1 Einleitung

Zentrale Abschlussprüfungen sind ein wichtiges Element der Qualitätssicherung im Bildungssystem. Mit nur einer Ausnahme (Rheinland-Pfalz) nutzen inzwischen alle Bundesländer dieses Steuerungsinstrument. Nationale wie internationale Studien belegen, dass zentrale Prüfungssysteme mit besseren Schülerleistungen einhergehen (z. B. Bishop 1997; Wößmann 2003, 2008; Jürges et al. 2005b). Kritiker warnen jedoch, dass dieser Zusammenhang teilweise auf eine Verengung der Lehrinhalte und des Lernverhaltens auf die zentralen Prüfungen zurückgehen könnte, was die Frage aufwirft, ob sich positive Auswirkungen auch langfristig jenseits verbesserter Testleistungen halten können. Deshalb untersucht der vorliegende Beitrag längerfristige Effekte zentraler Abschlussprüfungen auf den Arbeitsmarkterfolg sowie Signalwirkungen von Abiturnoten auf dem Arbeitsmarkt als möglichen Wirkungsmechanismus.

Dazu nutzt der Beitrag die Tatsache, dass Absolventen mit und ohne zentrale Abschlussprüfungen in Deutschland gemeinsam auf einem nationalen Arbeitsmarkt tätig sind. Je nach Sekundarschulabschluss hatten bis Anfang der 2000er Jahre nur bis knapp die Hälfte der Bundesländer zentrale Abschlussprüfungen, die anderen Bundesländer nicht. Anhand der repräsentativen Mikrodatensätze des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und der Absolventenbefragungen des Hochschul-Informations-Systems (HIS) lassen sich so Zusammenhänge zwischen Zentralität des Prüfungssystems und Arbeitsmarkterfolg untersuchen. Beide Datensätze ermöglichen eine Verknüpfung von Informationen über das Bundesland (und damit die Zentralität) des Sekundarschulabschlusses mit dem späteren Arbeitsmarkterfolg.

Die bisher einzige Studie zu den Arbeitsmarktwirkungen zentraler Abschlussprüfungen von Backes-Gellner und Veen (2008) findet keinen signifikanten Zusammenhang zwischen zentralen Prüfungen und späteren Einkommen von Abiturienten. Allerdings argumentieren wir, dass Effekte zentraler Abschlussprüfungen sich aus theoretischer Sicht besonders bei solchen Schulabsolventen finden sollten, die direkt nach dem Schulabschluss in den Arbeitsmarkt eintreten, was in Deutschland insbesondere für Hauptschulabsolventen der Fall ist. In diesem Fall ist das Schulabschlusszeugnis das einzige und erst kürzlich erworbene akademische Signal über die Produktivität eines Bewerbers, das Unternehmen von diesen Absolventen erhalten. Darüber hinaus argumentieren wir, dass es auf Arbeitsmärkten mit rigider Lohnbildung möglich ist, dass sich bessere Bildungsleistungen weniger im Arbeitseinkommen als vielmehr in Form von Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit auswirken.

In der bildungsökonomischen Literatur herrscht als möglicher Erklärungsansatz für Leistungseffekte zentraler Abschlussprüfungen die bessere Signalwirkung externer Prüfungsnoten vor. Demnach liefern zentrale Prüfungen potentiellen Arbeitgebern und weiterführenden Bildungsinstitutionen ein besseres Signal über die erzielten Prüfungsleistungen, wodurch sich die extrinsische Belohnung für bessere Leistungen und damit die Lernanreize für Schüler erhöhen (z. B. Bishop und Wößmann 2004). Durch die verbesserte Signalwirkung von Prüfungsleistungen wird die Bereitschaft potentieller Arbeitgeber erhöht, die besseren Prüfungsleistungen zu honorieren. Dieser Wirkungsmechanismus hat zur Folge, dass die Schulabschlussnote stärker mit dem späteren Arbeitsmarkterfolg zusammenhängen sollte, wenn sie in einem Schulsystem mit zentralen Abschlussprüfungen erworben wurde. Über den empirischen Gehalt dieses Erklärungsansatzes als Wirkungsmechanismus ist bisher allerdings wenig bekannt.

Vor diesem Hintergrund berichtet der vorliegende Beitrag über neue Ergebnisse, die die bestehende Evidenz zum Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Arbeitsmarkterfolg in dreifacher Hinsicht erweitern. Erstens wird die Variation in der Zentralität der Abschlussprüfungen zwischen den Bundesländern ausgenutzt, um den Einfluss zentraler Abschlussprüfungen auf das Arbeitseinkommen nicht nur von Abiturienten, sondern auch von Personen mit Hauptschul- und Realschulabschluss zu untersuchen. Zweitens wird neben dem Arbeitseinkommen die Arbeitslosigkeit als weiterer Indikator des Arbeitsmarkterfolges betrachtet. Drittens wird der Zusammenhang von Abiturnoten und Arbeitseinkommen nach Prüfungssystem im Rahmen einer ökonometrischen Differenzen-in-Differenzen-Schätzung untersucht, um empirische Evidenz über die Signalwirkung als möglichen Wirkungsmechanismus zu erlangen. Die empirischen Analysen lehnen sich dabei an die Studien von Piopiunik et al. (2013) und Schwerdt und Wößmann (2014) an, die hier durch separate Schätzungen der Einkommens- und Arbeitslosigkeitseffekte nach Art des Sekundarschulabschlusses, separate Schätzungen des Noteneffektes nach Zentralität des Prüfungssystems sowie alternative Modellspezifikationen anhand von Probitmodellen und deutschen Abiturnoten ergänzt werden.

Wir beginnen im folgenden Abschnitt mit einem Überblick über den aktuellen Forschungsstand zum Zusammenhang von zentralen Prüfungen, Schülerleistungen und Arbeitsmarkterfolg sowie theoretischen Wirkungsmechanismen. Davon leiten wir drei Hypothesen ab, die anschließend mikroökonometrisch getestet werden. Wir berichten Ergebnisse zum Zusammenhang von zentralen Abschlussprüfungen mit Arbeitseinkommen (dritter Abschnitt) und mit Arbeitslosigkeit (vierter Abschnitt). Der fünfte Abschnitt liefert Ergebnisse zum Informationswert von Schulabschlussnoten als Wirkungsmechanismus. Der letzte Abschnitt schließt mit einer Zusammenfassung und Diskussion der Befunde.

2 Literaturüberblick und Ableitung testbarer Hypothesen

Wir beginnen mit einer Diskussion der Literatur zum Zusammenhang zwischen zen-tralen Abschlussprüfungen und Schülerleistungen (Abschn. 2.1) sowie zum Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Arbeitsmarkterfolg (Abschn. 2.2). Danach wird die direkte Evidenz zu Arbeitsmarkteffekten zentraler Abschlussprüfungen vorgestellt (Abschn. 2.3). Schließlich werden in der Literatur diskutierte Wirkungsmechanismen für den Effekt von zentralen Prüfungen auf Schülerleistungen diskutiert (Abschn. 2.4). Basierend auf der existierenden Forschung werden drei empirisch überprüfbare Hypothesen hergeleitet. Da sich dieser Artikel auf Arbeitsmarkteffekte konzentriert, basiert der Literaturüberblick vor allem auf bildungsökonomischer Literatur.

2.1 Zentrale Abschlussprüfungen und Schülerleistungen

Zahlreiche Studien zeigen anhand internationaler Schülerleistungstests, dass Schüler aus Ländern mit zentralen Abschlussprüfungen deutlich besser abschneiden als Schüler aus Ländern ohne zentrale Abschlussprüfungen (vgl. u. a. Bishop 1995, 1997, 2006 mit aggregierten Daten; Wößmann 2003 und Wößmann et al. 2009 mit individuellen TIMSS- bzw. PISA-Daten; s. Wößmann 2008 für einen Überblick).Footnote 1 Ein positiver Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Schülerleistungen zeigt sich auch in nationalen Studien für Länder, in denen die Existenz zentraler Abschlussprüfungen regional variiert (Graham und Husted 1993 sowie Bishop et al. 2000 für US-Staaten; Bishop 1997 für kanadische Provinzen).

Für die deutschen Bundesländer existieren ähnliche Vergleichsstudien, die zumindest teilweise einen positiven Effekt von zentralen Prüfungen auf Schülerleistungen nahelegen. Baumert und Watermann (2000) zeigen anhand der TIMSS-Daten, dass ein zentral gestelltes Abitur insbesondere im unteren Leistungsbereich mit besseren Mathematik-, nicht aber Physikleistungen einhergeht und gleichzeitig die Motivation und das Lernverhalten der Schüler nicht beeinträchtigt. Jürges et al. (2005b) verwenden ebenfalls die TIMSS-Daten im Bundesländervergleich und finden in einem fächerspezifischen Differenzen-in-Differenzen-Ansatz einen positiven Effekt zentraler Abschlussprüfungen auf Schülerleistungen. Jürges et al. (2005a) verwenden die Daten der PISA-2000-E-Studie und finden ebenfalls einen positiven Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Schülerleistungen in Deutschland. Wößmann (2010) bestätigt den Zusammenhang mit aggregierten Bundeslanddaten der drei PISA-E-Wellen 2000, 2003 und 2006 und findet zudem, dass sich der positive Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Schülerleistungen in seiner Größenordnung nicht signifikant zwischen den Bundesländerschätzungen und den Schätzungen im internationalen Vergleich der OECD-Staaten unterscheidet.

Die Einführung zentraler Abschlussprüfungen in vielen Bundesländern seit Beginn der 2000er Jahre ermöglicht zudem längsschnittliche Analysen möglicher Effekte zentraler Abschlussprüfungen auf Schülerleistungen. In einem Differenzen-in-Differenzen-Ansatz anhand der Mikrodaten der PISA-E-Wellen 2000, 2003 und 2006 findet Lüdemann (2011), dass die Einführung zentraler Abschlussprüfungen in der Haupt- und Realschule mit einem signifikanten Anstieg der Schülerleistungen insbesondere in Mathematik einherging. Anhand einer längsschnittlichen Beobachtung von 37 Schulen in Bremen und Hessen untersucht die Forschungsgruppe um Maag Merki die Wirkungen der Einführung zentraler Abiturprüfungen vor allem auf Schulklima, Einschätzungen und Verhaltensweisen von Lehrern und Schülern, Unterrichtsprozesse und Vergleichbarkeit der Benotung (Maag Merki 2012; Holmeier 2013). Bezüglich Schülerleistungen zeigt sich, dass sich die Mathematikleistungen von Bremer Grundkursschülern verbessert haben, wobei allerdings mögliche Verzerrungen durch Selektion und fächerübergreifende Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden können, weil aufgrund des Beginns der Erhebungen erst nach der Einführung des Zentralabiturs lediglich einige Bremer Kursarten, die zunächst weiterhin dezentral geprüft wurden, als Vergleichsgruppe bleiben.

2.2 Schülerleistungen und Arbeitsmarkterfolg

Zahlreiche Studien liefern klare empirische Evidenz, dass kognitive Fähigkeiten, wie sie beispielsweise in Schülerleistungstests gemessen werden, positiv mit dem längerfristigen Erfolg am Arbeitsmarkt zusammenhängen (vgl. Neal und Johnson 1996; Mulligan 1999; Murnane et al. 2000; Altonji und Pierret 2001; McIntosh und Vignoles 2001; Lazear 2003; Chetty et al. 2011). Die Literatur über den Zusammenhang zwischen kognitiven Fähigkeiten und verschiedenen Indikatoren des Arbeitsmarkterfolgs wird etwa in Hanushek und Wößmann (2008) und in Hanushek und Rivkin (2012) zusammengefasst. Auch für Deutschland zeigen sich signifikante Zusammenhänge von (allerdings im Erwachsenenalter gemessenen) Testleistungen und Einkommen am Arbeitsmarkt (Leuven et al. 2004; Hanushek und Zhang 2009; Antoni und Heineck 2012).

Zusammengenommen legt die existierende Forschung zum Zusammenhang von zentralen Abschlussprüfungen und Schülerleistungen sowie von Schülerleistungen und Arbeitsmarkterfolg also nahe, dass Schüler, die ihren Schulabschluss in einem Bildungssystem mit zentralen Prüfungen erworben haben, später auf dem Arbeitsmarkt erfolgreicher sein könnten als Schüler, die ihren Schulabschluss in einem System ohne zentrale Prüfungen erworben haben.

2.3 Arbeitsmarkteffekte zentraler Abschlussprüfungen

Allerdings lässt diese Evidenz nicht zwangsläufig auf einen kausalen Zusammenhang von zentralen Prüfungen und volkswirtschaftlicher Produktivität durch verbesserte Schülerleistungen schließen. So argumentieren etwa Card und Krueger (1992), dass Effekte schulischer Begebenheiten besser anhand von direkten Indikatoren des Arbeitsmarkterfolges als anhand von Schülerleistungen in kognitiven Fähigkeitstest gemessen werden sollten. Kritiker warnen insbesondere, dass der positive Effekt von zentralen Prüfungen auf Schülerleistungen lediglich durch veränderte Unterrichtsstrategien wie „Teaching to the Test“ der Lehrkräfte zustande gekommen sein könnte. Hamilton et al. (2007) berichten beispielsweise, dass das Lehrpersonal auf die Einführung von „Accountability“- und Monitoring-Maßnahmen mit einem eingeschränkten und zielgerichteten Unterricht im Hinblick auf die Testinhalte reagiert. Die befragten Lehrer gaben außerdem an, ihren Unterricht stärker auf diejenigen Schüler auszurichten, die gefährdet sind, den geforderten Standard zu erreichen.

Ob die Einführung zentraler Abschlussprüfungen auch längerfristige Effekte auf dem Arbeitsmarkt ausübt, ist aufgrund von möglicherweise auftretenden unerwünschten Mechanismen also eine offene Frage, die direkt untersucht werden muss. Die bisher einzige Studie zu den Auswirkungen von zentralen Abschlussprüfungen auf den individuellen Arbeitsmarkterfolg in Deutschland stammt von Backes-Gellner und Veen (2008).Footnote 2 Zur Identifikation eines Zentralprüfungseffektes auf den Arbeitsmarkterfolg bei Personen mit Hochschulreife verwenden die Autoren Unterschiede in den Prüfungssystemen zwischen den Bundesländern. In Übereinstimmung mit der theoretischen Vorhersage ihrer Studie finden Backes-Gellner und Veen, dass der Anteil der Abiturienten in Bundesländern ohne zentrale Prüfungen schneller ansteigt als in Bundesländern mit Zentralprüfungen. Bezüglich eines möglichen Effektes von zentralen Prüfungen auf den Arbeitsmarkterfolg finden die Autoren aber keinen signifikanten Unterschied in den Arbeitseinkommen von Abiturienten mit und ohne Zentralabitur. Dieser Befund wird damit zu erklären versucht, dass die Arbeitsmärkte von Abiturienten mit und ohne Zentralprüfungen nicht getrennt sind. Da die Löhne und Gehälter für beide Personengruppen auf einem gemeinsamen Arbeitsmarkt festgelegt würden, hätten Personen mit Zentralabitur auch keinen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt.

Die fehlende Evidenz eines Zusammenhangs zwischen zentralen Abschlussprüfungen und späterem Arbeitsmarkterfolg könnte aber auch an dem speziellen Fokus der Studie liegen. So beziehen sich Backes-Gellner und Veen (2008) zum einen nur auf Schulabgänger mit Hochschulreife. Effekte zentraler Prüfungen auf den Arbeitsmarkterfolg dürften aus theoretischer Sicht jedoch besonders bei Schulabschlüssen ausgeprägt sein, die unmittelbar auf den Arbeitsmarkt führen. Dies trifft in Deutschland insbesondere auf Personen mit Hauptschulabschluss zu. Personen, die nach dem Schulabschluss noch weitere Bildungsgänge absolvieren, wie die meisten Abiturienten (aber auch – wie weiter unten beschrieben – rund der Hälfte der Realschulabsolventen), erwerben noch ein weiteres Produktivitätssignal (beispielsweise die Hochschulabschlussnote), wodurch die Schulabschlussnote deutlich weniger bedeutsam sein könnte. Bei Schulabgängern, die direkt in den Arbeitsmarkt eintreten, ist die Schulabschlussnote hingegen das einzige Produktivitätssignal für den Arbeitgeber. Daraus ergibt sich

Hypothese 1

Arbeitsmarkteffekte zentraler Abschlussprüfungen sind umso ausgeprägter, je schneller der Eintritt in den Arbeitsmarkt auf den Schulabschluss erfolgt.

Im dritten Abschnitt testen wir diese Hypothese, indem wir neben Personen mit Hochschulreife auch Personen mit Haupt- bzw. Realschulabschluss in die empirische Analyse einbeziehen.

Zum zweiten untersuchen Backes-Gellner und Veen (2008) ausschließlich Effekte auf das Einkommen. Es ist jedoch zu vermuten, dass sich die Effekte von zentralen Prüfungen auch in Form von Arbeitslosigkeit zeigen. Beschäftigungseffekte dürften umso eher eintreten, je rigider die Lohnbildung auf dem Arbeitsmarkt ist, je weniger also die individuellen Einkommen der individuellen Produktivität angepasst werden können. Daher ist es insbesondere in Deutschland, einem Land mit gerade historisch eher rigider Lohnbildung (Cahuc und Zylberberg 2004), gut möglich, dass zentrale Prüfungen langfristige Beschäftigungseffekte zeitigen. Daher ist unsere

Hypothese 2

Bei rigider Lohnbildung zeigen sich Arbeitsmarkteffekte zentraler Abschlussprüfungen in Form von geringerer Arbeitslosigkeit.

Wir testen diese Hypothese im vierten Abschnitt, in welchem die Arbeitslosigkeit als weiterer Indikator des Arbeitsmarkterfolgs in die Untersuchung einbezogen wird.

2.4 Wirkungsmechanismen

Die Unsicherheit bezüglich der Existenz längerfristiger Zentralprüfungseffekte auf den Arbeitsmarkterfolg verdeutlicht, dass ein besseres Verständnis des Wirkungszusammenhangs zwischen zentralen Prüfungen und Schülerleistungen notwendig ist. Erklärungsansätze, die längerfristige Effekte implizieren, beruhen im Wesentlichen auf einer Verbesserung der Anreizstrukturen der Akteure im Schulsystem, die durch die Besonderheiten von zentralen Prüfungssystemen bedingt werden.

Nach Bishop (1995, 1997, 2006) lassen sich „Curriculum-basierte externe Abschlussprüfungssysteme“ über eine Reihe von Merkmalen definieren: 1) Curriculum-basierte externe Abschlussprüfungssysteme produzieren Signale der Schülerleistungen, die echte Konsequenzen für die Schüler haben. 2) Sie bewerten Leistungen in Relation zu einem externen Standard und nicht nur relativ zu anderen Schülern in derselben Klasse oder Schule. 3) Sie sind nach Fächern organisiert und auf den Inhalt spezifischer Kurssequenzen abgestimmt. 4) Sie differenzieren zwischen mehreren Leistungsniveaus in einem Fach und geben nicht nur das Signal „bestanden/nicht bestanden“. 5) Ihre Durchführung erreicht flächendeckend nahezu alle Schüler der weiterführenden Schulen. 6) Sie bewerten einen großen Teil dessen, was Schüler in dem Fach wissen sollen.

So definierte externe Abschlussprüfungssysteme haben weitreichende Konsequenzen für die Anreizstrukturen der beteiligten Akteure und für die Bedeutung der Prüfungsleistungen auf dem Arbeitsmarkt. Die ökonomische Literatur betont dabei vor allem die verbesserte Signalwirkung der Abschlussprüfungen für potentielle Arbeitgeber und Institutionen der höheren Bildung. Die Signaltheorie der Bildungsabschlüsse geht auf die Arbeiten des Nobelpreisträgers Michael Spence zurück. Spence (1973) argumentiert, dass sich Individuen mit hohen (aber unbeobachtbaren) Fähigkeiten von ansonsten vergleichbaren Individuen mit geringeren Fähigkeiten durch höhere Bildungsabschlüsse differenzieren können, da die individuellen Kosten des Erreichens der höheren Abschlüsse aufgrund der höheren (unbeobachtbaren) Fähigkeiten geringer sind. Da Bildungsabschlüsse beobachtbar sind, dienen diese den potentiellen Arbeitgebern als Signal für die unbeobachtbaren produktiven Fähigkeiten. Stiglitz (1975) erweitert diesen Ansatz um den sogenannten Screening-Aspekt und zeigt, dass die Signalfunktion von Bildungsabschlüssen die allokative Effizienz auf dem Arbeitsmarkt erhöhen und somit auch die Produktivität einer Volkswirtschaft steigern kann. Becker (1982) und Becker und Rosen (1992) erweitern die theoretischen Modelle zur Signaltheorie durch die explizite Einbeziehung von Prüfungsleistungen. Eine in diesem Zusammenhang wichtige theoretische Implikation ist, dass auch eine akkuratere und vergleichbarere Benotung der Leistungsniveaus von Schülern zu Effizienzgewinnen führen kann.

Bishop und Wößmann (2004) inkorporieren diese Überlegungen in ein Modell der Bildungsproduktion. Unter der Annahme, dass zentrale Prüfungen die Signalwirkung von Prüfungsleistungen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen, zeigen sie theoretisch auf, dass Arbeitgeber bereit sind Prüfungsleistungen, die verlässlichere Informationen über das effektive Humankapital eines Arbeitnehmers beinhalten, höher zu entlohnen. Dies bedingt, dass bessere Prüfungsergebnisse mit einem höheren Ertrag – höhere Beschäftigungswahrscheinlichkeiten, höhere Löhne oder erleichterte Aufnahme in Institutionen der höheren Bildung – einhergehen, was langfristig die Lernanreize von Schülern in zentralen Prüfungssystemen erhöht. Schüler reagieren auf diese höheren extrinsischen Anreize mit höheren Lernanstrengungen, was wiederum zu besseren Schülerleistungen führt.

Dieser in der ökonomischen Literatur vorherrschende Erklärungsansatz beruht jedoch auf der zentralen Annahme, dass Prüfungsleistungen in Systemen mit zentralen Abschlussprüfungen eine stärkere Signalwirkung auf dem Arbeitsmarkt besitzen.Footnote 3 Diese Annahme ist jedoch nicht unmittelbar verifizierbar. Sollte die Annahme jedoch korrekt sein, so lässt sich theoretisch ableiten, dass der Zusammenhang zwischen Produktivität auf dem Arbeitsmarkt und Prüfungsleistungen stärker sein sollte, falls die Prüfungsleistungen in zentralen Prüfungen erbracht wurden. Auf Basis dieser Implikation formulieren wir folgende Hypothese, die wir im fünften Abschnitt empirisch überprüfen:

Hypothese 3

Der Zusammenhang zwischen Prüfungsleistung und Arbeitsmarkterfolg ist in Systemen mit zentralen Abschlussprüfungen stärker als in Systemen ohne zentrale Abschlussprüfungen.

3 Zentrale Abschlussprüfungen und Arbeitseinkommen

Zunächst untersuchen wir den Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Arbeitseinkommen. Dabei besteht entsprechend Hypothese 1 die Erwartung, dass die Einkommenseffekte zentraler Abschlussprüfungen stärker sind, wenn der Eintritt in den Arbeitsmarkt direkt nach dem Schulabschluss erfolgt. Insofern sollte der Einkommenseffekt für Hauptschulabsolventen am stärksten ausgeprägt sein. Die Analysen basieren auf Piopiunik et al. (2013), werden aber durch Schätzungen in separaten Stichproben für jeden Sekundarschulabschluss ergänzt. Abschließend wird kurz auf die unterschiedlichen Zentralitätsgrade der Abschlussprüfungen eingegangen.

3.1 Methode

Zur Identifikation der Zentralprüfungseffekte wird die Tatsache ausgenutzt, dass bis zu Beginn der 2000er Jahre knapp die Hälfte der Bundesländer zentrale Abschlussprüfungen eingesetzt hat, die andere Hälfte jedoch nicht. Diese Variation der Prüfungssysteme wird für die drei Abschlussarten Hauptschul-, Realschulabschluss und Abitur separat betrachtet.

Um die Effekte von Zentralprüfungen auf das individuelle Arbeitseinkommen zu schätzen, wird in einem multivariaten Regressionsmodell das Arbeitseinkommen auf einen binären Zentralprüfungsindikator und zahlreiche Kontrollvariablen regressiert. Um den durchschnittlichen Effekt für alle Abschlussarten zu quantifizieren, wird zunächst das folgende Basis-Regressionsmodell geschätzt:

$${{y}_{i}}=\alpha +\beta Zen{{P}_{i}}+\kappa 'Schular{{t}_{i}}+\gamma '{{X}_{i}}+{{\varepsilon }_{i}}$$
(1)

wobei y i das logarithmierte monatliche Bruttoarbeitseinkommen von Individuum i angibt. ZenP i ist ein binärer Indikator, der den Wert 1 annimmt, wenn Individuum i seinen Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben hat. Schulart i gibt den Typ des Sekundarschulabschlusses von Individuum i als Indikatorvariablen wieder.Footnote 4 Der Vektor X i enthält diverse Kontrollvariablen auf Individualebene wie zum Beispiel Indikatoren des soziodemographischen Hintergrunds und einen binären Indikator dafür, ob das Individuum in Ostdeutschland lebt (für die vollständige Liste der Kontrollvariablen siehe Tab. 3).Footnote 5 Zusätzlich kontrollieren Jahresdummies für makroökonomische Entwicklungen, da das Modell Einkommensbeobachtungen über mehrere Jahre poolt.Footnote 6 , Footnote 7 \({{\varepsilon }_{i}}\) ist ein Fehlerterm.Footnote 8

Um Hypothese 1 zu testen, wird Regressionsmodell (1) anschließend separat für die unterschiedlichen Sekundarschulabschlüsse geschätzt. Die Schulabschluss-spezifischen Schätzungen ermöglichen es, zu überprüfen, ob der langfristige Zentralprüfungseffekt tatsächlich für Personen mit Hauptschulabschluss am stärksten ist.

Das geringe Ausmaß sowie die Selektivität der Migration zwischen Bundesländern, insbesondere von Personen mit Hauptschulabschluss, verhindert es, Effekte der Schulprüfungssysteme von denen lokaler Arbeitsmärkte in einer Stichprobe mit Bundeslandwechslern bzw. in Modellen mit fixen Bundeslandeffekten zu trennen. Dies bedeutet, dass lokale Arbeitsmarkteffekte die Effekte der Schulprüfungssysteme in unserer Analyse konfundieren können, insofern die Unterschiede zwischen lokalen Arbeitsmärkten nicht – auch nicht langfristig – durch Unterschiede in den Schulprüfungssystemen hervorgerufen worden sind.

3.2 Daten

Zur Identifikation langfristiger Arbeitsmarkteffekte zentraler Prüfungen werden Unterschiede in der Zentralität der Abschlussprüfungen zwischen den Bundesländern ausgenutzt. Tabelle 1 zeigt einen Überblick, welche Bundesländer im Jahr 2001 zentrale Abschlussprüfungen in den drei Schulabschlussarten verwendet haben.Footnote 9 Vier der 16 Bundesländer haben zentrale Abschlussprüfungen beim Hauptschulabschluss verwendet, sechs Bundesländer beim Realschulabschluss und sieben Bundesländer im Abitur.Footnote 10

Tab. 1 Zentrale Abschlussprüfungen nach Bundesland und Art des Schulabschlusses (Quellen: Jürges et al. 2005b; Klemm (1998) und Kultusministerien)

Die Schätzungen der Arbeitsmarkteffekte basieren auf den Mikrodaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Das SOEP ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland, die seit 1984 (Ostdeutschland seit 1990) jährlich durchgeführt wird. Das SOEP enthält ausführliche Bildungs- und Arbeitsmarktinformationen über die befragten Individuen sowie eine Vielzahl relevanter Hintergrundinformationen.Footnote 11

Der Vorteil des SOEP liegt darin, dass auf Individualebene Informationen über die Zentralität der Abschlussprüfungen mit dem späteren Arbeitsmarkterfolg verknüpft werden können. Das SOEP enthält Informationen über das BundeslandFootnote 12 und die Art des Schulabschlusses. Anhand dieser beiden Informationen kann für jedes Individuum im Datensatz bestimmt werden, ob der Sekundarschulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben wurde.Footnote 13 Da das Bundesland des Schulabschlusses vom SOEP erst ab 2001 abgefragt wurde, umfasst die Stichprobe den Zeitraum 2001–2010.

Um den Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Arbeitsmarkterfolg zu untersuchen, umfasst die Stichprobe Individuen im Alter von 18 bis 65 Jahren. Individuen, die ihren Schulabschluss in der ehemaligen DDR erhalten haben, bleiben ebenso unberücksichtigt wie Individuen mit Schulabschluss aus Berlin, da häufig nicht bestimmt werden kann, ob der Schulabschluss in West- oder Ostberlin erworben wurde. Ebenfalls mussten Abiturienten aus Rheinland-Pfalz (keine zentralen Prüfungen) und aus dem Saarland (zentrale Prüfungen) ausgeschlossen werden, da diese beiden Bundesländer im SOEP-Datensatz zusammen kodiert sind. Zusätzlich sind in den neueren Wellen die jüngsten Kohorten aus der Stichprobe ausgeschlossen, da einige Bundesländer nach dem Schuljahr 2000/2001 zentrale Abschlussprüfungen neu eingeführt haben. Um nur Personen aus Bundesländern mit längerer Zentralprüfungstradition in der Stichprobe zu behalten, haben wir die wenigen Personen ausgeschlossen, die jünger als 25 Jahre im Jahr 2010 waren, jünger als 24 Jahre im Jahr 2009, usw.

Tabelle 2 berichtet in den Spalten (1) und (2) deskriptive Statistiken der SOEP-Einkommensstichprobe, welche ausschließlich Individuen beinhaltet, die entweder vollzeit- oder teilzeitbeschäftigt sind. Die Einkommensstichprobe beinhaltet fast 5.500 Personen und mehr als 27.000 Personen-Jahr-Beobachtungen. Zu beachten ist, dass nur einige Personen über den gesamten Zeitraum 2001–2010 beobachtet werden; einige Individuen sind erst nach 2001 in das SOEP eingetreten, während andere das SOEP bereits vor 2010 verlassen haben.

Tab. 2 Deskriptive Statistiken der SOEP- und HIS-Stichproben (Datenquellen: Sozio-oekonomisches Panel (SOEP); HIS-Absolventenbefragung der 1997er Abschlusskohorte)

Die Statistiken werden separat berichtet für Personen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland ohne zentrale Abschlussprüfungen erworben haben (Spalte (1); Keine ZAP), und für Personen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben (Spalte (2); ZAP). Das Einkommen ist das logarithmierte monatliche Bruttoarbeitseinkommen in Euro. Ein Vergleich von Spalten (1) und (2) zeigt, dass das monatliche Bruttoarbeitseinkommen im Durchschnitt etwas größer ist für Individuen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben.Footnote 14

3.3 Ergebnisse

Tabelle 3 berichtet die Regressionsergebnisse zum Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Arbeitseinkommen. Spalte (1) zeigt, dass Personen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben, im Durchschnitt 6,4 % mehr verdienen als Personen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland ohne zentrale Abschlussprüfungen erworben haben. Der Effekt ist statistisch hoch signifikant. Dieser Durchschnittseffekt bezieht sich auf alle Personen und verdeckt daher möglicherweise bedeutende Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Schulabschlussarten.

Tab. 3 Zentrale Abschlussprüfungen und Arbeitseinkommen (Hypothese 1) (Datenquelle: Sozio-oekonomisches Panel (SOEP))

Die Schulabschluss-spezifischen Ergebnisse deuten in der Tat auf deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Schulabschlüssen hin. Personen mit Hauptschulabschluss – die Absolventengruppe mit dem unmittelbarsten Arbeitsmarkteintritt – verdienen durchschnittlich 10 % mehr, wenn sie ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben (Spalte (2)). Für Personen mit Realschulabschluss und Abitur lässt sich kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Arbeitseinkommen feststellen (Spalten (3) und (4)). Das Abiturienten-Ergebnis bestätigt die Ergebnisse von Backes-Gellner und Veen (2008): Personen mit Hochschulreife erzielen kein signifikant höheres Arbeitseinkommen, wenn sie ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben. Allerdings sind die Zentralprüfungskoeffizienten sowohl bei Personen mit Realschulabschluss (3,7 %) als auch bei Abiturienten (4,4 %) positiv – und weisen damit in die erwartete Richtung – und quantitativ durchaus nennenswert, aber nicht statistisch signifikant.

Die starken Einkommenseffekte für Personen mit Hauptschulabschluss sowie die nicht signifikanten Ergebnisse für Personen mit Realschulabschluss bzw. Abitur liefern Evidenz für Hypothese 1:Footnote 15 Die Arbeitsmarkteffekte zentraler Abschlussprüfungen sind umso ausgeprägter, je schneller der Eintritt in den Arbeitsmarkt auf den Schulabschluss erfolgt.Footnote 16 In unserer Stichprobe tritt die überwiegende Mehrheit (79 %) der Personen mit Hauptschulabschluss in der Tat direkt nach Schulabschluss, also ohne vorher einen weiteren Bildungsabschluss zu erwerben, in den Arbeitsmarkt (68 % macht eine duale Ausbildung und 11 % erwirbt keinen weiteren Abschluss). Im Gegensatz dazu betreten nur 21 % der Personen mit Hochschulreife den Arbeitsmarkt direkt nach Schulabschluss. Personen mit Realschulabschluss bilden eine mittlere Kategorie: Etwa die Hälfte (ca. 52 %) tritt direkt nach dem Schulabschluss in den Arbeitsmarkt, während die andere Hälfte (ca. 48 %) nach der Schule zunächst einen weiteren Bildungsabschluss erwirbt (an Vollzeit-Berufsschulen oder in Institutionen tertiärer Bildung). Diese Unterschiede im Arbeitsmarkteintritt stehen in Einklang mit stärkeren Effekten zentraler Abschlussprüfungen für Personen mit Hauptschulabschluss.

Wie wir in Piopiunik et al. (2013, Tab. 5 und 6) zeigen, sind die Ergebnisse robust,Footnote 17 wenn man zusätzlich verschiedene Bundesland-spezifische Indikatoren für das Schulsystem aufnimmt, nämlich den Anteil von Privatschülern, einen Indikator für die Existenz von Gesamtschulen, einen Indikator für eine sechsjährige Grundschuldauer, Ausgaben pro Schüler und die durchschnittliche Klassengröße. Sämtliche Ergebnisse sind auch sehr ähnlich, wenn alternativ ein Indikator für Vollzeitbeschäftigung aufgenommen wird, wenn nicht für die Bildung der Eltern kontrolliert wird und wenn zahlreiche Indikatoren für den Industriezweig (61 verschiedene Industrien auf Zweistellerebene) in das Modell aufgenommen werden. Die Ergebnisse sind ebenfalls robust, wenn man für die Anteile von Hauptschülern bzw. Realschülern in einem Bundesland kontrolliert, also berücksichtigt, dass sich die Zusammensetzung der Bildungsgänge zwischen den Bundesländern unterscheidet.

Die konkrete Ausgestaltung, und damit der Grad der Zentralität der Abschlussprüfungen, variiert innerhalb der Bundesländer mit zentralen Prüfungen (vgl. etwa Klein et al. 2009). Die umfassendste Variation zeigt sich zwischen Baden-Württemberg und den restlichen Bundesländern mit zentralen Abschlussprüfungen. Während die Aufgaben der Abschlussprüfungen in all diesen Bundesländern zentral gestellt werden, erfolgte die Bewertung der Aufgaben im relevanten Beobachtungszeitraum lediglich in Baden-Württemberg ebenfalls zentral (vgl. Birkenfeld und Hanafy 2008).Footnote 18 Die zentrale Bewertung wurde beim Realschulabschluss und Abitur angewandt. Um zu überprüfen, ob eine zentrale Bewertung der Abschlussprüfungen einen zusätzlichen Arbeitsmarkteffekt über die zentral gestellten Aufgaben hinaus hat, haben wir in weiteren Regressionsanalysen noch eine Dummyvariable für Baden-Württemberg aufgenommen. Die Ergebnisse deuten nicht auf einen signifikanten zusätzlichen Effekt einer zentralen Aufgabenbewertung hin, wobei dies allerdings auch mit der geringen statistischen Präzision bei der Identifikation anhand eines einzelnen Bundeslandes zusammenhängen kann. Lediglich in der Abiturientenstichprobe ist der Koeffizient stark positiv, aber statistisch nicht signifikant.

4 Zentrale Abschlussprüfungen und Arbeitslosigkeit

Falls der Arbeitsmarkt durch rigide Lohnbildung charakterisiert ist, können sich Arbeitsmarkteffekte zentraler Abschlussprüfungen auch in Form von Beschäftigungseffekten ausdrücken (Hypothese 2). Diese Hypothese wird in diesem Abschnitt empirisch überprüft, dessen Vorgehensweise ebenfalls auf Piopiunik et al. (2013) beruht, jedoch Probitmodelle statt linearer Wahrscheinlichkeitsmodelle schätzt. Die Schätzungen erfolgen wiederum separat nach Art des Sekundarschulabschlusses.

4.1 Methode

Für die Untersuchung des Effektes zentraler Abschlussprüfungen auf die Arbeitslosigkeitswahrscheinlichkeit werden wie zuvor die Unterschiede in der Zentralität der Abschlussprüfungen zwischen Bundesländern und Schulabschlüssen ausgenutzt. Zur Schätzung werden nicht-lineare Modelle verwendet, da die Ergebnisvariable der Arbeitslosigkeit binär kodiert ist.Footnote 19 Konkret werden folgende Probit-Modelle geschätzt:

$$\Pr ({{y}_{i}}=1)=F(\beta Zen{{P}_{i}}+\kappa' Schular{{t}_{i}}+\gamma '{{X}_{i}})$$
(2)

wobei y i den Wert 1 annimmt, wenn Person i arbeitslos ist, und andernfalls den Wert 0. ZenP i ist wieder ein binärer Indikator, der angibt, ob Individuum i seinen Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben hat. Schulart i ist der Typ des Sekundarschulabschlusses von Individuum i, und Vektor X i enthält personenspezifische Determinanten von Arbeitslosigkeit wie etwa familiären Hintergrund oder Migrationsstatus (für die vollständige Liste der Kontrollvariablen siehe Tab. 4). Zunächst wird wieder der durchschnittliche Effekt für alle Individuen geschätzt. Anschließend werden Probit-Modelle separat für die drei verschiedenen Schulabschlüsse geschätzt, um auch für diesen Indikator des Arbeitsmarkterfolgs Hypothese 1 zu testen, wonach der Zentralprüfungseffekt für Personen, die unmittelbar nach dem Schulabschluss in den Arbeitsmarkt eintreten, am stärksten sein sollte.

4.2 Daten

Auch der Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Arbeitslosigkeit wird mit den Mikrodaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) untersucht. Die Stichprobe umfasst ebenfalls 18- bis 65-Jährige im Beobachtungszeitraum 2001–2010. Neben den vollzeit- und teilzeitbeschäftigten Personen der Einkommensstichprobe umfasst die Beschäftigungsstichprobe zusätzlich auch arbeitslos gemeldete Personen.

Die deskriptiven Statistiken werden in den Spalten (3) und (4) in Tab. 2 berichtet. Die Beschäftigungsstichprobe beinhaltet etwa 5.700 Personen und mehr als 29.000 Personen-Jahr-Beobachtungen. Die Statistiken werden wieder separat nach Zentralität der Abschlussprüfungen angegeben. Individuen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben, sind mit höherer Wahrscheinlichkeit vollzeitbeschäftigt und mit geringerer Wahrscheinlichkeit arbeitslos.

4.3 Ergebnisse

Tabelle 4 zeigt die Regressionen zum Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Arbeitslosigkeit. Basierend auf Probit-Modellen berichtet die Tabelle die marginalen Effekte bei kontinuierlichen Variablen (wie Alter) und diskrete Wahrscheinlichkeitsunterschiede bei Dummyvariablen (wie Zentrale Prüfung). Es zeigt sich, dass Personen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben, im Durchschnitt ein um 2,1 Prozentpunkte geringeres Arbeitslosigkeitsrisiko haben als Personen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland ohne zentrale Abschlussprüfungen erworben haben (Spalte (1)). Dieser statistisch hoch signifikante Effekt für die Schularten zusammen verdeckt wiederum möglicherweise interessante Unterschiede nach der Schulabschlussart.

Tab. 4 Zentrale Abschlussprüfungen und Arbeitslosigkeit (Hypothese 2) (Datenquelle: Sozio-oekonomisches Panel (SOEP))

In der Tat ist der Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Arbeitslosigkeit für Personen mit Hauptschulabschluss am stärksten ausgeprägt (Spalte (2)). Personen mit Hauptschulabschluss haben eine 4,5 Prozentpunkte geringere Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein, wenn sie ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben. Bei Personen mit Realschulabschluss findet sich kein Zusammenhang zwischen zentralen Abschlussprüfungen und Arbeitslosigkeit (Spalte (3)). Während es bei Abiturienten keinen Effekt auf das Arbeitseinkommen gibt, zeigt sich, dass Abiturienten eine um 1,9 Prozentpunkte geringere Arbeitslosigkeitswahrscheinlichkeit haben, wenn sie ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben. Dieses Ergebnis liefert Evidenz für Hypothese 2, dass sich auf einem Arbeitsmarkt mit rigider Lohnbildung Arbeitsmarkteffekte zentraler Abschlussprüfungen in Form von Arbeitslosigkeit anstatt in Form von Arbeitseinkommen zeigen.

Auch diese Ergebnisse sind robust, wenn zusätzlich für diverse Bundesland-spezifische Indikatoren für das Schulsystem kontrolliert wird; wenn nicht für die Bildung der Eltern kontrolliert wird; oder wenn für die Anteile von Hauptschülern bzw. Realschülern in einem Bundesland kontrolliert wird (vgl. Tab. 6 und 9 in Piopiunik et al. 2013). Darüber hinaus sind die Ergebnisse qualitativ ähnlich, wenn ein binärer Beschäftigungsindikator (vollzeit- oder teilzeitbeschäftigt vs. nicht-beschäftigt) verwendet wird in einer Stichprobe, die zusätzlich Personen beinhaltet, die beschäftigungslos, aber auch nicht arbeitssuchend sind.

5 Der Informationswert zentraler Abiturnoten als Wirkungsmechanismus

Insgesamt deuten die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Abschnitte darauf hin, dass zentrale Abschlussprüfungen durchaus auch längerfristige Konsequenzen auf den Arbeitsmarkterfolg haben können. Welcher Mechanismus diese Effekte antreibt, ist jedoch weitgehend unklar. In diesem Abschnitt wollen wir die Implikation der Signalwirkung als möglichem Wirkungsmechanismus testen, dass die Noten zentral gestellter Abschlussprüfungen einen höheren Informationswert auf dem Arbeitsmarkt haben (Hypothese 3). Die methodische Vorgehensweise folgt dabei Schwerdt und Wößmann (2014), wobei wir hier statt standardisierter Prüfungsleistungen direkt die deutschen Abiturgesamtnoten nutzen und die Analyse durch separate Schätzungen in den Stichproben der Absolventen aus Bundesländern mit und ohne zentrale Abiturprüfungen ergänzen.

5.1 Methode

Den Kern der empirischen Strategie bildet die Tatsache, dass es auf dem deutschen Arbeitsmarkt möglich ist, sowohl für Schulabgänger aus Zentralprüfungssystemen als auch für Schulabgänger aus Systemen ohne zentrale Prüfungselemente vergleichbare Schätzergebnisse für den Zusammenhang zwischen Abschlussnoten und Arbeitsmarkterträgen zu erhalten. Der Zusammenhang zwischen Abschlussnoten und Arbeitsmarkterträgen kann in einem multivariaten Regressionenmodell geschätzt werden. Dieses Modell wird getrennt für Schulabgänger aus Zentralprüfungssystemen (S = 1) und Schulabgänger aus Systemen ohne zentrale Prüfungselemente (S = 0) geschätzt und sei durch folgende Gleichung gegeben:

$${{y}_{i}}={{\alpha }^{S}}+{{\beta }^{S}}*Not{{e}_{i}}+{{\delta}^{S}}'{{X}_{i}}+\varepsilon _{i}^{S}$$
(3)

wobei y i das logarithmierte monatliche Bruttoarbeitseinkommen angibt, X i relevante Kontrollvariablen beinhaltet (für die vollständige Liste der Kontrollvariablen siehe Tab. 5), und Note i die Abschlussnote angibt. Da Noten in Deutschland aufsteigend von 4.0 bis 1.0 vergeben werden, würde ein negativer Schätzwert für b S implizieren, dass Abschlussnoten informativ im Hinblick auf Arbeitsmarkterträge sind. Hypothese 3 besagt nun, dass sich dieser Informationsgehalt für Schulabgänger beider Systeme unterscheidet, so dass b 0 > b 1 gilt.

Tab. 5 Der Informationswert zentraler Abiturnoten (Hypothese 3) (Datenquelle: HIS-Absolventenbefragung der 1997er Abschlusskohorte)

Um die Gültigkeit dieser Implikation zu überprüfen, wird darüber hinaus folgendes Querschnittsmodell mit einem Interaktionseffekt zwischen einem Indikator für die Art des Prüfungssystems und der Abschlussnote geschätzt:

$${{y}_{i}}=\alpha +\beta *Not{{e}_{i}}+\gamma *Not{{e}_{i}}*Zen{{P}_{i}}+\delta *Zen{{P}_{i}}+\delta'{{X}_{i}}+{{\varepsilon }_{i}}$$
(4)

wobei ZenP i wieder ein binärer Indikator ist, der angibt, ob Individuum i seinen Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben hat. Eine höhere Signalwirkung von Zentralprüfungen im Sinne der Hypothese 3 würde einen negativen Schätzwert für γ implizieren. Der Schätzwert für γ liefert dabei einen direkten Test, ob b 0 − b 1 > 0 gilt.

Zusätzlich können in Gl. (4) fixe Bundeslandeffekte für das Bundesland des Schulabschlusses aufgenommen werden.Footnote 20 Somit wird eine Verzerrung der Schätzergebnisse durch unterschiedliche Niveaus der Arbeitsmarktbedingungen in den Bundesländern oder sonstige bundeslandspezifische Einflussfaktoren ausgeschlossen. Die Identifikation von γ basiert somit nicht auf dem Vergleich von allgemeinen Lohnniveaus, sondern letztlich auf dem Vergleich von Lohndifferenzen zwischen Schulabgängern mit guten und schlechten Abschlussnoten aus Bundesländern mit und ohne zentrale Abschlussprüfungen. Die Identifikationsstrategie entspricht damit im Wesentlichen der eines klassischen Differenzen-in-Differenzen-Ansatzes.Footnote 21

5.2 Daten

Um diese Schätzungen zu implementieren, bedarf es eines Datensatzes, der sowohl Informationen über den Arbeitsmarkterfolg von Individuen als auch Informationen über ihre Schulabschlussnote und das Bundesland des Schulabschlusses beinhalten. Leider stehen keine entsprechenden Daten für die Grundgesamtheit aller Schulabgänger zur Verfügung. Allerdings erfüllen die Daten der Absolventenbefragungen des Hochschul-Informations-Systems (HIS) diese Anforderungen. Die Absolventenbefragungen des HIS sind Längsschnittuntersuchungen von Hochschulabsolventen. Für diese Studie werden die Daten der Absolventenkohorte von 1997 verwendet, die als Scientific Use File (ZA 4272) über das Gesis-ZA Zentralarchiv für Empirische Wirtschaftsforschung verfügbar gemacht wurden.

Die HIS-Daten beinhalten neben umfangreichen Informationen zum Arbeitsmarkterfolg und zu relevanten Hintergrundvariablen auch Information zur Abschlussnote und zum Bundesland der Hochschulzugangsberechtigung. Auf Basis dieser Daten steht eine Stichprobe von 4.701 Hochschulabsolventen zur Verfügung, die im Jahre 2003 beschäftigt sind und die vollständige Angaben zu allen relevanten Fragen gemacht haben.Footnote 22

Tabelle 2 berichtet in den Spalten (5) und (6) deskriptive Statistiken der HIS-Stichprobe, wiederum separat für Personen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland ohne zentrale Abschlussprüfungen erworben haben (Spalte (5); Keine ZAP), und für Personen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben (Spalte (6); ZAP). Ein Vergleich der beiden Spalten zeigt kaum nennenswerte Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Das monatliche Bruttoarbeitseinkommen ist im Durchschnitt etwas höher für Absolventen, die ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben, wobei auch deren durchschnittliche Abschlussnote etwas besser ist. Jegliche im Mittel existierende Unterschiede zwischen den beiden Gruppen spielen jedoch bei dem im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Schätzansatz keine Rolle und werden letztlich ausdifferenziert.

Abbildung 1 zeigt dagegen die Variation in den Daten, die das in Gl. (4) beschriebene Querschnittsmodell mit Interaktionseffekt ausnutzt und verdeutlicht, weshalb die Identifikation in diesem Ansatz einer Differenzen-in-Differenzen-Schätzung gleichkommt. Auf der horizontalen Achse ist die Abiturnote in kategorisierter Form abgetragen. Für jede Notenkategorie wird der durchschnittliche Bruttomonatslohn im Jahre 2003 auf der vertikalen Achse abgetragen. Die Abbildung verdeutlicht, dass bessere Noten durchaus mit einem höheren Lohn einhergehen. Insbesondere legt die Abbildung nahe, dass der Zusammenhang zwischen Abschlussnote und Arbeitsmarkterfolg in Systemen mit zentralen Abschlussprüfungen stärker ausgeprägt ist als in Systemen ohne zentrale Abschlussprüfungen – dass eine in zentralen Prüfungen erzielte Abiturnote also einen höheren Informationswert für den Arbeitsmarkterfolg aufweist. Ob dieser Unterschied statistisch signifikant ist und auch nach Konditionierung auf weitere Einflussfaktoren Bestand hat, ist Gegenstand der folgenden Regressionsanalysen.

Abb. 1
figure 1

Der Informationswert zentraler Abiturnoten am Arbeitsmarkt (Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten der HIS-Absolventenbefragung der 1997er Abschlusskohorte)

5.3 Ergebnisse

Tabelle 5 zeigt die Ergebnisse der Schätzgleichungen (3) und (4) auf Basis der HIS-Daten. Im Sinne des in Gl. (3) skizzierten multivariaten Regressionsmodells wird dabei zunächst der Zusammenhang zwischen Abschlussnote und Bruttoarbeitseinkommen innerhalb der beiden Prüfungssysteme geschätzt (Spalten (1) und (2)). Anschließend wird das in Gl. (4) beschriebene Regressionsmodell mit Interaktionseffekt einmal ohne und einmal mit fixen Effekten für das Bundesland der Hochschulreife geschätzt (Spalten (3) und (4)). Alle Schätzungen kontrollieren für Geschlecht, Alter, Bildungshintergrund der Eltern sowie den besuchten Schultyp und die Art der erworbenen Hochschulreife (Fachabitur vs. Gymnasium).

Die Ergebnisse der Spalten (1) und (2) bestätigen die grafische Inspektion der Daten aus Abb. 1, dass bessere Noten in beiden Prüfungssystemen mit einem höheren Lohn einhergehen. Die geschätzten Koeffizienten für die Abiturnote (b S aus Gl. (3)) sind statistisch signifikant von null verschieden. Das bestätigt, dass Abiturnoten informativ im Hinblick auf spätere Arbeitsmarkterträge sind.

Allerdings sind die betrachteten Zusammenhänge unterschiedlich stark. Unter Absolventen aus Bundesländern ohne zentrale Abschlussprüfungen geht eine Notenverbesserung um eine Notenstufe (beispielsweise von 2,5 auf 1,5) mit einem Lohnanstieg um 2,5 % einher. Hingegen erhalten Absolventen aus Bundesländern mit zentralen Abschlussprüfungen im Durchschnitt ein um 9,3 % höheres Einkommen pro Notenstufe. Ob der resultierende Unterschied von knapp 6 Prozentpunkten allerdings statistisch signifikant ist, ist aus dem Vergleich der Koeffizienten der Spalten (1) und (2) nicht ersichtlich.

Die Antwort auf diese Frage liefern die Ergebnisse in den Spalten (3) und (4). Hier bestätigen die Koeffizienten für die Abiturnote (Zeile 1) zunächst, dass ohne zentrale Abschlussprüfungen eine Notenverbesserung um eine Notenstufe einhergeht mit einem Lohnanstieg um 2,5 bis 2,9 %. Der Koeffizient des Interaktionsterms zwischen Prüfungszentralität und Abiturnote zeigt, dass dieser Zusammenhang bei Absolventen aus Bundesländern mit zentralen Abschlussprüfungen um 5,5 bis 6,9 Prozentpunkte stärker ist. Die Schätzung des Interaktionsterms, γ, liefert dabei einen direkten Test, ob b 0 − b 1 > 0 gilt. Es zeigt sich, dass der Unterschied in der Tat sehr groß und statistisch hoch signifikant ist.

In weitergehenden Analysen zeigt sich, dass sich der Zusammenhang kaum verändert, wenn zusätzliche Kontrollvariablen für Merkmale der Hochschulausbildung wie die Dauer des Studiums, die Hochschulabschlussnote, das Studienfach und das Bundesland der Hochschule aufgenommen werden (Schwerdt und Wößmann 2014, Tab. 8 und 9). Auch verringert er sich um höchstens ein Drittel, wenn Merkmale des ausgeübten Berufs wie Berufsgruppe, Industrie, öffentlicher Sektor und Bundesland der Berufstätigkeit als Kontrollvariablen in das Modell aufgenommen werden. Dementsprechend scheint der höhere Signalwert zentraler Abiturnoten für das spätere Einkommen nicht in erster Linie durch selektive Wahl des Hochschulstudiums oder des Berufs zustande zu kommen.

Insgesamt belegen die Ergebnisse, dass der Informationswert von Abiturnoten aus Bundesländern mit zentralen Prüfungen in der Tat deutlich stärker ausgeprägt ist als der Informationswert von Abiturnoten aus Bundesländern ohne zentrale Prüfungen. Dieses Ergebnis ist nicht nur relevant im Hinblick auf das bessere Verständnis der Wirkungsmechanismen von zentralen Prüfungen, sondern deutet auch auf eine potenzielle Verbesserung des Matching-Prozesses von Stellensuchenden und offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt durch zentrale Prüfungen hin.Footnote 23 Es muss jedoch einschränkend festgestellt werden, dass die Ergebnisse zwar einen höheren Informationswert von Prüfungsleistungen im Hinblick auf die spätere Produktivität am Arbeitsmarkt belegen, es jedoch im Rahmen der vorliegenden Daten nicht möglich ist zu bestimmen, ob und inwieweit Unternehmen tatsächlich diese Information bei der Einstellungsentscheidung und der Lohnsetzung berücksichtigen.

6 Schlussbemerkungen

Die vorliegende Studie liefert Evidenz, dass zentrale Abschlussprüfungen auch langfristige Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt haben können. Die Ergebnisse erweitern die bisherige empirische Evidenz, die sich ausschließlich auf Schulabgänger mit Hochschulreife bezieht sowie nur auf Einkommenseffekte fokussiert und deshalb keine längerfristigen Effekte von zentralen Abschlussprüfungen auf den Arbeitsmarkterfolg findet. Unsere Ergebnisse deuten zum einen darauf hin, dass die Arbeitsmarkteffekte zentraler Prüfungen am ausgeprägtesten sind für Schulabsolventen, die unmittelbar nach Schulabschluss in den Arbeitsmarkt treten. Konkret finden wir, dass Personen mit Hauptschulabschluss rund 10 % mehr verdienen und ein 4,5 Prozentpunkte geringeres Arbeitslosigkeitsrisiko haben, wenn sie ihren Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben haben. Zum anderen legen die Ergebnisse nahe, dass sich Arbeitsmarkteffekte bei rigider Lohnbildung eher in Form von Beschäftigung als in Form von Einkommen zeigen: So finden sich für Abiturienten zwar keine Einkommenseffekte, aber positive Beschäftigungseffekte zentraler Prüfungen in der Größenordnung von einem knapp zwei Prozentpunkte geringeren Arbeitslosigkeitsrisiko. Obgleich es im Rahmen dieser Studie nicht möglich ist, alle Einflussfaktoren des individuellen Arbeitsmarkterfolgs zu kontrollieren und die Ergebnisse daher nicht zwangsläufig kausal interpretiert werden können, legen diese Befunde zumindest nahe, dass zentrale Abschlussprüfungen mit langfristigen Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt einhergehen.

Des Weiteren zeigt die Studie, dass der Zusammenhang zwischen Abiturnote und Arbeitsmarkterfolg in Systemen mit zentralen Abschlussprüfungen stärker ist als in Systemen ohne zentrale Abschlussprüfungen. Konkret ergibt sich, dass ohne zentrale Abschlussprüfungen eine Notenverbesserung um eine Notenstufe mit einem Lohnanstieg um knapp 3 % einhergeht. Im Falle von zentralen Abschlussprüfungen ist dieser Zusammenhang um rund sechs bis sieben Prozentpunkte stärker.

Dies liefert Evidenz für einen möglichen Wirkungsmechanismus, weshalb zentrale Prüfungen zu bessern Schülerleistungen führen können: Da bessere Schülerleistungen in zentralen Prüfungssystemen stärker belohnt werden, erhöht dies den Anreiz für Schüler, sich besonders anzustrengen. Dieser empirische Befund ist zwar kein unmittelbarer Beleg dafür, dass zentrale Prüfungen durch höhere extrinsische Anreize zu höheren Lernanstrengungen führen. Allerdings ist ein höherer Informationswert von zentralen Prüfungsleistungen für das Einkommen und damit eine höhere Signalwirkung im Hinblick auf die spätere Produktivität am Arbeitsmarkt eine notwendige Voraussetzung für diese Wirkungskette.