FormalPara Busse, S., Ehlert, G., Becker-Lenz, R., Müller-Hermann, S. (Hrsg.) (2016).

Professionalität und Organisation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 259 Seiten, 34,99 €

In der Literatur wird das Verhältnis von professionellem Handeln und Organisation seit jeher als spannungsreich beschrieben. Das Autonomiegebot professioneller Handlungslogik steht dem autonomieeinschränkenden Wesen von Organisationen diametral entgegen, heißt es vor allem seitens der Professionellen. Vor diesem Hintergrund macht der Titel des Buches: Professionalität und Organisation, neugierig. Stellt sich doch nach wie vor für alle diejenigen die sich mit Professionen und Organisationen auseinandersetzen die Frage, wie die Organisation professionellen Handelns angemessen und systematisch gelingen kann.

Die 12 Beiträge des Buches entstammen einer Tagung des Arbeitskreises „Professionalität in der sozialen Arbeit“, die im Dezember 2012 an der TU Dresden stattfand. Der Sammelband erscheint in der „Edition Professions- und Professionalisierungsforschung“. Die Edition versteht sich als Diskusforum, in dem Fragen von „Professionalität“ in der Sozialen Arbeit, Bildung, Erziehung und Gesundheit diskutiert und weiterentwickelt werden.

Den roten Faden des Bandes bildet die Auseinandersetzung mit Fragen nach professionellem Handeln in Organisationen. Unter anderem sind dies:

  • Inwiefern ist die allgemein unterstellte Dichotomie von professioneller und organisationaler Logik triftig?

  • Was sind „Ermöglichungsbedingungen professionellen Handelns“ und wie können diese als organisatorische Aufgabe verstanden werden?

  • Wie kann „wirkliche“ professionelle und organisationale Praxis Sozialer Arbeit rekonstruiert werden?

  • Welche Modelle können das Verständnis professionellen Handelns als „stellvertretende Krisenbewältigung“ erweitern?

Die versammelten Antworten in Form von Theorierezeption, Theorieentwicklung, Praxisreflexion und Best Practice Beispielen fallen erfrischend unterschiedlich aus. Gemeinsam ist ihnen, dass sie die kategorische Trennung in Organisation und Profession zu Gunsten einer unauflösbaren Verbundenheit von professionellem Handeln und organisationaler Logik auflösen. So verstanden können Organisationsfragen professionellem Handeln nicht äußerlich bleiben, sondern müssen jeden Professionellen der Sache nach interessieren. Organisation ist dann nicht gleich „das stahlharte Gehäuse der Bürokratie“ im weberschen Sinne, sondern Bedingung und Rahmung jeglichen professionellen Handelns. Das ein solches Organisationsverständnis in der Praxis sozialer Arbeit durchaus zu finden ist und an vielen Orten soziale Arbeit professionell organisiert wird, machen nicht zuletzt die vorgestellten Praxisbeispiele auf interessante Art und Weise deutlich. In diesem Sinne trägt der Sammelband dazu bei, die „Regel“: Profession ungleich Organisation zu hinterfragen und die Organisation der Bedingungen professionellen Handelns in den Fokus zu rücken.

In der Folge gerät die Sache der sozialen Arbeit als Profession in den Hintergrund. Mit Ausnahmen haben die vorliegenden Texte in der Gesamtschau eine organisationale Schlagseite. Dies ist überraschend und problematisch. Überraschend weil das Gegenteil den allgemeinen Erwartungen entsprechen dürfte. Problematisch weil die Balance zwischen Heteronomie und Autonomie mit Blick auf organisationale Notwendigkeiten und professionelles Handelns immer wieder aufs Neue austariert werden muss. Vor allem in der Praxis (sozialer Arbeit) bedarf es auf beiden Seiten gewichtiger Argumente. Neben der berechtigten Sorge vor Autonomieeinschränkung durch organisationale Rahmenbedingungen stellt sich aus der Perspektive der Organisation die Frage nach der Professionalisierungsbedürftigkeit und Professionalisierungsfähigkeit, nach dem Kern sozialer Arbeit. In diesem Zusammenhang ist auffällig, dass sich die Beiträge insgesamt stark an der oevermannschen Theorie professionalisierten Handelns „abarbeiten“, ohne überzeugende Alternativen zu entwickeln. Dem Balancehalten ist dies nicht förderlich. Vielmehr dürfte eine „innere Schwäche“ der sozialen Arbeit gerade nicht zur Gestaltung professionsadäquaten Rahmenbedingungen beitragen,sondern zur Dominanz der Gebote der Organisation. Folgt man dieser Argumentation stellt sich die unbequeme Frage, inwiefern soziale Arbeit an organisationalen Rahmenbedingungen leidet und inwiefern an sich selbst.

Aus professionalisierungstheoretischer Perspektive gibt der Titel des Sammelbandes hier bereits Antworten. Es heißt nicht: professionalisiertes Handeln und Organisation, sondern: Professionalität und Organisation. Anders als professionalisiertes Handeln, das auf eine Krise eines in seiner Handlungsautonomie eingeschränkten Subjekts antwortet, lässt sich Professionalität in jeder beruflichen Praxis finden. Die sich hier ausdrückende Tendenz der Selbstaufgabe des Kerns sozialer Arbeit wird durch die im Sammelband häufig genutzte Selbstbeschreibung sozialer Arbeit als „moderne Dienstleistung“ verstärkt. Nimmt man den professionalisierungstheoretischen Diskurs ernst, schließen sich Dienstleistungen und Arbeitsbündnisse aus. Erst die besondere Logik des Arbeitsbündnisses begründet ja besondere organisationale Notwendigkeiten. Würde dies auf soziale Arbeit nicht zutreffen, wäre sie genauso zu organisieren wie etwa Supermärkte, Autowerkstätten oder Transportunternehmen. Die besonderen Anforderungen der Profession sozialer Arbeit hätten sich in allgemeinen Fragen der Organisation „moderner Arbeit“ aufgelöst.

Fazit: Der Sammelband richtet sich an all diejenigen, die sich mit dem Verhältnis von Profession und Organisation im Allgemeinen und insbesondere mit der Organisation sozialer Arbeit befassen. Er führt in den heterogenen „State oft the Art“ der Professions- und Professionalisierungsforschung ein und expliziert mehr und weniger differenzierte Positionen. Folgerichtig steht am Ende der gewinnbringenden Lektüre kein einheitliches Bild, als vielmehr die Einladung zum weiteren Diskurs.