1 Einleitung

Als Teil der empirischen Bildungsforschung (BMBF2007) ist die hochschuldidaktische Forschung auf das Lernverhalten der Studierenden ausgerichtet, wie dieses motiviert ist und wie soziale Umwelten auf die Selbstregulation der Studierenden einwirken. Diese Forschung befasst sich mitder akademischen Lehre, indem sie Lernfortschritte der Studierenden fokussiert und den (selbsteingeschätzten) Lernzuwachs in Lehrveranstaltungen misst (vgl. z. B. Braun und Hannover2008). Ein anderer Teil fokussiert die Lehrenden und ihre Qualifizierung (Dany2007). Ein relativ neuer Zweig ist die innerinstitutionelle Hochschulforschung, die Ausbildungsstrukturen und Prozesse innerhalb einer Hochschule zum Untersuchungsgegenstand macht (Metz-Göckel2008; Auferkorte-Michaelis2005; Metz-Göckel et al.2005). Ihnen stehen Untersuchungen zu übergeordneten Themen der Hochschule, z. B. zu institutionellen Veränderungen der Studienorganisation, zur Nachwuchsförderung und Modularisierung des Curriculums gegenüber (Wergen2011; Winter2009; Kehm und Alesi2010). Letztere beziehen sich auf die Institution Hochschule und ihre Subeinheiten und legen das Augenmerk auf die Studienkontexte und variierende Rahmenbedingungen.

Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die hochschuldidaktische Forschung im engeren Sinne und damit auf wissenschaftliche Beiträge der Lehr-Lernforschung zur akademischen Lehr- und Lernqualität. Die Lehrqualität der Hochschulausbildung resultiert dabei für uns aus einem Komplex von Einflussfaktoren und kann aus mehreren Perspektiven betrachtet werden. Neben den Selbsteinschätzungen der Lehrenden sind Rückmeldungen der Studierenden wichtige Indikatoren und mit der Kompetenzausrichtung der Lehre ist ein Perspektivwechsel auf die Lernfortschritte der Studierenden erfolgt, auch wenn dies nicht wirklich neu ist, wie wir in einem kurzen Rückblick zeigen werden. Die aktuelle Forschung lässt sich grob gliedern in Wirksamkeitsforschung zu studentischen Lernfortschritten unter Berücksichtigung der konkreten Studienbedingungen und Forschung zum Lehrverständnis und zur Lehrzufriedenheit von Lehrenden.

2 Rückblick: Von der Bundesassistentenkonferenz zur „Professionalisierung der Hochschullehre“

Mit ihren „Thesen zur Hochschuldidaktik“ hat die Bundesassistentenkonferenz (BAK) bereits1968 Ansprüche an die Forschung zur Hochschullehre formuliert. Ihre Desiderate bezogen sich auf die Curricula, die Studienorganisation (BAK1970) und die allgemeinen und fachspezifischen Lernziele. Die Lernziele sollten sich auf alle im Hochschulbereich ausgeübten Lern- und Arbeitsformen beziehen und so verfasst sein, dass „der Lernerfolg nachprüfbar wird (…) Ziele und Verfahren müssen in Wenn-Dann-Sätzen zur Wahl gestellt werden“ (Kreuznacher Hochschulkonzept, BAK1968, S. 39 f.).Footnote 1 Forschungsthemen, die die akademische Lehre regelmäßig begleiten sollten, waren z. B.

  • „Die Analyse der Grenzen, Zusammenhänge, Strukturen und Verfahren eines Faches („structure of knowledge“);

  • die Erkundung der Bedürfnisse und Motivationen der Studierenden;

  • die lern- und sozialpsychologische Erforschung aller im Hochschulbereich geübten Lern- und Arbeitsformen;

  • die Messung und Analyse der Wirkung von Lernprozessen im Hinblick auf die aufgestellten Ziele;

  • die Untersuchung der Angemessenheit, Gültigkeit und Zuverlässigkeit von Prüfungen in allen Formen“ (a. a. O., S. 40).

Die BAK betonte, die Hochschuldidaktik sollte kritisch sein und sich nicht auf methodische Fragen reduzieren. Kritisch kann in diesem Verständnis eine Forschung sein, die Lehr-Routinen immer wieder wissenschaftlich überprüft. Dies impliziert eine institutionenzentrierte Perspektive auf die Rahmenbedingungen und eine individuumszentrierte Perspektive auf die in ihnen agierenden Personen und unterstellt eine Veränderbarkeit der Rahmenbedingungen bzw. eine Lernfähigkeit der Agierenden.

Im Nachgang zur Veröffentlichung der BAK-Thesen und angeregt durch die neu gegründete Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik (AHD)Footnote 2 machte auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft in einem Schwerpunktprogramm die Hochschullehre zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen (1972–1979). Eines der vier Themenfelder befasste sich mit der Erforschung der Lernprozesse und Effektivität des Hochschulunterrichts. Dennoch dominierte eine Zeit lang die politische und institutionelle Reform-Perspektive gegenüber der wissenschaftlichen Ausrichtung, weshalb Dany zu dem Schluss kommt: „Die Forschung kann im Vergleich zur Weiterbildung in der Hochschuldidaktik insgesamt als vernachlässigtes Gebiet bezeichnet werden. Allerdings gibt es in der Erziehungswissenschaft, insbesondere in den Feldern der Lehr- und Lernforschung und der Hochschulforschung vielfältige Erkenntnisse mit hochschuldidaktischer Relevanz“ (Dany2007, S. 69).Footnote 3 Zeitgleich mit der Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und in den folgenden 1980er Jahren wurden eine Reihe von Modellprojekten und ModellversuchenFootnote 4 durchgeführt, die sich vorwiegend auf Studienreformen und ihre wissenschaftliche Begleitung bezogen. Sie stehen dafür, dass vorrangig strukturelle Reformen Gegenstand der hochschuldidaktischen Forschung waren, in der Annahme, diese würden über die größte Reichweite ihrer Wirkungen verfügen. Deren wissenschaftliche Begleitforschung wurde weitgehend als Selbstbeforschung durchgeführt, was ihre wissenschaftliche Rezeption erheblich einschränkte.

Weiter steigende Studierendenzahlen, ein Bedeutungszuwachs der Hochschulen und Hochschulforschung in der Wissensgesellschaft, vor allem die gestufte Studienreform (zurzeit als Bologna-Reform umgesetzt), haben der empirischen Forschung zur Hochschullehre weiteren Auftrieb gegeben. Wichtig waren in diesem Kontext seit 2008 die Förderlinie „Hochschulforschung als Beitrag zur Professionalisierung der Hochschullehre – Zukunftswerkstatt Hochschullehre“ des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (BMBF),Footnote 5 der „Wettbewerb exzellente Lehre“ der Kultusministerkonferenz und des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft (KMK2008) sowie die Empfehlungen des Wissenschaftsrates (2007), der eine systematische Professionalisierung der Lehrtätigkeit und die Herausbildung von Standards und Instrumenten zu ihrer Überprüfung verlangte.

In diesem Zusammenhang ist von einer empirischen Wende der hochschuldidaktischen Forschung zu sprechen, die sich darin ausdrückt, dassLehrkompetenz als relevantes Konstrukt eingeführt wird und solche Messverfahren und Standards entwickelt werden, die Effekte unterschiedlicher Lehrformate bei den Studierenden zu erfassen versuchen. Mit dieser Wende zur empirischen Bildungsforschung ist zudem eine Ausrichtung auf die Kompetenzentwicklung der Studierenden verbunden, die im Unterschied zur traditionellen Lehre auch alternative Lehrformate verlangt und eine Herausforderung für die Lehrenden ist. Lehrkompetenz und die Interaktionsstrukturen und Interaktionsqualitäten zwischen Lehrenden und Studierenden werden zum Untersuchungsgegenstand und ein Befund lautet: „Die Wirkung von Maßnahmen und Innovationen auf das Lernergebnis (ist) über alle Altersstufen und Bildungsebenen generalisierbar“ (Winteler und Forster2007, S. 103).

3 Zum Konstrukt und Konzeptualisierung von Lehrqualität

Misst sich die Lehrqualität vorrangig am Lernerfolg der Studierenden und eher indirekt an der Lehrkompetenz der Lehrenden, dann verfolgt dieser Perspektivwechsel auch eine andere Zielsetzung: Neben dem Wissenserwerb zielt das Lehrangebot dann vor allem auf den Kompetenzerwerb der Studierenden zum selbständigen Erwerb weiteren Wissens. Der Wissens- vs. Kompetenzorientierung der Studierenden steht eine instruktivistische vs. konstruktivistische Lehrkonzeption gegenüber. Die Studienkonzepte desforschenden Lernens (Huber et al.2009)Footnote 6, dasproblembasierte Lehren und Lernen (PBL, für den deutschen Sprachraum auch PoL, „problemorientiertes Lernen“ (Scholkmann und Roters2009) und dasStudieren in Projekten sind Varianten eines alternativen didaktischen Konzepts, das den traditionellen Lehrmethoden der Vorlesungen und Übungen bzw. Seminaren gegenübergestellt und in der empirischen Forschung häufig zum Vergleich herangezogen wird.

Mit der Kompetenzausrichtung des Studiums, einer konstruktivistischen Lehrkonzeption und dem problembasierten Lehren und Lernen auf der Inhalts- und Methodenebene ist ein hochschuldidaktisches Modell der akademischen Lehre konzipiert, dem eine unterschiedliche Lerneffektivität im Vergleich zu den traditionellen Lehrformaten unterstellt wird. Die Effektivität der Lehre ist von ihrerZielformulierung abhängig und schwierig zu ermitteln. Aus der Forschungsperspektive ergibt sich hier einZurechnungsproblem, nämlich zu klären, in welchem Verhältnis das Wissensangebot einer Lehrveranstaltung zur Rezeption bzw. ihrer Verarbeitung bei den teilnehmenden Studierenden steht. Die Qualität der akademischen Lehre beurteilen und messen zu können, setzt zudem neben einer klaren Definition Referenzgrößen voraus, an der die Qualität gemessen werden kann. Als eine solche Messlatte fungieren explizit formulierte Ziele, die der konkreten Lehrpraxis zugrunde gelegt werden. Unter guter Lehre „kann nicht nur das ‚optimale Verhalten‘ von Lehrenden in einzelnen Veranstaltungen verstanden werden. Gutes Lehren (und Lernen) ist vielmehr als komplexer, sich wechselseitig bedingender Prozess zu sehen, bei dem sowohl didaktische Aspekte als auch Aspekte der Studienbedingungen und der Studierenden selbst eine Rolle spielen“ (Krempkow1998, S. 195). Die Lehrqualität kann sich auf eine einzelne Lehrveranstaltung, auf ein Studienprogramm oder Studiengang, auf einzelne Personen oder eine Fakultät beziehen. Ebenso spielen konzeptuelle (implizite) Vorstellungen und subjektive Theorien der Akteure bzw. Akteurinnen eine Rolle.

Eine spezielle hochschuldidaktische Herausforderung besteht darin, unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen und einzunehmen sowie das subjektive Alltagswissen der Lehrenden mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Lehr-Lernprozess so zu verbinden, dass Lernprozesse aller Beteiligten möglich werden. Ein solchermehrperspektivischer Blick (vgl. Prengel2000, S. 87 f.) auf konkrete Lehrsituationen ermöglicht erstens einen Überblick über die Gesamtsituation und verdeckte Zusammenhänge, z. B. wenn nicht nur das Verhalten der Lehrperson in einer Lehrveranstaltung beobachtet wird, sondern auch die Wirkung auf das Lernen der Studierenden unter den konkreten Rahmenbedingungen untersucht wird. Zweitens können in einer methodisch-kontrollierten Beobachtung und anschließenden Auswertung Phänomene sichtbar werden, die nicht offensichtlich sind und Implizites kann explizit werden. Dies betrifft z. B. Geschlechterdiskriminierungen, die Lehr-Lern-Interaktionen durchziehen können, aber auf den ersten Blick nicht weiter auffallen, weil sie sehr subtil und den handelnden Personen in ihrer Selbstwahrnehmung nicht zugänglich sind, aber von außen beobachtet werden können. Münst (2002) hat in diesem Zusammenhang ingenieur- und naturwissenschaftliche Lehrveranstaltungen in mehreren Lehrformaten längere Zeit teilnehmend beobachtet. Sie konnte vielfältige Hierarchisierungs- und Diskriminierungsprozesse wahrnehmen und belegen, die den Beteiligten selbst in der Regel nicht bewusst waren. In den Selbstpräsentationen und Selbstwahrnehmungen können Verzerrungen schlummern, die durch die Konfrontation mit anderen Blickrichtungen ergänzt oder korrigiert werden können (s. z. B. Kosuch2006). Die Rückspiegelung wissenschaftlich erhobener Befunde an Lehrende wie Studierende als Konfrontation mit einer weiteren Perspektive kann ‚Lernprozesse auf beiden Seiten’ induzieren (vgl. Abschn. 5).

Zur ‚Doppelbödigkeit‘ der hochschulischen Kommunikation gehört der „Mythos guter Lehre“, solange die gute Lehre nicht einer Überprüfung unterzogen wird (vgl. Metz-Göckel et al.2010). So ist z. B. die Annahme naheliegend, dass studentische Urteile zur Lehrkompetenz der Lehrenden allein keine ausreichende Urteilsbasis liefern können. Aber „Studierende (beurteilen) im Gegensatz zu dem ebenfalls verbreiteten Vorurteil wesentliche Aspekte von Lehrveranstaltungen nicht grundsätzlich anders als Dozenten oder Fremdgutachter“ (Krempkow1998, S. 196).Footnote 7

Für die Forschung zum Lernzuwachs der Studierenden lässt sich zunächst festhalten, dass die allseitige Vorstellung, die akademische Lehre sei effektiv, sich als ein Mythos entlarven könnte. Denn ‚gute Lehre zu machen, entspricht dem professionellem Selbstverständnis der Lehrenden, da sie selbst es so sehen mögen (Metz-Göckel et al.2010). Die sozialwissenschaftlichen Befragungen ergeben i. d. R. den Befund einer allgemeinen Zufriedenheit der Lehrenden mit ihrer Lehrtätigkeit (Enders und Teichler1995; Zaepernick-Rothe und Heise2011; Jacob und Teichler2011). Dies muss aber nicht notwendigerweise bedeuten, dass die Studierenden in den Lehrveranstaltungen auch entsprechend viel lernen, da das studentische Lernen vom Selbststudium,peer-teaching und weiteren sozialen, ökonomischen und persönlichen Faktoren beeinflusst wird. Im Grunde wissen wir wenig darüber, welche Wirkungen die Lehrveranstaltungen in ihren unterschiedlichen Formaten hervorbringen, was Studierende in den konkreten Lehrveranstaltungen tatsächlich lernen und wie viel also auf die Lehrveranstaltungen selbst zurückzuführen ist. Zum Beispiel sind Vorlesungen in jedem Fall effizient, denn eine Vorlesung kann beliebig viele Studierende ‚bedienen‘, aber ob sie auch effektiv im Sinne der Zielsetzung einer Rezeption und Verarbeitung bei den Studierenden ist, ist fraglich geblieben.

4 Überblick über Forschungsansätze und -ergebnisse zur Lehrqualität

Mit der empirischen Wende der Hochschuldidaktikforschung geht eine Differenzierung der methodischen Zugänge und fachlichen Spezialisierungen einher, z. B. der ingenieurwissenschaftlichen Didaktik (Brall2010; Junge2009), wobei metakognitive Fähigkeiten und Schlüsselqualifikationen generell an Bedeutung gewinnen. Hochschuldidaktische Lehr-Lern-Konzeptionen zu untersuchen, erfordert komplexe und vor allem vergleichende Untersuchungsdesigns und verweist auf Lernprozesse, deren Untersuchung eine Domäne der Psychologie und Erziehungswissenschaft ist. Von ihnen erhält die hochschuldidaktische Forschung wichtige Impulse.

Die Strukturierung des Forschungsfeldes zur Qualität der Lehre rankt, soweit empirische Untersuchungen vorliegen, im Wesentlichen um die Konzeptualisierung von Lehrqualität und Lernzuwächsen, die vornehmlich von fachlichen Provenienzen, aber auch von unterschiedlichen methodologischen Zugängen bestimmt sind. Ein weiterer Einflussfaktor sind politische Entwicklungen und rechtliche Setzungen, die von außen auf das Forschungsfeld einwirken. Den unterschiedlichen hochschuldidaktischen Forschungszugängen gemeinsam ist das Anliegen, Handlungskompetenz von Lehrenden durch Reflexion über das eigene Lehrhandeln zu entwickeln: „Auch Lehrende sollen damit in die Lage versetzt werden, wiereflexive Praktiker zu handeln und ihre persönliche Evidenz der Wirkung ihrer Lehre mit den Ergebnissen der relevanten systematischen Forschung zu vereinen“ (Winteler und Forster2007, S. 103). Annäherungen an diese Forderung lassen sich durch die Auswertung der Forschung zur Lehrevaluation, zur Wirksamkeit spezifischer didaktischer Ansätze, zu Lernstrategien und aktivierender Hochschuldidaktik aufzeigen. Bevor wir im Weiteren auf die drei genannten Forschungsbereiche eingehen, sei ein Blick auf die methodischen und methodologischen Herausforderungen der hochschuldidaktischen Forschung zur Lehrqualität erlaubt. Sie schlagen sich unseres Erachtens in der Etablierung eines methodisch vielfältigen Forschungszugangs nieder.

4.1 Methodenkombinationen als Zugang der Forschung zur Lehr-Lernqualität

Die rationale Begründung für eine empirische Forschung zur Lehrqualität und Lehrwirkung kann im Paradigma der Evidenzbasierten Lehre (EBL) gesehen werden, also in der Forderung nach Lehre auf der Basis empirischer Befunde. Evidenzbasierte Lehre (EBL) „ist eine Methodik, die auf wissenschaftlicher Grundlage Handlungsalternativen für die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen nach wissenschaftlichen Kriterien gewichtet und dokumentiert, so dass im Entscheidungsprozess mit Hilfe der bereits vorhandenen Lehrerfahrungen sowie der Bedürfnisse der Lernenden die gegenwärtig optimale Alternative ausgewählt und umgesetzt werden kann“ (Winteler und Forster2007, S. 103).

Zu ihren Befunden kommt diese Forschung auf unterschiedlichen Wegen und mit diversen methodologischen Paradigmen, die sich auch aus fachlichen Traditionen und daraus resultierenden methodischen Zugängen speisen. So habenqualitative und quantitative Verfahren ihre je eigene Bedeutung. Qualitative Messverfahren in ihren verschiedenen Formen der Interviews, Befragungen und teilnehmenden Beobachtung sind aufschlussreich für ein vertieftes Verständnis von Prozessen und Wahrnehmungen sowie zur Interpretation von Differenzen zwischen Individuen, Subgruppen und Institutionen. Interviews mit Lehrenden und Studierenden, teilnehmende Beobachtungen in Lehrveranstaltungen und quantitativ wie qualitativ erhobene Rückmeldungen von Studierenden zu mehreren Zeitpunkten sind Verfahren der hochschuldidaktischen Forschung, die aufeinander abgestimmt und gemeinsam eingesetzt eine Annäherung an die ‚Realität‘ ermöglichen (vgl. Kamphans2009). Quantitativen Befunden kommt für die Verbreitung von Forschungsergebnissen in der Hochschule mit ihren divergenten Interessenlagen und Traditionen große Bedeutung zu, da sie das Potenzial haben, wissenschaftliche Aussagen und professionelle Realität von Hochschulangehörigen verbinden zu können (vgl. Scholkmann2010).

Hochschullehre manifestiert sich in unterschiedlichen Lehrformaten und auch die Studierenden, so eine Annahme, stellen eine in sich heterogene Gruppe dar. Die vielfältige Heterogenität im Forschungsfeld Hochschuldidaktik einzugrenzen, kann unseres Erachtens vor allem in einer Kombination unterschiedlicher Methoden geschehen, die auch dem disziplinär aufgefächerten Spektrum hochschuldidaktischer Lehr- und Forschungsaktivitäten gerecht wird.

4.2 Forschung zur Lehrevaluation und zum Kompetenzerwerb in der Lehre

National wie international lässt sich seit Mitte der 1970er-Jahre eine Fokussierung der Forschung zur Lehrqualität auf die Frage nach geeigneten Lehrkompetenzen für den studentischen Wissens- und Kompetenzerwerb feststellen. Vor dem Hintergrund der Frage: „What makes an effective teacher?“ zeichnet diese personenzentrierte Forschung aus, dass sie effektive und bedeutsame Lehrstrategien bei Hochschulangehörigen identifiziert und diese mit Maßnahmen akademischer Personalentwicklung verknüpft (vgl. z. B. Bartell2005; Kanuka2010). Insbesondere der methodische Zugang über Studierendenbefragung (student ratings) gewann in diesem Zusammenhang an Bedeutung (vgl. z. B. Broder und Dorfman1994; Cambridge1996; Lin et al.2001). Die sich ausweitende Praxis, studentische Rückmeldungen zu Lehrangeboten zu erheben, hat dabei auch die Evaluationsforschung zur akademischen Lehre befördert (für den internationalen Kontext vgl. Isaacson et al.1963; Bartell2005; Kanuka2010; für den nationalen Kontext vgl. z. B. Heise et al.2003; Hoersch und Rudinger2009; Spinath und Stehle2011). Studentische Befragungen wurden zur Regel in Folge der Bologna-Reformen und politischer Forderungen zur Überprüfbarkeit und Dokumentation (vgl. Richter1994), sodass inzwischen für den deutschsprachigen Raum eine Reihe von elaborierten Instrumenten vorliegen (vgl. z. B. Staufenbiel2000; Gollwitzer et al.2006; Paechter et al.2007; Zumbach et al.2007). Allerdings wird studentische Lehrevaluation hinsichtlich ihrer Aussagekraft und ihres Bedeutungsgehalts auch kritisch gesehen (vgl. Helmke1996; Rindermann2001; Hoffmann2009; Pratt2000; Winteler und Krapp1999).

Die studentische Lehrevaluation ist als Konstrukt konzipiert und meist in Skalen operationalisiert. Sie wird im Ergebnis wesentlich von den Grundannahmen geleitet, die der Erhebung zugrunde liegen, ob z. B. ein stark lehrendenfokussierter oder ein kompetenzorientierter Blickwinkel eingenommen wird. Zudem ist dieser Forschung der Anspruch inhärent, nicht nur valide Dimensionen des studentischen Kompetenzerwerbs abzubilden, sondern auch Lehrende in der Umorientierung auf eine kompetenzorientierte Lehre zu fördern: „Evaluation ist in erster Linie ein unterstützendes Element, um die Qualität der Lehre festzustellen und Verbesserungsimpulse zu geben“ (Braun und Vervecken2009, S. 48 f).

Das Messinstrument des BevaKomp (Braun2008) misst dieLernzuwächse der Studierenden und nicht das Verhalten der Lehrenden.Footnote 8 Es schließt an die theoretische Unterscheidung in eine kompetenz- und eine prozessorientierte Evaluation an und beruht auf zwei unterschiedlichen Konstrukten, die Braun und Leidner (2009) empirisch überprüft haben, und dies mit widersprüchlichen Effekten. Trotz einer Überlappung zwischen Kompetenz- und Zufriedenheitsmessung bestätigt sich die Annahme der Distinktheit der beiden Konstrukte. Die auf den ersten Blick paradoxen Effekte bestehen darin, dass eine kompetenzorientierte Evaluation negativere Ergebnisse der studentischen Rückmeldung hervorbringt, weil die Studierenden ihre eigenen Lernzuwächse einschätzen, während eine prozessorientierte Evaluation, die sich an der Überprüfung des Dozentenverhaltens ausrichtet, i. d. R. recht positive Bewertungen der Lehrenden ermittelt. Die positiven studentischen Bewertungen der Lehrenden machen aber differenziertere evidenzbasierte Rückmeldungen zur Lehrkompetenz schwieriger.

Die berichteten Befunde attestieren den Ergebnissen sowohl Validität als auch prognostischen Wert für den künftigen Berufserfolg und sind daher für die Forschung zur akademischen Lehre von großem Erkenntniswert. Allerdings können Selbstaussagen von Studierenden zur Lehreffektivität spezifischen Verzerrungen unterliegen. Befunde zeigen, dass Pflicht- oder Wahlveranstaltungen Evaluationsergebnisse beeinflussen (Kromrey1994); ebenso unterscheiden sich Ergebnisse der studentischen Lehrevaluation darin, ob sie von konkreten Veranstaltungsteilnehmenden oder früheren Studierenden vorgenommen werden und sind somit von der Zeitperspektive beeinflusst (Giesen1994) und auch vom Zufriedenheitsempfinden mit einer Veranstaltung (Rosemann und Schweer1996). Insgesamt kann gesagt werden, dass Motivationen und Interesse sowie die Curriculumstruktur als institutionelle Rahmenbedingung als konfundierende Variablen wirken (vgl. Spiel et al.2006).Footnote 9

Der Anspruch, durch Lehrevaluationsforschung zur Personalentwicklung beizutragen, findet seine Entsprechung in der Vorlage konzeptueller Vorschläge, die Lehrende in ihren Bemühungen zur Kompetenzförderung von Studierenden unterstützen. Sehr ergiebig erweisen sich hier die Arbeiten von Trigwell und Prosser, die mit dem Konstrukt der Lehrorientierung (approaches to teaching, vgl. Trigwell und Prosser2004; Trigwell et al.1999) Kategorien vorgelegt haben, die zwischen einer lehrenden- bzw. studierendenzentrierten und damit vermittlungs- oder kompetenzorientierten Verhaltensweise unterscheiden. Lehrenden- vs. studierendenfokussierte Verhaltensweisen wurden von Braun und Hannover (2008) hinsichtlich ihres Potenzials für den studentischen Kompetenzerwerb überprüft mit dem Ergebnis, dass ein Lehrverhalten, welches den Lernprozess der Studierenden fördert, tatsächlich mit einem höherem Kompetenzerwerb in der Fachkompetenz als auch in den übrigen KompetenzbereichenFootnote 10 einhergeht. Nichts desto trotz scheinen im deutschsprachigen Hochschulbereich jedoch nach wie vor traditionelle Vorstellungen von Lehre vorzuherrschen. Seidel und Hoppert (2011) können in einer Videoanalyse nachweisen, dass in der Hochschullehre weiterhin überwiegend lehrendenzentrierte Vermittlungsstrategien praktiziert werden und zwar über ganz unterschiedliche Fächergruppen hinweg.

4.3 Forschung zur Wirksamkeit instruktionistischer und konstruktivistischer Lehrformate

Ein weiterer Forschungsansatz zur Qualität von Lehre besteht in der Untersuchung unterschiedlicher didaktischer Arrangements, die sich vornehmlich dem instruktionistischen vs. konstruktivistischen Paradigma zuordnen lassen und den programmatischen Vorstellungen des Lehrens und Lernens zugrundeliegen. Konstruktivistische Lehre zielt mittels Lernangeboten darauf, die studentische Selbststeuerung und den Realitätsbezug zu stimulieren, nicht Faktenwissen nach dem ‚Trichtermodell‘ zu vermitteln, sondern Lernende anzuregen, sich in der Auseinandersetzung mit Materialien relevante und langfristig vernetzte Wissensbestände anzueignen (vgl. Reinmann und Mandl2006). Im Kontrast zur Lehre mit dem Primat der Instruktion steht beispielsweise das Konzept desforschenden Lernens (vgl. z. B. Huber2003; Wildt2003; Reiber2007; Roters et al.2009; vgl. auch Huber et al.2009), dessen empirische Wirksamkeitsprüfung sich allerdings als viel schwieriger erweist als gedacht.

Die Wirksamkeitsforschung zur Lehrqualität in diesem Verständnis speist sich aus der Annahme, quasi-experimentelle Bedingungen im Feld der Hochschule könnten mit distinkten Interventions- und Kontrollgruppen evidente Einflussfaktoren auf den studentischen Wissens- und Kompetenzerwerb oder Zufriedenheitsmaße (innerhalb eines Arrangements) abbilden. Dies geschieht i. d. R. durch Studien, die didaktisch unterschiedlich ausgerichtete Lehre in ihren Effekten auf das Lernen von Studierenden vergleichen. In einem Überblick haben Winteler und Forster (2007) vorliegende Übersichtsartikel und Meta-AnalysenFootnote 11 zur Wirksamkeit von Lehrformaten auf das Lernergebnis ausgewertet und auf großer Datenbasis die EffektstärkeFootnote 12 von traditionellen und innovativen Lehrmethoden berechnet. Sie kommen zu einem positiven Ergebnis zugunsten innovativer Lehrverfahren und zu folgenden signifikanten Einflussgrößen für die Verbesserung des Lernergebnisses (im Umfang bis zu einer Standardabweichung):

  1. 1.

    „Innovationen können zu signifikanten Verbesserungen der Leistung von Lernenden führen.

  2. 2.

    Viele dieser Innovationen können von Lehrenden in ihrer Lehre ohne großen Aufwand realisiert werden (z. B. wait time).Footnote 13

  3. 3.

    Lehrende üben den größten Einfluss auf Lernprozess und Lernergebnis aus“ (a. a. O., S. 105).

Eine weitreichende Forschung zum Vergleich konstruktivistischer mit instruktionistischer Lehre entstand im internationalen Kontext in den 1970er-Jahren mit der Einführung desproblembasierten Lernens (PBL) an der Universität Maastricht (vgl. van der Vleuten und Wijnen1990; Moust et al.2005). Die PBL-Forschung kann als Beispiel für eine in hohem Maße kontrollierte Forschung zur Wirksamkeit einer didaktischen Umstellung verstanden werden. Es handelt sich um Untersuchungen mit großen Studierendenzahlen und nationalen Vergleichsdaten zur Umsetzung eines gemäßigt-konstruktivistischen Konzepts (vgl. Schmidt et al.2009; Ricken et al.2009). Allerdings ist festzustellen, dass sich in der Forschung zum Forschenden Lernen wie in der Wirksamkeitsforschung zum problembasierten Lernen keine eindeutige Überlegenheit für das konstruktivistische Lernverständnispro toto nachweisen lässt: Intervenierende Variablen wirken auf vielen Ebenen, z. B. bei der konkreten Ausgestaltung des Curriculums (Schmidt et al.2009) oder in der Zusammensetzung und Schichtung der Untersuchungspopulationen (Eder et al.2011). Diese machen es schwierig, beobachtete Effekte eindeutig dem didaktischen Arrangement als solchem zuzuordnen.

Eine weitere höchst relevante Frage in Wirksamkeitsstudien zu didaktischen Arrangements ist die nach der Vergleichbarkeit studentischer Leistungsmaße als abhängige Variable. Aus konstruktivistischer Sicht besteht der Anspruch, der Lernzuwachs sollte sich stärker in einer Veränderung der Wissensstrukturen als lediglich im (deklarativen) Wissenserwerb ausdrücken (vgl. Scholkmann und Roters2009). Strukturelle Veränderungen in Wissensbeständen beinhalten dabei auch immer Veränderungen auf der Kompetenzdimension (vgl. Weinert2001). So ist es naheliegend, dass überlegener Wissenserwerb in konstruktivistischen Lernumgebungen weniger mit standardisierten Leistungstests nachweisbar ist (diese ergeben i. d. R. keine eindeutigen Vorteile für problembasiert gegenüber traditionell lernenden Studierenden). Die Vorteile zeigen sich vielmehr in der Kompetenz, Wissensbestände sinnvoll und kohärent in Verbindung zu setzen (vgl. Hmelo-Silver2004; Gijbels et al.2005).

Ein wichtiger Beitrag der Forschung zum Wirksamkeitsvergleich konstruktivistischer mit instruktivistischen hochschuldidaktischen Ansätzen liegt im Nachweis bedeutsamer Lernstrategien für selbstgesteuertes Lernen. Hierbei spielt die Frage eine verstärkte Rolle, was Studierende tun, um erfolgreich zu lernen, also die Beschäftigung mit Strategien des Wissenserwerbs und lernförderlichen Interaktionen (als bedeutsame Kognitionen für den Lernerfolg) (vgl. z. B. McKeachie1958; Isaacson et al.1963; McKeachie1978; McKeachie et al.1985). Für den PBL-Bereich demonstrieren z. B. Srinivasan et al. (2007) in Vertretung vieler anderer Autorengruppen die Überlegenheit einer strukturierten gegenüber einer freien Gruppenarbeit. Bezüglich des Gesamtprozesses des Gruppenlernens können Schmidt und Moust (2000) das Zusammenspiel von Vorwissen, Qualität der Problemstellung, Art der Anleitung, Gruppenzusammenarbeit und individueller Anstrengungen nachweisen, wobei allerdings teilweise Elemente instruktionistischer Lehre bestätigt werden. Während die Qualität der Gruppenzusammenarbeit vor allem das intrinsische Interesse am bearbeiteten Thema stärkt, schlägt sich akademische Leistung in Abhängigkeit vom Vorwissen und von der verbrachten Zeit nieder, die im Selbststudium in das Thema investiert wird (vgl. Schmit und Moust2000, S. 29 f.). Für den deutschsprachigen Raum liegen aktuell im Rahmen der Förderlinie zur Hochschullehre des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) Befunde vor, die eine Wirksamkeit von Lerntagebüchern für den selbstgesteuerten Wissenserwerb belegen (vgl. z. B. Nückles et al.2010).

Die Antworten auf die Frage, inwieweit konstruktivistische Überzeugungen an sich den Lernerfolg positiv beeinflussen, gehen teilweise auseinander. Einen geringen Einfluss von Lehrenden für das schulische Lernen ergibt die Studie von Seidel et al. (2008). Für den niederländischen Kontext konnten Loyens (2007) und Loyens et al. (2008) hingegen nachweisen, dass konstruktivistische Vorstellungen von Lehre den studentischen Lernerfolg positiv beeinflussen, ebenso die Nutzung von Lernstrategien, die das Tiefenlernen befördern. Die Forschungstradition des Tiefenlernen (deep approach to learning, vgl. Dahlgren1997; Marton und Booth1997; Marton und Säljö1997; Entwistle2009) repräsentiert den Anspruch, Lernzuwächse sollten sich in einem tieferen Verständnis fachbezogener Inhalte widerspiegeln, die wiederum eng mit kompetenzgeleiteten Umgangsstrategien verknüpft sind und den Kompetenzerwerb in der Auseinandersetzung mit dem Fachwissen prägen.Footnote 14 Empirische Evidenzen belegen, dass konstruktivistische Lernumgebungen unter geeigneten Bedingungen Tiefenlernen befördern können (Martin et al.2003; Kyndt et al.2011).

4.4 Aktivierende Hochschuldidaktikforschung – ein Ausblick

Die aktivierende Hochschuldidaktikforschung schließt an die Unterrichtsforschung (Altrichter2003; Klieme2006; Altrichter2009) und pragmatisch an die Aktionsforschung an mit der Frage: „Why is it so difficult to change the teaching and learning in a single classroom in higher education (HE), not to mention classroom change at the institutional level?“ (Kolmos2010, S. 1). Zur aktivierenden Hochschulforschung rechnen wir Untersuchungen, die Veränderungsprozesse methodisch kontrolliert auf ihre Wirksamkeit prüfen undin der Tradition der Wirksamkeitsforschung Interventionsstudien darstellen (z. B. Pukrop et al.2011). Der aktivierenden Hochschuldidaktikforschung steht eine konstatierende Forschungskonzeption gegenüber. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass kleine aktivierende Veränderungen in den Lehrformaten eingeführt und ihre Effekte im Feld untersucht werden, wobei wegen der minimalen Veränderungen auch nur geringe Effekte anzunehmen sind. Eines dieser aktivierenden Formate, das kleinschrittige Veränderungen in der Lehrpraxis mehrperspektivisch untersucht, ist das LeWI-Coaching in dem gleichlautenden Forschungsprojekt.Footnote 15 Es zielt darauf, die individuelle Lehrkompetenz von Lehrenden zu fördern und setzt auf Feedbackgespräche, in denen methodisch-kontrollierte Ergebnisse der Begleitforschung zu konkreten Lehr-Lerninteraktionen der Lehrperson zurückgemeldet werden. Der innovative Charme dieses Coaching-Formats liegt in der begleitenden Untersuchung dieser Lehr-Interventionen. Konkret heißt dies, eine Lehrperson setzt in ihrer Vorlesung z. B. eine aktivierende Frage-Antwort-Sequenz ein, die zeitgleich von zwei Teammitgliedern des Forschungsprojekts in ihrer Durchführung beobachtet wird. Direkt im Anschluss und zu einem späteren Zeitpunkt werden die Effekte bei den Studierenden gemessen und die Lehrenden und Studierenden mehrfach mit einem Fragebogen befragt (vgl. Metz-Göckel et al.2010; Metz-Göckel und Kamphans2011; Kamphans et al.2011).Footnote 16 Die triangulierte Auswertung der quantitativen und qualitativen Daten ergab auf den verschiedenen Ebenen der Lehrveranstaltung geringe positive Effekte, wie nachfolgend an zwei Beispielen gezeigt wird (Block2011; Block und Eickelmann2011).

ImBeispiel A sollte im Rahmen einer ingenieurwissenschaftlichen Vorlesung die Selbstlernzeit der Studierenden aktiviert und diese Phasen insgesamt gleichmäßiger über das Semester verteilt werden. Als weitere „Optimierung“ ihrer Veranstaltung wünschte sich die Lehrperson eine Beratung und Unterstützung in methodisch-didaktischer und struktureller Hinsicht sowie eine Wirksamkeitsüberprüfung der eingesetzten Interventionen. Um die Studierenden in den Selbstlernphasen anzuregen, wurden studentische Arbeitsgruppen gebildet, passgenauere Übungsaufgaben ausgegeben und eine kontinuierliche Feedbackbegleitung für die Studierenden angeboten sowie eine webbasierte Lehr-Lernplattform eingerichtet. Die Ergebnisse der Begleitforschung zeigen insgesamt eine verstärkte Aktivierung der Studierenden und eine intensivere Kommunikation und Interaktion zwischen Studierenden und der Lehrperson.Footnote 17 Die Lehrperson nutzte die Gelegenheit, um den Studierenden direkte Rückmeldungen zu ihren Lösungsaufgaben zu geben und Verständnisprobleme zu eruieren. Für die Studierenden wurde eine kontinuierliche Aufbereitung des Vorlesungsstoffes erreicht, zudem erhöhten sich ihre Lernzeiten. Die Ergebnisse der quantitativen Befragung der Studierenden zeigten zu jedem weiteren Messzeitpunkt eine zunehmend positive Beurteilung der Interaktion, des sozialen Klimas und des eigenen Lernens.

ImBeispiel B bezogen sich die Mini-Interventionen in der Lehrveranstaltung darauf, eine Vorlesung mit anschließender Übung durch aktivierende Methoden studierendenzentrierter als bisher auszurichten. Der Lehrende einer naturwissenschaftlichen Fakultät hatte sich zum Ziel gesetzt, das eigenständige Arbeiten der Studierenden zu erhöhen und sie zu motivieren, das Semester hindurch kontinuierlich mitzuarbeiten. Dazu setzte er unterschiedliche aktivierende Methoden ein; z. B. ließ er die Studierenden in Gruppenarbeit inhaltliche Zusammenfassungen erstellen, mehrfach Verständnisfragen formulieren und beantworten und räumte Zeit dafür ein, weitere inhaltliche wie persönliche Bedarfe zu ermitteln, um sich ein genaueres Bild von den Lernfortschritten der Studierenden zu machen. Die Auswertung ergab, dass die Interaktion zwischen der Lehrperson und den Studierenden insgesamt zunahm und das gesetzte Ziel der Aufmerksamkeitssteigerung der Studierenden erreicht wurde. Ein weiterer gemessener Befund ist: Im Verlaufe des Coachings schätzte die Lehrperson ihre persönlichen Kompetenzen bzw. seine Zufriedenheit mit dieser Lehrveranstaltung positiver ein, und er übernahm die neu erlernten Methoden für nachfolgende Sitzungen.

Die Untersuchung dieses hochschuldidaktischen Konzepts zeigt einen weiteren Weg, wie eine empirische Wirksamkeitsprüfung zur Lehrqualität mit einem mehrperspektivischen Format für komplexe Lehr-Lern-Interaktionen aussehen könnte. Zugleich ist diese Überprüfung eingebettet in eine intensive Kommunikation zwischen dem Forschungsteam und den Lehrenden. Diese Kommunikationsprozesse können weitergehende Veränderungsprozesse der Lehrpraxis initiieren, da sich die am LeWI-Coaching teilnehmenden Lehrenden mit anderen Kolleg(inn)en über ihre Erfahrungen austauschen, wodurch weitere sich selbst verstärkende Prozesse angeregt werden könnten. Formate einer aktivierenden Forschung zur Hochschuldidaktik bieten somit die Möglichkeit, die Qualität des Lernens und des Lehrens zu verändern, weil die Forschung zur Lehre im Dialog stattfindet und beide Seiten – Studierende wie Lehrende – aktiv an den Veränderungsprozessen beteiligt werden.

5 Zusammenfassung

Die Qualität der Lehre ist ein Konstrukt, das in seiner Erforschung wesentlich von der Zielsetzung abhängt und durch die theoretische Konzeptionierung, die methodischen Herangehensweisen und nicht zuletzt sich gegenseitig befruchtende empirische Befunde beeinflusst wird. Die hochschuldidaktischen Formate der traditionellen Lehre dienen methodisch und konzeptionell als Vergleich zu alternativen Lehrkonzepten. Im Wesentlichen orientiert sich die hochschuldidaktische Forschung des letzten Jahrzehnts an der Unterscheidung von lehrendenzentrierten bzw. instruktivistischen und studierendenzentrierten bzw. konstruktivistischen Lehrkonzepten, deren Lernwirksamkeit vergleichend gemessen wird.

  • Der Kompetenzerwerb der Studierenden gilt als Indikator für gute Lehre und als Ziel einer kompetenzförderlichen studierendenzentrierten Lehre.

  • Demzufolge hat die Forschung zur Lehrevaluation den Fokus von der Lehrkompetenz auf die Lernzuwächse der Studierenden und eine kompetenzorientierte Evaluation verlegt. Die Wirksamkeitsforschung zu einer konstruktivistisch beeinflussten Didaktik resp. konstruktivistisch didaktischen Arrangements (forschendes Lernen, problembasiertes oder problemorientierte Lernen (PBL/PoL) bringt die Komplexität der Lernvorgänge zum Vorschein. Globale Effekte sind nur schwer nachweisbar, wohl aber für einzelne Elemente des didaktischen Settings.

  • Aktivierende Hochschulforschung fokussiert Veränderungsmöglichkeiten der Lehrformate im gegebenen Kontext und damit sowohl den Wissenserwerb der Studierenden als auch das komplexe Zusammenspiel unterschiedlicher Einflussgrößen in einem methodisch kontrollierten Untersuchungsdesign.

Die hochschuldidaktische Forschung zielt auf einen reflexiven Praktiker bzw. eine reflexive Praktikerin, die imstande sein sollten, mit evidenzbasierten Forschungsergebnissen das eigene Handeln zu verändern. Sie sollten fähig sein, in einen kontinuierlichen Lernprozess einzutreten, da ihr subjektives Erfahrungswissen zum Lehren und Lernen um wissenschaftliches Wissen erweitert wird. Damit werden Lehr-Lern-Routinen hinterfragt und erschüttert, doch auch neue Chancen eröffnet, die Lehre im Sinne eines effektiven Lernens der Studierenden zu verändern.