1 Einleitung

Neben der Arbeitslosigkeit und der massiven Zunahme von sogenannten Maßnahmekarrieren beim Übergang zwischen Schule und Erwerbsleben (Baethge 2008; Bildungsbericht 2008) zählt die trendartige Zunahme instabiler und flexibler Erwerbs- und Berufsverläufe zum zentralen Kernstück der Vermutungen über „neue“ Unsicherheiten am Arbeitsmarkt (Beck 1999; Blossfeld et al. 2006; Heinz 2003, S. 185–201; Sennett 2000). Kocka und Offe (2000, S. 11) formulieren die These zunehmender Flexibilisierung so: „Die Fluidität der Arbeitsverhältnisse nimmt zu. Lebenslange Tätigkeit in ein und demselben Beruf ist nicht mehr die Regel. Das ‚Normalarbeitsverhältnis‘ erodiert. Was der Arbeitskraft abverlangt wird, ist ‚Flexibilität‘. … Die Flexibilitätsforderungen richten sich auf Arbeitsort, Arbeitszeit, Arbeitsinhalt, Arbeitgeber, Arbeitsqualifikation und auch Arbeitseinkommen.“ Nicht nur die meisten Sozialwissenschaftler, sondern auch Politiker, Gewerkschaftler und Journalisten sind von der Richtigkeit der These der De-Standardisierung und abnehmenden Stetigkeit individueller Arbeitsbiografien überzeugt. Während aber das hohe Niveau an Arbeitslosigkeit und die Probleme beim Zugang zum Arbeitsmarkt ganz unbestritten sind, ist die Stichhaltigkeit der Flexibilisierungsthese im Sinne abnehnehmender Firmen- und Berufsbindung immer wieder in Zweifel gezogen worden. Kritiker dieser These bemängeln zum einen begriffliche und konzeptionelle Unschärfen dieser Zeitdiagnosen, zum anderen ihre fehlende empirische Untermauerung (Friedrichs u. Jagodzinski 1999; Fuchs 1999; Goldthorpe 2003; Brückner u. Mayer 2005). Empirische Befunde über Tendenzen des Wandels in diesem Bereich stehen häufig im Gegensatz zu den vorherrschenden Einschätzungen zunehmender Flexibilisierung (Erlinghagen 2004, 2005; Kurz et al. 2006; Grunow u. Mayer 2007).

In diesem Beitrag wollen wir in zweierlei Hinsicht zu dieser Debatte beitragen. Zum einen ist eine empirische Überprüfung nur dann erfolgversprechend, wenn aus der Vielzahl möglicher Flexibilisierungsaspekte, wie z. B. Arbeitslosigkeit, befristete Arbeitsverträge, sinkende Löhne, abnehmende Firmenbindung oder berufliche Kontinuität, jeweils einzelne Aspekte ausgewählt werden. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil Veränderungen in den genannten Aspekten nicht nur, wie häufig unterstellt, in die gleiche Richtung weisen können, sondern sich als alternative Reaktionen auf Wettbewerbsdruck auch wechselseitig substituieren können (DiPrete et al. 2006). Der von uns für diesen Beitrag ausgewählte Aspekt ist der Grad beruflicher Kontinuität und Diskontinuität. Zum zweiten wollen wir den Protagonisten der Flexibilisierungsthese entgegenkommen und die Möglichkeit offen lassen, dass sich zwar objektiv die behaupteten Trends nicht nachweisen lassen, aber subjektiv dennoch weithin geglaubt wird, Berufsverläufe seien zunehmend instabil geworden (Erlinghagen 2005, S. 148). Und wir würden in diesem Fall gerne einräumen, dass solche Überzeugungsmuster, zu deren Entstehung und Verbreitung nicht zuletzt auch sozialwissenschaftliche Zeitdiagnostiker beigetragen haben, vielleicht in ihren Folgen bedeutsamer sind als weithin unsichtbare Arbeitsmarktprozesse. Zu diesem Zweck untersuchen wir Befunde aus einer eigenen Querschnittsumfrage aus dem Jahr 2005. Während die Flexibilität von Berufsverläufen direkt an die Stabilität der Institution Beruf und die damit zusammenhängende zertifizierte Berufsfachlichkeit geknüpft ist, können subjektive Wahrnehmungen zur Berufssicherheit und beruflichen Flexibilität zumindest theoretisch von den institutionellen Aspekten der Beruflichkeit abweichen. Traditionell zeichnet sich das deutsche Berufssystem durch ein hohes Maß an Standardisierung beruflicher Abschlüsse aus, was die Erwerbsflexibilität im Sinne betriebsübergreifender Mobilität befördern sollte, die Flexibilität und Mobilität zwischen Berufen jedoch einschränkt (Kurz et al. 2006).

Wir konzentrieren uns in diesem Beitrag auf die berufliche Mobilität. Diese Beschränkung ist zunächst, wie oben argumentiert, eine Frage der Forschungsökonomik. Insofern werden auch unsere Schlussfolgerungen auf „berufliche Flexibilisierung“ im engeren Sinn begrenzt sein. Diese forschungspragmatische Eingrenzung hat aber inhaltliche und methodische Vorteile. Berufliche Wechsel lassen sich nicht nur eindeutiger messen, sie sind auch sehr viel seltener als Arbeitsplatz- oder Firmenwechsel (Mayer u. Schulze 2009, S. 144). Falls sich die berufliche Mobilität im Sinne der Flexibilisierungsthese erhöht haben sollte, ist dies für Individuen sehr viel gravierender und folgenreicher als temporäre Anpassungen durch Jobwechsel oder kurzfristige Zeiten von Arbeitslosigkeit. Aufgrund der verhältnismäßig langen Ausbildungszeiten in Deutschland stellt das Erlernen eines Berufs eine erhebliche Investition im Sinne von Zeit und Geld dar, was zur Stetigkeit beruflicher Verläufe beitragen sollte. Der berufliche Strukturwandel führt zwar insgesamt zu einem „upgrading“ der Qualifikationsstruktur, begünstigt aber in der Regel eher Berufsanfänger als Berufswechsler oder ist mit erheblichen zusätzlichen Ausbildungs- und Umschulungsinvestitionen verbunden. Berufliche Wechsel vor allem in frühen Stadien des beruflichen Werdegangs sind daher häufig als unfreiwillig einzuschätzen. Andererseits sind gelungene Berufseinstiege oft auch Sprungbretter für freiwillige berufliche Wechsel, wie z. B. der traditionelle Aufstieg aus Facharbeiterberufen in das mittlere Management.

In den letzten Jahrzehnten haben Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe ein gesteigertes Interesse an Beschäftigungsflexibilität gezeigt (Seibert 2007). Zentrale Aspekte dieser Entwicklung sind neben konjunkturellen Schwankungen in der Nachfrage nach Arbeitskräften vor allem das Schrumpfen ganzer Industriezweige durch Verlagerungen von Produktionsstandorten ins Ausland, das Wegfallen vieler manueller beruflicher Tätigkeiten durch Innovationen im Bereich der industriellen Produktion sowie Firmenrestrukturierungen mit dem Ziel der Reduktion von Personal. Es ist zu erwarten, dass dadurch erzwungene berufliche Wechsel häufig nach Erwerbsunterbrechungen erfolgen. Allerdings müssen indirekte berufliche Wechsel nicht immer unerwünscht sein. Es gibt starke empirische Belege dafür, dass berufliche Umorientierungen auch durch Motive der Selbstentfaltung bestimmt sein können, die durch Um- und Weiterbildungsangebote gefördert werden (Jacob 2004; Mayer u. Schulze 2009, Kap. 3 und 4).

Als erster Schritt ist es daher erforderlich, in der empirischen Analyse zwischen direkten und indirekten beruflichen Wechseln zu unterscheiden. Indirekte Mobilitätsereignisse (Beruf – Erwerbsunterbrechung – anderer Beruf) sind in der bisherigen Forschung kaum untersucht worden, was möglicherweise mit der Logik ereignisanalytischer Verfahren zu tun hat, primär direkte Übergänge zu analysieren.Footnote 1 Wir argumentieren jedoch, dass gerade die indirekten beruflichen Wechsel aus der Perspektive des Lebensverlaufs für unsere Fragestellung theoretisch besonders wichtig sind, da ein einmal erlernter und ausgeübter Beruf im Falle einer Erwerbsunterbrechung nicht einfach verloren ist. Einmal erworbene berufliche Abschlüsse sowie langjährige Berufserfahrung bleiben zentrale Qualifikationsmerkmale, dokumentiert in den Bewerbungsunterlagen von Arbeitnehmern. Die bindende Kraft des Berufs gilt gerade im deutschen System aufgrund der fachlich spezifischen und bundesweit gültigen Form der Zertifizierung als hoch. Die Frage, ob diese Bindungskraft auch nach Erwerbsunterbrechungen bestehen bleibt, die durch Arbeitslosigkeit, weitere Qualifikationsphasen und familienbedingte Auszeiten zustande kommen, ist von zentraler Bedeutung in der Diskussion über berufliche Unsicherheiten am Arbeitsmarkt. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sich aufgrund der Zunahme von Erwerbsunterbrechungen für die jüngeren Kohorten gegensätzliche Trends direkter und indirekter Berufsmobilität überlagern und damit unentdeckt bleiben, wenn sich in der Summe die Mobilitätsneigung nicht ändert.

Obgleich in der Debatte zur „Erosion der Normalarbeitsbiografie“ und zur Flexibilisierung des Arbeitslebens vornehmlich erzwungene Wechsel impliziert werden, muss man sich davor hüten, eventuelle Zunahmen beruflicher Mobilität umstandslos im Sinne erzwungener Wechsel zu interpretieren. Hier eröffnet sich dringlich die Frage nach den Mobilitätswünschen und subjektiven Mobilitätserfahrungen der Erwerbstätigen, denn ein eventueller Anstieg an beruflicher Mobilität ist ja in erster Linie dann als problematisch aufzufassen, wenn er mit einem Anstieg unerwünschter Mobilität einher geht. Ein Anstieg an ungewollter Mobilität am Arbeitsmarkt würde einen Anstieg an Beschäftigungsunsicherheit implizieren, und so könnte die Wahrnehmung von gestiegener Instabilität am Arbeitsmarkt, selbst bei entgegengesetzten „objektiven“ empirischen Befunden, erklärt werden (Erlinghagen 2005, S. 148). Andererseits ist es auch durchaus denkbar, dass Berufswechsel zunehmend erwünscht sind, und dass ein möglicher Anstieg beruflicher Mobilität einem Anstieg an gewünschten Wechseln geschuldet sein könnte. Obwohl es einleuchtet, in diesem Zusammenhang direkte Wechsel mit erwünschten und indirekte Wechsel mit unerwünschter beruflicher Mobilität gleichzusetzen, so wäre eine solche Interpretation vorschnell. Letztendlich kann nur eine direkte Befragung der Betroffenen selbst darüber Aufschluss geben, ob ein stattgefundener beruflicher Wechsel erwünscht oder ungewollt gewesen ist und ob sich Mobilitätspräferenzen über die Kohorten verändert haben. Daher ist es sinnvoll und wichtig, in die Debatte um gestiegene Unsicherheit und Instabilität am Arbeitsmarkt Auswertungen von subjektiven Wünschen und Wahrnehmungen einzubeziehen. Darüber hinaus hängt bei „objektiven“ Analysen die Einschätzung von vorliegender Stabilität oder Instabilität nicht zuletzt von der Definition und Messung der untersuchten Kategorien ab, liegt also zum Teil in der Hand der Forscher, die die Daten sammeln und analysieren (Struck et al. 2007, S. 298). Die Antworten auf die Fragen nach der wahrgenommenen Unsicherheit und nach dem von den Individuen gewünschten Grad an Stabilität in ihren Erwerbsverläufen hingegen sind immer authentisch. Es lässt sich weiterhin mit einer Analyse subjektiver Einstellungen und Wahrnehmungen besser einschätzen, ob Wünsche und Wahrnehmungen hinsichtlich Mobilität zwischen verschiedenen Kategorien des Erwerbslebens (betriebliche Wechsel, berufliche Wechsel etc.) variieren. In diesem Beitrag werden wir daher auch den Gründen vor allem indirekter beruflicher Wechsel nachgehen und subjektive Daten zur Erwünschtheit oder Nichterwünschtheit von Wechseln analysieren.

Im Folgenden stellen wir zunächst den Stand der soziologischen Forschung dar und diskutieren, inwiefern sichtbar werdende Widersprüche zwischen Vermutungen über abnehmende Berufsbindung und empirisch beobachteter Stabilität möglicherweise auf Probleme des Beobachtungszeitraums oder auf die Wahl der abhängigen Variablen zurückgeführt werden können. In einem zweiten Schritt legen wir ein neuartiges Analysemodell vor. Das Modell bildet individuelle Berufsmobilitätsprozesse aus der Lebensverlaufsperspektive ab, indem es Erwerbsunterbrechungen in den Berufsbiografien explizit berücksichtigt und deren Einfluss auf berufliche Wechsel kenntlich macht. Zur Anwendung kommt dieses Modell in einem langfristigen Kohortenvergleich der 1929 bis 1971 geborenen Jahrgänge der Deutschen Lebensverlaufsstudie. In einem dritten Schritt untersuchen wir die subjektiven Mobilitätswünsche und Mobilitätserfahrungen. Hierbei werten wir zunächst deskriptiv aus, ob sich die retrospektiv abgefragten Mobilitätswünsche zu Beginn der Erwerbskarriere und die bis dato gemachten Mobilitätserfahrungen in den Bereichen betrieblicher und beruflicher Mobilität sowie bezüglich Erwerbsunterbrechungen bei verschiedenen Altersgruppen unterscheiden. Wir analysieren im Anschluss mit multinomial-logistischen Regressionsmodellen, ob die Gruppe derer, die unerwünschte berufliche Mobilität oder Erwerbsunterbrechungen erfahren haben, bei den jüngeren Altersgruppen grösser ist als bei den älteren. Somit präsentieren wir neue Ergebnisse zu der offenen Debatte darüber, ob die mutmaßlichen Tendenzen abnehmender beruflicher Stabilität und gestiegener Erwerbsunterbrechungen erzwungen und erlitten oder vielmehr freiwillig und erwünscht sind. Abschließend stellen wir die Befunde beider Untersuchungen einander gegenüber.

2 Trends beruflicher Mobilität?

Der weitaus größte Teil der empirischen Arbeiten im Bereich der „Unsicherheits“-Forschung am Arbeitsmarkt stützt sich auf beobachtbare individuelle Mobilitätsprozesse, z. B. Firmenwechsel, Berufsmobilität sowie Übergänge in und aus Arbeitslosigkeit. Als besonders fruchtbar haben sich hierbei historische Kohortenvergleiche der Mobilitätsbewegungen auf dem Arbeitsmarkt erwiesen. Für Deutschland liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. Einerseits hat sich in einigen Studien gezeigt, dass sich die Rate von Arbeitsplatz- und Firmenwechseln in der frühen und mittleren Karrierephase in den letzten Jahrzehnten kaum verändert hat (Grunow 2006; Buchholz 2008; Fitzenberger u. Kunze 2005; Hillmert et al. 2004; Kurz et al. 2006). Andererseits gibt es Studien, die insbesondere eine Erhöhung der zwischenbetrieblichen Mobilität festgestellt haben. Beispielsweise interpretiert Struck auf Grund seiner Ergebnisse mithilfe der IAB-Beschäftigtenstichprobe für Westdeutschland, dass sich das Risiko des Arbeitsplatzwechsels von Mitte der 1980er Jahre bis Ende der 1990er Jahre erhöht habe – trendartig für längerfristige Jobs und nur am Ende der 90er Jahre für Jobs mit einer Dauer von unter 2 Jahren: „Betriebliche Beschäftigung wird instabiler. Zugleich erhöht sich jedoch die Wahrscheinlichkeit direkter Betriebswechsel. Die Instabilität betrieblicher Beschäftigung geht … nicht generell mit höherer Beschäftigungsunsicherheit einher“ (Struck et al. 2007, S. 304). Erlinghagen hat auf Grundlage der gleichen Datenbasis mit Cox Modellen Übergänge aus Beschäftigung für den längeren Zeitraum 1975 bis 1995 heraus analysiert und kommt im Vergleich der Arbeitsmarkteintrittskohorten 1975–1980 und 1986–1990 zu folgender Schlussfolgerung: „Weder nimmt die Arbeitsmarktmobilität generell zu, noch nimmt die Stabilität von neu begonnenen Beschäftigungsverhältnissen ab; auch eine zunehmende ‚Normalisierung‘ von Arbeitslosigkeitserfahrungen kann nicht nachgewiesen werden“ (Erlinghagen 2004, S. 161). Allerdings sieht Erlinghagen (2006, S. 386) im Vergleich der Arbeitsmarkteintrittskohorten 1983/84 und 1990/91 einige „Restrukturierungstendenzen“ z. B. zwischen Männern und Frauen und zwischen Altersgruppen. Die Widersprüche zwischen Struck et al. und Erlinghagen verweisen u. a. darauf, dass Trendaussagen auf Grund komparativ statischer Vergleiche und auf Grund konjunktureller Einflüsse für relativ kurze Zeiträume problematisch sein können. Diewald und Sill (2004) untersuchten mit Daten des SOEP, wie sich innerbetriebliche und zwischenbetriebliche Wechsel, untergliedert nach Auf- und Abstiegen, zwischen 1985 und 2000 verändert haben. Sie stellen bedeutsame Veränderungen erst ab 1997 fest: Abstiege bei Arbeitsplatzwechsel nehmen zu und innerbetriebliche Aufstiege nehmen ab.

Wie fruchtbar die Differenzierung von Mobilität am Arbeitsmarkt nach gewünschter und ungewünschter bzw. direkter und indirekter Mobilität ist, hat Hacket in ihrer Analyse von Chancen und Risiken von Betriebsmobilität für den Einkommensverlauf von Berufsanfängern deutlich gemacht (Hacket 2009). Da sie die Intentionen der Beschäftigten nicht direkt messen kann, operationalisiert sie nahtlose betriebliche Wechsel als freiwillige Übergänge und Betriebswechsel, die durch eine Phase der Arbeitslosigkeit getrennt werden hingegen als unfreiwillige Übergänge. Dies ist unserem Konzept von direkten und indirekten beruflichen Wechseln sehr ähnlich. Ihre Ergebnisse zeigen, dass freiwillige betriebliche Wechsel in der Regel zu Einkommensgewinnen führen, wohingegen unfreiwillige Betriebswechsel eher mit Einkommensverlustrisiken einhergehen.

Während aktuelle Studien insbesondere betriebliche Mobilität untersuchen, gibt es hingegen nur wenige Arbeiten zu Trends beruflicher Mobilität. Grunow und Mayer (2007) fanden, in Übereinstimmung mit anderen Arbeiten (Hillmert 2002), dass sich die Neigung von Beschäftigten, beruflich mobil zu sein, keineswegs erhöht hat. Deutlich über die Kohorten angestiegen sind jedoch Berufswechsel, die im Zusammenhang mit Erwerbsunterbrechungen stehen. Diese so genannten „indirekten“ beruflichen Wechsel sind seit den 1980er Jahren sowohl bei Männern als auch bei Frauen deutlich häufiger als früher (Grunow u. Mayer 2007).

Wir wollen an dieser Stelle nochmals unsere Fragestellung zuspitzen. Im Kontext der Flexibilisierungsdebatte untersuchen wir mithilfe retrospektiver Längsschnittdaten, wie sich die relative Stabilität in der Dauer von Berufszugehörigkeiten im Vergleich von sieben Kohortengruppen der zwischen 1939 und 1971 Geborenen verändert hat. Dabei unterscheiden wir sowohl zwischen Männern und Frauen als auch zwischen direkten und indirekten beruflichen Wechseln. Darüber hinaus untersuchen wir mithilfe einer Querschnittsstudie, wie sich erwünschte und erfahrene Mobilität im Hinblick auf Firmenwechsel, berufliche Wechsel und Unterbrechungen zwischen Karrierestadien und Altersgruppen unterscheiden, und ob sich daraus Hinweise auf einen Wandel in subjektiven Wahrnehmungen und Normen ableiten lassen. In dreierlei Hinsicht tragen wir damit dazu bei, vorhandene Forschungslücken zu schließen. Erstens ergänzen wir Studien zu innerbetrieblichen und zwischenbetrieblichen Arbeitsplatzwechseln um empirische Befunde zu Wechseln zwischen Berufen. Zweitens erweitern wir die Beobachtungsperiode. Die sonst verwandten Daten des IAB-Beschäftigungsregisters und des Sozio-ökonomischen Panels beschränkten die Analysen auf die 1980er und 1990er Jahre. Wir nehmen einen Zeitraum in Blick, der mit dem Arbeitsmarkteintritt der 1929 Geborenen beginnt und für den Jahrgang 1971 mit dem Jahr 2005 endet. Drittens fügen wir eine Untersuchung der subjektiven Wahrnehmungen und Erwartungen von beruflicher Mobilität hinzu.

3 Analyse von Berufsmobilitätsprozessen

3.1 Daten und Methoden

Für die Untersuchung beruflicher Mobilitätsprozesse nutzen wir den westdeutschen Teil der Deutschen Lebensverlaufstudie, die unter der Leitung von Karl Ulrich Mayer im DFG-Sonderforschungsbereich 3 und am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung durchgeführt wurde. Die Lebensverlaufsstudie enthält detaillierte monatliche Informationen zu Bildungs- und Erwerbsbiografien sowie zur Familiengeschichte der Befragten. Ausgehend von unserer Fragestellung liegt der groβe Vorteil dieses retrospektivFootnote 2 erhobenen Datensatzes in dem langen historischen Zeitraum, der in den Erwerbsdaten abgebildet wird; beginnend in den 1940er Jahren für die ältesten und endend in 2005 für die jüngsten Befragten. In unseren Analysen vergleichen wir die berufliche Mobilität von sieben Kohorten, die zwischen 1929 und 1971 geboren wurden. Die Befragungen fanden zwischen 1981 und 1983 (Kohorten 1929–31, 1939–41 und 1949–51), 1989 (Kohorte 1954–56 und 1959–60) und zwischen 1998 und 1999 (Kohorten 1964 und 1971) statt (Mayer 2008). Die jüngste Kohorte wurde 2005 ein weiteres Mal befragt (Matthes 2005; Mayer u. Schulze 2009).

In dem vorliegenden Beitrag beschränken wir uns auf Auswertungen der beruflichen Mobilität von Arbeitsmarkteinsteigern. Dies hat den methodischen Vorteil, dass nur eine Berufsepisode betrachtet wird und somit für alle Befragten die gleiche Karrierephase verglichen wird. Insofern dient diese Untersuchung auch der Validierung von Grunow und Mayer (2007), in der alle Berufsepisoden bis zum Alter von maximal 40 Jahren in die Analyse eingingen. Speziell betrachten wir die Dauer bis zum ersten beruflichen Wechsel, definiert als Veränderung in den 3-stelligen ISCO68-codes zur beruflichen Tätigkeit für die ersten acht Jahre im Berufsleben. Die 3-stellige ISCO68 Klassifikation unterscheidet 283 Berufsgattungen, die nach dem Prinzip der Ähnlichkeit der ausgeübten beruflichen Tätigkeiten klassifiziert werden (Wolf 1995). Diese Klassifikation erscheint uns als abhängige Variable besonders geeignet, da die klassischen Ausbildungsberufe und Studienrichtungen jeweils eigene Codes haben (z. B. Maschinenschlosser 841, Kraftfahrzeugmechaniker 843, Elektromechaniker 851, Friseure 570) und damit berufliche Wechsel zuverlässig erfasst werden. Gleichzeitig ist der 3-Steller relativ unempfindlich gegenüber berufsinternen Aufstiegen, sofern damit keine massiven Tätigkeitsveränderungen verbunden sind. Die Berechnung von Berufswechseln auf 2-steller Ebene (Modelle nicht abgebildet) führt zu geringeren Ereignishäufigkeiten, jedoch nicht zu inhaltlich anderen Ergebnissen als den hier gezeigten. Berufsmobilität, unser abhängiger Prozess, wird im Unterschied zu früheren Studien auf drei unterschiedliche Weisen gemessen. Zunächst berechnen wir Kaplan-Meier Survivalkurven, die zeigen, wie häufig Männer und Frauen in den unterschiedlichen Kohorten ihren ersten Beruf verlassen und einen anderen Beruf aufnehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob zwischen dem ersten und zweiten Beruf eine Erwerbsunterbrechung vorliegt oder ob es sich um einen direkten Wechsel von einem Beruf zu einem anderen Beruf handelt. Wir folgen hier einer Variante der Mobilitätsmessung, wie sie bereits in früheren Studien zur Anwendung gekommen ist (z. B. Hillmert 2002; Korpi u. Mertens 2003). In einem zweiten Schritt werden nur direkte berufliche Wechsel als Mobilitätsereignis betrachtet. In diesem Analyseschritt wird der Prozess im Falle einer Erwerbsunterbrechung von mehr als 2 Monaten „rechts zensiert“ (Blossfeld et al. 2007, S. 40). Die hier betrachtete berufliche Mobilität aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus könnte im Sinne von freiwilliger Mobilität verstanden werden (Hacket 2009), oder zumindest als Mobilität, die nicht unmittelbar aufgrund von Arbeitsplatzverlust oder fehlender beruflicher Anbindung an den Arbeitsmarkt stattfindet. In einem dritten Schritt analysieren wir Berufswechsel, die aus einer Erwerbsunterbrechung heraus stattfinden und somit eine Rückkehr in das Erwerbsleben darstellen. Wie bei den beiden vorherigen Berechnungen beginnt die Zeitachse mit der Aufnahme der ersten Beschäftigung, doch werden direkte berufliche Wechsel hier rechts zensiert.

Schließlich berechnen wir ein multivariates Exponential-Übergangsratenmodell, das zeitveränderliche periodenspezifische Informationen sowohl über Jobdauern, also die Verweildauer an einem bestimmten Arbeitsplatz oder einer bestimmten Firma als auch über Erwerbsunterbrechungsdauern enthält, die als Dummyvariablen ins Modell eingehen. Unsere Referenzkategorie sind Jobdauern von bis zu einem Jahr. Als Vergleichskategorien unterscheiden wir Jobdauern von 13 bis 24 Monaten, 25 bis 36 Monaten, 37 Monaten und länger sowie Erwerbsunterbrechungsdauern von 0 bis 6 Monate, 7 bis 12 Monate, 13 bis 24 Monate, sowie 25 Monate und länger. Dieses Verfahren ermöglicht es, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich die berufliche Stabilität mit zunehmender Erwerbsdauer erhöhen sollte, während die berufliche Stabilität bei Erwerbsunterbrechungen möglicherweise abnimmt. Da das Argument der Berufsbindung vor allem für Ausbildungsberufe gilt und sich hier über die Kohorten hinweg aufgrund der Bildungsexpansion große Unterschiede im Qualifikationsniveau ergeben, zeigen wir schließlich ein multivariates Exponential-Übergangsratenmodell, in dem wir die Art des erworbenen Schul- und Berufsabschlusses kontrollieren. Wir unterscheiden zwischen maximal Volks- oder Hauptschulabschluss ohne Berufsausbildung, Volks- oder Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung, Mittlerer Reife oder Abitur ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Mittlerer Reife oder Abitur mit Berufsausbildung und FH- oder Universitätsabschluss. Diese Informationen gehen als Dummyvariablen ins Modell ein, wobei Volks- oder Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung als Referenzkategorie dient. Alle Berechnungen werden für Männer und Frauen getrennt ausgeführt, da innerhalb und zwischen den Kohorten große geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen den Erwerbsverläufen von Männern und Frauen bestehen (Grunow 2006).

3.2 Ergebnisse des Kohortenvergleichs

Berufliche Wechsel sind verbreitet und, wie der Kohortenvergleich zeigt, kein neues Phänomen. Der „lebenslange Beruf“, wie ihn Kocka und Offe (2000, S. 11) für die Vergangenheit postulieren, war schon immer ein Mythos. Im Durchschnitt wechseln 41 % der männlichen und 38 % der weiblichen Berufseinsteiger im Laufe der ersten acht Erwerbsjahre ihren Beruf. Dieser Prozentsatz variiert über die Kohorten, dabei ist jedoch kein eindeutiger historischer Trend zu erkennen. Abbildung 1 zeigt, für Männer und Frauen getrennt, die kohortenspezifischen Survivalkurven von Berufsanfängern bis zu ihrem ersten beruflichen Wechsel. Auf der x-Achse ist die Dauer im ursprünglich aufgenommenen Beruf (in Monaten) abgetragen. Die y-Achse zeigt die Anteile der jeweils im Ursprungsberuf verbliebenen Berufsanfänger. Die Survivalkurven bilden zeitbezogen für jede Kohorte den Anteil derjenigen ab, die ihren Beruf (noch) nicht gewechselt haben. Je flacher der Kurvenverlauf, desto größer die berufliche Stabilität einer Kohorte. Zum Beispiel haben zwei Jahre nach Erwerbseintritt zwischen 14 und 19 % der Männer einen anderen Beruf aufgenommen, zwischen 81 und 86 % sind in ihrem Beruf verblieben. Bei den Frauen liegt die Mobilitätsneigung in diesem Zeitraum mit ca. 12 bis 17 % tendenziell niedriger. Wie der Kohortenvergleich zeigt, sind die Angehörigen der unterschiedlichen Geburtsjahrgänge in ähnlichem Umfang beruflich mobil. Bei den um 1955 geborenen Männern liegt die Mobilitätsneigung zeitweilig etwas höher als bei den übrigen Kohorten, sie gleicht sich nach sechs Jahren jedoch wieder an. Die Mobilitätsneigung der jüngsten (1971er) Kohorte liegt in etwa im Kohorten-Mittel.

Abb. 1
figure 1

Wechsel des ersten Berufs. (Quelle: Westdeutsche Lebensverlaufsstudie, eigene Berechnungen. Kaplan-Meier Survivorkurven)

Auch bei den Frauen liegen die kohortenspezifischen Survivalkurven durchgehend dicht beieinander. Insgesamt lässt die Darstellung in Abb. 1 darauf schließen, dass sich die berufliche Mobilität für die jüngeren Kohorten, entgegen der verbreiteten Erwartungen erhöhter beruflicher Instabilität heutzutage, nicht erhöht hat und schon gar nicht dramatisch im Sinne einer Trendwende. Dieses Ergebnis reiht sich ein in die zunehmende Zahl der empirischen Studien, die, entgegen den Erwartungen der Flexibilisierungsthese, keine eindeutigen Anzeichen für den Anstieg beruflicher Mobilität in den Karrieren jüngerer Kohorten finden. Wie weiter oben argumentiert ist dieses Ergebnis jedoch möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass wir es hierbei mit einem Maß zu tun haben, das berufliche Wechsel unterschiedlicher Qualität summarisch erfasst, wodurch sich qualitativ unterschiedliche Mobilitätsmuster überlagern könnten.

Aus diesem Grund spalten wir im Folgenden die Berufsmobilitätsprozesse auf in „direkte“ und „indirekte“ Berufswechsel (vgl. Grunow u. Mayer 2007). Die in Abb. 1 dargestellten Mobilitätsereignisse werden also im nächsten Schritt analytisch in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe von Berufswechseln, direkte Wechsel, werden aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis heraus vollzogen; in der Regel durch einen Jobwechsel von einem Monat zum anderen (mit maximal einem Monat in Unterbrechung; alle anderen Ereignisse werden rechts zensiert). Die zweite Gruppe von Mobilitätsereignissen, indirekte Wechsel, umfassen alle Berufswechsel, bei denen zwischen dem ursprünglichen Beruf und dem neuen Beruf eine Erwerbsunterbrechung von zwei Monaten und mehr liegt, z. B. bedingt durch Arbeitslosigkeit, eine weitere Berufsausbildung oder Phasen der Haushaltsführung. Hier werden direkte Berufswechsel rechts zensiert. Die Idee hinter dieser Unterscheidung von Mobilitätsereignissen ist, dass Erwerbsunterbrechungen über die Kohorten hinweg zugenommen haben und dass die berufliche Bindungskraft in solchen Unterbrechungszeiten möglicherweise schwächer wird. Beiden Arten der Mobilität kommt vermutlich auch eine unterschiedliche Qualität zu. Denn bei Menschen, die sich in einer Phase der Erwerbsunterbrechung befinden, ist der berufliche Veränderungsdruck höher als bei aktiv Erwerbstätigen.

Abbildung 2 zeigt die Survivalfunktionen für „direkte“ Berufswechsel. Hier zeigt sich für die Männer, dass die älteren Kohorten der um 1940, 1950 und 1955 Geborenen mobiler sind als die jüngeren Kohorten 1960, 1964 und 1971. Die Unterschiede sind, wie Berechnungen verschiedener Teststatistiken (Wilcoxon, Tarone-Ware und Peto-Peto) zeigen, für die 1971 Geborenen im Vergleich mit den 1940 Geborenen statistisch signifikant. Bei den Frauen findet sich ein ähnliches, jedoch ausgeprägteres Muster. Die um 1940 Geborenen sind deutlich direkt-beruflich mobiler als Frauen in den späteren Kohorten und auch hier ist der Unterschied zur 1971er Kohorte statistisch signifikant. Im Gegensatz zu der These, dass jüngere Kohorten heute beruflich mobiler seien als ältere Kohorten, belegt Abb. 2 also eher das Gegenteil.

Abb. 2
figure 2

Wechsel des ersten Berufs, nur direkte Berufswechsel (von Job zu Job). (Quelle: Westdeutsche Lebensverlaufsstudie, eigene Berechnungen. Kaplan-Meier Survivorkurven)

Die Abnahme der direkten beruflichen Wechsel bedeutet, dass junge Erwerbstätige heute und in den letzten ca. 30 Jahren seltener ihren ausgeübten Beruf zugunsten eines anderen Berufes aufgegeben haben als das in den frühen Karrieren der 1930, 1940 und 1950 Geborenen der Fall war. Interpretierte man diese direkten Wechsel als freiwillige Berufsmobilität, so hätte diese also abgenommen. Für die um 1930 und 1940 Geborenen kann dieses höhere Niveau der beruflichen Mobilität den Umbrüchen der Nachkriegszeit und den mit dem „Wirtschaftswunder“ eröffneten Chancen zugerechnet werden. Im Hinblick auf die niedrigere Mobilität der jüngeren Kohorten kann vermutet werden, dass infolge des „Fahrstuhleffekts“ erweiterter Bildungschancen die berufliche Allokation bereits in der, oder unmittelbar im Anschluss an die, schulische und berufliche Ausbildung erfolgt und in geringerem Maße im Verlauf des Arbeitslebens. Subjektiv sollte sich dies in einer Verringerung erwarteter Mobilität und einer Stabilität erwünschter Mobilität niederschlagen.

Die Abnahme direkter beruflicher Mobilität könnte freilich auch eine Folge der Zunahme von Erwerbsunterbrechungen in frühen Karrierephasen sein, beispielsweise durch den Anstieg von Arbeitslosigkeit. Diese Entwicklung wäre dann eine Folge veränderter Arbeitsmarktchancen, die berufliche Kontinuität erschweren oder ökonomisch unattraktiv machen. In diesem Falle würden wir in den Einstellungsmessungen keine Abnahme der subjektiven Mobilitätsbereitschaft erwarten.

Im nächsten Schritt betrachten wir aber zunächst die Kohortenveränderungen bei der indirekten Mobilität (Abb. 3). Die Erwartung hier ist eine Zunahme über die Kohorten, da Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Arbeitslosigkeit, Umschulungen und Mehrfachausbildungen häufiger geworden sind und weil zudem Frauen nach familienbedingten Auszeiten häufiger ins Erwerbsleben zurückkehren. Dargestellt sind für alle Berufsanfänger nur diejenigen Anteile beruflicher Wechsel, bei denen zwischen dem ursprünglich ausgeübten Beruf und dem anschließend ausgeübten Beruf eine Erwerbsunterbrechung von zwei Monaten oder mehr liegt. Hier ist der Trend über die Kohorten hinweg, in Übereinstimmung mit der Flexibilisierungsthese, praktisch umgedreht. Für die Männer und Frauen in den älteren Kohorten 1930, 1940 und 1950 sind die Verweildauern im ursprünglichen Beruf tendenziell länger als in den jüngeren Kohorten. Während zum Beispiel weniger als 10 % der um 1940 geborenen Männer und Frauen einen indirekten Berufswechsel in den ersten acht Berufsjahren berichten, liegt der Anteil in der jüngsten Kohorte der 1971 Geborenen mehr als doppelt so hoch. Fast jeder vierte Mann und jede sechste Frau dieser jüngsten Kohorten berichtet, in Folge einer Erwerbsunterbrechung in den ersten acht Berufsjahren beruflich mobil zu sein. Obwohl diese Kohortenunterschiede den Erwartungen der Flexibilisierungsthese durchaus entsprechen, finden wir jedoch keinen Hinweis auf eine deutliche Verschärfung der Mobilitätsentwicklungen von den mittleren zu den jüngsten Kohorten, also seit den 1990er Jahren. Dennoch bleibt festzuhalten, dass berufliche Wechsel für jüngere Kohorten häufiger in Verbindung mit einer Erwerbsunterbrechung stattfinden, als das bei den älteren Kohorten der Fall ist. Die Frage, ob es sich hierbei allein um unfreiwillige Mobilität (Hacket 2009) handelt, die der schlechteren Arbeitsmarktlage geschuldet ist, oder ob die hier beobachteten Mobilitätsmuster nicht auch teilweise erwünschte Mobilität repräsentieren, bei der der Wunsch nach beruflicher Veränderung zum Beispiel über die Aufnahme einer anderen Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung verwirklicht wird, ist Gegenstand der Analysen in Abschn. 4.

Abb. 3
figure 3

Wechsel des ersten Berufs, nur indirekte Berufswechsel (Job – Erwerbsunterbrechung – Job). (Quelle: Westdeutsche Lebensverlaufsstudie, eigene Berechnungen. Kaplan-Meier Survivorkurven)

Ein erstes Fazit, das sich aus diesen kohortenvergleichenden Analysen ziehen lässt, betrifft die wichtige Rolle, die Erwerbsunterbrechungen in den Lebensläufen jüngerer Generationen spielt. Wie sich aus früheren Untersuchungen ergibt, erfahren jüngere Kohorten mehr berufliche Unterbrechungen als ältere Kohorten. Der größte Teil dieser Unterbrechungen ist bedingt durch Arbeitslosigkeit (Buchholz 2008) und berufliche Mehrfachausbildungen (Jacob 2004) sowie für Frauen zusätzlich durch familienbedingte Auszeiten, etwa nach der Geburt von Kindern (Grunow 2006). Während diese Familienphasen für die um 1930 Geborenen dauerhaft zum Arbeitsmarktaustritt führten, sind in den jüngsten Kohorten knapp die Hälfte der Mütter drei Jahre nach der Geburt eines Kindes zurück im Berufsleben, wobei der weitaus größte Teil der Mütter in den alten Beruf, oder auf demselben beruflichen Prestigeniveau, zurückkehrt (Aisenbrey et al. 2009). Die Arbeitslosigkeit sank kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von 11 % (1950) auf unter 6 % (1955) und lag zwischen 1960 und den frühen 1970er Jahren bei unter 2 % (Statistisches Bundesamt). Seit Mitte der 1970er Jahre stieg die Arbeitslosigkeitsrate jedoch an und erreichte Mitte der 1980er Jahre einen neuen Höhepunkt von 9 %. Im Zuge der Wiedervereinigung und aufgrund eines leichten ökonomischen Aufschwungs sank die Arbeitslosigkeit kurzzeitig, stieg nach 1994 jedoch kontinuierlich auf über 10 % an. Einen neuen Höhepunkt von 13 % erreichte die Arbeitslosigkeit im Jahre 2005 (Bundesagentur für Arbeit 2010). Entsprechend dieser historischen Entwicklungen sind die Kohorten der um 1930, 1940 und 1950 Geborenen bei Berufseintritt in besonders geringem Maße von Arbeitslosigkeit betroffen gewesen und die Kohorten der 1960, 1964 und 1971 Geborenen in besonders starkem Maße. Auch Mehrfachausbildungen nach Arbeitsmarkteintritt sind über die Kohorten hinweg häufiger geworden (Brückner u. Mayer 2005, S. 39; zum Vergleich der 1964er und 1971er Kohorte, siehe Jacob 2004, für die 1971er Kohorte siehe Mayer u. Schulze 2009).

Betrachten wir die Gründe für Unterbrechungen in unseren Daten genauer, so zeigt sich, dass sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen der Anteil der Arbeitslosigkeitsepisoden bei den berichteten Erwerbsunterbrechungen über die Kohorten hinweg angestiegen ist. In den jüngsten beiden Kohorten liegt der Anteil der Arbeitslosigkeitsspells für Männer bei über 40 % bei den Frauen bei über 20 %. Bei den Frauen sind Erwerbsunterbrechungen in allen Kohorten anteilig vor allem familienbedingten Auszeiten geschuldet, zu denen neben Elternzeiten auch Pflegezeiten für Angehörige und Hausfrauenphasen gezählt wurden. Erneute Bildungsphasen als Grund für Erwerbsunterbrechungen sind besonders in den Kohorten 1955 und 1960 ausgeprägt. Sie sind für Männer bis zu diesen Kohorten der wichtigste Unterbrechungsgrund. Ausbildungsbedingte Unterbrechungen nehmen anteilig für die jüngeren Kohorten wieder ab.

In einem weiteren Analyseschritt betrachten wir, wie sich die Neigung beruflich mobil zu sein im Zeitverlauf verändert, und welche Rolle dabei Jobdauer oder Erwerbsunterbrechungsdauern spielen. Tabelle 1 zeigt Berechnungen des ersten beruflichen Wechsels innerhalb der ersten acht Jahre nach dem Arbeitsmarkteinstieg für Männer auf der Basis von Exponential-Regressionsmodellen. Wie sich in Übereinstimmung mit den weiter oben dargestellten Survivorkurven zeigt, verschwinden die Kohortenunterschiede zwischen den 1955 Geborenen und der Referenzkategorie der 1940 Geborenen (in Modell 1), sobald nach der Jobdauer oder der Dauer in Erwerbsunterbrechung kontrolliert wird (Modell 2). Für Kohorte 1971 im Vergleich mit Kohorte 1940 verhält es sich entsprechend anders herum. Interessant ist, dass die Neigung, beruflich mobil zu sein, erst drei Jahre nach Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses signifikant sinkt. Erwartungsgemäß deutlich höher ist das Mobilitätsrisiko nach Phasen der Nicht-Erwerbstätigkeit und zwar bereits innerhalb der ersten 6 Monate ohne Job. Es zeigt sich also, dass mit Erwerbsunterbrechungen eine deutlich erhöhte Mobilitätsneigung verbunden ist. Modell 3 zeigt, dass die Effekte für die Unterbrechungsdauer auch nach Kontrolle des Ausbildungsniveaus stabil signifikant bleiben. Die berufliche Mobilität ist bei Männern mit maximal Volks- oder Hauptschulbildung am höchsten, unabhängig davon, ob ein Berufsausbildungsabschluss erworben wurde. Realschulabsolventen und Abiturienten mit und ohne Berufsausbildung sowie Berufseinsteiger mit akademischem Abschluss sind im Vergleich weniger beruflich mobil. Die Erklärungskraft von Modell 3 ist gegenüber der Erklärungskraft von Modell 2 signifikant höher, wie ein Vergleich der Modelle mit dem Likelihood-Ratio-Testverfahren gezeigt hat. Beide Modelle stellen gegenüber dem Nullmodell eine signifikante Verbesserung dar. Das Verschwinden der Kohorteneffekte nach Kontrolle der Unterbrechungs- und Bildungseffekte deutet darauf hin, dass die beobachtbaren Kohortenunterschiede bei der individuellen Mobilität allein dem Anstieg der Erwerbsunterbrechungen für die jüngeren Kohorten geschuldet sind. Zudem zeigt sich, dass diejenigen mit niedriger Schulbildung mobiler sind als die Mittel- und Hochqualifizierten. Mobilitätsrisiken oder Mobilitätschancen sind innerhalb einer Kohorte also ungleich verteilt.

Tab. 1 Männer, Wechsel des ersten Berufs. (Quelle: Westdeutsche Lebensverlaufsstudie, eigene Berechnungen. Exponential-Regressionsmodelle)

Tabelle 2 zeigt die multivariaten Analysen analog für Frauen. Die Effekte für die Erwerbs- und Unterbrechungsdauern entsprechen denen der Männer (Modell 2). Die Bildungseffekte sind jedoch unterschiedlich (Modell 3): die Trennungslinie verläuft, anders als bei den Männern, nicht entlang des Schulbildungsniveaus. Stattdessen unterscheiden sich Frauen mit Berufsausbildungsabschluss durch eine höhere berufliche Stabilität von Frauen ohne Berufsausbildungsabschluss. Unter Frauen ist das Mobilitätsrisiko also höher, wenn kein berufsqualifizierender Abschluss erworben wurde. Auch hier verbessert die zusätzliche Berücksichtigung des Bildungsniveaus das Gesamtmodell noch einmal signifikant.

Tab. 2 Frauen, Wechsel des ersten Berufs. (Quelle: Westdeutsche Lebensverlaufsstudie, eigene Berechnungen. Exponential-Regressionsmodelle)

Insgesamt zeigt sich übereinstimmend mit unseren früheren Untersuchungen (Grunow u. Mayer 2007), dass sich die berufliche Mobilität für die jüngsten der von uns betrachteten Kohorten nicht generell erhöht hat. Es gibt keinen Trend zunehmender Berufsmobilität. Allerdings hat sich die berufliche Mobilität im Anschluss an Erwerbsunterbrechungen infolge von Arbeitslosigkeit, zusätzlichen Ausbildungen und familienbedingten Auszeiten für Frauen erhöht. Betrachtet man also berufliche Wechsel nach solchen Unterbrechungen allein, so haben diese trendartig zugenommen und sind für die jüngsten Kohorten am häufigsten. Bemerkenswert ist, dass das Risiko, beruflich mobil zu sein, innerhalb der Kohorten ungleich verteilt ist. Unter Männern sind es diejenigen mit maximal Volks- oder Hauptschulabschluss, die am ehesten ihren Beruf wechseln. Bei Frauen sind es diejenigen, die keinen berufsqualifizierenden Abschluss erworben haben. In beiden Fällen findet Mobilität vermehrt auf niedrigem Qualifikationsniveau statt. Diese Befunde legen die Frage nach der subjektiven Qualität beruflicher Mobilität nahe; das heißt, ist berufliche Mobilität primär eine unerwünschte Konsequenz von Arbeitsmarktunsicherheit und deshalb nach Bildungsniveau stratifiziert, oder ist die individuelle Neigung nach beruflicher Veränderung einfach höher, wenn weniger in die eigene Qualifikation investiert wurde und/oder die Erwerbsorientierung geringer ist? Die Frage nach der subjektiven Bewertung von Mobilität ist, wie weiter oben ausgeführt, ebenfalls zur Deutung der kohortenspezifischen Abnahme direkter Berufsmobilität und der Zunahme indirekter Mobilität essentiell. Stimmt die von Hacket (2009) und anderen vorgeschlagene Deutung, dass indirekte Mobilität unerwünscht ist und somit jüngere Kohorten vermehrt unerwünscht mobil sind? Diese Deutung entspräche auch der These von Erlinghagen (2005), Struck et al. (2007), Alda und Bartelheimer (2008), nach der sich eine abnehmende Stabilität von Berufskarrieren vornehmlich in spezifischen Segmenten und an den Rändern des Arbeitsmarktes vollziehe. Wie wir oben gezeigt haben (Abb. 4) sind indirekte Berufswechsel zumindest teilweise individuellen Mobilitätspräferenzen geschuldet. Diese Wechsel reflektieren für die jüngeren Kohorten den zunehmenden Trend, dass berufliche Neuorientierungen, anders als bei den älteren Kohorten, zunächst vermittelt über das Berufsausbildungs- oder Universitätssystem verlaufen, sodass Berufswechsel erst nach einer erneuten Qualifikationsphase folgen. Dieser Befund belegt, dass die Institution Beruf in den letzten sechzig Jahren an Bedeutung eher gewonnen als verloren hat. Teilweise können die beobachteten Mobilitätsmuster auch mit dem Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Frauen erklärt werden. Die folgenden Analysen zu den Wahrnehmungen und Erwartungen beruflicher Mobilität sollen die Frage nach erwünschter und unerwünschter Mobilität einer Antwort näher bringen.

Abb. 4
figure 4

Art der Erwerbsunterbrechungen nach Kohorte und Geschlecht. (Quelle: Westdeutsche Lebensverlaufsstudie, eigene Berechnungen)

4 Wahrnehmungen und Erwartungen beruflicher Mobilität

In unserem Beitrag sind empirische Befunde zu subjektiven Wahrnehmungen und Erwartungen beruflicher Mobilität in zweifacher Hinsicht von Interesse. Zum einen könnten objektive Daten zu Arbeitsmarktprozessen und subjektive Wahrnehmungen davon auseinanderklaffen. Es könnte also einen Widerspruch geben zwischen unserem obigen Befund der „historischen Stabilität beruflicher Stabilität“ und subjektiven Überzeugungen zunehmender Arbeitsmarktdynamik (vgl. dazu auch Erlinghagen 2005, S. 148). Zum zweiten haben unsere Analysen zu den Prozessen von Berufsmobilität die Frage aufgeworfen, ob die Zunahme an indirekter beruflicher Mobilität als ein Hinweis auf einen Anstieg an ungewollten beruflichen Wechseln interpretiert werden kann. Idealerweise sollten zur Beantwortung dieser Frage nach einem eventuellen trendartigen Anstieg ungewollter beruflicher Mobilität Längsschnittdaten herangezogen werden, die die Erwünschtheit eines beruflichen Wechsels direkt zum Zeitpunkt des Ereignisses messen. Um tatsächlich Trends über Zeit oder Kohorten festzustellen, wäre es weiterhin notwendig, Alters- und Periodeneffekte zu kontrollieren. Beispielsweise findet Erlinghagen mit einer Analyse von Daten des Sozio-ökonomischen Panels, in denen die Freiwilligkeit des Austritts aus einer Arbeitsstelle direkt gemessen wurde, zunächst einen Anstieg unfreiwilliger Betriebsaustritte zwischen 1985 und 2001. Unter Kontrolle von periodenabhängigen Konjunkturindikatoren verschwindet dieser signifikante Trend allerdings (2005, S. 157).

Die von uns im Folgenden ausgewerteten Querschnittsdaten zu subjektiven Wahrnehmungen von Mobilität enthalten keine direkten retrospektiven Angaben zum Timing oder zur Erwünschtheit von einzelnen spezifischen Mobilitätsereignissen. Es handelt sich vielmehr um eine einmalige Retrospektivbefragung mit Fragen nach Mobilitätswünschen zu Karrierebeginn und zu kumulativen Mobilitätserfahrungen bis zum Befragungszeitpunkt, bei variierendem Alter der Befragten. Wir müssen daher zum einen annehmen, dass die Angaben insbesondere zu Mobilitätserfahrungen nicht durch Erinnerungsfehler grob verzerrt sind.Footnote 3 Zum andern können wir in Bezug auf die Alterseffekte auf Grund der Forschungsliteratur unterstellen, dass betriebliche und berufliche Wechsel mit dem Alter abnehmen (Carroll u. Mayer 1986; Mayer u. Carroll 1987; Grunow u. Mayer 2007). Unter diesen beiden Annahmen kann geprüft werden, ob die Befunde dem erwarteten Muster bei einer trendartigen Zunahme subjektiv erfahrener Mobilität oder dem Muster von Kohortenstabilität entsprechen. Auch wenn daher die Frage nach einer eventuellen Zunahme ungewollter Mobilität am Ende nicht definitiv beantwortet werden kann, so können wir doch beschreiben, wie sich zu Karrierebeginn erwünschte und bis zum Befragungszeitpunkt erfahrene Mobilität im Hinblick auf Firmenwechsel, berufliche Wechsel und Erwerbsunterbrechungen zwischen Altersgruppen unterscheiden, und ob die Befunde eher mit der Stabilitätsthese oder mit der Trendthese kompatibel sind. Des Weiteren präsentieren wir eine Auswertung der erfahrenen Mobilität konditional zu den retrospektiven Mobilitätswünschen und untersuchen, ob Jüngere häufiger von unerwarteten beruflichen Wechseln oder Erwerbsunterbrechungen als Ältere berichten.

4.1 Daten und Methoden

Die von uns ausgewerteten Daten haben wir in einer repräsentativen Querschnittsstudie im Jahr 2005 im Rahmen eines von IPSOS durchgeführten Omnibus-Surveys gesammelt (Nitsche u. Mayer 2008). Es wurden 1 660 Personen in deutschen Privathaushalten im Alter zwischen 18 und 88 Jahren mit einer Antwortquote von 62 % befragt, sodass insgesamt Daten von 1 033 Personen erhoben werden konnten. Im Anschluss an teilweise identische Befragungen in Japan, Korea und Taiwan (Sato 2008) wurden fünf Aspekte von Erwerbsverläufen untersucht: Firmenwechsel, Berufswechsel, Erwerbsunterbrechungen, Selbständigkeit sowie Arbeitseinkommensverläufe. Für jeden dieser fünf Aspekte wurde gefragt, was zu Beginn des Berufslebens erwünscht wurde, was seit dem Beginn des Erwerbslebens erfahren wurde und was für das zukünftige Berufsleben einerseits erwünscht und andererseits erwartet wird.Footnote 4 In diesem Aufsatz beschränken wir uns auf die Auswertung der retrospektiven Angaben zu Firmen- und beruflichen Wechseln, sowie zu Erwerbsunterbrechungen. Wir begrenzen unsere Analysen weiterhin auf Personen, die zum Befragungszeitpunkt in den westlichen Bundesländern gelebt haben (N = 801), um die Vergleichbarkeit mit unseren Ergebnissen aus der Analyse der Berufsmobilitätsprozesse zu gewährleisten.

Bei der Auswertung der Befragung zu den Karrierewahrnehmungen waren wir insbesondere daran interessiert, ob die Gruppe derjenigen, die retrospektiv berichten, zu Beginn der Erwerbskarriere Stabilität gewünscht zu haben, dann aber von erlebter Mobilität berichteten, bei den Jüngeren größer ist als bei den Älteren (Nitsche u. Mayer 2008). Diese Gruppe bezeichnen wir als die der „ungewünscht Mobilen“. Drei weitere Gruppen können auf Basis der Fragen nach retrospektiven Mobilitätswünschen und berichteten Mobilitätserfahrungen unterschieden werden, wenn man die individuellen Antworten auf die Fragen nach vergangenen Präferenzen und bisher Erlebtem kombiniert: Die der „gewünscht Stabilen“, die der „gewünscht Mobilen“, und die mit Präferenz nach Mobilität und erlebter berichteter Stabilität, also die „ungewünscht Stabilen“. Um diese vier Gruppen miteinander zu vergleichen, bieten sich multinomial-logistische Regressionsmodelle an. Die Idee ist, die berichtete erlebte Mobilität konditional zu den bei Karrierebeginn bestehenden Mobilitätswünschen zu betrachten. Jenseits aller „objektiven“ Untersuchungen nach einem Anstieg von Mobilität am Arbeitsmarkt lässt sich so feststellen, inwiefern für unterschiedliche Altersgruppen die erlebte Mobilität in Einklang mit den Präferenzen steht.

Unsere abhängige Variable ist kategorial und zeigt an, ob die Person den ungewünscht Mobilen, den gewünscht Mobilen, den gewünscht Stabilen oder den ungewünscht Stabilen zugeordnet werden kann. Die Variable gibt es separat für beide der untersuchten Arbeitsmarktdimensionen, zum einen für berufliche Mobilität und zum anderen für Erwerbsunterbrechungen, sodass wir zwei getrennte Modelle berechnen. Wir kontrollieren für Bildung, gemessen als vier Dummy Variablen: 1) Schule abgebrochen und Hauptschulabschluss, 2) mittlere Reife und Abitur, 3) jegliche Art von Berufsausbildung und 4) FH-oder Universitätsbesuch. Die Gruppe derjenigen mit Berufsausbildung ist hier die Referenzgruppe. Weiterhin kontrollieren wir für Familienstand (verheiratet oder nicht verheiratet) und Anzahl der Kinder. Die unabhängigen Variablen von zentralem Interesse sind die Dummies für die Altersgruppen. Die Altersgruppen wurden relativ eng gefasst: 18–25 Jährige, 26–35 Jährige, 36–45 Jährige, 46–55 Jährige, 56–65 Jährige im Jahr 2005. Als Referenzkategorie fungieren Personen über 65 Jahren. Um die Kontraste der Altersgruppen als Trend interpretieren zu können, ist es notwendig, die Dauer der Arbeitsmarktbeteiligung zu kontrollieren. Jüngere haben kürzere Erwerbsbiographien und daher weniger Gelegenheit gehabt, Mobilitätserfahrungen zu sammeln. Ein echter Trend liegt nur dann vor, wenn nach Kontrolle von der verbrachten Zeit in Erwerbstätigkeit noch signifikante, monotone Unterschiede zwischen den Altersgruppen auftreten. Weil die exakte Dauer der Arbeitsmarktbeteiligung in der Umfrage nicht direkt abgefragt wurde, haben wir eine solche Kontrollvariable konstruiert. Wir nutzen dafür eine Variable, die das Jahr des Eintritts in den ersten Beruf misst und rekonstruieren daraus die Dauer von der ersten Erwerbstätigkeit bis zum Befragungsjahr. Personen, die nie erwerbstätig waren, können in den Daten identifiziert werden. Sie sind als missings codiert und daher nicht in den Regressionen enthalten.Footnote 5 Weiterhin haben wir pauschal alle Lebensjahre nach dem 65. Lebensjahr subtrahiert, um eventuell in Rente verbrachte Jahre nicht als Zeit am Arbeitsmarkt zu klassifizieren.Footnote 6 Während diese konstruierte Variable für die Erwerbsdauer den Eintrittszeitpunkt in den Arbeitsmarkt genau wiederspiegelt, fehlen jedoch jegliche Information zu Erwerbsunterbrechungen. Es ist daher anzunehmen, dass dieser Indikator aufgrund von möglichen Erwerbsunterbrechungen zur Kindererziehung für Frauen ungenauer ist als für Männer.

Um den unterschiedlichen Karriereverläufen von Männern und Frauen besser gerecht zu werden, haben wir die Modelle für die Geschlechter getrennt gerechnet. Als Basiskategorie haben wir die gewünscht Stabilen ausgewählt, sodass in den Modellen die anderen drei Gruppen mit dieser Basisgruppe kontrastiert werden, ähnlich einer Reihe von logistischen Regressionen. Für diesen Beitrag beschränken wir uns darauf, den Kontrast der ungewünscht Mobilen mit der Basisgruppe der gewünscht Stabilen vorzustellen. Alle Modelle wurden mit robusten Standardfehlern geschätzt.Footnote 7 Im Folgenden werden zunächst die deskriptiven Ergebnisse der Befragung vorgestellt. Anschließend fassen wir die Ergebnisse der multinominal-logistischen Regressionsmodelle zusammen.

4.2 Deskriptive Auswertungen der Karrierewahrnehmungen

Die Befragten wurden für die deskriptive Analyse in vier Altersgruppen eingeteilt: 18–25-Jährige, 26–39-Jährige, 40–55-Jährige und Personen über 55 Jahren. Für die Regressionsmodelle wurden die Altersgruppen etwas enger gefasst (siehe oben). Abbildung 5 und 6 zeigen die retrospektiv abgefragte erwünschte Stabilität zu Karrierebeginn und die bis zum Jahr 2005 erfahrene Stabilität hinsichtlich betrieblicher und beruflicher Wechsel und Erwerbsunterbrechungen für Männer und Frauen. Unter der Annahme von Alterseffekten, also unter der Annahme, dass Mobilitätsereignisse mit zunehmendem Alter seltener werden, kann erwartet werden, dass Ältere und mittelalte Altersgruppen in etwa ähnlich oft von beruflichen und betrieblichen Wechseln oder Erwerbsunterbrechungen berichten. Jüngere hingegen sollten aufgrund kürzerer Erwerbskarrieren noch weniger Wechsel erfahren haben, wenn keine Flexibilisierung am Arbeitsmarkt stattgefunden hat. Sollte das letztere jedoch der Fall sein, wäre zu erwarten, dass mit abnehmendem Alter auch die retrospektive Erfahrung von Stabilität abnehmen sollte. Bei gleichbleibenden Mobilitätswünschen sollte hingegen kein Unterschied zwischen den Altersgruppen bestehen, allerdings wiederum nur ungeachtet von Erinnerungseffekten.

Abb. 5
figure 5

Männer (Westdeutschland). Zu Karrierebeginn gewünschte Stabilität (retrospektiv) und berichtete erfahrene Stabilität nach Altersgruppen. (Quelle: IPSOS Befragung zu Karrierewahrnehmungen 2005, Daten gewichtet)

Abbildung 5 zeigt jedoch, dass der retrospektiv geäußerte Wunsch der männlichen Befragten nach betrieblicher und beruflicher Stabilität zu Karrierebeginn in den jüngeren Altersgruppen deutlich abgenommen hat. Es gibt ebenfalls eine deutliche Abnahme des Wunsches nach ununterbrochenen Erwerbskarrieren, jedoch zeigt sich, dass mit knapp 73 % auch noch eine große Mehrheit der jüngsten Männer eine Berufstätigkeit ohne Unterbrechungen präferiert. Die berufliche Stabilität wird retrospektiv insgesamt hoch eingeschätzt und liegt für alle Altersgruppen bei etwa 65 %. Die betriebliche Stabilität hat, mit Ausnahme der jüngsten Gruppe, klar abgenommen und liegt bei den 26–39-Jährigen nur noch bei 30 %. Die wahrgenommene betriebliche Stabilität hat also im Gegensatz zur wahrgenommenen beruflichen Mobilität abgenommen. Bemerkenswert ist, dass insbesondere im beruflichen Bereich die erwünschte Stabilität nur geringfügig höher ist als die subjektiv erfahrene. Dies spricht dafür, dass nur ein relativ geringer Anteil von beruflicher und auch betrieblicher Mobilität unerwünscht und unfreiwillig war. Ein anderes Bild zeigt sich allerdings bei den Erwerbsunterbrechungen. Eine kontinuierliche Erwerbsbeteiligung wurde von den drei jüngeren männlichen Altersgruppen wesentlich seltener erfahren als erwünscht. Die recht hohe Stabilität der jüngsten Gruppe ergibt sich sicherlich aufgrund der noch sehr kurzen Erwerbsbiografien.

Bei den Frauen zeigen sich hinsichtlich betrieblicher und beruflicher Mobilität ganz ähnliche Tendenzen (Abb. 6). Auch hier nimmt der retrospektive Wunsch nach Stabilität mit jüngerem Alter deutlich ab. Stabilitätserfahrungen im beruflichen Bereich sind sogar mit Ausnahme der jüngsten Gruppe knapp höher als bei den Männern. Auffällig ist auch, dass die Diskrepanzen von erwünschter und erfahrener beruflicher Stabilität nur sehr gering sind. Die beiden jüngsten, aber auch die älteste Gruppe der Frauen, hat zum Befragungszeitpunkt sogar knapp weniger berufliche Mobilität erfahren als erwünscht. Frauen wünschen sich kontinuierliche Erwerbskarrieren in allen Altersgruppen seltener als Männer, was sicherlich mit antizipierten Unterbrechungen für Betreuungszeiten für Kinder zu tun hat. Anders als bei den Männern hat aber bei den jüngeren Frauen der Wunsch nach kontinuierlicher Arbeitsmarktbeteiligung tendenziell zugenommen, was die verstärkte Erwartung der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen über die letzten Jahrzehnte wiederspiegelt. Ein klarer Alterstrend ist bezüglich der Diskrepanzen von erwünschten und erlebten Erwerbsunterbrechungen bei den Frauen im Gegensatz zu den Männern nicht erkennbar. Hier zeigt sich, dass die mittleren Altersgruppen deutlich mehr Erwerbsunterbrechungen erfahren haben als gewünscht. Bei den Diskrepanzen von gewünschter und erfahrener betrieblicher Mobilität hingegen verhält es sich umgekehrt, hier sind bei den mittleren Altersgruppen die Diskrepanzen nur minimal, während die ältesten Frauen deutlich weniger betriebliche Stabilität und die jüngste Gruppe deutlich mehr betriebliche Stabilität erfahren als erwünscht hat. So lässt sich zusammenfassen, dass die zugenommenen Erwerbsunterbrechungen bei Frauen zwischen 26 und 55 Jahren möglicherweise eher ungewollt sind. Eine Zunahme von unerwünschten beruflichen Wechseln lässt sich aber aus einer deskriptiven Sichtung der Daten nicht ableiten.

Abb. 6
figure 6

Frauen (Westdeutschland). Zu Karrierebeginn gewünschte Stabilität (retrospektiv) und berichtete erfahrene Stabilität nach Altersgruppen. (Quelle: IPSOS Befragung zu Karrierewahrnehmungen 2005, Daten gewichtet)

4.3 Anstieg unerwünschter Mobilität für jüngere Beschäftigte?

Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse multinominaler logistischer Regressionsmodelle für Männer, wobei Modell 4 berufliche Mobilität und Modell 5 Erwerbsunterbrechungen darstellt. Die Koeffizienten kontrastieren die ungewünscht Mobilen mit der Basisgruppe der gewünscht Stabilen. Es finden sich weder in Bezug auf Berufsmobilität (Modell 4) noch in Bezug auf Erwerbsunterbrechungen (Modell 5) signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Wir interpretieren dies dahingehend, dass es für Westdeutsche Männer keinen Trend zunehmender unerwünschter beruflicher Wechsel oder Erwerbsunterbrechungen zu geben scheint, wenn keine Erinnerungseffekte unterstellt werden und wenn für die Dauer der Arbeitsmarktbeteiligung kontrolliert wird.Footnote 8 Allerdings erhöht jedes am Arbeitsmarkt verbrachte Jahr die Odds in der Gruppe der ungewünscht beruflich Mobilen zu sein um 6 %. Dies bestärkt das Argument, dass berufliche Mobilität in erster Linie eine Funktion der Dauer der Erwerbskarriere ist und eben nicht in jüngeren Kohorten gehäuft auftritt. Um für eventuelle Nicht-Linearität zu kontrollieren, haben wir eine Variable für quadrierte Dauer am Arbeitsmarkt eingefügt, diese war jedoch in beiden Modellen nicht signifikant (Modell nicht gezeigt). Alle weiteren Kontrollvariablen sind in dem Modell für berufliche Mobilität nicht signifikant.

Tab. 3 Männer (Westdeutschland). Unerwünschte erfahrene Mobilität im Kontrast zu erwünschter erfahrener Stabilität. Odds Ratios. (Quelle: IPSOS Befragung zu Karrierewahrnehmungen 2005, eigene Berechnungen)

Auch in Bezug auf unerwünschte Erwerbsunterbrechungen (Modell 5) finden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Wenn nicht für die Dauer der Arbeitsmarktbeteiligung kontrolliert wird (Modell nicht gezeigt), erweisen sich die Altersgruppen-Dummies zwar als signifikant, was zunächst aussagt, dass Jüngere häufiger in der Gruppe derjenigen mit ungewünschten Unterbrechungen zu finden sind als Männer über 65 Jahren. Allerdings verschwinden diese Signifikanzen unter Hinzunahme der konstruierten Erwerbsdauer. Der Koeffizient für den Indikator der Erwerbsdauer ist demnach auch kleiner als 1, was darauf hindeutet, dass eine kürzere Dauer am Arbeitsmarkt mit unfreiwilligen Erwerbsunterbrechungen assoziiert ist, allerdings ist die Variable für die Erwerbsdauer nicht signifikant (Modell 5). Da die Dummies für die Altersgruppen zum Teil relativ stark mit der Erwerbsdauer korreliert sind, ist es denkbar, dass das Verschwinden der Signifikanzen in diesem Modell mit Mulitkollinearität zu erklären ist.Footnote 9 Daher möchten wir bei der Interpretation der Koeffizienten für Altersdummies und Erwerbsdauer im Modell 5 besonders vorsichtig sein. Weiterhin befinden sich verheiratete Männer um 49 % seltener in der Gruppe derjenigen mit ungewünschten Erwerbsunterbrechungen. Allerdings sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die zeitliche Reihenfolge von Mobilität und Heirat in unseren Daten offen bleibt. Einziger signifikanter Unterschied bei den Bildungsgruppen ist der, dass Männer mit Fachhochschul- oder Hochschulbildung zu über 80 %Footnote 10 seltener von ungewünschten Erwerbsunterbrechungen berichten als Männer mit Berufsausbildung. Dies steht in Einklang mit Erlinghagens Feststellung, dass ein höheres Qualifikationsniveau eine schützende Wirkung vor unfreiwilliger betrieblicher Mobilität hat (2005, S. 159).

Bei den Frauen zeigen sich ähnliche Ergebnisse (Tab. 4). Im Modell für die Berufsmobilität (Modell 6), gibt es keine signifikanten Altersgruppenunterschiede. Die konstruierte Variable für die Erwerbsdauer ist auf dem 10 %-Niveau signifikant, hier allerdings reduziert jedes zusätzliche Jahr auf dem Arbeitsmarkt die Odds in der Gruppe der ungewünscht Mobilen zu sein um 3 %. Einerseits deutet dies darauf hin, dass eine kürzere Erwerbsdauer mit unfreiwilligen beruflichen Wechseln assoziiert ist, andererseits sollte dieser Proxi für Frauen aus den oben erwähnten Gründen der Validität nur mit Vorsicht interpretiert werden. Wenn nicht für die Dauer am Arbeitsmarkt kontrolliert wird (Modell nicht gezeigt), vergrößern sich die Koeffizienten der Altersgruppendummies, bleiben aber bis auf die Gruppe der 46–55-Jährigen insignifikant. Für verheiratete Frauen ist das Risiko unerwünschter Mobilität um 58 % geringer als für die Unverheirateten. Dies könnte damit zu tun haben, dass sich verheiratete Frauen als Vollzeithausfrauen aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen können, anstatt einen ungewollten beruflichen Wechsel zu vollziehen. Für Frauen mit FH- oder Universitätsbildung ist die Wahrscheinlichkeit von ungewünschter beruflicher Mobilität betroffen zu sein im Vergleich zu der Referenzgruppe der Frauen mit Berufsausbildung um 85 % reduziert.Footnote 11

Tab. 4 Frauen (Westdeutschland). Unerwünschte erfahrene Mobilität im Kontrast zu erwünschter erfahrener Stabilität. Odds Ratios. (Quelle: IPSOS Befragung zu Karrierewahrnehmungen 2005, eigene Berechnungen)

Modell 7 zeigt, dass, mit Ausnahme der Gruppe der 46–55 Jährigen, auch bei den Frauen jüngere Altersgruppen nicht signifikant häufiger von unerwünschten Erwerbsunterbrechungen berichten als Frauen über 65 Jahren. Die Signifikanz der Gruppe der 46–55 Jährigen verschwindet allerdings im gewichteten Modell (nicht gezeigt). Wie im Modell zur beruflichen Mobilität senkt jedes am Arbeitsmarkt verbrachte Jahr die Odds von ungewünschten Erwerbsunterbrechungen um einen Faktor von 0,96. Für das Modell der Erwerbsunterbrechungen war auch die quadrierte Erwerbsdauer auf dem 10 %-Niveau signifikant. Da aber die Genauigkeit dieses konstruierten Indikators für Frauen fraglich ist, haben wir davon abgesehen, im endgültigen Modell für eventuelle Non-Linearitäten zu korrigieren. Auch die Bildungseffekte sind in diesem Modell signifikant. Frauen ohne Abschluss oder mit Hauptschulabschluss haben eine viermal so hohe Wahrscheinlichkeit unerwünschter Erwerbsunterbrechungen als Frauen mit Berufsausbildung.Footnote 12 Für Frauen mit Fachhochschul- oder Universitätsbildung hingegen ist diese Wahrscheinlichkeit um mehr als 80 % reduziert. Wie zu erwarten, erhöht sich für Mütter die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Erwerbsunterbrechungen deutlich. Die Odds in der Gruppe derjenigen mit unerwünschten Erwerbsunterbrechungen zu sein, steigen pro Kind durchschnittlich um den Faktor 2,04. Wir interpretieren die Modelle 6 und 7 dahingehend, dass es bei den Frauen keine generelle Tendenz zunehmender ungewünschter beruflicher Wechsel oder Erwerbsunterbrechungen jüngerer Altersgruppen gibt, wenn für die Erwerbsdauer kontrolliert wird und angenommen wird, dass keine Erinnerungseffekte vorhanden sind. Dennoch ist bei den Frauen eine kürzere Erwerbsdauer signifikant mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ungewünschter beruflicher Wechsel oder Erwerbsunterbrechungen assoziiert. Bei Abwesenheit von zunehmender Flexibilisierung wäre aber eigentlich zu erwarten, dass die Kontrollvariable Erwerbsdauer einen positiven Effekt auf die Wahrscheinlichkeit, ungewünscht mobil zu sein, hat, denn längere Erwerbskarrieren unterliegen ja aufgrund längerer Exposition am Arbeitsmarkt theoretisch einem höheren Risiko ungewünschter Mobilität. Auch ist die Gruppe der 46–55 Jährigen etwa doppelt so häufig von ungewünschten Erwerbsunterbrechungen betroffen wie die Referenzgruppe. Dies bedeutet, dass ungewünschte Mobilität im beruflichen Bereich und bei Erwerbsunterbrechungen bei jüngeren Frauen häufiger ist.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es einen deutlichen Wandel der Mobilitätsnormen zu geben scheint: Jüngere wünschen sich mehr Mobilität und weniger Stabilität.Footnote 13 Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind bei den Wünschen und berichteten Erfahrungen hinsichtlich betrieblicher und beruflicher Mobilität nur gering. Allerdings wünschen sich Männer seltener Erwerbsunterbrechungen als Frauen. Dabei nimmt aber unter den jüngeren Frauen der Wunsch nach kontinuierlichen Karrieren zu und nicht, wie bei den Männern, ab. Diese Interpretation der Daten zu den retrospektiven Wünschen nach Mobilität gelten allerdings nur unter der Annahme, dass keine oder nur geringe Erinnerungseffekte vorhanden sind. Sollten ältere Befragte sich nicht an ihre frühen Mobilitätswünsche erinnern können, oder jüngere Befragte einen Mobilitätswunsch auf Grund erfahrener Mobilität im Nachhinein empfinden, ohne dass er zu Beginn der Erwerbskarriere vorhanden war, wäre es durchaus möglich, dass kein oder nur ein sehr geringer Wandel stattgefunden hat.Footnote 14

Die Ergebnisse bezüglich der subjektiven Mobilitätserfahrungen deuten nicht auf einen generellen Anstieg von ungewünschter Mobilität hin. Bei den Männern konnten wir keinen Hinweis auf einen Anstieg ungewünschter beruflicher Mobilität finden; es sind im Gegenteil längere Erwerbskarrieren mit mehr ungewollten Wechseln assoziiert. Zu einem Trend bezüglich ungewünschter Erwerbsunterbrechungen können wir uns nur unter Vorbehalt äußern. Wir haben zwar Hinweise auf einen solchen Anstieg gefunden, jedoch ist das Ergebnis nicht signifikant und die Frage nach einem Anstieg an ungewünschten Erwerbsunterbrechungen bei den jüngeren Männern sollte letztendlich von zukünftiger Forschung abgeklärt werden. Bei den Frauen berichten einerseits nur die 46–55 Jährigen signifikant häufiger von ungewollten Erwerbsunterbrechungen, während für alle anderen Altersgruppen kein Hinweis auf einen Trend hin zu mehr ungewollten beruflichen Wechseln oder Erwerbsunterbrechungen vorliegt. Jedoch gibt es Hinweise darauf, dass kürzere Erwerbskarrieren bei den Frauen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit von ungewünschten beruflichen Wechseln und Unterbrechungen betroffen sind.

Wir sehen unsere Ergebnisse als starke Indizien dafür, dass auch die subjektiven Mobilitätserfahrungen der Trendhypothese in Bezug auf berufliche Mobilität eher widersprechen. Hier ergänzen und bestärken sich die Ergebnisse der Längsschnitt- und der Querschnittstudie: Insgesamt ist die subjektive berufliche Stabilität für jüngere Kohorten nur leicht zurückgegangen, und es scheint keineswegs einen Anstieg ungewollter beruflicher Mobilität zu geben. Dieses Resultat impliziert auch, dass indirekte Wechsel nicht unbedingt mit ungewollten Wechseln gleichzusetzen sind.

Die deskriptiven Grafiken deuten zwar darauf hin, dass ungewollte Erwerbsunterbrechungen bei den jüngeren Männern zugenommen haben, dieser Eindruck hat sich aber im multivariaten Modell nicht bestätigt. Dennoch lässt sich festhalten, dass berichtete Erwerbsunterbrechungen bei jüngeren Männern stark angestiegen sind. Auch dies bestätigt die Ergebnisse aus der Längsschnittanalyse zu Berufsmobilitätsprozessen und validiert die subjektiven Daten. Einzig bei den Frauen ist die konstruierte Dauer am Arbeitsmarkt negativ mit ungewünschter Mobilität assoziiert. Diese Variable spiegelt die tatsächliche Erwerbsdauer bei Frauen aber vermutlich nur schlecht wieder, sodass bezüglich der Frauen offen bleiben muss, ob jüngeres Lebensalter nicht doch mit einem leicht erhöhtem Risiko ungewünschter beruflicher Mobilität oder Erwerbsunterbrechungen assoziiert sein könnte.

5 Zusammenfassung und Schlussbetrachtung

Gegenstand dieses Beitrags ist die empirische Überprüfung populärer Thesen über eine dramatische Zunahme beruflicher Flexibilisierung. Behauptet und weithin geglaubt wird, dass Berufsverläufe unsicherer und unstetiger geworden sind, dass Arbeitsplatzwechsel häufiger sind, die Firmenbindung geringer geworden ist und der lebenslange Beruf verschwindet. Vor dem Hintergrund dieser Debatte wird in diesem Beitrag der längerfristige historische Wandel im Ausmaß beruflicher Mobilität sowie die subjektive Erfahrung beruflicher Mobilität untersucht. Wir stellen Befunde zur Kontinuität beruflicher Werdegänge Ergebnissen aus einer neueren Repräsentativbefragung zu subjektiven Mobilitätserfahrungen auf dem Arbeitsmarkt gegenüber. Damit sollte auch überprüfbar werden, ob sich die Popularität der Flexibilisierungsthese auf Daten zu subjektiven Erfahrungen beruflicher Mobilität stützen kann, auch wenn sie sich durch objektive Beobachtungen nicht bestätigen ließe.

Wir konzentrieren uns in dieser Untersuchung auf die längerfristige berufliche Mobilität und erheben daher nicht den Anspruch, die Flexibilisierungsthese in allen ihren Facetten abzubilden. Zum einen gibt es keine Alternative zur detaillierten Analyse jeweils einzelner Teilaspekte der Flexibilisierung. Ob überhaupt eine Generalisierung derart vorgenommen werden darf, dass alle Trends der Flexibilisierung – als Zunahme, Stabilität oder Abnahme – in die gleiche Richtung weisen, wird sich erst abschätzen lassen, wenn Untersuchungen zu einer hinreichenden Zahl von Flexibilisierungsaspekten über hinreichend lange Zeiträume vorliegen. Dies ist unseres Erachtens gegenwärtig nicht der Fall. Zum zweiten bringt die Beschränkung auf die berufliche Mobilität den Vorteil mit sich, eine relativ präzise These, nämlich die des „Endes des lebenslangen Berufs“, prüfen zu können. Diese sollte im Vergleich zu inner- und zwischenbetrieblichen Arbeitsplatzwechseln weniger stark konjunkturellen Schwankungen unterliegen. Zum dritten erscheint uns unerlässlich, einen längeren Zeitraum als die letzten 20 Jahre (wie z. B. des Beobachtungsfensters des Sozio-ökonomischen Panels oder der IAB-Beschäftigungsstichprobe) in die Untersuchung einzubeziehen, um keinen willkürlichen Konstruktionen einer stabileren gesellschaftlichen Vergangenheit aufzusitzen.

Unsere Analysen stützen sich auf den westdeutschen Teil der Deutschen Lebensverlaufsstudie für ausgewählte Jahrgänge der zwischen 1929 und 1975 Geborenen. Der Gesamtbeobachtungszeitraum erstreckt sich damit auf die Periode zwischen 1945 und 2005, umfasst also die unmittelbare Nachkriegszeit, die Zeit des „Wirtschaftswunders“ sowie die Zeiten geringen Wirtschaftswachstums und zunehmender struktureller Arbeitslosigkeit, unterbrochen vom kurzen Wiedervereinigungsboom zu Beginn und den IT-Boom zu Ende der 1990er Jahre. Ergänzt werden diese Daten durch eine ebenfalls selbst konzipierte und durchgeführte Querschnittsumfrage zu subjektiven Aspekten von Erwerbs- und Berufsverläufen aus dem Jahr 2005.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Ausmaß beruflicher Mobilität über die Kohorten der 1929 bis 1971 Geborenen keine Trendzunahme aufweist und insgesamt relativ stabil geblieben ist. Allerdings hat ein deutlicher Anstieg der Berufsmobilität nach Erwerbsunterbrechungen stattgefunden. Dieser Kohortentrend wird jedoch dadurch überlagert und kompensiert, dass direkte berufliche Wechsel aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus seltener geworden sind. In der Kombination dieser beiden Entwicklungen ergibt sich eine immer noch hohe Stabilität der beruflichen Mobilität insgesamt. Damit stellt sich umso dringlicher die Frage, ob wenigstens Daten zu subjektiven Mobilitätswünschen und -erfahrungen die These zunehmender beruflicher Flexibilisierung stützen. Solche Daten sind zudem für die Frage bedeutsam, ob die von uns konstatierte trendartige Zunahme indirekter beruflicher Mobilität nach Wechseln eher unerwünschte oder erwünschte berufliche Veränderungen wiederspiegelt. Wie wir oben ausführlich diskutiert haben, sind die Schlussfolgerungen zu Kohortenunterschieden in subjektiven Mobilitätserfahrungen weniger gut abgesichert, weil sie auf Querschnittsdaten beruhen.

Die erfahrene berufliche Stabilität wird von den westdeutschen Frauen und Männern retrospektiv insgesamt hoch eingeschätzt. Sehr hoch ist auch der Wunsch nach beruflicher Stabilität zu Beginn des Arbeitslebens. Allerdings zeigt sich hier ein deutlicher Wandel: der Wunsch nach beruflicher Stabilität (wie auch der nach betrieblicher Stabilität) hat mit den jüngeren Kohorten abgenommen. Bemerkenswert ist, dass insbesondere im beruflichen Bereich die erwünschte Stabilität nur geringfügig höher ist als die subjektiv erfahrene. Dies spricht dafür, dass nur ein relativ geringer Anteil von beruflicher und auch betrieblicher Mobilität unerwünscht und unfreiwillig war. Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt es im Hinblick auf den Wunsch nach kontinuierlichen Erwerbsverläufen. Insbesondere jüngere Frauen wünschen sich weniger Erwerbsunterbrechungen.

Wir finden also, dass es auch auf der Basis von subjektiven Mobilitätserfahrungen keine Hinweise auf eine trendartige Zunahme unerwünschter beruflicher Mobilität gibt. Allerdings scheinen sich die Mobilitätsnormen verändert zu haben: Jüngere wünschen sich mehr Mobilität und weniger Stabilität. Die Trendhypothese lässt sich also auch nicht mithilfe von Daten zu subjektiven Mobilitätserfahrungen belegen.

Diese Befunde begründen, erstens, jedenfalls im Hinblick auf die Dimension beruflicher Mobilität, erhebliche Zweifel an der These abnehmender Stetigkeit von Berufsbiografien (bis zu dem Geburtsjahrgang 1971 und bis zum Jahr 2005). Die Flexibilisierungsthese findet, jedenfalls für die von uns untersuchten Aspekte, keine empirische Unterstützung. Sie unterstreichen, zweitens, die Notwendigkeit neben objektiven Indikatoren beruflicher Mobilität auch die subjektiven Mobilitätspräferenzen und Unsicherheitserfahrungen der Menschen in den Blick zu nehmen. Drittens zeigt sich, dass sich die historischen Verschiebungen beruflicher Risiken und Chancen im 20. Jahrhundert erst mithilfe eines längerfristigen Kohortenvergleichs erkennen und deuten lassen.

Allerdings musste hier offen bleiben, ob sich ein zunehmender Flexibilisierungsdruck auf dem Arbeitsmarkt „unterhalb“ der Schwelle tatsächlich stattfindender Mobilität entwickelt hat und wie sich diese Veränderungen in anderen Bereichen, z. B. bezogen auf das individuelle Wohlbefinden oder die Arbeitszufriedenheit, auswirken. Zum einen betrifft dies ganz allgemein Aspekte des subjektiven Unsicherheitsempfindens von Arbeitnehmern, zum anderen werden individuelle Erwerbsbiografien auch in anderer Form „flexibilisiert“, z. B. durch die Vergabe befristeter statt unbefristeter Verträge (Gundert 2007; Mertens u. McGinnity 2005), Anforderungen an eine erhöhte räumliche Mobilität sowie zeitliche Flexibilität, etwa in Form von unbezahlten Überstunden und Mehrarbeit, Teilzeitjobs und Mehrfachbeschäftigungen.