1 Einleitung

Schulbasierte Unterrichtspraktika sind ein zentrales Element der Ausbildung von Lehrpersonen (OECD 2005, S. 106; Cochran-Smith und Zeichner 2006). Aufgrund ihrer Position an der Schnittstelle zwischen Studium und Praxis bieten sie Lerngelegenheiten, die eine Verknüpfung zwischen theoretischen Wissensbeständen und Praxiserfahrung ermöglichen (Neuweg 2004; OECD 2005, S. 117; Staub 2004; Terhart 2000). In authentischen Handlungsfeldern konstituieren Praktika Lernumgebungen, in denen angehende Lehrpersonen durch die Bearbeitung naturalistischer Aufgaben und Probleme berufsspezifische Kompetenzen (Baumert und Kunter 2006) erwerben können. Schulbasierte Unterrichtspraktika finden im Verlauf der einphasigen Ausbildung von Lehrpersonen, wie sie in der Schweiz vorherrschend ist (Lehmann et al. 2007), wiederholt statt.

In schulbasierten Praktika werden Lehramtsstudierende von erfahrenen Klassenlehrpersonen begleitet und unterstützt. Je nach Ausbildungsinstitution werden diese im deutschen Sprachraum als Praxislehrperson, Praxislehrkraft, Praxisleiter oder auch als Mentor bezeichnet. Vor allem die Verwendung des Begriffs Mentor ist uneinheitlich (Hennissen et al. 2008): Es werden damit auch Dozenten der Ausbildungsinstitution bezeichnet, die eine Betreuungsfunktion in Praktika oder auch ganz allgemein während des Studiums wahrnehmen. Im vorliegenden Beitrag verwenden wir die Bezeichnung Praxislehrperson, die eine Situierung entsprechender Akteure im Praxisfeld Schule impliziert.

Wenn an Praxislehrpersonen der Anspruch gestellt wird, dass sie Praktikanten in ihrer Kompetenzerweiterung unterstützen sollen, kommt ihnen im Rahmen der Lehrerbildung eine hochrelevante Funktion zu. Aus kognitiv-konstruktivistischer und sozio-konstruktivistischer Perspektive (z. B. Greeno et al. 1996; Reusser 2001) sind in berufspraktischen Ausbildungskontexten Gespräche zwischen Praxislehrperson und Praktikant/in ein zentraler Ort des Lernens (z. B. Schüpbach 2007). Unter der Annahme, dass hohe Unterrichtsexpertise zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für erfolgreiches und professionelles Handeln von Praxislehrpersonen ist, stellt sich die Frage, wie Praxislehrpersonen für ihre Tätigkeit qualifiziert werden können. Seit Ende der 1980er-Jahre werden verschiedene Ansätze diskutiert, welche die spezifische Rolle und die damit verbundenen Funktionen von Praxislehrpersonen modellieren. Prominent ist insbesondere das Reflexive Praktikum (von Felten 2005; Herzog 1995; Korthagen et al. 2001; Schön 1987). Weitere Ansätze sind beispielsweise das Educative Mentoring (Feiman-Nemser 2001), das 3-Ebenen-Mentoring (Niggli 2005) sowie das Fachspezifisch-Pädagogische Coaching (Futter und Staub 2008).

Zur Mentoringpraxis in der berufspraktischen Ausbildung gibt es zahlreiche empirische Untersuchungen. Diese zeigen, dass sowohl Studierende als auch beteiligte Lehrerbildner Praktika ganz allgemein einen hohen Stellenwert zuschreiben (z. B. Baer et al. 2007; Bodensohn und Schneider 2008; Hascher et al. 2004; Thompson und Smith 2004). Die Realisierungsformen der Lernbegleitung spezifisch in Unterrichtsbesprechungen hingegen, die im Rahmen deskriptiver Untersuchungen dokumentiert wurden, entsprechen oftmals nicht den Idealen, die in Modellen zur Gestaltung reflexiver Unterrichtsbesprechungen postuliert werden (für einen Überblick: Hennissen et al. 2008; vgl. auch Edwards und Collison 1995; Edwards und Protheroe 2004; Schüpbach 2007; Stadelmann 2006; Zanting et al. 2003). Einige Interventionsstudien geben allerdings auch Hinweise darauf, dass Praxislehrpersonen ihr Handlungsrepertoire im Zusammenhang mit gezielten Weiterbildungsinterventionen (Crasborn et al. 2008; Evertson und Smithey 2000; von Felten 2005; Futter und Staub 2008; Strong und Baron 2004) durchaus in erwünschte Richtungen verändern.

Neben rein deskriptiven Studien über Unterrichtsbesprechungen interessiert auch das Verhältnis zwischen den Bedingungen der Lernunterstützung im Kontext von Unterrichtsbesprechungen und dem Lernen der Praktikanten. Diesbezüglich gibt es jedoch bisher kaum empirische Erkenntnisse, die über die bereits erwähnten Wirkungseinschätzungen oder Fallstudien (Wolf 2003; Chaliès et al. 2008) hinausgehen. Zu erwähnen sind hier Borko und Mayfield (1995), welche weitgehend ausbleibende Veränderungen im Unterrichtshandeln der von ihnen untersuchten Praktikantinnen kritisieren, sowie eine Untersuchung von Evertson und Smithey (2000), in welcher Veränderungen im Unterrichtshandeln von Praktikanten in Zusammenhang mit der Lernbegleitung durch Praxislehrpersonen beschrieben werden. Das Fehlen experimenteller Interventionsstudien, welche Aussagen über das Verhältnis zwischen Unterstützungshandeln und Lernertrag im Praktikum erlauben, wird denn auch seit Jahren immer wieder kritisiert (für einen Überblick: vgl. Hobson et al. 2009). Bisher ebenfalls kaum verfügbar sind Studien über Bedingungen des Lernens in Unterrichtsbesprechungen anhand videobasierter Daten, die einen Einblick in naturalistisches Handeln ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund wurde in einer InterventionsstudieFootnote 1 das Fachspezifisch-Pädagogische Coaching (Staub 2001, 2004; West und Staub 2003) – ein Modell zur ko-konstruktiven Förderung unterrichtsrelevanten Lernens von Lehrpersonen in authentischen Arbeitskontexten – auf den Kontext der berufspraktischen Ausbildung von Lehrpersonen in Praktika übertragen und als fachspezifisches Unterrichtscoaching für angehende Lehrpersonen erprobt (Kreis und Staub 2007; Kreis 2010). Im Fokus der quasi-experimentellen und multimethodischen Untersuchung standen erstens die Überzeugungen und das Handeln der Praxislehrpersonen zur Unterstützung der Praktikanten sowie zweitens die damit ermöglichte Erweiterung unterrichtsrelevanten Wissens der Praktikanten. Im vorliegenden Artikel wird dargestellt, inwiefern die beabsichtigten Wirkungen auf den beiden Interventionsebenen erreicht wurden. Im Folgenden wird zuerst das der Intervention zugrunde liegende Modell des fachspezifischen Unterrichtscoachings vorgestellt.

2 Fachspezifisches Unterrichtscoaching als Ansatz zur Unterstützung berufspraktischen Lernens

Fachspezifisch-Pädagogisches Coaching (Staub 2001, 2004) wurde in den USA unter dem Namen Content-Focused Coaching SM (West und Staub 2003) entwickelt und vorerst zur Unterstützung von Prozessen der Weiterqualifikation bereits im Schuldienst tätiger Lehrpersonen eingesetzt (z. B. Bickel et al. 2007). Im Folgenden werden wir das Modell des Fachspezifisch-Pädagogischen Coaching vereinfacht fachspezifisches Unterrichtscoaching nennen. Dieser Ansatz basiert auf kognitiv-konstruktivistischen und sozio-konstruktivistischen Auffassungen von Lehr- und Lernprozessen. Grundlegend ist weiter die Annahme, dass die Entwicklung professioneller Kompetenzen nicht alleine auf dem Erwerb professionsbezogenen Theoriewissens beruht, sondern darüber hinaus auf Lernprozesse in authentischen Situationen der entsprechenden Praxisgemeinschaften angewiesen ist (vgl. Lave und Wenger 1991). Gehen wir davon aus, dass Lehrpersonen unterrichtsrelevante Kompetenzen zu einem großen Teil situationsspezifisch in den ihnen zugänglich gemachten Praxiskontexten erwerben, dann sind auch die in diesen Kontexten angebotenen Formen der Unterstützung und die damit ermöglichten Lerngelegenheiten von Bedeutung. Fachspezifisches Unterrichtscoaching umfasst Vorschläge zur Gestaltung des Verlaufs eines Unterrichtscoachings und gibt Hinweise mit Bezug auf die inhaltliche Fokussierung und kommunikative Gestaltung von Unterrichtsbesprechungen, welche angehende oder bereits etablierte Lehrpersonen in der (Weiter-)Entwicklung ihrer Unterrichtskompetenz unterstützen sollen. Dabei unterscheidet sich das Modell deutlich von Coaching- oder Beratungsansätzen, in welchen die Interaktion auf ein belastendes Problem und dessen Bewältigung fokussiert: Beim fachspezifischen Unterrichtscoaching steht die Optimierung der Lernumgebung für die Schüler im Zentrum. Von anderen Modellen der unterrichtsbezogenen Lernunterstützung unterscheidet sich der Ansatz vor allem auch in der Bedeutung, welche dem fachspezifisch-pädagogischen Wissen (Shulman 1987) beigemessen wird. Unter fachspezifisch-pädagogischem Wissen (pedagogical content knowledge) wird jener Teil des Lehrerwissens verstanden, der aus einem Amalgam von fachinhaltlichem Wissen, allgemein pädagogisch-didaktischem Wissen und dem Wissen um die Voraussetzungen der Lernenden besteht. Dieses Wissen und entsprechende Überzeugungen gelten als wesentliche Bedingungen für die Gestaltung motivierenden und lernwirksamen Unterrichts (Baumert und Kunter 2006; Hill et al. 2005; Staub und Stern 2002). Aus wissenspsychologischer Sicht ist das fachspezifisch-pädagogische Wissen zentraler Bestandteil professioneller Lehrkompetenz (Bromme 1992). Es wird weder durch direkte Wissensvermittlung allein, noch allein durch Erfahrung erworben (vgl. z. B. Leinhardt et al. 1995).

Ein fachspezifisches Unterrichtscoaching soll (zukünftige) Lehrpersonen in der Gestaltung von Unterrichtssituationen unterstützen, welche für das Lernen der Schüler produktiv sind. Dabei geht die Rolle des Coachs deutlich über eine allgemeine Prozessberatung und auch über die Rolle hinaus, die üblicherweise in Unterrichtsbesuchen in Praktika eingenommen wird: Der Coach beteiligt sich an der Planung, Durchführung und nachträglichen Reflexion des Unterrichts und übernimmt Mitverantwortung für die Lektion und das Lernen der Schüler. Um entsprechend aktiv werden zu können, benötigt der Coach eine hohe Fachexpertise und insbesondere auch fachspezifisch-pädagogisches Wissen bezüglich des zu unterrichtenden Lerngegenstandes.

Während in Unterrichtsbesprechungen häufig direktives Gesprächshandeln der Mentoren vorherrscht (Hennissen et al. 2008), wird im fachspezifischen Unterrichtscoaching eine möglichst dialogische und ko-konstruktive Folgestruktur der Interaktionen angestrebt: Der Coach initiiert einen Dialog, indem er den Coachee mittels Fragen und Hinweisen dazu auffordert, einen spezifischen Gegenstand zu elaborieren und hilft, diesen gemeinsam weiter zu entwickeln und zu transformieren. Beide Interaktanten tragen zur Ko-Konstruktion von Ideen bei (McGregor und Chi 2002) und Gesprächsgegenstände werden somit gemeinsam konstruiert. Hinweise auf die Wirksamkeit ko-konstruktiver Lerndialoge finden sich in der Forschung zu tutoriellen Dialogen (z. B. Chi et al. 2001). Spezifisch für Lernen in Unterrichtsnachbesprechungen konnte Lügstenmann (2004) zeigen, dass das im Anschluss an Nachbesprechungen einen Tag später berichtete Lernen zum überwiegenden Teil ko-konstruktiv besprochen worden ist. Ziel ist eine geteilte Auffassung der Lektionsplanung, in welche Ideen und Wissen beider Interaktanten einfließen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Besprechungsansätzen liegt der Schwerpunkt der Interaktion beim fachspezifischen Unterrichtscoaching nicht auf der Nach-, sondern auf der Vorbesprechung: In der gemeinsamen Unterrichtsvorbereitung wird eine von der gecoachten Lehrperson mitgebrachte und von ihr kurz vorgestellte Unterrichtsskizze dialogisch elaboriert und allenfalls auch transformiert. Während in Nachbesprechungen aufgrund ihrer zeitlichen Position zum Unterricht nur hypothetisch über Verbesserungen gesprochen werden kann, sind in Vorbesprechungen direkt handlungswirksame Veränderungen am Plan möglich. Auch während des gemeinsam verantworteten Unterrichts coacht die Praxislehrperson – nach sorgfältiger vorheriger Absprache und Bedarf – hinsichtlich spezifischen Unterrichtshandelns. Das Coaching während des Unterrichts besteht im Modellieren spezifischer Sequenzen durch die Praxislehrperson, aber auch in kurzen Absprachen. Die auf die Lektion folgende Reflexion und die Planung weiterer Schritte erfolgt ebenfalls möglichst im ko-konstruktiven Dialog. Inhaltlich orientieren sich die Vor- und Nachbesprechungen an theoriebezogenen Werkzeugen wie Lehr- und Lernprinzipien und Kernaspekten zur Planung und Reflexion von Unterricht (Staub et al. 2003, S. 10 ff.).Footnote 2

Fachspezifisches Unterrichtscoaching hat sich in den USA als wirkungsvolles Instrument zur schulinternen Weiterbildung von Lehrpersonen bewährt und Verbreitung gefunden (z. B. Bickel et al. 2007). Erste Erprobungen des Modells verliefen auch in der Schweiz vielversprechend (Beck et al. 2008; Vogt und Rogalla 2009; Wettstein et al. 2010).

3 Eine Interventionsstudie zur Nutzung von fachspezifischem Unterrichtscoaching im Kontext von Unterrichtspraktika

In einer quasi-experimentellen, multimethodisch angelegten Interventionsstudie wurde die Implementierung des fachspezifischen Unterrichtscoachings in den Kontext der berufspraktischen Ausbildung von Lehrpersonen erprobt (Kreis und Staub 2007).

3.1 Zielsetzungen und Fragestellung

Die Studie „Unterrichtsentwicklung durch fachspezifisches Coaching“ hatte zum Ziel, die Implementierung des fachspezifischen Unterrichtscoachings in den Kontext der berufspraktischen Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen zu untersuchen. Im Fokus der Gesamtstudie stand deshalb auf einer ersten Ebene die Frage, inwiefern Praxislehrpersonen zentrale Elemente des fachspezifischen Unterrichtscoachings, die ihnen in einer Weiterbildung vermittelt werden, in ihr Überzeugungs- und Handlungsrepertoire zur Begleitung von Praktikanten übernehmen. Auf einer zweiten Ebene wurde untersucht, inwiefern sich unterschiedliches Betreuungshandeln von Praxislehrpersonen auf das Lernen der Praktikanten auswirkt. Die Fragen wurden in einem quasi-experimentellen Design untersucht, was die Kontrastierung der Praxislehrpersonen und Praktikanten der Interventionsgruppe mit einer Kontrollgruppe erlaubt.

Im vorliegenden Beitrag werden erstens Ergebnisse hinsichtlich der Frage nach dem Handeln von Praxislehrpersonen in Unterrichtsbesprechungen und dem von den Praktikanten erteilten Unterricht sowie ihren diesbezüglichen Überzeugungen dargestellt. Des Weiteren werden Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe dokumentiert (Kap. 4.1). Mit der Beantwortung dieser Fragen erfolgt die Prüfung der Implementierung auf der ersten Ebene. Zweitens werden hinsichtlich der zweiten Interventionsebene Unterschiede im unterrichtsrelevanten Lernen der Praktikanten – als Folge der Weiterbildungsintervention bei den Praxislehrpersonen auf der ersten Ebene – mittels dreier methodischer Zugänge analysiert (Kap. 4.2).

3.2 Weiterbildung von Praxislehrpersonen zu fachspezifischen Unterrichtscoachs

In einer Weiterbildung wurden Praxislehrpersonen während 15 Monaten zu fachspezifischen Unterrichtscoachs ausgebildet. Die Lernbereiche der Weiterbildung bestanden je zur Hälfte in der Erweiterung von Kompetenzen erstens zum fachspezifischen Unterrichtscoaching im Praktikum sowie zweitens zum Unterrichten von Mathematik auf der Primarstufe. Die Inhalte bezüglich Mathematikdidaktik umfassten beispielsweise „Differenzierung durch offene Aufgaben“, „Diagnose und Bewertung“ oder „Einsicht in Denkprozesse der Schüler mittels Fehlern“. Der Aufwand für die Teilnehmer setzte sich aus dem Besuch von Präsenzveranstaltungen (vier Tage Einführungs- und Kompakt-Workshop, acht dreistündige Follow-ups) sowie aus individuell oder zu zweit zu bearbeitenden Aufträgen zusammen. Für die alleine oder mit Lernpartnern zwischen den Präsenzveranstaltungen zu bearbeitenden Aufträge sowie die Datenerhebungen im Rahmen der Begleituntersuchung entstanden nochmals rund 70 Stunden Aufwand. Insgesamt wendeten die Teilnehmer rund 120 Stunden auf. Die Teilnahme war kostenlos, jedoch mit der Verpflichtung zur Mitwirkung an der Begleitstudie verbunden. Die Weiterbildungsintervention wurde zweimal, in den Jahren 2004/2005 sowie 2006/2007 durchgeführt. Abbildung 1 zeigt die Intervention im Überblick.

Abb. 1
figure 1

Präsenzveranstaltungen und Selbststudium der Weiterbildungsintervention für Praxislehrpersonen sowie Interventionsfeld „Quartalspraktikum“ pro Kohorte. (Quelle: Kreis und Staub 2007)

Während der letzten Phase der Intervention betreuten die Praxislehrpersonen Lehramtsstudierende während eines siebenwöchigen Praktikums und wendeten ihre neuen Kenntnisse an. Dies induziert eine Intervention zweiter Ordnung für die Akteurgruppe der Praktikanten.

3.3 Methoden zur Evaluation der Intervention und ihrer Wirkungen

Die Untersuchungsanlage zur Überprüfung der Wirkung der Weiterbildung und des fachspezifischen Unterrichtscoachings umfasst quantitative Fragebogendaten sowie qualitative Daten aus Interviews und Videoaufzeichnungen von Mathematikunterricht und Unterrichtsbesprechungen. Im Folgenden werden Stichproben, Erhebungsinstrumente und Analysemethoden vorgestellt.

3.3.1 Stichprobe

Die Interventionsgruppe setzt sich aus 16 Praxislehrpersonen zusammen, die freiwillig an der Weiterbildung teilnahmen. Die Kontrollgruppe besteht ebenfalls aus 16 Praxislehrpersonen, die sich teilweise freiwillig zur Verfügung stellten, teilweise auf Anfrage teilnahmen. Die teilnehmenden Praxislehrpersonen stammen aus den Kantonen Thurgau und St. Gallen. Eine randomisierte Zuteilung zu den Gruppen und vor allem zur Teilnahme an der intensiven Weiterbildung war aus berufsfeldspezifischen Gründen nicht möglich. Um einen zufriedenstellenden Umfang der Kontrollgruppe zu erreichen, wurden gezielt Praxislehrpersonen angefragt, die von den Verantwortlichen der Ausbildungsinstitution als kompetent, engagiert und bei den Praktikanten beliebt empfohlen wurden. Zwischen den beiden Gruppen fanden sich vor Beginn der Intervention keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Anzahl Dienstjahre, Weiterbildungsaktivitäten sowie Überzeugungen zum Unterstützungshandeln im Praktikum und zum Unterrichten von Mathematik. Ebenfalls an der Studie beteiligt war jeweils ein zufällig der Praxislehrperson zugeteilter Praktikant. Diese Paare werden im Folgenden als Dyaden bezeichnet. Die Praktikanten standen zum Erhebungszeitpunkt im Praktikum am Anfang ihres dritten und letzten Studienjahres in der Ausbildung zur Primarlehrperson für die 1.–6. Klasse.Footnote 3

3.3.2 Erhebungsinstrumente

Den Praxislehrpersonen der Kontrollgruppe wie auch der Interventionsgruppe wurde vor Beginn (t1) und im Anschluss an die Weiterbildung (t2) ein umfangreicher Fragebogen vorgelegt (t1/t2: NIG = 15, NKG = 16, Rücklauf 97 %). Die Items orientieren sich an zentralen Elementen des fachspezifischen Unterrichtscoachings und betreffen die Durchführung von Vor- und Nachbesprechungen sowie Aktivitäten der Praxislehrpersonen während des von Praktikanten erteilten Unterrichts. Hier berichtet werden Ergebnisse folgender Skalen: „Intensive Vorbesprechung“ beinhaltet vier Items wie z. B. „Indem ich den geplanten Unterricht mit den Praktikant/innen ausführlich im Voraus bespreche, erspare ich meiner Klasse Leerläufe und Misserfolge“ und „Ich halte es für sinnvoll, mit den Praktikant/innen vor dem durch sie erteilten Unterricht sehr genau zu besprechen, wie sie den Unterrichtsablauf planen“ (Cronbachs α t1 = 0,61, t2 = 0,84, Zustimmung vierstufig). Die Skala „Nichtbeteiligung während der Lektion“ (2 Items, α t1: 0,68, t2: 0,71, Zustimmung vierstufig) setzt sich aus folgenden zwei Items zusammen: „Ich interveniere nur, wenn die Situation zu eskalieren droht“ und „Ich mische mich grundsätzlich nicht ein“. Die Skala „Gemeinsames Unterrichten“ umfasst die beiden Items „Ich unterrichte gemeinsam mit dem Praktikanten“ und „Ich zeige den Praktikant/innen Unterrichtshandeln vor, welches in einer Besprechung thematisiert wurde“ (α: t1 = 0,80; t2 = 0,66, Zustimmung vierstufig). Zusätzlich wurden im Fragebogen Informationen zur Stichprobenbeschreibung sowie Angaben der Praxislehrpersonen zu ihrem Handeln in Unterrichtsbesprechungen und während des von Praktikanten erteilten Unterrichts (z. B. Anzahl Dienstjahre, Weiterbildungsaktivitäten, Einstellung gegenüber Mathematik) erhoben.

Während den letzten drei Wochen des Interventionspraktikums (vgl. Abb. 1) wurden vertiefende qualitative Daten erhoben. Zum einen wurden jeweils eine zufällig ausgewählte Mathematiklektion pro Dyade sowie die zugehörigen Unterrichtsbesprechungen mit Video aufgezeichnet. Die Teilnehmer erhielten die Anweisung, ihre Besprechungen möglichst gemäß ihrem üblichen Vorgehen durchzuführen.

Zum anderen führten wir einen Tag nach der Nachbesprechung teilstrukturierte Leitfadeninterviews mit den Praktikanten. Dabei stellten wir detaillierte Fragen zu unterstützenden Aktivitäten der Praxislehrpersonen sowie zu konkreten Lernereignissen im Kontext der aufgezeichneten Vor- und Nachbesprechungen.

Die Unterrichtsqualität der aufgezeichneten Mathematiklektion wurde in einem hochinferenten Expertenrating eingeschätzt. Das Instrument orientiert sich an einer Skala von Ditton und Merz (2000) und umfasst 18 Items wie Klarheit, offene Aufgabenstellungen, Klassenführung oder Fehlerkultur (zehnstufiges Antwortformat, α = 0,85). Die Items sind jeweils mit Definition und Ankerbeispiel versehen (z. B. Definition offene Aufgabenstellung: Aufgabenstellungen lassen verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu). Das Rating wurde von einer Dozentin für Mathematikdidaktik ohne Kenntnis der Gruppenzugehörigkeit durchgeführt. Eine Teilstichprobe von acht Lektionen wurde zusätzlich durch eine zweite Expertin eingeschätzt. Zur Prüfung der Interraterübereinstimmung empfehlen Wirtz und Caspar (2002) die Berechnung von Kendalls tau_b (0,609) sowie den Wilcoxon-Test (0,279). Beide Werte fallen zufriedenstellend aus.

3.3.3 Analysen

Die Fragebogendaten wurden sowohl deskriptiv-statistisch als auch hinsichtlich der Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe ausgewertet (Mann-Whitney U-Test, Wilcoxon-Test). Beobachtbare Aktivitäten der Praxislehrpersonen während des Unterrichts ihrer Praktikanten wurden videobasiert aufgezeichnet und mittels eines Beobachtungsinstrumentes erfasst, das fünf Kategorien mit jeweils einer bis sechs Subkategorien enthält: 1) keine unterrichtsbezogene Aktivität, 2) Beobachten, 3) paralleles Unterrichten 4) paralleles Unterrichten oder teilnehmendes Coaching und 5) teilnehmendes Coaching (vgl. Tab. 2). Die Kategorien orientieren sich am fachspezifischen Unterrichtscoaching sowie den Ergebnissen einer vorab durchgeführten explorativen Studie (Kreis und Staub 2009).

Die aufgezeichneten Unterrichtsbesprechungen wurden einer videobasierten pragma-linguistischen Gesprächsanalyse (Henne und Rehbock 2001) unterzogen, in welcher der Fokus auf dem Gesprächshandeln und der Interaktion zwischen den Praxislehrpersonen und den Praktikanten lag. Analyseeinheiten sind Sequenzen der Besprechungen, in denen ein bestimmter Gegenstand wie z. B. die Planung einer einleitenden Unterrichtssequenz bearbeitet wurde. Diese Sequenzen wurden hinsichtlich der Folgestruktur der Interaktion im Sinne ihrer mikro-monologischen respektive ko-konstruktiven (Chi et al. 2001) Gestalt codiert (Kreis 2010).Footnote 4 Als mikro-monologisch werden dabei Gesprächsabschnitte bezeichnet, in denen ein Gegenstand nur von einem Interaktanten dargestellt wird. Dabei verwenden wir die Bezeichnung mikro-monologisch und nicht monologisch, weil ein Gespräch gemäß Definition immer dialogisch ausgerichtet ist (Brinker und Sager 2010). Ein Mikro-Monolog ist somit ein monologischer Gesprächsabschnitt innerhalb eines Dialogs. Als ko-konstruktiv werden Sequenzen bezeichnet, in denen beide Interaktanten in der Bearbeitung eines bestimmten Gesprächsgegenstandes je mindestens ein Element einbringen. Die Analyseeinheit ist somit durch den Gesprächsgegenstand (z. B. die Gestaltung einer Einführungssequenz) bestimmt (Eventsampling). Die Dauer der als mikro-monologisch oder ko-konstruktiv codierten Besprechungsabschnitte wurde anschließend je Dyade summiert und hinsichtlich von Unterschieden zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe untersucht (T-Test).

Die Wirkung der Intervention auf der zweiten Ebene, dem Lernen der Praktikanten, wurde im Sinne einer between-method Triangulation (Flick 2004) mittels drei methodischen Zugängen untersucht: Erstens wurden Aussagen aus den Transkriptionen der Leitfadeninterviews mit den Praktikanten zu spezifischen Lernereignissen im Zusammenhang mit den aufgezeichneten Unterrichtsbesprechungen einer strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2003) unterzogen. Dabei kam ein Codesystem zum Einsatz, das vorerst theoriegeleitet generierte Codes enthielt (Kreis 2010). Diese erste Version orientierte sich an Shulmans (1987) Konzeption unterrichtsrelevanten Lehrerwissens sowie Kernaspekten des fachspezifischen Unterrichtscoachings (Staub et al. 2003). In der Anwendung auf die Transkripte wurde es induktiv erweitert und um Codedefinitionen und Ankerbeispiele ergänzt. Die Häufigkeit der Codevergabe wurde sodann pro Fall summiert. Somit wurde ein Summenwert aus der Anzahl selbstberichteter Lernereignisse gebildet, der als einer der drei hier berichteten Indikatoren für Lernen der Praktikanten dient. Der zweite Indikator basiert auf einer Gesprächsanalyse hinsichtlich von Hinweisen auf Lernen der Praktikanten in den videografierten Unterrichtsbesprechungen. Dabei wurden Sequenzen identifiziert, in welchen die Praktikanten Anzeichen wie z. B. „Aha“-Ausrufe oder Aussagen über Veränderungen in ihrer Auffassung eines Gegenstandes oder eines Unterrichtsplans zeigten (97 % übereinstimmende Codevergaben bei acht zufällig ausgewählten Fällen und vorgegebener Sequenzierung).Footnote 5 Das folgende Zitat aus einer Vorbesprechung ist ein Beispiel für eine Gesprächssequenz, die als Hinweis auf eine Veränderung im intendierten Unterrichtshandeln des Praktikanten interpretiert wurde (Vorbesprechung P 233, Clip 7):

P

=Ich bin jetzt noch gerade am überlegen, ob ich da noch ein Plus dazwischen tun soll und ein Gleich, damit sie nur noch die Zahlen hineinschreiben müssen, oder ob sie das selber müssen über –

PL

Ja was gäbe es für einen Vorteil, wenn du es jetzt selber hineinschreibst? Also warum würdest du es machen?

P

Wieso? Dass es, eigentlich dass es alles so am gleichen Ort ist, das wäre wichtig und das es unter einander ist. Aber ich denke es ist nicht nötig.

PL

Mhm.=

P

=(hustet)=

PL

=Also wenn du willst, dass sie die Plusrechnung sehen, dann müssten sie das Plus auch schreiben.

P

Ja. Also müssen sie das selber machen. Genau, sie sind ja, sie können ja, sie sind ja im Stand, um die Rechnung zu schreiben=

PL

=Ja,=

P

=Dann sollen sie es selber machen, ja.

Der dritte Indikator fokussiert die Ebene des Unterrichtshandelns der Praktikanten und besteht in den Ergebnissen der quantitativen Auswertung des hochinferenten Expertinnenratings zur Unterrichtsqualität.

Während die ersten beiden Indikatoren Lernereignisse im Kontext der Unterrichtsbesprechungen betreffen, erfasst der Indikator „Unterrichtsqualität“ beobachtbares Unterrichtshandeln der Praktikanten und teilweise auch der Praxislehrpersonen. Die Ergebnisse aller drei Teilanalysen wurden auf Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe geprüft.

4 Ergebnisse

Im Folgenden werden Ergebnisse der Interventionsstudie für die beiden Hauptfragestellungen nach Wirkungen der Weiterbildung auf Überzeugungen und Handeln der Praxislehrpersonen zur Unterstützung der Studierenden sowie auf das Lernen und die erreichte Unterrichtsqualität der Praktikantinnen und Praktikanten dargestellt.

4.1 Wirkung der Weiterbildung auf Überzeugungen und Handeln der Praxislehrpersonen zur Unterstützung der Lehrerstudierenden

Auf der Ebene der Praxislehrpersonen orientiert sich die Untersuchung an den zentralen Elementen des fachspezifischen Unterrichtscoachings. In Bezug auf die Unterrichtsbesprechungen wird danach gefragt, ob nebst Nachbesprechungen auch Vorbesprechungen durchgeführt wurden und inwiefern die Unterrichtsbesprechungen ko-konstruktiven Charakter aufweisen. Weiter wird untersucht, ob und wie die als Unterrichtscoachs ausgebildeten Praxislehrpersonen ihre Praktikanten während des Unterrichts in verstärktem Maße unterstützen.

4.1.1 Durchführung von Vorbesprechungen und Dauer der Unterrichtsbesprechungen

Von den 32 Dyaden der Interventionsstudie, für die Videoaufnahmen einer Mathematiklektion und den zugehörigen Unterrichtsbesprechungen aufgezeichnet wurden, führten insgesamt 21 Dyaden eine Vorbesprechung durch. Dies trifft für alle 16 Dyaden der Interventions- sowie für fünf Dyaden der Kontrollgruppe zu. Die übrigen elf Dyaden der Kontrollgruppe führten lediglich eine Nachbesprechung durch. Die Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe setzten das Element der Vorbesprechung signifikant häufiger ein als dies für die Gruppe der traditionellen Form der Unterstützung der Fall ist (Chi2 = 3,125, df = 1, p(1-seitig) = 0,039). Sowohl Praktikanten als auch Praxislehrpersonen wurden im Interview gefragt, ob die mit Video aufgezeichneten Unterrichtsbesprechungen repräsentativ für bisherige Besprechungen im Praktikum seien. Für die Vorbesprechung beantworteten 12 der 16 Praktikanten (75 %) der Interventionsgruppe und 14 der 16 Praktikanten (87,5 %) der Kontrollgruppe die Frage mit ja. Aussagen über Abweichungen betreffen bei zwei Praktikanten der Interventionsgruppe die Dauer der Vorbesprechung – diese sei normalerweise kürzer. Eine Praktikantin fand, die aufgezeichnete Vorbesprechung sei schlechter gelaufen als sonst. Zwei Praktikanten der Kontrollgruppe berichteten, sie führten üblicherweise keine Vorbesprechung durch. Auch die Nachbesprechung bezeichneten 12 der 16 Praktikanten der Interventionsgruppe als repräsentativ. Abweichungen betreffen im Weiteren die Dauer sowie den Formalisierungsgrad. Zehn Praktikanten der Kontrollgruppe bezeichnen die aufgezeichnete Nachbesprechung als repräsentativ, vier äußerten sich nicht dazu und zwei berichteten, Nachbesprechungen wären normalerweise von kürzerer Dauer.

Ergebnisse der Fragebogenerhebungen bei den Praxislehrpersonen hinsichtlich der Bedeutung der Vorbesprechung bestätigen die aus den Videodaten ersichtliche Tendenz, dass Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe in der Erhebung nach der Weiterbildung der Vorbesprechung eine größere Bedeutung beimessen als jene der Kontrollgruppe. Für die Skale „Intensive Vorbesprechung“ liegen seitens der Interventionsgruppe für 12 und seitens der Kontrollgruppe für 11 Praxislehrpersonen vollständige Datensätze für beide Erhebungszeitpunkte vor. Es zeigt sich eine signifikante Interaktion zwischen den Faktoren Zeit (Erhebungszeitpunkt vor und im Anschluss an die Weiterbildung) und Gruppe (NIG(t1/t2) = 12, MIGt1 = 2,4, MIGt2 = 3,4; NKG(t1/t2) = 11, MKGt1 = 2,5, MKGt2 = 2,6; ANOVA für wiederholte Messung: F (1, 21) = 17,9, p < 0,001). Die Zustimmung der Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe zu Aussagen über die Bedeutung der Vorbesprechung nimmt somit signifikant stärker zu als jene der Praxislehrpersonen der Kontrollgruppe.

Auf der Grundlage der für alle 32 Dyaden erhobenen Videoaufnahmen einer Lektion und den hierzu stattfindenden Unterrichtsbesprechungen wurde die Dauer der Unterrichtsnachbesprechung (NB) und – soweit sie überhaupt stattfanden – die Dauer der Unterrichtsvorbesprechung (VB) berechnet. Zwischen den beiden Gruppen bestehen ein signifikanter Unterschied: Während die Vorbesprechungen der Dyaden der Interventionsgruppe durchschnittlich 51,6 Minuten dauern (N = 16, s = 19,7) beanspruchen jene der Kontrollgruppe lediglich 10,2 Minuten (N = 5, s = 3,5; Mann-Whitney U-Test, p1-seitig = 0,000). Die mittlere Dauer der Nachbesprechungen beträgt knapp 20 Minuten und zwischen Interventions- und Kontrollgruppe besteht kein signifikanter Unterschied (NIG = 16, MIG = 19,3, s = 19,7; NKG = 16, MKG = 18,4, s = 12). In der Interventionsgruppe dauern Vorbesprechungen somit mehr als doppelt so lange wie Nachbesprechungen. In der Kontrollgruppe finden diese gar nicht statt oder dann dauern sie nur etwa halb so lange wie die Nachbesprechungen.

4.1.2 Folgestruktur der Interaktion zwischen Praxislehrpersonen und Praktikanten in den Unterrichtsbesprechungen

Während in Unterrichtsbesprechungen häufig direktives Gesprächshandeln der Mentoren vorherrscht (Hennissen et al. 2008), wird in Besprechungen auf der Grundlage des fachspezifischen Unterrichtscoachings eine ko-konstruktive Folgestruktur der Interaktionen angestrebt. In den Interviews im Anschluss an die dokumentierten Lektionen und Unterrichtsbesprechungen formulierten die Praxislehrpersonen und Praktikanten auf die Frage nach den Merkmalen einer typischen Unterrichtsbesprechung keine Aussagen, welche die ko-konstruktive Struktur der Interaktion thematisieren. Aufschluss hierzu erlauben hingegen die Videodaten: Tab. 1 zeigt im Überblick für die beiden Gruppen Summenwerte der Dauer von Gesprächsabschnitten aus den Vor- und Nachbesprechungen, in denen die Bearbeitung von Gesprächsgegenständen wie beispielsweise die Elaboration der Planung einer Einstiegssequenz mikro-monologisch respektive ko-konstruktiv verlief.

Tab. 1 Vergleich der Interventions- und Kontrollgruppe hinsichtlich der mittleren Dauer (in Min.) mikro-monologischen und ko-konstruktiven Gesprächshandelns in den Vorsprechungen (VB) und Nachbesprechungen (NB) und den Unterrichtsbesprechungen insgesamt (VB + NB)

In den Vorbesprechungen nimmt mikro-monologisches Gesprächshandeln sowohl von Praxislehrpersonen als auch von Praktikanten innerhalb beider Gruppen jeweils etwa gleich viel Sprechdauer in Anspruch. Dabei dauert mikro-monologisches Gesprächshandeln der Praxislehrpersonen und der Praktikanten der Interventionsgruppe mit durchschnittlich knapp fünf Minuten signifikant länger als bei der Kontrollgruppe mit jeweils einer Dauer unter einer Minute. Gleichzeitig weisen die Vorbesprechungen der Dyaden der Interventionsgruppe mit durchschnittlich 32 Minuten eine deutlich längere Dauer für ko-konstruktive Gesprächshandlungen auf als für mikro-monologische insgesamt (9,8 Min.). In der Kontrollgruppe findet ko-konstruktives Gesprächshandeln lediglich während durchschnittlich 6,2 Minuten statt und ist somit signifikant kürzer als in der Interventionsgruppe. Die längere Dauer ko-konstruktiven Gesprächshandelns in der Interventionsgruppe ist nicht verbunden mit einer Verkürzung mikro-monologischen Gesprächshandelns sondern mit einer insgesamt längeren Dauer der Vorbesprechungen.

In den Nachbesprechungen der Kontrollgruppe beansprucht mikro-monologisches Gesprächshandeln der Praxislehrpersonen mit durchschnittlich 4 Minuten signifikant mehr Zeit als in der Interventionsgruppe (2,3 Min.). Dies ist der einzige signifikante Unterschied zwischen den Gruppen, bei dem die Zeitdauer der Kontrollgruppe höher ausfällt. Bezüglich mikro-monologischen Gesprächshandelns der Praktikanten sowie für mikro-monologisches Gesprächshandeln in Nachbesprechungen insgesamt finden sich keine weiteren signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.

Werden mikro-monologisches und ko-konstruktives Gesprächshandeln in den Unterrichtsbesprechungen je insgesamt summiert, nehmen beide Interaktionstypen in der Interventionsgruppe signifikant mehr Zeit in Anspruch als in der Kontrollgruppe. In beiden Gruppen ist die durchschnittliche Dauer ko-konstruktiven Gesprächshandelns signifikant länger als jene des mikro-monologischen (IG: t (14) = -4,98, p2-seitig < 0,001; KG: t (15) = -3,00, p2-seitig < 0,01).

In den von allen Dyaden durchgeführten Nachbesprechungen unterscheiden sich die Interventions- und Kontrollgruppe einzig darin, dass Praxislehrpersonen der Kontrollgruppe signifikant mehr Zeit für mikro-monologisches Gesprächshandeln beanspruchen. In den Vorbesprechungen der Interventionsgruppe dauert dagegen die durchschnittliche Dauer für mikro-monologisches wie auch für ko-konstruktives Gesprächshandeln signifikant länger als in Vorbesprechungen, welche in der Kontrollgruppe durchgeführt werden.

4.1.3 Handeln der Praxislehrperson während des Unterrichts

Die Intervention hatte auch zum Ziel, dass Praxislehrpersonen während dem von Praktikanten erteilten Unterricht eine aktive Rolle als Coach einnehmen. Ob sich die Interventions- und Kontrollgruppe in der Verteilung entsprechender Aktivitäten unterscheiden, wurde anhand von Fragebogen-, Interview- und Videodaten untersucht.

Im Anschluss an die Weiterbildung bekunden Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe einerseits eine deutlich verringerte Tendenz, sich während der Lektion mit Praktikanten im Hintergrund zu halten als ihre Kollegen der Kontrollgruppe: Für die Fragebogenskala „Nichtbeteiligung während der Lektion“ besteht eine signifikante Interaktion zwischen den Faktoren Zeit (Erhebungszeitpunkte vor und im Anschluss an die Weiterbildung) und Gruppe (NIG(t1/t2) = 12, MIGt1 = 3, MIGt2 = 1,9; NKG(t1/t2) = 11, MKGt1 = 3,1, MKGt2 = 3,1; ANOVA für wiederh. Messung: F (1, 21) = 7,7, p < 0,02). Andererseits fällt die Zustimmung der Praxislehrpersonen zu Aussagen, die eine größere Beteiligung während des Unterrichts beschreiben, in der Interventionsgruppe höher aus als in der Kontrollgruppe: Für die Skala „Gemeinsames Unterrichten“ besteht ein signifikanter Effekt für den Faktor Zeit (NIG(t1/t2) = 12, MIGt1 = 2,4, MIGt2 = 3,1; NKG(t1/t2) = 11, MKGt1 = 1,7, MKGt2 = 2,3; ANOVA für wiederh. Messung: F (1, 21) = 13,4, p < 0,002) sowie für den Faktor Gruppe (F (1, 21) = 7,151, p < 0,02). Die Interaktion zwischen den Faktoren Zeit und Gruppe hingegen ist nicht signifikant: Die Zustimmung zu „Gemeinsames Unterrichten“ nimmt in beiden Gruppen vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt zu.

Die qualitative Inhaltsanalyse der Interviews mit den Praktikanten und Praxislehrpersonen hinsichtlich ihres Handelns während des Unterrichts bestätigt die Tendenz einer aktiveren Rolle der Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe verglichen mit der Kontrollgruppe (NIG/NKG je 16 Praxislehrpersonen und 16 Praktikanten). Die Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe berichten häufiger als jene der Kontrollgruppe, dass sie gemeinsam unterrichten (IG = 12; KG = 3) oder gemeinsam Schüler betreuen würden (IG = 6; KG = 0). Die Praxislehrpersonen der Kontrollgruppe hingegen berichten häufiger nichteinmischendes Verhalten: Sie beobachten häufiger (IG = 2; KG = 4) und machen häufiger Notizen (IG = 2; KG = 6). Auch die Interviewaussagen der Studierenden vermitteln ein ähnliches Bild.

Weitere Antworten auf die Frage nach Aktivitäten der Praxislehrpersonen während dem Unterricht lassen sich aufgrund einer Analyse der mittels Video dokumentierten Mathematiklektion pro Dyade finden. In Tab. 2 ist die Anzahl Dyaden pro Gruppe aufgeführt, bei denen die jeweilige Aktivität während der mit Video aufgezeichneten Lektion mindestens einmal beobachtet wurde. In einer Unterrichtssequenz können theoretisch alle aufgeführten Aktivitäten vorkommen und es ist die Vergabe mehrerer Codes pro Einheit möglich.

Tab. 2 Videobasierte Analyse von Aktivitäten der Praxislehrpersonen während des Unterrichts: Mindestens einmaliges Auftreten spezifischer Aktivitäten je Dyade während der aufgezeichneten Unterrichtssequenz

Die Kategorie „Keine unterrichtsbezogene Aktivität“ beinhaltet nur einen Code, der vergeben wurde, wenn die Praxislehrperson das Schulzimmer für kürzere oder längere Zeit verließ. Die Kategorie „Beobachten“ enthält ebenfalls nur einen Code. Dieser wurde vergeben, wenn die Praxislehrperson beim Notizenmachen beobachtet werden konnte. Die Kategorie „Paralleles Unterrichten“ mit drei Subkategorien, die Kategorie „Paralleles Unterrichten oder teilnehmendes Coaching“ mit sechs Subkategorien und die Kategorie „Teilnehmendes Coaching“ mit fünf Subkategorien umfassen Aktivitäten, mit denen sich die Praxislehrpersonen direkt oder indirekt am Unterrichtshandeln beteiligen. Die Aktivitäten der Kategorie „Paralleles Unterrichten“ führen aufgrund der geringeren Anzahl Schüler pro Lehrperson zu einem günstigeren Betreuungsverhältnis. Da Praxislehrperson und Praktikant jedoch unabhängig handeln, können sie während dieser Zeit kaum von und miteinander lernen. Aktivitäten der Kategorien „Paralleles Unterrichten oder teilnehmendes Coaching“ und „Teilnehmendes Coaching“ ermöglichen dagegen eine Förderung des Lernens der Praktikanten.

Sowohl in quantitativer Hinsicht als auch in der Breite ihres Repertoires weisen die beobachtungsbasierten Unterschiede in den Codevergaben insgesamt auf eine markant höhere Beteiligung der Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe hin. Deutliche Unterschiede finden sich in Bezug auf die Unterstützung von Schülern in Gruppenarbeiten durch die Praxislehrperson allein oder gemeinsam mit dem Praktikanten, in der Beteiligung der Praxislehrperson an der Klassenführung sowie in organisatorischen Belangen. Auch hinsichtlich organisatorischer und fachlicher Korrekturen sowie fachlicher Ergänzungen (die für Schülerinnen und Schülern hörbar sein können) sowie Besprechungen zwischen Praxislehrperson und Praktikant während des Unterrichts, ohne dass dies von den Schülern gehört wird, sind die Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe öfter aktiv. Im Gegensatz dazu agieren die Praxislehrpersonen der Kontrollgruppe während des Unterrichts zurückhaltender.

4.2 Wirkung der Intervention auf Lernen von Lehramtsstudierenden und Unterrichtsqualität

Mit den bisher dargestellten Ergebnissen wurde gezeigt, dass sich die Aktivitäten der Praxislehrpersonen der Interventions- und Kontrollgruppe zur Unterstützung der Studierenden sowohl in ihrer spezifischen Qualität als auch quantitativ unterscheiden. Die mit der Weiterbildungsintervention auf der Grundlage des fachspezifischen Unterrichtscoachings intendierte Veränderung der Unterstützungsqualität wurde damit erreicht.

Die zweite Hauptfragestellung gilt nun den Unterschieden zwischen Interventions- und Kontrollgruppe mit Bezug auf das durch unterschiedliche Unterstützungsaktivitäten ermöglichte Lernen der Praktikanten. Diese Frage wurde anhand von drei methodischen Zugängen untersucht: den selbstberichteten Lernereignissen der Praktikanten im Anschluss an die aufgezeichnete Lektion, den in den aufgezeichneten Vor- und Nachbesprechungen identifizierten Hinweisen auf Lernen in den Unterrichtsbesprechungen und einem videobasierten Expertenrating der Unterrichtsqualität der von den jeweiligen Praktikanten erteilten Mathematiklektion.

4.2.1 Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe bezüglich selbstberichtetem Lernertrag

In den Interviews wurden die Praktikanten nach konkreten Lernereignissen im Zusammenhang mit den videografierten Unterrichtsbesprechungen gefragt (vgl. Kap. 3.3.2). Die Analyse der spezifisch für Vor- oder Nachbesprechungen berichteten Lernereignisse (vgl. Tab. 3) zeigt, dass dieser Unterschied im berichteten Lernertrag insbesondere in den Vorbesprechungen zustande kommt. Für die Nachbesprechungen wird weniger Lernen berichtet und es besteht kein signifikanter Unterschied zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe.

Tab. 3 Anzahl der von Praktikanten im Interview berichteten Lernereignisse im Kontext der aufgezeichneten Vor- und Nachbesprechungen für die Interventions- und Kontrollgruppe

4.2.2 Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe in der Anzahl der als Lernhinweise codierten Sequenzen in den videografierten Unterrichtsbesprechungen

Auch hinsichtlich der Häufigkeit der videobasierten Codierung von Hinweisen auf Lernen in den Unterrichtsbesprechungen besteht ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen: In der Analyse der Unterrichtsbesprechungen der Interventionsgruppe wurden im Mittel 8,2 Sequenzen entsprechend codiert, in der Kontrollgruppe lediglich 0,8 Sequenzen (U-Test, 1-seitig: p = 0,000). Auch hier ist der Unterschied zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe in den Vorbesprechungen signifikant (NIG/KG = 16/5; MedianIG/KG = 4,5/0, ModusIG/KG = 1/0, WertebereichIG/KG = 1–23/0–2). In den Nachbesprechungen hingegen finden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich der Häufigkeit der Codevergabe (NIG/KG = 16/16; MedianIG/KG = 0/0, ModusIG/KG = 0/0, RangeIG/KG = 0–9/0–8).

Die Häufigkeit der Hinweise auf Lernen in den videografierten Unterrichtsbesprechungen (Kap. 4.2.2) als Indikator für das Lernen der Praktikanten in diesem Kontext und der in Kap. 4.2.1 beschriebene Indikator „Anzahl der von den Praktikanten berichteten Lernereignisse“ beziehen sich beide auf die mit Video aufgezeichnete Unterrichtsbesprechungen bezüglich einer bestimmten Mathematiklektion. Erwartungsgemäß besteht zwischen den beiden Indikatoren ein signifikanter Zusammenhang (N = 32, Spearmans rho, 1-seitig = 0,489, p = 0,002).

4.2.3 Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe bezüglich erreichter Unterrichtsqualität

Als dritter Indikator für die Erweiterung der berufsspezifischen Kompetenzen wird mittels eines hochinferenten Expertenratings die Qualität 45-minütiger Mathematiklektionen, die von Praktikanten der Interventions- respektive der Kontrollgruppe unterrichtet wurden, verglichen. Dieses Rating erfolgte anhand der Videoaufnahmen, ohne dass die Raterin die Gruppenzugehörigkeit kannte. Die Qualität des Unterrichts, den Praktikanten am Ende ihres Praktikums bei einer Praxislehrperson der Interventionsgruppe – und damit mit der Unterstützung eines fachspezifischen Unterrichtscoachs – absolvieren, wird im Expertenrating signifikant höher eingeschätzt als jener der Praktikanten der Kontrollgruppe (zehnstufige Ratingskala; MIG = 8,1, sIG = 0,8, MKG = 7,1, sKG = 1,4; t-Test: t (24) = 2,67, p < 0,014Footnote 6).

5 Zusammenfassung der Ergebnisse und Diskussion

Die Studie ist im Kontext der einphasigen berufspraktischen Ausbildung von Primarlehrpersonen angesiedelt. Mit einer multimethodischen, quasi-experimentellen Untersuchungsanlage wird die Wirkung einer substantiellen Weiterbildung für Praxislehrpersonen zu fachspezifischem Unterrichtscoaching auf zwei Ebenen untersucht. Erstens werden Veränderungen in den Überzeugungen und im Handeln der Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe mit einer Kontrollgruppe verglichen. Untersucht wird dabei, ob eine Vorbesprechung durchgeführt wurde, die Dialogizität des Gesprächshandelns in den Unterrichtsbesprechungen sowie die Aktivitäten der Praxislehrpersonen während des von Praktikanten erteilten Unterrichts. Zweitens wurde mittels dreier Indikatoren (selbstberichtetes Lernen, Lernhinweise in Unterrichtsbesprechungen und externes Unterrichtsqualitätsrating) untersucht, ob sich der Lernertrag von Praktikanten, die ihr Praktikum bei einer Praxislehrperson der Interventionsgruppe absolvieren, von jenem der Praktikanten der Kontrollgruppe unterscheidet. Im Sinne einer between-method Triangulation (Flick 2004) werden die jeweiligen Fragestellungen mit unterschiedlichen Methoden untersucht.

5.1 Veränderungen in den Überzeugungen und im Handeln der Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe verglichen mit der Kontrollgruppe

Das basierend auf dem Ansatz des fachspezifischen Unterrichtscoachings (Staub 2001; West und Staub 2003) eingeführte Element der Vorbesprechung von Unterricht im Setting eines gemeinsam verantworteten Unterrichts wird von allen Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe übernommen. Dies wird durch Fragebogendaten bestätigt. Die zusätzliche Durchführung einer intensiven Vorbesprechung in der Interventionsgruppe wirkt sich auch auf die Dauer der Unterrichtsbesprechungen der mit Video aufgezeichneten Mathematiklektionen aus. Vorbesprechungen der Interventionsgruppe dauern länger als jene der Kontrollgruppe. Bezüglich der Dauer der Nachbesprechungen bestehen dagegen keine signifikanten Unterschiede. Insgesamt verbringen die Dyaden der Interventionsgruppe signifikant mehr Zeit mit der Besprechung der videografierten Mathematiklektion. Explizites Ziel der Weiterbildung war eine Veränderung der Qualität von Besprechungen. Vorgaben bezüglich Dauer wurden keine gemacht. Die mit dem fachspezifischen Unterrichtscoaching eingeführte Vorbesprechung resultiert somit insgesamt in einer freiwillig verlängerten Besprechungsdauer.

Ausgehend von einer sozio-konstruktivistischen Auffassung von Lernen wird erwartet, dass in Besprechungen, in denen sich beide Interaktanten dialogisch und ko-konstruktiv an der Entwicklung der Gesprächsgegenstände beteiligen, auch mehr gelernt wird als in Besprechungen, in denen Mikro-Monologe der Interaktanten aufeinander folgen (z. B. Chi et al. 2001; Graesser et al. 1995; Kreis 2010). Bezüglich der Folgestruktur des Gesprächshandelns findet sich denn auch ein Unterschied: Die Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe erzeugten signifikant mehr dialogisch ko-konstruktive Folgestrukturen in den Unterrichtsbesprechungen als die Praxislehrpersonen der Kontrollgruppe. Dass das Vorkommen von ko-konstruktiven Interaktionssequenzen für den in Unterrichtsbesprechungen erreichten Lernertrag bedeutsam ist, zeigt eine vergleichende Untersuchung von Extremgruppen mit hohem respektive geringem selbstberichtetem Lernertrag (Kreis 2010).

Ein weiterer signifikanter Unterschied zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe tritt während des Unterrichts zutage. Die Praxislehrpersonen der Interventionsgruppe übernehmen während des von ihren Praktikanten erteilten Unterrichts eine aktivere Rolle. Sie wenden außerdem ein breiteres Repertoire an als die Praxislehrpersonen der Kontrollgruppe. Dieses umfasst vermehrt auch Aktivitäten des teilnehmenden Coachings zur Unterstützung nicht nur des Lernens der Schüler sondern auch des Lernens der Praktikanten.

5.2 Unterschiede zwischen den Praktikanten der Interventions- und Kontrollgruppe bezüglich ihres Lernertrags und ihres Unterrichtshandelns

Das Erfassen des Lernens von Studierenden im Kontext der berufspraktischen Ausbildung ist methodisch komplex und aufwendig, was sich auch im bisher weitgehenden Fehlen entsprechender Studien zeigt (Hobson et al. 2009). In der vorliegenden Untersuchung wurde die Frage nach Unterschieden im Lernen von Praktikanten mittels der Annäherung über drei verschiedene Indikatoren geprüft. Es sind dies die Anzahl selbstberichteter Lernereignisse der Praktikanten, die Anzahl von als „Hinweis auf Lernen“ codierten Sequenzen in den Videoaufnahmen der Unterrichtsbesprechungen sowie das Expertenrating der Qualität des von den Praktikanten erteilten Unterrichts. Alle drei Indikatoren deuten auf einen höheren Lernertrag bei den Praktikanten der Interventionsgruppe im Vergleich zu den Praktikanten der Kontrollgruppe. Dabei erfassen die drei Indikatoren unterschiedliche Wirkungsebenen der Intervention. Während die selbstberichteten Lernereignisse von der Explizierbarkeit des Wissens (vgl. Neuweg 2004), der Fähigkeit und Bereitschaft zur Verbalisierung sowie der Erinnerungsfähigkeit der Praktikanten abhängen, geben die videobasiert identifizierten Gesprächssequenzen, mit Hinweisen auf Lernen im Sinne von Einsichten und Veränderungen in den Unterrichtsbesprechungen, Einblick in Lernprozesse und somit in die zweite Ebene der Wirkungsevaluation (Kirkpatrick 1998). Der dritte Indikator, das Expertenrating der Unterrichtsqualität, liegt am nächsten beim tatsächlichen Unterrichtshandeln – der dritten Ebene gemäß Kirkpatrick – und fokussiert damit den Bereich, auf den die Weiterbildungsintervention und das fachspezifische Unterrichtscoaching fokussieren. Allerdings kann der Unterschied zwischen der Unterrichtsqualität der Kontroll- und Interventionsgruppe nicht mit der Vorbesprechung allein erklärt werden. Die Unterrichtsqualität wird durch weitere Faktoren wie beispielsweise Voraussetzungen seitens der Schüler und die Kompetenz der Praktikanten schon vor dem Zeitpunkt der Datenerhebung beeinflusst, die in der Studie nicht kontrolliert wurden. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Unterrichtsqualität in den Lektionen der Interventionsgruppe auch durch die aktivere Beteiligung der Praxislehrpersonen mitbestimmt wurde. Auf die Überprüfung der Wirkung der Intervention auf der Ebene des Lernens der Schüler – der vierten Ebene gemäß Kirkpatrick – musste verzichtet werden, weil die untersuchten Dyaden bezüglich der unterrichteten Klassenstufen zu heterogen waren. Ebenfalls offen bleibt aufgrund der vorgestellten Teilstudien inwiefern sich der Fokus auf fachspezifisch-pädagogisches Wissen in den Gesprächsgegenständen der Unterrichtsbesprechungen sowie im Lernen der Praktikanten wiederfindet. Sowohl Interview- als auch Videodaten werden Gegenstand weiterer Analysen sein.

5.3 Fazit

Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse der Interventionsstudie, dass traditionelle Praxislehrpersonen bei geeigneter Weiterbildung für fachspezifisches Unterrichtscoaching ihr Handlungsrepertoire entsprechend erweitern. Weiter weisen die mittels unterschiedlichen Methoden erhobenen Ergebnisse bezüglich des Lernens der Praktikanten darauf hin, dass das fachspezifische Unterrichtscoaching zu einer produktiven Ermöglichung von Lerngelegenheiten in Unterrichtspraktika und zur Intensivierung des in der Berufspraxis situierten Lernens zukünftiger Lehrpersonen genutzt werden kann.