen auf die Nutzen-Seite verlagern und damit eine Teilnahme forcieren. Weshalb sich dieser Effekt in der vorliegenden Untersuchung jedoch nur bei den Personen zeigt, die beide Strategien kombiniert erhielten, wäre mit Rückgriff auf das Modell der Leverage-Salience-Theorie zu erklären (Groves et al. 2000), bei der die Teilnahmeentscheidung wie auf einer Waage durch pro- und contra-Argumente ausbalanciert wird. Möglicherweise reicht das Gewicht eines einzelnen Arguments (oder hier einer einzigen Strategie) nicht aus, die Waage auf die Pro-Seite ausschlagen zu lassen, sondern erst das Gewicht zweier Argumente.

Insgesamt kann resümiert werden, dass Verlosungen und Erinnerungsschreiben auch im Rahmen von Studien im Schulkontext die Teilnahmequote positiv beeinflussen konnten. Es konnten durch die eingesetzten administrativen Strategien positive Effekte auf die Teilnahme von Personen erzielt werden, die ohne diese Maßnahmen mit geringerer Wahrscheinlichkeit in die Befragung hätten eingebunden werden können: durch den Einsatz der kombinierten Strategie von Erinnerungsanschreiben und Verlosung konnten vermehrt Eltern aus Familien mit niedrigerem sozioökonomischen Status und Migrationshintergrund (zu Hause nicht Deutsch sprechende Eltern) zur Teilnahme motiviert werden. Diese Personengruppen nehmen zwar insgesamt gesehen weiterhin weniger häufig teil, durch den Einsatz der Maßnahme konnte die Verzerrung der Zusammensetzung der Stichprobe bezüglich dieser Eigenschaften jedoch abgemildert werden. Wird davon ausgegangen, dass Eltern mit niedrigerem sozioökonomischen Hintergrund und Migranten andere Antworttendenzen bei Befragungen zu Bildungsthemen aufweisen (was nicht unwahrscheinlich ist, da die Merkmale eng mit den Outcome-Variablen in Bildungsstudien in Verbindung stehen), könnte somit durch den Einsatz administrativer Strategien nicht nur die Selektivität der Stichprobe, sondern auch die dadurch möglicherweise hervorgerufene Verzerrung in den Daten und Befunden im Sinne eines Nonresponse-Bias abgemildert werden.

Wenngleich die aufgeklärte Varianz durch die gegebenen Determinanten für die Teilnahme an der Elternbefragung als eher gering zu beurteilen ist, die Ergebnisse daher nicht überinterpretiert werden sollten und zusätzlich die Frage aufgeworfen wird, durch welche anderen Faktoren die Teilnahme bedingt sein kann, weisen die Ergebnisse der Untersuchung darauf hin, dass es von Vorteil sein kann, auch im schulischen Kontext häufiger als bislang gezielte administrative Maßnahmen einzusetzen, um eine höhere, und vor allem weniger selektive Teilnahme zu erzielen. Gleichwohl ist für eine Übertragbarkeit der aufgeführten Befunde auf andere Studien darauf hinzuweisen, dass es sich bei der vorliegenden Studie um eine Längsschnittstudie mit mehreren Erhebungszeitpunkten handelt, bei der die administrativen Strategien erstmals zum zweiten Erhebungszeitpunkt eingesetzt wurden. Inwiefern sich die Ergebnisse übertragen lassen, wenn die Strategien bereits in der Erstbefragung eingeführt werden und welche Aspekte zusätzlich in die Entscheidung der Teilnahme einfließen, die sich durch die bereits durchgeführte erste Erhebungswelle erklären lassen (beispielsweise die Teilnahme an der ersten Erhebungswelle), muss an dieser Stelle offen bleiben und ist Gegenstand zukünftiger Analysen.

Abschließend ist herauszustellen, dass nach wie vor erheblicher Forschungsbedarf über die Effekte von administrativen Maßnahmen im schulischen Kontext besteht, vor allem da die Erklärung von Teilnahmeverhalten im Schulkontext durch die schulspezifischen administrativen Abläufe und die Bindung der Zielpersonen an eine Gruppen- oder Klassenstruktur anderen Einflüssen unterliegt als in außerschulischen Forschungsbereichen. Hier erscheinen Untersuchungen vielversprechend, die neben den individuellen Personenmerkmalen auch Merkmale der Schulen bzw. der verantwortlichen Lehrkräfte mit in die Erklärung von Unterschieden im Teilnahmeverhalten einbeziehen.