Auf einer institutionell-organisatorischen Ebene ist es in der Regel hinreichend präzise davon auszugehen, diejenigen Erwachsenen, die bei einer Bildungsveranstaltung anwesend waren, seien durch diese erreicht worden. In dieser Hinsicht ist Teilnehmen ein Ereignis, dessen Eintreten bereits die Unterstellung erlaubt, dass auf das Angebot bezogene Lern- und Aneignungsprozesse stattgefunden haben. Betrachtet man dagegen das sich im Verlauf der Veranstaltung realisierende Geschehen, ist zum Teilnehmen nicht bereits dadurch genug gesagt, dass jemand institutionell zum Teilnehmer geworden ist. Vielmehr wird dann bedeutsam, wie sich Teilnehmen in-situ realisiert, wie also die Teilnahme durch die jeweiligen Teilnehmenden während der Veranstaltung ausgestaltet wird. Wird der Fokus der Beobachtung solchermaßen verschoben von der Frage, ob an einer Veranstaltung teilgenommen wird, zur Frage, wie daran teilgenommen wird, bedarf es anderer Kategorien – jenseits von organisatorischer Anmeldung oder räumlicher Anwesenheit – um Teilnehmen beobachtbar zu machen. Im vorliegenden Beitrag wird daher Teilnahme als Prozess des Teilnehmens konzipiert. Konstituiert wird dieser Prozess durch eine Abfolge von Momenten, in denen sich Teilnehmende erkennbar auf das Veranstaltungsgeschehen beziehen. Eine Schlüsselrolle spielen hierbei wahrnehmbare Bewegungen selektiver Aufmerksamkeit.

Im vorliegenden Beitrag wird ein solcher an der individuellen Ausgestaltung des Teilnahmegeschehens orientierter Begriff der Teilnahme entworfen und es werden Möglichkeiten der empirischen Beobachtung von Teilnahmeprozessen aufgezeigt. Zunächst wird in Auseinandersetzung mit der erwachsenenpädagogischen Teilnehmer- und Adressatenforschung die Differenz zwischen einem organisationszentrierten Ereignis- und einem interaktionszentrierten Prozessbegriff des Teilnehmens näher beleuchtet. Inwiefern wahrnehmbare Aufmerksamkeitsbewegungen diesen Teilnahmeprozess konstituieren, wird dann ausgehend von Untersuchungen zum Klassenmanagement begründet (1). Anschließend werden die Bedingungen und Beschränkungen der Beobachtung des Teilnehmens im Medium wahrnehmbarer Aufmerksamkeitsbewegungen erörtert (2). Anhand eines empirischen Beispiels wird dann exemplarisch vorgeführt, wie Teilnehmensprozesse auf der Datenbasis von Videomitschnitten untersucht werden können. Anhand einer Analyse, die auf die Abfolge der Aufmerksamkeitsanzeichen einer Teilnehmerin fokussiert, werden die Dynamiken herausgearbeitet, in denen sich die Konfigurationen ihrer Teilnahme etablieren und wandeln, und es werden die Formen der Teilnahme beschrieben, die sich dabei ergeben (3). Abschließend wird der Stellenwert der Ergebnisse dieser exemplarischen Analyse diskutiert und es werden Potenziale und mögliche Fragestellungen einer prozessorientierten Teilnahmeforschung in der Erwachsenenbildung/ Weiterbildung (im Folgenden kurz Erwachsenenbildung) beleuchtet (4).

1 Teilnehmen als Prozessierung selektiver Aufmerksamkeit

Untersuchungen zur Teilnahme und zu Teilnehmenden gehören zum Kern der Weiterbildungsforschung. Von Interesse ist nicht nur, wer an welchen Veranstaltungen der Erwachsenenbildung wie häufig teilnimmt (vgl. etwa Kuwan et al. 2006; Tippelt u. von Hippel 2010) und wovon dies abhängt (vgl. etwa Schneider 2004; Iller 2004; Wittpoth 2010). Im Rahmen der Teilnehmer- und Adressatenforschung werden darüber hinaus auch Bildungs- und Teilnahmemotive Teilnehmender und Nicht-Teilnehmender, deren Biographien und Lerngeschichten, deren Aneignungsweisen, deren Wertpräferenzen oder deren Lebens- und Lernstile erhoben (für einen Überblick vgl. Seitter 2002). Solche Forschungen basieren auf einem Begriff des Teilnehmens, der dieses als ein binär codiertes Ereignis fasst. Relevant ist, ob teilgenommen wird oder nicht. Untersuchungen zu Teilnahmefällen nutzen diesen Begriff in Reaktion auf das zentrale Problem der Erwachsenenbildung, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass sie ihre Adressaten erreicht. Teilnahmeereignisse dienen hier als Indikatoren der Reichweite eines Angebots. Untersuchungen zu potenziellen Adressaten sind an der Beantwortung der Frage orientiert, wie diese zu einer Teilnahme veranlasst werden könnten. Studien zu Teilnehmenden schließlich behandeln die Frage danach, wer die Personen sind, mit denen es die Erwachsenenbildung durch das Ereignis der Teilnahme zu tun bekommt.

Der hier vorgeschlagene prozessorientierte Begriff des Teilnehmens setzt dagegen bereits voraus, dass teilgenommen wird und fragt danach, in welcher Weise sich die Teilnahme im Erwachsenenbildungsgeschehen vollzieht: was also geschieht, wenn Erwachsene an einer Bildungsveranstaltungen teilnehmen. Dieser Aspekt hat bislang im Rahmen von Studien zur Kursinteraktion Beachtung gefunden. Dort wurde unter anderem gezeigt, in welcher Weise unterschiedliche Lehr-Lern-Arrangements mit unterschiedlichen Beteiligungsformen von Teilnehmenden einhergehen (vgl. Kejcz et al. 1980) und es wurde herausgearbeitet, dass Beiträge Teilnehmender in hohem Maße auf die Anforderung bezogen sind, die eigene Kompetenz und Autonomie darzustellen (vgl. Nolda 1996). In diesen Studien bleibt allerdings die Beobachtung des Teilnahmegeschehens im Wesentlichen auf die Momente beschränkt, in denen Teilnehmende einen expliziten Beitrag zum Kursgeschehen leisten. Dies rührt vor allem daher, dass die verbalen Beiträge der Kursbeteiligten im Zentrum der Beobachtung stehen.

Ein Moment des Teilnehmens, das dagegen sowohl die aktiven Beiträge zum Kurs als auch die eher passive Ausgestaltung der eigenen Erreichbarkeit durch den Kurs konstituiert, lässt sich in der selektiven Aufmerksamkeit Teilnehmender auf den einen oder anderen Aspekt des Kursgeschehens ausmachen (vgl. auch Hecht 2009). Anzeichen der Aufmerksamkeitsselektivität sind aber nicht nur verbaler, sondern wesentlich auch nonverbaler Natur. Die Analyse von Bewegungen der wahrnehmbaren Aufmerksamkeit von Teilnehmenden macht den Prozess der Teilnahme oberhalb der Schwelle bloßer Anwesenheit, aber auch schon weit unterhalb der Schwelle eines aktiven Beitrags zum Kursgeschehen einer Beobachtung zugänglich. Unter Aufmerksamkeit wird hierbei die Leistung des Bewusstseins verstanden, aus der Vielfalt des (innerlich und äußerlich) Wahrnehmbaren etwas als Inhalt auszuwählen (vgl. Dinkelaker 2010a). In den Operationen der Aufmerksamkeit verbindet sich die bewusste Zuwendung zu etwas unhintergehbar mit einem Akt der Selektivität: Wer sich mit etwas befassen will, muss seine Aufmerksamkeit darauf richten. Wer aber auf das eine aufmerksam ist, muss zwingend seine Aufmerksamkeit von vielen anderen Dingen abziehen. Auch wer sich auf Kurse beziehen will, muss etwas am oder im Kurs zum Gegenstand seiner Aufmerksamkeit machen. Im Verlauf der Teilnahme wechseln die Gegenstände der Aufmerksamkeit in der Regel kontinuierlich von Moment zu Moment. Teilnehmen in Kursen ist so gesehen eine Wahrnehmungsbewegung, in der fortwährend realisierte Aufmerksamkeitsselektionen vorangegangene Aufmerksamkeitsselektionen ablösen (vgl. auch Markowitz 1984).

Die zentrale Bedeutung von Aufmerksamkeitsbewegungen für das Teilnahmegeschehen wird insbesondere in den seit den 1960er-Jahren realisierten Untersuchungen zum Klassenmanagement betont (vgl. Evertson u. Weinstein 2006). In diesen Untersuchungen stehen allerdings Lehrendenhandeln und Lehr-Lern-Arrangements als Einflussfaktoren der wahrnehmbaren Aufmerksamkeitsausrichtung von Schülern im Mittelpunkt (vgl. Ophardt u. Thiel 2007). Ausgangspunkt ist die durch vielfache Untersuchungen belegte Beobachtung, dass der Anteil der Unterrichtszeit, in dem Schüler sich erkennbar der ihnen gestellten Lernaufgabe zuwenden („on-task-Verhalten“) unmittelbar mit dem messbaren Lernertrag korreliert (vgl. Anderson 1984). Vor diesem Hintergrund wird danach gefragt, wie gut in unterschiedlichen didaktischen Settings eine Fokussierung der Schüleraufmerksamkeit auf Lernaufgaben gelingt (vgl. Doyle 2006) und welche Handlungsweisen Lehrender eine aufmerksame Beschäftigung der Schüler mit Lernaufgaben wahrscheinlicher machen (vgl. Kounin 1976).

Eine solche in den Untersuchungen zum Klassenmanagement angestrebte quasi-technologische Verknüpfung von Lehrendenhandeln, Teilnahmeverhalten und Lernerfolg ist in weiten Teilen der Erwachsenenbildung nicht realisierbar. Sie widerspricht zum einen im Kern dem Grundsatz einer Eigenverantwortlichkeit Erwachsener für die Ausgestaltung ihrer Teilnahme. Zudem lassen sich die Lernerfolge in der Erwachsenenbildung häufig nicht standardisiert messen (vgl. Kuper 2005) und darüber hinaus lässt sich die Bedeutung von Veranstaltungen der Erwachsenenbildung in vielen Fällen nicht auf ihren Lernertrag beschränken (vgl. etwa Claro 1980; Kade 1992). Löst man allerdings die Konzepte zum Klassenmanagement von ihren schulspezifischen Implikationen, eröffnen sie mit ihrer Perspektive auf die Aufmerksamkeitsgebundenheit des Teilnehmens einen teilnehmerzentrierten empirischen Blick auf das Teilnahmegeschehen in der Erwachsenenbildung.

Mit der Zuspitzung der Beobachtung des Teilnehmens auf die wahrnehmbaren Aufmerksamkeitsbewegungen der jeweiligen Teilnehmenden erweist sich die Einlösung der mit der Anwesenheit im Kurs verbundenen Erreichbarkeitserwartung als eine von Moment zu Moment neu zu realisierende Aufgabe. Es lässt sich so nicht nur beobachten, wie Erreichbarkeit einmalig zu Beginn von Kursen hergestellt wird (vgl. Herrle u. Nolda 2010), sondern auch wie diese im Verlauf des Kurses immer wieder neu konstituiert wird. Im Mittelpunkt einer so verstandenen Teilnahmeforschung steht die Frage, wie Teilnehmende mit der Aufgabe umgehen, zugleich vor dem Hintergrund eines spezifischen Teilnehmerverständnisses adressiert zu werden (vgl. auch Arnold 1995) und als notwendig davon unterschiedene individuelle Personen ihre Teilnahme in einer spezifischen Form realisieren zu müssen. Es ist herauszuarbeiten, wie sich Teilnehmende auf das Kursgeschehen beziehen, welchen Aspekten sie dabei Bedeutung zumessen und welchen nicht. Welche Rolle dabei (Lern-)Aufgaben und dem asymmetrische Verhältnis zwischen Kursleitenden und Teilnehmenden zukommt, wird dann eine von Kurs zu Kurs und von Situation zu Situation neu zu klärende, empirische Frage.Footnote 1 Die Frage nach den Lern- und Aneignungspotenzialen, die mit den jeweils realisierten Formen des Teilnehmens eröffnet bzw. verschlossen werden, geht dagegen über die hier vorgestellte Analyse der Spektren und Dynamiken der Prozessierung des Teilnehmens hinaus und kann an dieser Stelle nur angedeutet werden (vgl. zur Lernforschung in der Erwachsenenbildung Schrader und Berzbach 2005; zur Aneignung von Bildungsangeboten Seitter 2003).

Ansätze einer Teilnahmeforschung, die die eigensinnigen Dynamiken des Teilnehmens in den Mittelpunkt stellen, sind rar. In Begleituntersuchungen zu Selbstlernarrangements werden allerdings bereits Verfahren erprobt, die das dort in gesteigertem Maße für die pädagogisch Handelnden intransparente Teilnahmegeschehen beobachtbar machen (vgl. Maier Reinhard u. Wrana 2008). Eine auf Interaktionen bezogene Teilnahmeforschung kann darüber hinaus anschließen an ethnographische Untersuchungen zur Teilnahme am Schulunterricht (vgl. Breidenstein 2006). Dort wird das Unterrichtsgeschehen konsequent aus der Perspektive je einzelner Schüler beobachtet. Die vor dem Hintergrund dieser Analyse zu Praktiken des Teilnehmens zutage tretenden Momente der Teilnahme, wie deren Rahmung als Job, deren zentrales Problem der Langeweile und deren Produktionsorientierung scheinen allerdings schulspezifischen Bedingungen geschuldet zu sein. Die dortigen Befunde sind daher nicht unmittelbar auf die Teilnahme an Veranstaltungen der Erwachsenenbildung übertragbar. Die Untersuchungen eröffnen dennoch den Blick auf die häufig im vordergründigen Lehr-Lern-Geschehen unbeachteten, aber dennoch darin eingewobenen vielfältigen Formen des Teilnehmens.

2 Wahrnehmbarkeit und Beobachtbarkeit von Aufmerksamkeitsbewegungen

Ausgangspunkt der Beobachtung von Aufmerksamkeitsbewegungen im Teilnahmegeschehen ist ein Verständnis von Kursinteraktionen, das der körperlichen Anwesenheit der Beteiligten eine zentrale Bedeutung zumisst (vgl. auch Dinkelaker 2010b). Kurse sind so gesehen „organisierte Versammlungen Erwachsener, die unter der Maßgabe zu lehren bzw. zu lernen gleichzeitig in einem mit Gegenständen versehenen Raum anwesend sind, dort bestimmte Positionen einnehmen und sich einander wahrnehmend miteinander interagieren“ (Nolda 2007, S. 479). Wen oder was ein im Kurs anwesender Teilnehmer wahrnimmt, welchem Ausschnitt aus der Vielfalt des beständig für ihn Wahrnehmbaren er sich also zuwendet, ist abhängig von der Selektivität seiner Aufmerksamkeit. Von der jeweiligen Selektivität der Aufmerksamkeit der anderen Kursbeteiligten ist wiederum abhängig, inwiefern der betreffende Teilnehmende, der ja allein aufgrund seiner Anwesenheit prinzipiell wahrnehmbar ist, beim Wahrnehmen auch von anderen wahrgenommen wird. Die im Kursgeschehen realisierte Interaktion emergiert, weil es für die Anwesenden bedeutsam wird, dass die Aufmerksamkeit des anderen auf die eigene Selektivität der Aufmerksamkeit gerichtet ist oder gerichtet sein könnte (vgl. Kieserling 1999).

Aufmerksamkeitsbewegungen sind Operationen des Bewusstseins und daher als solche für andere nicht unmittelbar beobachtbar. Allerdings können in den Äußerungen einer Person zahlreiche Anzeichen für die von ihr jeweils realisierten Wahrnehmungsselektionen gefunden werden. Wo sich eine Person befindet, in welche Richtung sie sich bewegt und wohin sie schaut, was sie gerade tut, was sie sagt und was sie schreibt, enthält Hinweise darauf, welchem Inhalt sich ihre Aufmerksamkeit gegenwärtig zuwendet. Bereits im Säuglingsalter beginnen Menschen, diese Anzeichen der Aufmerksamkeit anderer zu beobachten und zu deuten (vgl. Tomasello 2002). Jede soziale Interaktion basiert auf einer an diesen Anzeichen orientierten Koordination der Aufmerksamkeitsrichtungen der Beteiligten (vgl. Goodwin 1981; Kendon 1990). Entsprechend ist die Beobachtung und Deutung der wahrnehmbaren Aufmerksamkeitsbewegungen der eigenen Person und der anderer Personen ein alltäglicher und weit verbreiteter Vorgang.

Die systematische Beobachtung wahrnehmbarer Aufmerksamkeitsbewegungen zu Forschungszwecken unterscheidet sich mithin nicht grundlegend von den vielfältigen auch den Alltag in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung und im Schulunterricht begleitenden Aufmerksamkeitsbeobachtungen. Die Erfahrungen, die sich daraus ergeben, spiegeln sich daher bereits sowohl im pädagogischen Wissen Lehrender als auch im Teilnahmewissen der Lernenden wider. Eine wissenschaftliche Beobachtung des Aufmerksamkeitsgeschehens unterscheidet sich von dieser immer schon stattfindenden alltäglichen Beobachtung vorrangig durch die Situation, in der sich der Beobachter befindet. Schon wer als Wissenschaftler an einem Kurs teilnehmend in-situ beobachtet, ist in weitaus geringerem Maße der Notwendigkeit ausgesetzt, sich selbst handelnd auf die Aufmerksamkeitsbewegungen der anderen zu beziehen. Untersucht ein Forscher Aufmerksamkeitsbewegungen anhand empirischer Daten, die das Kursgeschehen dokumentieren, stehen die damit verbundenen Beobachtungen ex-post nun auch nicht länger unter einem zeitlichen Interpretationsdruck, wie er sich bereits aus dem stetigen Voranschreiten des Kursgeschehens ergibt. Zudem werden die bei der Beobachtung vollzogenen eigenen Aufmerksamkeitsbewegungen der Forschenden nun nicht länger vor dem Hintergrund ihrer Beobachtbarkeit durch die Kursbeteiligten, sondern vorrangig vor dem Hintergrund ihrer Beobachtbarkeit durch eine Forschungsöffentlichkeit relevant. Die auch hier unhintergehbare Selektivität der Beobachtung lässt sich nun vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Kriterien begründen. Die durch die ausführliche und wiederholte Beobachtung ermöglichten Präzisierungen erlauben es daher, die Modelle des Teilnehmens, die sowohl die alltäglichen als auch die wissenschaftlichen Verständnisse von Teilnahme prägen, in Auseinandersetzung mit dem empirisch beobachteten Geschehen systematisch zu irritieren und weiterzuentwickeln. Dadurch wird eine in enger Auseinandersetzung mit dem Gegenstand entstehende Theorieentwicklung möglich (vgl. Strauss u. Corbin 1996).

Für die Analyse der hier im Zentrum stehenden Prozessierung von Aufmerksamkeitsbewegungen eignen sich durch Videomitschnitte erzeugte Daten in besonderer Weise, da diese detaillierte und präzise Beobachtungen des räumlich-körperlich situierten Kursgeschehens ermöglichen.Footnote 2 Auch wenn Videomitschnitte vor dem Hintergrund der Kamerapositionierung und -ausrichtung selbst nur einen selektiven Ausschnitt aus dem Geschehen dokumentieren können, halten sie doch all dasjenige, was in diesem Ausschnitt sicht- und hörbar ist, in einer für den menschlichen Beobachter nicht erreichbaren Detailliertheit und Vielfalt fest. Das in dieser Weise Dokumentierte kann nicht nur wiederholt – und daher auch vor dem Hintergrund unterschiedlicher Foki der Analyse (vgl. Dinkelaker 2010c) – betrachtet, sondern die Darstellung kann darüber hinaus auch verlangsamt und angehalten werden.

3 Exemplarische Beobachtungen

Die folgenden exemplarischen Beobachtungen sollen den hier entwickelten prozessorientierten Begriff des Teilnehmens veranschaulichen und dabei die Möglichkeiten einer videogestützten Untersuchung eines so verstandenen Teilnahmegeschehens aufzeigen. Jede Auswahl eines einzelnen Beispiels ist vor dem Hintergrund der immensen Vielfalt realisierter Formen der Teilnahme an Erwachsenenbildung notwendig mit einem Aspekt der Willkür verbunden. Andererseits lassen sich die komplexen Dynamiken, in denen sich Teilnahme als ein sinnhaft strukturiertes Geschehen herausbildet, nur anhand solcher Einzelfälle beobachten. Die hier vorgestellten Beobachtungen können daher lediglich exemplarischen Charakter haben.

Besonders anschaulich lassen sich Dynamiken des Teilnehmens anhand von Kursen beschreiben, die durch die Erwartung geprägt sind, dass die Teilnehmenden ihre Aufmerksamkeitsbewegungen weitestgehend selbst strukturieren. Deswegen ist die im Folgenden untersuchte Teilnahmesequenz einem solchen Kurs entnommen. Sie realisiert sich im Rahmen eines Volkshochschulkurses, in dem die Teilnehmerinnen unter Anleitung und Hilfestellung einer ausgebildeten Schneiderin ein von ihnen selbst gewähltes Kleidungsstück herstellen. Die Sequenz beginnt mit dem Eintreffen einer Teilnehmerin im Kurs und endet in dem Moment, als die Kursleiterin sich das erste Mal dem Nähprojekt dieser Teilnehmerin zuwendet. Da die Art und Weise des Teilnehmens in diesem Beispiel einem ungewöhnlich starken und häufigen Wandel unterworfen ist, können mit ihm trotz begrenzter Darstellungsmöglichkeiten denoch mehrere unterschiedliche Formen der Teilnahme vorgeführt und die Dynamiken ihrer Entstehung und ihrer Wiederauflösung nachgezeichnet werden.

Die Aufnahmen, die das Geschehen in der gewählten Sequenz dokumentieren, wurden im Rahmen des Projekts „Bild und Wort. Erziehungswissenschaftliche Videographie. Kurs- und Interaktionsforschung“ erhoben (vgl. Kade u. Nolda 2007). Um möglichst alle Kursbeteiligten von vorn beobachten zu können, wurden zwei einander gegenüberstehende Kameras eingesetzt. Eine der Kameras wurde auf die Verfolgung der Aktivitäten der Kursleiterin ausgerichtet. Die Positionierung und Ausrichtung der zweiten Kamera orientierte sich daran, die im Kameraausschnitt der ersten Kamera ausgeblendeten Aspekte des Kursgeschehens zu dokumentieren.

Bereits im Moment der Aufbereitung videographischer Daten ist ein selektives Vorgehen unumgänglich. Die Art und Weise der Selektivität hat sich dabei durch das jeweils vorausgesetzte Gegenstandsverständnis und die verfolgte Fragestellung zu begründen (vgl. Dinkelaker u. Herrle 2009). Um die Aufmerksamkeitsbewegungen der hier näher betrachteten Teilnehmerin als Formen der Bezugnahme auf das Kursgeschehen zu beobachten, werden in der vorliegenden Analyse zunächst alle in der Szene beobachtbaren Wechsel des Aufenthaltsorts, der Körperausrichtung und der Blickrichtung der Teilnehmerin dokumentiert (vgl. Scheflen 1964). Sie werden nebst den sie begleitenden verbalen Äußerungen in einem Beobachtungsprotokoll und in Standbildern dokumentiert. Im Anschluss daran werden in einem weiteren Beobachtungsgang darüber hinaus auch diejenigen Orts-, Ausrichtungs- und Blickrichtungswechsel der anderen Kursbeteiligten festgehalten, auf die sich die betreffende Teilnehmerin erkennbar bezieht. Auf der Grundlage dieser Daten wird dann im Vollzug der Analyse nach der Ordnung gefragt, die die Abfolge der dokumentierten Aufmerksamkeitsanzeichen zu erklären in der Lage ist. In den folgenden Ausführungen werden nicht die einzelnen Schritte der Analyse, sondern lediglich ihre Ergebnisse dargestellt:

Die Teilnehmerin, die im Folgenden Maysa genannt werden soll, betritt den Kursraum zu einem Zeitpunkt, als die meisten Teilnehmerinnen bereits mit dem Nähen begonnen haben. Noch bevor sie die Türschwelle überschreitet, begrüßt sie die Anwesenden mit einem „Hallo“. Die Kursleiterin und die zwei Teilnehmerinnen, die neben ihr sitzen, heben im Anschluss an diese Begrüßung ihren Blick und begrüßen die Eingetroffene ebenfalls mit einem freundlichen „Hallo“ (vgl. Abb. 1). Gleich nach dieser Begrüßung wenden sich die Kursleiterin und die beiden Teilnehmerinnen wieder ihren Tätigkeiten zu, begleitet von den Worten der Kursleiterin: „Setz dich hin“. Während Maysa beginnt, sich einen Platz zu suchen, spricht sie an, dass sie bislang nur einen für das von ihr verfolgte Nähprojekt wenig geeigneten Stoff organisieren konnte. Die Kursleiterin nimmt dies zur Kenntnis, geht aber nicht weiter darauf ein, sondern wendet sich wieder der Teilnehmerin neben ihr zu, der sie gerade die Verwendung der sogenannten „Overlock-Maschine“ erläutert.

Abb. 1
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Eintreffen im Kurs

Durch ihre Ankunft im Kursraum lässt Maysa erkennen, dass ihre Aufmerksamkeit bereits seit geraumer Zeit darauf gerichtet ist, an der Kurssitzung teilzunehmen. Ansonsten wäre ihr Eintreffen äußerst unwahrscheinlich. In dem Moment, als ihre Befassung mit dem Kurs für die anderen Kursbeteiligten wahrnehmbar wird, richtet die Eintreffende mit ihrer verbalen Begrüßung einen Appell an die Anwesenden, sich ihr zuzuwenden und persönlich Kontakt aufzunehmen. Nicht alle Kursbeteiligten kommen diesem Aufmerksamkeitsappell nach. Lediglich die Kursleiterin und die zwei Teilnehmerinnen, die neben ihr und damit der Eintreffenden gegenüber sitzen, befassen sich mit ihr. Obwohl sich nicht alle Beteiligten Maysa zuwenden, so steht sie in diesem Moment dennoch im Zentrum des Kursgeschehens. Nicht die Lernprozesse oder die Lernleistungen Maysas, sondern zunächst die Anerkennung ihrer Anwesenheit wird dabei zum zentralen Gegenstand. Diesen Auftakt ihrer Teilnahme hat Maysa durch ihre Art des Auftretens einerseits selbst provoziert, andererseits war sie zu seiner Realisierung auf die Mitwirkung anderer Kursbeteiligter angewiesen.

Die Erwartung der bereits im Kurs Anwesenden, dass es sich hierbei um ein vorübergehendes Ereignis im Teilnahmeprozess handelt, wird sowohl in der unmittelbar an die Begrüßung anschließende Wiederzuwendung der Teilnehmerinnen zu ihrer Näharbeit als auch in der Aufforderung der Kursleiterin erkennbar, sich zu setzen. Diese Aufforderung enthält zugleich eine ermöglichende und eine beschränkende Botschaft. Einerseits wird Maysa eingeladen, sich einen Ort im Raum zu wählen, von dem aus sie am Kurs dauerhaft teilnehmen kann. Andererseits wird sie gebeten, einen Platz einzunehmen, der nicht wie der jetzige schon von sich aus ein herausgehobenes Zentrum des Kursgeschehens darstellt. Maysa kommt der Erwartung der Kursleiterin nach, sich im Raum anders zu platzieren. Anstatt aber in den Hintergrund des Kursgeschehens zu treten, spricht sie für alle wahrnehmbar ein Problem an, das mit ihrer im Kurs zu realisierenden Näharbeit zu tun hat. Sie insistiert damit auf ihrer Erwartung, dass die anderen Kursbeteiligten sich mit ihr befassen. Sollte damit ein Appell an die Kursleiterin verbunden sein, sich ihr helfend zuzuwenden, wird dieser allerdings überhört.

Maysas Teilnahme am Kurs ist in dieser Situation einerseits geprägt von ihren Versuchen, Aufmerksamkeit für sich und ihr kursspezifisches Probleme zu erhalten. Andererseits kennzeichnet es Maysas Teilnahme, dass diese Versuche zwar kurzzeitig erfolgreich sind, dass die erreichte Zuwendung der Kursleiterin und eines Teils der anderen Teilnehmerinnen jedoch nur von kurzer Dauer ist.

Maysa holt sich nun aus einem Nebenraum eine dort befindliche Nähmaschine, stellt sie auf (vgl. Abb. 2a) und schließt sie an. Sie faltet den von ihr mitgebrachten Stoff auseinander (Abb. 2b) und begutachtet die unterschiedlichen Stücke. Eines davon nimmt sie und geht damit zum im Raum aufgestellten Bügeleisen, um es zu glätten. Sie spannt dann den Stoff in die Maschine und beginnt zu nähen (Abb. 2c). In der Hälfte der ersten Naht beugt sie sich für einen kurzen Moment vor und schaut in Richtung der Kursleiterin (Abb. 2d), die weiterhin an der Overlockmaschine beschäftigt ist. Danach näht sie weiter (Abb. 2e).

Abb. 2
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Eigenständiges Arbeiten

Nachdem Maysas Aufmerksamkeitsappelle wiederholt ins Leere gelaufen sind, befasst sie sich nicht länger damit, die Aufmerksamkeit anderer zu gewinnen. Statt dessen verfolgt sie nun konsequent die einzelnen Schritte, die notwendig sind, um mit dem Nähen beginnen zu können. Die anderen Kursbeteiligten sind weiterhin anwesend. Dies ist insofern bedeutsam, als dass diese zu jedem Zeitpunkt ihre Aufmerksamkeit auf Maysa richten könnten. Auch könnte Letztere damit beginnen, selbst zu beobachten, was die anderen tun, oder sie könnte erneut versuchen, gezielt deren Aufmerksamkeit zu erregen, zum Beispiel um Hilfe zu erbitten. Eine solche Bezugnahme anderer auf die Teilnehmerin realisiert sich allerdings nicht und eine Bezugnahme der Teilnehmerin auf andere realisiert sich nur für einen folgenlosen Moment. Der kurze Blick auf die Kursleiterin zu Beginn des eigentlichen Nähens kann als Prüfung verstanden werden, inwiefern diese möglicherweise nun zum gegebenen Zeitpunkt für eine Anleitung oder Hilfestellung verfügbar ist. Als diese sich weiterhin einem anderen Ausschnitt des Kursgeschehens zuwendet, insistiert Maysa allerdings nicht darauf, deren Aufmerksamkeit zu erlangen, sondern setzt ihre Beschäftigung mit dem eigenen Nähprojekt fort.

Für Maysa erweist sich die Teilnahme am Kurs in diesem Moment als gleichermaßen eigenständiges wie isoliertes Arbeiten. Die Abwesenheit von Anleitung ermöglicht es Maysa, nötigt sie aber auch dazu, gemäß ihren eigenen Vorstellungen an ihrem Nähstück zu arbeiten. Nicht der Austausch mit anderen und auch nicht angeleitetes Lernen, sondern selbständiges Arbeiten wird in dieser Phase des Geschehens zum wesentlichen Merkmal der Teilnahme.

Als die Kursleiterin ihre Erklärungen zur Overlock-Maschine beendet hat, steht sie auf und geht zu Maysas Arbeitsplatz. Noch bevor sie dort angekommen ist (vgl. Abb. 3a), fragt sie mit einiger Überraschung: „Was, was, was, was machst du da?“. Als sie bei Maysa eingetroffen ist, legt sie ihre Hände auf deren Schultern (Abb. 3b) und beugt sich über sie, um besser zu erkennen, woran Maysa arbeitet. Diese lässt ihre Hände in den Schoß sinken, schaut aber weiterhin auf den in der Maschine eingespannten Stoff (Abb. 3c). Während die Kursleiterin mit ihren Blicken den Stoff inspiziert, sagt sie „Halt, halt, halt, fang nicht irgendwas an“. Dann schaut sie Maysa an (Abb. 3d). Diese erwidert lachend: „Doch“.

Abb. 3
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Konflikt um die Ausgestaltung der Teilnahme

Mag bislang der Eindruck entstanden sein, die anwesenden Kursbeteiligten würden Maysa dauerhaft ignorieren, so erweist sich dieser nun als falsch. Die Abwendung der Kursleiterin von Maysa war eine vorübergehende. Sie dauerte eben so lange, wie diese noch in die Anleitung der Tätigkeit einer anderen Teilnehmerin involviert war. Als die Kursleiterin nun ihre Aufmerksamkeit wieder Maysa zuwendet, findet sie diese in einem Teilnahmemodus vor, den sie nicht erwartet hat.Footnote 3 Auf die dadurch geprägte unerwartete und dominierende Intervention der Kursleiterin reagiert Maysa zunächst, indem sie ihre Arbeit unterbricht. Da sie von der Kursleiterin an den Schultern festgehalten wird, bleibt ihr darüber hinaus auch nicht viel anderes übrig als weiterhin nach vorne auf ihr Nähstück zu schauen. Durch das Eingreifen der Kursleiterin wird sie sowohl in der Fortsetzung der aus ihrer Arbeit heraus entstehenden Aufmerksamkeitsbewegungen blockiert als auch daran gehindert, sich etwas anderem zuzuwenden. Maysa duldet zunächst diesen Eingriff in ihre Teilnahmegestaltung. Dass die Kursleiterin offenbar davon ausgegangen war, dass Maysa mit dem Nähen wartet, bis die Kursleiterin Zeit hat, sie dabei anzuleiten, verweist auf ein Teilnahmekonzept, das Selbsttätigkeit innerhalb weit engerer Grenzen vorsieht, als sie von Maysa bislang realisiert wurde. Als die Kursleiterin vor diesem Hintergrund nicht länger das behandelte Nähstück, sondern die Art und Weise der Teilnahme Maysas zum Gegenstand des Gesprächs macht, konzentriert sich nun auch Maysa auf die Teilnahmeerwartungen in diesem Kurs. Maysa zeigt sich an dieser Stelle allerdings keineswegs bereit, ihre – von denen der Kursleiterin abweichenden – Erwartungen zu revidieren, sondern beharrt auf ihrem Konzept einer von der Anleitung der Kursleiterin unabhängigen Teilnahme am Kurs.

Teilnehmen wird nun unerwartet zu einem Kampf um Anerkennung der zwar nicht unbedingt selbst gewählten, aber nun doch selbst erarbeiteten Unabhängigkeit im Umgang mit dem eigenen Nähprojekt.

Im Verlauf dieser kurzen Szene lösen sich drei sehr unterschiedliche Formen des Teilnehmens einander ab. Nach ihrem Eintreffen etabliert die hier näher betrachtete Teilnehmerin zunächst ihre Beteiligung am Kurs als gestaltendes Eingreifen in das Kursgeschehen. Sie versucht die Aufmerksamkeit der Kursbeteiligten zu lenken, wobei die Etablierung eines persönlichen Kontakts und das Besprechen individueller Problemstellungen zu den hauptsächlichen Gegenständen des Kurses erhoben werden. Als sich dieses Teilnahmekonzept aufgrund der schwachen Resonanz der anderen Anwesenden nicht dauerhaft durchsetzt, beginnt die Teilnehmerin ihr Teilnehmen als selbsttätiges Arbeiten auszugestalten. Die eigene Aufmerksamkeit wird auf die Abläufe der Realisierung eines Nähvorhabens gerichtet. Der Kurs wird als Infrastruktur der Realisierung dieser Näharbeit in Anspruch genommen, wobei die räumliche und technische Ausstattung, nicht aber die Anwesenheit einer Expertin und weiterer Näherinnen im Vordergrund steht. In dem Moment, als die Kursleiterin interveniert und deutlich macht, dass sie eine andere Form der Teilnahme an diesem Kurs erwartet, etabliert die Teilnehmerin eine dritte Form des Teilnehmens, bei der der Widerstand gegen Lenkungsansprüche der Kursleiterin im Vordergrund steht. Die Teilnahme ist nun geprägt durch die Fokussierung von Gefährdungen des eigenen Status als eine im Kurs autonom und kompetent handelnde Person.

In jeder dieser Formen der Teilnahme spiegelt sich eine spezifische, im Kurs realisierte Konfiguration von Aufmerksamkeitsbewegungen wider. Während am Anfang von Maysas Teilnahme die Gewinnung der Aufmerksamkeit der anderen im Vordergrund steht, rücken dann die Gegenstände und Handlungen ins Zentrum, mit denen Maysa während der Realisierung ihres Nähprojekts zu tun hat. Schließlich wird die Teilnahme dominiert durch die Befassung mit abweichenden Teilnahmeerwartungen der institutionell als kompetent und befugt ausgewiesenen Person.

4 Fazit und Ausblick

Anhand des hier gewählten Beispiels konnte beobachtet werden, wie im Kontext eines vergleichsweise flexibel gerahmten Kursarrangements drei sehr unterschiedliche Formen der Teilnahme als je spezifische Aufmerksamkeitskonfigurationen im Prozess des Teilnehmens entstehen und wie diese sich einander ablösen. Die Auswahl anderer Ausschnitte aus dem vielfältigen Geschehen der Erwachsenenbildung hätte andere Formen der Teilnahme und andere Dynamiken des Teilnehmens zum Vorschein gebracht.Footnote 4 Der vorangehend gegebene, natürlich nur äußerst bruchstückhafte (zeit-)mikroskopische Einblick verweist gleichwohl bereits auf eine große Bandbreite dessen, wie sich das Lernen Erwachsener im Prozess der Teilnahme realisiert. Abhängig von den jeweiligen Rahmungen des Kursgeschehens, von den je individuellen Teilnahmeerwartungen und schließlich von den sich von Moment zu Moment verändernden situativen Bedingungen gestalten Teilnehmende ihre Teilnahme als Zuwendung zu und Abwendung von bestimmten Aspekten des Kursgeschehens. Dabei erweisen sich die jeweiligen Teilnehmenden zwar als die zentralen Akteure ihrer Teilnahme; zugleich zeigt sich aber, dass das jeweilige Teilnahmehandeln nicht nur die im Kurs an die Teilnahme gestellten Erwartungen in Rechnung stellen muss, sondern dass es auch zu seiner Realisierung unverzichtbar der Mitwirkung anderer Akteure bedarf. Teilnehmen bewegt sich damit in einem Spannungsverhältnis zwischen der Gestaltung von, einer Nutzung der und des Bestimmt-Seins durch Konfigurationen der Zuwendung und Abwendung, der Beachtung und des Ignoriert-Werdens, der Eigenständigkeit und der Anleitung.

Jede der äußerst zeit- und kontextsensibel enstehenden Teilnahmeformen eröffnet spezifische Optionen des Lernens und der Aneignung und verschließt andere. Die Analyse der Dynamiken, in denen diese Teilnahmeformen entstehen, verweist insofern auf die Grenzen einer professionellen Beeinflussung der je individuellen Aneignungs- und Lernprozesse. Eine an erwachsenendidaktischen Prinzipien wie „Teilnehmerorientierung“ oder auch „selbstgesteuertes Lernen“ orientierte Kursgestaltung eröffnet zwar spezifische Möglichkeiten des Teilnehmens. Die Einlösung der damit verbundenen Eigenständigkeitserwartungen und -zumutungen realisiert sich jedoch erst im Vollzug der Teilnahme durch den jeweiligen Teilnehmenden selbst (vgl. auch Benner 2005).

Indem die hier vorgeschlagene prozessorientierte Teilnahmeforschung die Eigensinnigkeit der Teilnahme in den Mittelpunkt rückt, eröffnet sie die Möglichkeit, die Spektren des Teilnahmegeschehens zu erfassen, die in spezifischen didaktischen Arrangements auftreten, von spezifischen Teilnehmenden realisiert werden (vgl. zu Lerntypen auch Schrader 2008) oder sich angesichts spezifischer Formen des Kursleiterhandelns auffächern. Über die damit verbundene prozess- und differenzorientierte Aufklärung des Geschehens in Kursen hinaus erlaubt ein solcher Zugang auch Vergleiche mit Formen und Dynamiken der Teilnahme an anderen Settings des Lernens Erwachsener.