1 Der Prozess des lebenslangen Lernens in der heutigen Wissensgesellschaft

Der Kompetenz- und Wissenserwerb ist – das ist seit den 90er Jahren in der Politik und der Bildungsforschung zumindest programmatisch common sense – nicht mit dem Abschluss des schulischen und beruflichen Bildungsweges beendet, sondern wird über die Lebensspanne fortgeführt. Jedes Lebensalter ist durch spezifische Lernaufgaben charakterisiert, die sich im Wechselspiel individueller Interessen, sozialer Erwartungen sowie biologisch-physiologischer Reifungsprozesse ausformen. In der bildungspolitischen Debatte der letzten 20 Jahre fungiert der Begriff „Lebenslanges Lernen“ als Format dafür, die Bildungsaufgaben spätmoderner Gesellschaften zu definieren. Lebenslanges Lernen ist ein „alltägliches Phänomen“ (Hof 2009, S. 15), welches zu den notwendigen Erfahrungen eines Menschen gehört.

Nach dem „Memorandum on Lifelong Learning“, das im März 2000 in Lissabon von der Europäischen Kommission verabschiedet wurde (Commission of the European Communities 2000), bezieht sich lebenslanges Lernen insbesondere auf formale, non-formale und informelle Arten von Lernen, die je nach Ausmaß der organisationalen Einbettung von Lernaktivitäten unterschieden werden. Im Kontext des lebenslangen Lernens gewinnen das eigenverantwortliche, selbstgesteuerte informelle und non-formale Lernen zunehmend an Bedeutung (vgl. Tippelt 2008, S. 6). Diese Entwicklung spiegelt sich aktuell auch in der Einordnung von Qualifikationen im Deutschen Bildungssystem wider. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) für lebenslanges Lernen integriert als nationale Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) nicht nur die allgemeine, berufliche und akademische Aus- und Weiterbildung, sondern zukünftig auch informell und nonformal erworbene Kompetenzen. Ziel ist dabei die bildungsbereichsübergreifende Zusammenführung von Qualifikationen und Kompetenzen vor dem Hintergrund von Transparenz, Durchlässigkeit und Gleichwertigkeit (vgl. dazu http://www.deutscherqualifikationsrahmen.de/; Gebrande 2011, S. 6). Die Idee, lebenslanges Lernen grundlegend in die Gesellschaft zu integrieren, schreitet also weiter voran.

Der folgende Artikel setzt sich mit den Prozessen des lebenslangen Lernens und insbesondere mit der Bedeutung von Kooperationen zwischen unterschiedlichen Bildungseinrichtungen als Grundlage für das lebenslange Lernen auseinander. Im Abschn. 3 werden anhand von empirischen Erkenntnissen aus dem Forschungsprojekt PAELL – „Pädagogische Erwerbsarbeit im System des lebenslangen Lernes“ (Nittel et al. 2014) übergangsrelevante Kooperationsbeziehungen und –erfahrungen von pädagogischen Akteuren innerhalb des Bildungssystems vorgestellt. Im Abschn. 4 wird auf ein gelingendes Netzwerkmanagement sowie eine tragfähige Governance-Struktur eingegangen. Abschließend soll deutlich gemacht werden, welchen neuen Herausforderungen sich die pädagogischen Berufsbereiche und Berufsgruppen bei der Vernetzung gegenübersehen.

2 Interorganisationale Kooperation als grundlegende Voraussetzung für das lebenslange Lernen

Das lebenslange Lernen zielt darauf ab, die in der Kindheit und Jugend sowie in der grundlegenden schulischen und beruflichen Bildung erreichten Kompetenzen weiterzuführen und zu differenzieren.

Bereits die schulischen Karrieren haben einen direkten Einfluss auf die späteren beruflichen Weichenstellungen. Um die Voraussetzungen des lebenslangen Lernens erfüllen zu können, ist es unabdingbar, dass die einzelnen Bildungseinrichtungen nicht nur offen für Veränderungen sind, sondern gleichzeitig mit Akteuren aus dem wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Umfeld, also über die unterschiedlichen Bildungsbereiche hinaus, kooperieren. Dabei kann in frühpädagogischen, schulischen, erwachsenen- und sozialpädagogischen Bereichen die Tendenz hin zu multiprofessionellen Organisationen, vernetzten Kooperationen und multiprofessionellem Management festgestellt werden (vgl. Buschle und Tippelt 2012). Pädagogische Institutionen wirken meist in Netzwerken von den jeweiligen Adressaten der pädagogischen Maßnahmen (Merkens 2006, S. 50). Bildungsbereichsübergreifende Netzwerke, welche aus einer Verstärkung der Kooperation zwischen den einzelnen Institutionen hervorgehen (vgl. Dobischat et al. 2006), sind in der Lage, die Entstehung von adaptiven Dienstleistungsstrukturen zu fördern. Dabei werden sowohl die Erwartungen der Bildungsanbieter als auch die der Bildungsinteressenten miteinander verbunden. Netzwerke können dadurch charakterisiert werden, dass durch eine große Anzahl individueller Akteure und Organisationen ein institutionalisiertes Gefüge entwickelt wird (vgl. Minderop und Solzbacher 2007), wobei nicht jedes „Beziehungsgeflecht“ mit einem Netzwerk gleichzusetzen ist (vgl. Schäffter 2004). Durch die zentralen Elemente der Beziehung, Kommunikation, Kooperation und Unterstützung ermöglichen Netzwerke einen verbesserten Verlauf der Übergänge in Lern- und Bildungsphasen. Sie sind in erster Linie von dem persönlichen Engagement der einzelnen Akteure abhängig und haben u. a. das Ziel, Übergänge durch entsprechende Maßnahmen zu erleichtern. Die Offenheit gegenüber den Erwartungen der anderen stellt dabei eine notwendige Voraussetzung dar (vgl. Reupold und Tippelt 2006), während sich etwa bürokratische Hürden als hinderlich erwiesen haben.

Der spezielle Blick auf Kooperationen macht deutlich, dass sich diese in dynamischen Prozessen, welche keinen zeitlichen Begrenzungen unterworfen werden können, selbst realisieren (vgl. Jütte 2002, S. 159). Sie können sich durch Dauerhaftigkeit und Stabilität auszeichnen. Aber auch „flüchtige Kontaktnetze“ (Jütte 2002, S. 159), die sich in einem ständigen Veränderungsprozess befinden, sind anzutreffen. Der Vorteil von stabilen Kooperationsbeziehungen liegt u. a. darin, dass sie nicht nur im Wettbewerb um öffentliche Fördermittel Vorteile bieten (vgl. Schütz und Reupold 2010), sondern bspw. für die Akteure der Erwachsenenbildung bedeutsam werden, wenn sie sich im Rahmen der eigenen Tätigkeit als ergänzend, unterstützend und nachhaltig erweisen (vgl. Dollhausen und Weiland 2010, S. 3). Das Ziel kooperativer Beziehungen ist es, eine Verbesserung der Qualität und der Reichweite der pädagogischen Handlungsbereiche zu erlangen. So kann es gelingen, die Durchlässigkeit zwischen den unterschiedlichen Bildungsbereichen und Bildungsangeboten zu optimieren und die Nutzerorientierung zu festigen (vgl. Feld 2008). Für die Durchführung von Kooperationen ist es insbesondere wichtig, die Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit der beteiligten Partner zu wahren und gleichsam zu fördern. So können die Rollen innerhalb der Kooperationsbeziehung eigenständig definiert werden.

Es kann dabei zwischen horizontalen und vertikalen Kooperationsbeziehungen unterschieden werden. Während vertikale Kooperationsbeziehungen sich zwischen aufeinander folgenden Einrichtungen in den Bildungsprozessen über die Lebensspanne mit zunächst unterschiedlichen Interessen, Perspektiven und Bildungsschwerpunkten etablieren (z. B. zwischen Kindergarten und Grundschule, Sekundarschulen und Berufsausbildung), wird die Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen einer Ebene, also wie etwa verschiedenen Grundschulen oder unterschiedlichen Weiterbildungseinrichtungen, als horizontale Kooperation im Hinblick auf gemeinsam ausgehandelte Ziele beschrieben (vgl. Mickler 2011; Schütz und Reupold 2010).

Nachfolgend wird der Blick darauf gerichtet, wie die Koordination der Kooperation zwischen und innerhalb der Bildungsbereiche vonstattengeht. Dabei wird intensiv die Kooperationsbeziehung an dem bedeutenden Übergang zwischen Elementarbereich und Grundschule betrachtet. Der Fokus auf diesen speziellen, auf die frühe Kindheit ausgerichteten Übergangsbereich liegt nicht nur darin begründet, dass Bildung und Erziehung von Kindern in den ersten Lebensjahren einen erfolgreichen Start in das Leben und die spätere gesellschaftliche und berufsorientierte Partizipation ermöglichen. Nach Höhne (2008) können auch pädagogische Brüche durch einen erfolgreichen Übergang vermieden und die Kinder durch eine frühe individuelle Förderung gestärkt und auf die Schule vorbereitet werden. Ein Beispiel hierfür kann u. a. in der Forderung an die Kooperation der Bildungseinrichtungen im Hinblick auf die Sprachförderung benannt werden: „Die Übergänge vom Kindergarten in die Grundschule und von der Grundschule in die weiterführenden Schulen sollten hinsichtlich der Sprachförderung nicht nur die spezifischen Problemlagen und Chancen der Kinder allgemein, sondern auch die soziale Einbettung individueller Übergänge und die Verflochtenheit mit den sich verändernden Kontexten in den Blick nehmen“ (Günther 2007, S. 165). Die Kooperation zwischen Elementarbereich und Grundschule wird zwar bereits fast standardmäßig realisiert, indem bspw. Grundschullehrkräfte Kindertageseinrichtungen besuchen und umgekehrt Erzieher/innen vermehrt in der Grundschule anzutreffen sind, dennoch war bisweilen unklar, in welcher Art und Weise diese Kooperationen aus Sicht der in ihr handelnden pädagogischen Akteursgruppen stattfinden und wie (sinnstiftend) diese für die betroffenen Kinder und ihre Eltern wahrgenommen werden.

Im Folgenden wird daher gezielt der Frage nachgegangen, inwiefern pädagogische Bildungsbereiche und insbesondere der Elementarbereich und die Grundschule miteinander kooperieren, welche Erfahrungen die beteiligten Akteure im Kontext dieser Kooperationen bereits gemacht haben (negative wie positive) und welche Bedarfe für weitere Kooperationsbeziehungen gesehen werden. Empirische Grundlage für die Beantwortung dieser Fragestellung bilden quantitative und qualitative Erkenntnisse aus dem DFG geförderten Projekt Paell („Pädagogische Erwerbsarbeit im System des Lebenslangen Lernens“, 2009–2012). Dieses Projekt wird zunächst in Grundzügen skizziert und es wird die Forschungsfrage im Hinblick auf Kooperationen herausgearbeitet, bevor auf die Kooperationen in Bildungsübergängen eingegangen wird.

3 Übergangsrelevante Kooperationsbeziehungen und -erfahrungen von pädagogischen Akteuren innerhalb des Bildungssystems: Empirische Datenbasis und Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt PAELL

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Pädagogische Erwerbsarbeit im System des lebenslangen Lernens. Berufliche Selbstbeschreibungen und wechselseitige Funktions- und Aufgabenzuschreibungen“ wurden erstmalig unterschiedliche pädagogische Berufsgruppen aus Bayern (Regionen München und Bad Tölz/Wolfratshausen) und Hessen (Region Kassel und Waldeck-Frankenberg) in ihren Einstellungen und konkreten Handlungsmustern befragt und miteinander verglichen (vgl. Nittel et al. 2014). An der Befragung nahmen Erzieher/innen, sozialpädagogische Assistent/innen, Lehrer/innen unterschiedlicher Schulformen und des Zweiten Bildungsweges, Mitarbeiter/innen der Erwachsenenbildung und der außerschulischen Jugendbildung sowie Hochschullehrer/innen teil.

Es wurde angenommen, dass die einzelnen pädagogischen Berufsgruppen nicht nur unterschiedliche Arten von bildungsbereichsübergreifender Zusammenarbeit realisieren, sondern auch verschiedene Handlungsbedarfe und –barrieren wahrnehmen, welche die Kooperationen insbesondere an den einzelnen Übergängen stark beeinflussen.

Die Daten wurden im Rahmen einer standardisierten Fragebogenerhebung gewonnen, wobei insgesamt 1601 Teilnehmer erreicht werden konnten (Rücklaufquote der Fragebögen betrug 28,2 %).

Insgesamt waren 70,3 % der Befragten weiblich und 27,9 % männlich (bei 1,8 % wurde das Geschlecht nicht angegeben). Mit Blick auf den Übergang zwischen Elementarbereich und Grundschule zeigt sich bei beiden Berufsgruppen ein deutlicher Überhang an Frauen. Im Elementarbereich haben 96,6 % Frauen den Fragebogen ausgefüllt und im Grundschulbereich 84 %. Inhaltlich wurden mittels der Fragebögen fünf Bereiche abgefragt: 1) Arbeitsbedingungen und Arbeitssituation, 2) Arbeitsmotivation und lebenslanges Lernen, 3) Kooperationen und Vernetzung mit anderen Einrichtungen, 4) Berufliche Selbst- und Fremdzuschreibung sowie 5) Demographische Daten. Im Anschluss an die quantitative Erhebung wurden 27 Gruppendiskussionen (Realgruppen) mit den Vertreter/innen der einzelnen Bildungsbereiche durchgeführt, um die Ergebnisse der Fragebogenerhebung um qualitative Daten zu ergänzen und zu vertiefen. Hierzu wurden die Fragen im Rahmen der leitfadengestützten Diskussionen erneut aufgegriffen und ausführlich erörtert und diskutiert.

Während innerhalb der quantitativen Befragung u. a. Erkenntnisse darüber gewonnen werden konnten, welche Kooperationen die unterschiedlichen Berufsgruppenvertreter/innen bereits realisieren, sollten die Teilnehmer/innen der Gruppendiskussionen im Hinblick auf die bildungsbereichsübergreifende Zusammenarbeit von den eigenen Kooperationserfahrungen mit weiteren pädagogischen Berufsgruppen berichten. Insbesondere wurden die Teilnehmer/innen danach befragt, welche Kooperationserfahrungen sie mit anderen pädagogischen Berufsgruppen gemacht haben, wo sie Handlungsbedarfe sehen oder Verbesserungswünsche haben und welchen Nutzen Kooperationen für die eigene Berufsgruppe darstellen. Auf diese Weise konnten die Kooperationsbeziehungen und -erfahrungen zwischen und innerhalb der Berufsgruppen mit einer Kombination quantitativer und qualitativer Methoden (Methodentriangulation nach Flick 2011) untersucht und inhaltsanalytisch nach Mayring (2008) ausgewertet werden. So entstanden unterschiedliche Kooperationsprofile je nach der Art und Qualität der bisherigen Erfahrungen und der Intensität der Kooperationen. In der Abb. 1 werden die bestehenden Kooperationsbeziehungen deskriptiv dargestellt.

Abb. 1
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Bestehende Kooperationsbeziehungen (Angaben in Prozent)

Die Abb. 1 macht deutlich, dass die einzelnen Vertreter der untersuchten pädagogischen Berufsgruppen überwiegend mit Akteuren aus dem eigenen Bereich, also horizontal, zusammenarbeiten. Knapp 82 % der Befragten innerhalb des Hochschulbereichs kooperieren mit ihresgleichen. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Vertretern aus dem Weiterbildungsbereich, der außerschulischen Jugendbildung (ajB), dem Sekundarbereich I (hier ist allerdings auch eine starke Kooperation mit dem Bereich der ajB ersichtlich) und dem Sekundarbereich II. Auffälligkeiten zeigen sich dagegen beim Elementar- und Primarbereich. Die befragten Erzieher/innen kooperieren nicht nur mit der eigenen Berufsgruppe stark (78 %; horizontal), sondern sogar etwas stärker (82 %) mit dem Grundschulbereich (vertikal). Deutlich schwach sind dagegen die vertikalen Kooperationsbeziehungen zu den Vertreter/innen des Hochschulbereichs und des Sekundarbereichs I (Haupt- und Realschule) und II (Gymnasium und Berufsschule) ausgeprägt. Die Vertreter/innen der Grundschule geben bestehende Kooperationsbeziehungen sogar überwiegend mit dem Elementarbereich (81 %) und nicht mit der eigenen Berufsgruppe (62 %) an. Damit bilden die Grundschullehrkräfte im Vergleich zu den anderen Berufsgruppen eine Besonderheit, da sie als einzige Berufsgruppe ein vertikales und kein horizontales Kooperationsprofil aufweisen. Dieser erste Eindruck konnte mit weiterführenden Signifikanztests bestätigt werden. Der Grundschulbereich kooperiert dabei überzufällig vertikal mit Vertretern des Elementarbereichs. Um im Anschluss an die Frage der bestehenden Kooperationen auch die Wahrnehmung von Kooperationsbeziehungen erfragen zu können, wurde vor dem Hintergrund einer sechsstufigen Skala ein semantisches Differential erstellt (vgl. Abb. 2). So war es innerhalb des Projektes möglich, bildungsbereichsübergreifende Kooperationserfahrungen darzustellen und zu vergleichen. Die Kooperationserfahrungen, welche die pädagogischen Akteure im Kontext bestehender Kooperationen bereits gemacht haben, stellen sich dabei insgesamt durchaus positiv dar. Sie werden aber nicht nur als praxisnah, wichtig, erfolgreich und nutzbringend wahrgenommen, sondern gleichzeitig als traditionell sowie kostenaufwendig eingestuft. Zwar zeigen sich über die Berufsgruppen hinweg ähnliche Tendenzen, allerdings lassen sich mit Hilfe von Varianzanalysen signifikante Unterschiede zwischen den Berufsgruppen darstellen, die bspw. die Berufsgruppe der Gymnasiallehrkräfte betreffen. Im Vergleich zum Elementarbereich oder der ajB, schätzen die Gymnasiallehrkräfte die Kooperationen als weniger wichtig ein (vgl. ausführlicher Buschle et al. 2014). Zwischen den berichteten Erfahrungen des Elementarbereichs und der Grundschule lassen sich dagegen keine signifikanten Unterschiede feststellen. Dennoch wird deutlich, dass beide Berufsgruppen bisherige Kooperationsbeziehungen vor allem als zeitintensiv wahrgenommen haben. Worin diese Zeitintensität genau besteht und warum Elementarbereich und Grundschule so eng zusammenarbeiten bzw. wie diese Kooperationsbeziehungen aussehen, soll im Folgenden in Verbindung mit den qualitativen Ergebnissen genauer betrachtet werden.

Abb. 2
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Kooperationserfahrungen von Elementarbereich und Grundschule

Die Kooperationen am Übergang zwischen Elementarbereich und Grundschule werden sowohl von den Vertreter/innen des Elementarbereichs als auch den Grundschullehrkräften als bedeutsam eingestuft. Kooperationen finden, fragt man die Erzieher/innen, eher inselartig und „nich[t] regelmäßig“ statt und das durchaus zum Bedauern der Erzieher/innen. Diese würden sich vor allem mehr Initiative seitens des Primarbereichs wünschen, so dass Kooperationen öfter stattfinden könnten. Nach eigenen Aussagen sind sie gerne bereit, Zeit in Kooperationen mit der Grundschule zu investieren, da sie hierin einen wesentlichen Vorteil für die Kinder sehen. Kooperationen dürften aus ihrer Sicht durchaus über „übliche obligatorische Kooperationsgeschichten“ wie Schulbesuche und „Schnupperstunde[n]“ hinausgehen. Grundschullehrkräfte beschreiben die Kooperationsbeziehungen zum Elementarbereich als „Gelenkstelle“, mit deren Hilfe inhaltliche Absprachen getroffen oder aber auch Stoffpläne für die erste Jahrgangsstufe abgesprochen und diskutiert werden können. Sie beschreiben eine inhaltliche „Nähe“, die sie veranlasst, Kooperationsbeziehungen einzugehen. Grundsätzlich werden Kooperationen von beiden Berufsgruppen – auch in den Interviews – als harmonisch beurteilt. Aber es zeichnen sich durchaus auch Konfliktpotentiale ab, die die Kooperationsbeziehungen negativ beeinflussen können. Diese Konfliktstellen betreffen in erster Linie die Anerkennung der Arbeit zwischen den beiden Berufsgruppen, wobei es überwiegend die Erzieher/innen sind, die bemängeln, dass die Schule „von oben herab“ mit ihnen kommuniziert und Vorgaben macht. Eine Kooperation auf „Augenhöhe“ sei auf diese Weise aus Sicht der Erzieher/innen schwer möglich. Die Grundschullehrer/innen kommunizieren diese fehlende Anerkennung nicht, wissen aber durchaus, dass die Erzieher/innen eine solche wahrnehmen: „Ich find das immer so lustig, (…) dass die Erzieherinnen immer meinen, wir schauen auf sie herab“. Daneben werden auch Kontextfaktoren, wie etwa die Bindung der Erzieher/innen an die Schweigepflicht, genannt, die Kooperationen und insbesondere den wechselseitigen Austausch behindern. Größtes Problem für die Durchführung von Kooperationen scheint aber der Faktor Zeit zu sein. Hier beschreiben beide Berufsgruppen, dass der zeitliche Aufwand eine Kooperationsbarriere darstellt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich zwischen Elementar- und Grundschulbereich Kooperationsbeziehungen stärker als bei den anderen pädagogischen Berufsgruppen zeigen. Grundschullehrkräfte weisen als einzige Berufsgruppe ein vertikales Kooperationsprofil auf. Bei beiden Berufsgruppen kann im Rahmen der qualitativen Auswertungen eine eindeutige Bereitschaft zu vertikalen Kooperationsbeziehungen festgestellt werden oder aber auch bereits eine Umsetzung mit speziellen, meist an die eigene Berufsgruppe angrenzenden Bildungseinrichtungen. Beiderseitiges Ziel ist es dabei, die Kinder zu fördern und zu unterstützen, sei es für die Vorbereitung auf die Schule, oder diesen den Übergang erleichtern zu können. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere die Erzieher/innen dem Übergang von dem Kindergarten in die Grundschule auch im Hinblick auf den weiteren Bildungsverlauf eine hohe Bedeutung beimessen. Es sind vor allem die Erzieher/innen, die auch die weitere Bildungsbiografie der jungen Menschen mit im Blick haben und sich somit aus der Perspektive des lebenslangen Lernens für die Bildungskarrierren ihrer Schützlinge mitverantwortlich fühlen. Auch bei weiteren Berufsgruppen hat sich im Rahmen des PAELL-Forschungsprojektes gezeigt: je mehr Relevanz die einzelnen Akteure dem lebenslangen Lernen für die eigene pädagogische Tätigkeit beimessen, desto mehr Kooperationen werden in der Folge bildungsbereichsübergreifend umgesetzt (vgl. Wahl et al. 2014).

4 Gelingendes Netzwerkmanagement und Bezüge zur Governance-Forschung

Die dargestellten Ergebnisse machen die Relevanz der Kooperationen und die Tragweite der Vernetzung beispielhaft deutlich. Aus einrichtungsübergreifenden fachlich-kollegialen Kooperationen werden Netzwerke formiert, die die Schnittstellen im Bildungssystem erleichtern. So werden diese Schnittstellen nicht als Einschnitte empfunden, sondern als fließende Übergänge wahrgenommen.

Wie sich gezeigt hat, ist für die Kooperationsbildung und somit für die Netzwerkbildung ein Interessenkonsens zwischen den Akteuren ausschlaggebend. Die Verfolgung gleicher Interessen lässt eine Interessenkoaliation entstehen, wodurch sich eine netzwerkartige Struktur bildet. Nach Endres (2008) sowie Tippelt et al. (2009) können mehrere Erfolgsbedingungen für gelingendes Netzwerken zwischen den Partnern aufgezeigt werden, insbesondere die Formulierung gemeinsamer Ziele, die Fähigkeit sich auf Neues einlassen zu können, das Entgegenbringen von Vertrauen der Netzwerkpartner, Synergieeffekte auf beiden Seiten, eine gemeinsame Kommunikation, regelmäßiges Pflegen der Kontakte sowie die Bereitschaft, einen Perspektivenwechsel einzugehen.

Erfolgreiche Netzwerkarbeit setzt ausreichende zeitliche, finanzielle sowie soziale Ressourcen voraus.

Die Grundlage für eine gelingende Netzwerkarbeit ist die Einbettung in ein zielführendes Netzwerkmanagement. In dieser Funktion bündeln sich die Aufgaben im Bereich der Organisation und der Steuerung des Netzwerkes. Insgesamt umfasst das Netzwerkmanagement mehrere Phasen und Aufgaben: angefangen bei der Initiierung einer Kooperation (mit Reflektion der Planungen und Wahl der Akteure), über die Einschätzung und die Bewertung der Beziehungsoptionen, Kooperationsabsprachen zwischen potenziellen Partnern, das Realisieren der Netzwerkkooperation (evtl. mit Kooperationsvertrag) und schließlich der Weiterentwicklung, Optimierung oder evtl. Auflösung von Netzwerkkooperationen (vgl. Schubert 2008). Die Netzwerkmanager/innen sollten eine möglichst hohe personale und institutionelle Neutralität besitzen, damit die gemeinsamen Netzwerkziele umgesetzt werden können.

Der hier verwendete Netzwerkbegriff ist dabei eng mit dem Governance-Begriff im Sinne von angemessener Steuerung und Organisation verknüpft, da die Steuerungsprozesse nicht nur hierarchisch aufzufassen sind, sondern auch die Beziehungen der Akteure untereinander von zentraler Bedeutung sind. Insofern korrespondiert Governance mit der Netzwerkkooperation, da die Bedeutung hierarchischer Strukturen zugunsten dezentraler Verantwortungsstrukturen abnimmt. Auch für das lebenslange Lernen ist die Etablierung einer tragfähigen Governance-Struktur ein wesentlicher Meilenstein. Was heißt das? Um optimale Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen zu schaffen, müssen die Intentionen aller beteiligten Akteure aufeinander abgestimmt sein, wobei innerhalb dieses Prozesses folgende zentrale Bedingungen erfüllt werden müssen: 1) die politischen Strömungen und Tendenzen müssen kongruent sein, 2) in der Planung müssen die Positionen aller Stakeholder berücksichtigt und eingebunden werden, 3) es müssen konkrete Bildungsschwerpunkte umgesetzt werden und ebenso muss 4) der Prozess durch ein Monitoring kontinuierlich begleitet werden (vgl. Daun und Siminou 2005; Jenewein 2013). Darüber hinaus sollten die Lernangebote möglichst flexibilisiert werden, damit diese für ein breites Publikum an Teilnehmern zugänglich sind.

Es ist sinnvoll, die Möglichkeiten des Bildungssystems mit den Anforderungen der Berufswelt zu synchronisieren und die aktuellen Entwicklungen mehr aufeinander abzustimmen (vgl. Reupold et al. 2009). Dies erfordert vor allem ein Umdenken innerhalb der Bildungsstrukturen. Es müssen Kooperationsbeziehungen zwischen Bildungseinrichtungen (z. B. Elementarbereich und Grundschule, Schule und Betrieb; Hochschule und Beschäftigungssystem) geschaffen und weiterentwickelt werden. Im Hinblick auf die Förderung des lebenslangen Lernens ist insbesondere der Aufbau von einrichtungs- und bildungsbereichsübergreifenden vernetzten Strukturen unabdingbar (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE) 2010). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es neben geradlinigen Bildungslaufbahnen zunehmend individuelle, unterschiedlich zeitlich gestaltete Bildungskarrieren gibt.

Ein wesentlicher Bestandteil lebenslangen Lernens ist zusätzlich ein möglichst gutes Zusammenwirken zwischen institutionalisierten und nicht institutionalisierten Bildungsphasen (formales, non-formales und informelles Lernen). Zukünftig sollten formal erworbene Kompetenzen und informelles Lernen fließend ineinander übergehen und verknüpft werden können. Mit der Entgrenzung der traditionellen Bildungswege gewinnt die Förderung neuer Lehr- und Lernformen zunehmend an Bedeutung, denn die Versäulung der ausdifferenzierten Bildungsbereiche Schule, Ausbildung, Hochschule und Weiterbildung ist für das lebenslange Lernen nicht funktional (vgl. Tippelt und Reupold 2006).

Die zahlreichen Initiativen, die in den letzten Jahren entstanden sind, stabilisieren die Verbreitung von Bildungsnetzen und (Weiter-)Bildungszentren. Auch öffentlich geförderte Weiterbildungseinrichtungen, wie etwa Volkshochschulen oder andere anerkannte subsidiär wirkende Organisationen, verfolgen das Ziel der aktiven Beteiligung an kooperativ vernetzten Strukturen, um das lebenslange Lernen zu fördern. Aus den Evaluationsergebnissen nationaler und internationaler Projekte geht hervor, dass auf der regionalen Ebene folgende Wirkfaktoren zu berücksichtigen sind, damit sich die Bildungskoordination und somit auch das lebenslange Lernen möglichst effektiv gestalten lassen (vgl. Tippelt 2011): Zum einen müssen mit Hilfe von Bedarfsanalysen und der Implementierung eines kontinuierlichen Bildungsmonitorings aktuelle Probleme aufgegriffen werden, für die gezielte Lösungen konzipiert werden müssen. Zum anderen ist die Bündelung sozialer Ressourcen von hoher Bedeutung, damit soziale Kohäsion hergestellt wird sowie Erfahrungsaustausch stattfinden kann. Nicht zuletzt sind Leadership-Kompetenzen unabdingbar, um Konkurrenzdenken abzubauen, eine tragfähige Vertrauensbasis zu erhalten sowie ein möglichst hohes Commitment zu schaffen. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Faktoren kann es gelingen, Angebotsstrukturen sowie die Qualität pädagogischer Dienstleistungen nachhaltig zu verbessern. Damit sind nun einige Möglichkeiten angesprochen, lebenslanges Lernen durch bildungsbereichsübergreifende Kooperationen und Vernetzung zu ermöglichen und zu fördern.

5 Vernetzung pädagogischer Berufsbereiche und Berufsgruppen als aktuelle Herausforderung

Erste Untersuchungen der Vernetzung von pädagogischen Berufsbereichen haben deutlich gemacht, dass nicht nur die eigenen Ressourcen betrachtet werden dürfen, sondern dass auch die jeweils an die eigene Bildungseinrichtung anschließende Instanz des pädagogisch organisierten Systems des lebenslangen Lernens verantwortungsvoll in das eigene Planen und Handeln einzubeziehen ist. Die einzelnen pädagogischen Berufsgruppen zeigen sich derzeit allerdings in erster Linie auf den eigenen Bedarf konzentriert und nehmen die Kooperationswünsche anderer Berufsgruppen kaum wahr. Sie sind vielfach zwar auf das Wohl der eigenen Zielgruppe fokussiert, ohne aber die Bedeutung von Kooperationen, vor allem an Übergangsstellen, klar zu benennen (vgl. Buschle et al. 2014).

Die zusätzlichen zeitlichen Belastungen, die durch den Aufbau und die Umsetzung von Kooperationsbeziehungen entstehen, werden benannt, die zu erwartenden Synergien durch Kooperationen werden aber nicht immer deutlich formuliert. Bei den Überlegungen, welche Herausforderungen weiterhin zu bewältigen sind, muss beachtet werden, dass die Akteure der unterschiedlichen Bildungsbereiche oft beklagen, dass die nahestehenden Berufsgruppen nicht wissen, wie sich die eigene Aufgaben- und Tätigkeitsstruktur gestaltet. Gleichzeitig ist den Akteuren meist selbst nicht klar, welche Anforderungen, Bedarfe und Wünsche bei den anderen Berufsgruppen vorhanden sind. Wird dies als ein Zeichen fehlender oder zumindest mangelhafter Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Bildungsbereichen gewertet, dann kann es künftig als eine wesentliche Herausforderung angesehen werden.

Aktuelle Herausforderungen sind, die Wahrnehmung und die Sensibilität der Berufsgruppen für die anderen pädagogischen Bereiche zu schärfen. Gleichzeitig müssen das Interesse und die Bereitschaft geweckt werden, sich mit anderen Berufsgruppen und deren Zielen auseinanderzusetzen, um Vorurteilen entgegen zu wirken und optimale Synergien und Transparenz für alle Beteiligten erreichen zu können. Eine Bereitschaft zum Perspektivenwechsel ist ein noch nicht eingelöstes Ziel pädagogischer Professionalität. Es ist nicht selbstverständlich, dass pädagogische Berufsinhaber erkennen, dass die eigenständige „Form der Koordination von Interaktion, deren Kern die vertrauensvolle Kooperation autonomer, aber interdependenter Akteure ist“ (Tippelt 2011, S. 26), eine Voraussetzung dafür ist, das pädagogische Mandat zu erfüllen. Beispiele, wie dies künftig gelingen kann, formulieren die befragten Berufsgruppen allerdings selbst: Förderliche Bedingungen für Kooperationen werden u. a. im Elementarbereich durch regional bereits bestehende Netzwerke von Bildungseinrichtungen genannt, z. B. in Form eines runden Tisches. Auch die anderen Bildungsbereiche sehen in gemeinsamen Treffen eine Chance für gelingende Kooperationen. Auf diese Weise kann eine Plattform für eine regelmäßige und damit auch nachhaltige kommunale Vernetzung geschaffen werden und auch Einrichtungen außerhalb des Bildungssektors, wie bspw. das Jugendamt oder die intensivere Unterstützung aus anderen sozialen Bereichen können leichter integriert werden. Man setzt also nicht auf eine gemeinsam akzeptierte normative Pädagogik oder homogene Werte, sondern im Vordergrund steht die gemeinsame rationale Kommunikation über konkrete pädagogische Situationen und Probleme. Hier sehen die unterschiedlichen Bildungseinrichtungen hohen Bedarf und fordern verstärkt Unterstützung (vgl. Tippelt 2011).

Den Berufsgruppen ist bewusst, dass Kooperationen prinzipiell sinnvoll und für das lebenslange Lernen wertvoll sind, aber für eine professionelle Zusammenarbeit und die gemeinsame Kommunikation sind auch ein Umdenken sowie kontinuierliche Lernprozesse innerhalb der Organisationen gefordert. Eine lernende Organisation verändert auch – langsam und reflektiert – die formalen Strukturen der eigenen Regelsysteme und Handlungsroutinen. Hierfür ist eine faire Anerkennung der in den Kooperationen neu auszuhandelnden Aktivitäten der Mitarbeiter nötig. In einem ersten Anlauf gehört dazu die zeitliche Beachtung von Kooperationen im Rahmen der täglichen Arbeitszeit. Aber auch Komplexitätssteigerungen müssen beachtet werden, die im Rahmen der Kommunikation und Koordination der Kooperationspartner untereinander entstehen und sich mit der Anzahl der beteiligten Akteure entwickeln können (vgl. Granovetter 1973; Tippelt 2014, S. 56). Es müssen ein Bewusstsein über den entsprechenden Wert von Vernetzung und ein realistischer Blick auf die tatsächlichen, regional angepassten Umsetzungsmöglichkeiten geschaffen werden, denn so können Kooperationsprozesse auf allen Ebenen besser gelingen (vgl. Feld 2008; Mickler 2011; Schwarz und Weber 2011). Die interorganisationale Zusammenarbeit der pädagogischen Berufsgruppen ist ein zentrales Element bei der Gestaltung von Übergängen im Rahmen des lebenslangen Lernens, deshalb sollte sie zukünftig in Netzwerkanalysen stärker beachtet werden.