1 Einleitung

Im Gegensatz zur großen Publikumsgesellschaft nach US-amerikanischem Vorbild mit breitgestreutem Anteilsbesitz fristen Familienunternehmen nach wie vor ein Schattendasein in der quantitativen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur. Bis heute überwiegt die von amerikanischen Wissenschaftlern vertretene Meinung, dass die „All American Corporation“ im Sinne von Berle und Means (1932) andere Unternehmens- und Organisationsformen dominiert: Eine strikte Trennung von Eigentum und Kontrolle soll alternativen Verteilungs- und Besitzverhältnissen im Hinblick auf Wachstum und Erfolg überlegen sein. Diese Überlegenheit sollte zu einer positiven Selektion dieser Governance-Strukturen führen und andere Unternehmensformen verdrängen. Neuere Untersuchungen aus den USA belegen, dass so eine Verdrängung nicht zu beobachten ist. Vielmehr lässt sich zeigen, dass ein großer Teil der Forbes 1000 oder des S&P 500 in Familienbesitz ist oder durch Familien kontrolliert wird (vgl. Miller und Le Breton-Miller2005; Anderson und Reeb2003) und es sich bei den größten Unternehmen mitnichten um Unternehmen mit breit gestreutem Aktienbesitz handelt, sondern um Familienunternehmen (z. B. Ford, Wal Mart). Allerdings handelt es sich hier nicht unbedingt um „klassische“ Familienunternehmen, wie sie bspw. in Deutschland vorherrschen. So genügt in der einflussreichsten Studie zur familiären Kontrolle von Unternehmen bereits ein durch eine Familie gehaltener Anteilsbesitz von 5 %, damit dieses Unternehmen als Familienunternehmen gilt (Anderson und Reeb2003). Ganz anders hingegen die Vorstellung und Existenz von Familienunternehmen in Kontinentaleuropa, insbesondere Deutschland. Hier stellen Familien den dominierenden Eigentümer dar, meist mit einer kontrollierenden und bestimmenden Mehrheit und dies über mehrere Generationen und Jahrhunderte hinweg (Redlefsen und Witt2006; Klein2000).

Mit diesen klassischen Familienunternehmen befassen wir uns in diesem Artikel. Insbesondere interessiert uns die Frage, ob und warum diese Unternehmen sich – wie oft behauptet – in ihrem langfristigen Erfolg von breit gestreuten Publikumsgesellschaften unterscheiden. Reine „Performance-Studien“Footnote 1 scheitern vielfach am Problem der Mess- und Vergleichbarkeit des Erfolgsmaßes: Da Familienunternehmen eine andere Zeitpräferenzrate aufweisen (vgl. Neumann1997, S. 27 f.), scheiden kurzfristige, periodische Gewinnmaße wie Aktienrenditen als Vergleichsmaßstab oftmals aus. Familien stellen als Großaktionäre oder Eigentümer keinesfalls einen monolithischen Block dar, wie bspw. Banken oder andere Unternehmen, sondern sind durch heterogene Interessen und Konflikte der Familienmitglieder gekennzeichnet, die zu Lasten des Unternehmens oder anderer Stakeholder (Tunneling) gehen können (vgl. Block2009, S. 76 ff.). Nichtsdestotrotz sind Wissenschaftler, Politiker und Praktiker daran interessiert, ob und wie sich Familienunternehmen von „Nicht-Familienunternehmen“ unterscheiden, wie sich diese Unterschiede feststellen lassen – und welche Erkenntnisse sich daraus gewinnen lassen. In einer aktuellen Übersicht über den Forschungsstand stellt Hack (2009) fest, dass sich Familienunternehmen nicht nur bezüglich ihrer Leitungs- und Kontrollstrukturen von anderen Unternehmen deutlich unterscheiden, sondern insbesondere auch hinsichtlich ihrer Strukturen, Strategien und ihres Umgangs mit Ressourcen. Eine der wenigen empirischen Arbeiten mit einem großzahligen Datensatz stellt in dieser Hinsicht Block (2009) dar. Er konzentriert sich im Wesentlichen nicht nur auf Performanceunterschiede von Familienunternehmen zu Nicht-Familienunternehmen, sondern auf Unterschiede in den Handlungen und Aktivitäten, wie Beschäftigungspolitik, Gehaltszahlungen und das Innovationsverhalten.

Diesen letzten Aspekt – das Innovationsverhalten von Unternehmen – untersuchen wir für 384 deutsche Unternehmen. Innovationen stellen eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende, Bedingung für den Erfolg und die Existenz von Unternehmen dar. Ohne fortwährende Innovationen werden Erfolge durch den Wettbewerb erodiert oder durch alternative Innovationen substituiert. Wir untersuchen, ob und inwieweit sich Familienunternehmen hinsichtlich ihrer Innovationsaktivität von „Nicht-Familienunternehmen“ unterscheiden. Dabei berücksichtigen wir multiple Dimensionen des Einflusses, welchen Familien auf Unternehmen ausüben, genauso wie Industriestrukturen und Rechtsformen. Unsere Studie folgt Untersuchungen zu familiengeleiteten Unternehmen, die sich hauptsächlich auf den Vergleich spezifischer Agency-Kosten von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen konzentrieren (Anderson und Reeb2003; Chrisman et al.2004). Witt (2008) argumentiert hier, dass das Zusammenfallen von Eigentum und Kontrolle gleichzeitig eine der größten Governance-Stärken als auch -Schwächen von Familienunternehmen ist. Diese stellen keinen monolithischen Eigentumsblock dar, sondern weisen vielfältige Probleme auf, die zu spezifischen Kosten führen: Altruismus gegenüber Kindern und Nachkommen, Interessenskonflikte zwischen dominanten Anteilseignern und Minderheitsaktionären, verschiedene Risikoeinstellungen und Zeithorizonte innerhalb von Familien oder schlichtweg „familiäre Konflikte“ – wie sie tagtäglich in den Medien zu verfolgen sind. Die spezifischen Kosten von Familienunternehmen lassen sich theoretisch auf die nichtvorhandene Trennung von Eigentum und Kontrolle zurückführen. So zeigen Koeberle-Schmid et al. (2009) für deutsche Unternehmen, dass sich die Kontrolle des Vorstandes durch den Aufsichtsrat positiv auf das Unternehmensergebnis auswirkt und die Intensität dieser Kontrolle mit der Anzahl von Familienmitgliedern im Aufsichtsrat steigt. Gleichzeitig stellen sie einen negativen Einfluss der Pflege von Familienbeziehungen durch den Aufsichtsrat fest. Es lassen sich die international festgestellten familienspezifischen Agenturkosten, sowie die Vorteilhaftigkeit familiärer Kontrolle auch für deutsche Unternehmen zeigen. Es erscheint uns demnach notwendig bei der Untersuchung des Einflusses familiärer Kontrolle nicht nur zwischen Kosten und Nutzen dieser Kontrolle, sondern auch nach der Art der Einflussausübung zu unterscheiden. Die zentrale Frage lautet, wie sich diese Eigenschaften von Familienunternehmen auf deren Innovationstätigkeit auswirken.

Im Gegensatz zu Block (2009, S. 94 f.), der das Innovationsverhalten anhand der Ausgaben für F&E bei US-amerikanischen börsennotierten Unternehmen bestimmt, greifen wir auf Patentdaten als Indikator für das Innovationsverhalten zurück. In Deutschland sind die wenigsten Unternehmen an der Börse notiert, so dass Angaben über die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung nur für eine geringe Anzahl von Unternehmen verfügbar sind und so eine Verzerrung hin zu börsennotierten Unternehmen vorliegt. Zudem verzerren unterschiedliche Rechnungslegungssysteme (insbes. IAS und USGAAP) die Daten. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Patente als zufriedenstellender Proxy für Innovationstätigkeit gelten können (Acs et al.2002) und mit ähnlichen Indikatoren wie z. B. den Ausgaben für F&E hoch korreliert sind (Greif und Schmiedl2006). Trotzdem stellen Patente nur einen eingeschränkten Indikator für die Innovationstätigkeit eines Unternehmens dar; ihre Verwendung als Indikator für Innovation ist nicht unumstritten (Czarnitzki und Kraft2010; Griliches1990; Griliches et al.1988) und stellt eine Einschränkung hinsichtlich der Interpretation und Verallgemeinerung der Ergebnisse dar.

Ein weiteres Problem empirischer Studien liegt in der Definition und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes „Familienunternehmen“ (vgl. Hack2009). So verdeutlicht insbesondere die Arbeit von Block (2009), dass die empirischen Ergebnisse nicht immer sehr robust sind und in hohem Maße von der zugrundeliegenden Definition von Familienunternehmen getrieben werden. Gerade für US-amerikanische Studien liegt hier in der Existenz des „One-Tier-Boards“ ein Abgrenzungsproblem vor, da nicht explizit zwischen einer reinen Kontrollfunktion und einer Funktion im Management unterschieden werden kann, sondern über den prozentualen Anteil von Familienmitgliedern an Insidern bzw. Outsidern im Board geschätzt werden muss. Zudem sind – anders als in Deutschland – Großaktionäre nicht immer im Board vertreten (vgl. zu einem Überblick Adams et al.2010). So ermittelt Block (2009, S. 94 ff.) einen positiven Einfluss der Eigentumskonzentration auf die Ausgaben für F&E, allerdings nur ab einer Höhe von ca. 30 % und darüber. Eine aktive Beteiligung der Familie im Management hingegen wirkt sich negativ auf die Bereitschaft in F&E zu investieren aus. Auch die Ergebnisse unserer Untersuchung weisen keine eindeutigen und robusten Effekte auf. Generell zeigt sich, wie bei Block (2009), ein negativer Effekt, wenn die Familie aktiv im Management des Unternehmens tätig ist. Der Eigentumsanteil einer Familie wirkt sich, weitgehend unabhängig von seiner Höhe, eher negativ auf das Innovations- bzw. Patentierungsverhalten aus. Interessanterweise und wie vermutet unterscheiden sich die Ergebnisse aber hinsichtlich der Trennung von Kontrolle und Management: Die Präsenz der Familie im Aufsichtsrat zeigt einen positiven Effekt auf.

Die Studie ist wie folgt gegliedert. Im nächsten Kapitel erfolgt eine kurze Darlegung der zentralen Argumente empirischer Studien, die für eine divergente Innovationsaktivität von Familienunternehmen sprechen. Im dritten Kapitel werden der Datensatz und die Variablen dargestellt. Empirische Ergebnisse, deren Interpretation und die Einschränkungen der Studie befinden sich im vierten Kapitel. Die Studie schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick für zukünftige Forschung in Kapitel 5.

2 Corporate Governance und Innovation in Familienunternehmen

Die Interaktion zwischen der Eignerstruktur und dem Verhalten der Geschäftsführung sowie die resultierenden Agency-Kosten, wie sie von Jensen und Meckling (1976) beschrieben werden, ist für Familienunternehmen ebenso relevant wie für andere Unternehmen. Familienunternehmen werden oftmals von Eignern in der Position des Vorstandsvorsitzenden, Geschäftsführers oder als Vorsitzende eines Aufsichtsgremiums geleitet. Demzufolge scheint in Familienunternehmen nicht die Trennung, sondern die Konzentration von Eigentum und Kontrolle das vorherrschende Agency-Problem darzustellen (La Porta et al.1999). Der Einfluss des Familienbesitzes auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ist Bestandteil zahlreicher Studien (Chaganti und Damanpour1991; Jacquemin und De Ghellinck1980; Lauterbach und Vaninsky1999; McConaughy et al.2001; Yammeesri und Lodh2004). Für Deutschland wurde eine höhere Profitabilität und eine günstigere Ertragsstruktur von Familienunternehmen (Lehmann und Weigand2000) sowie eine überlegene mehrdimensionale Effizienz dieser Firmen (Lehmann et al.2004) nachgewiesen.Footnote 2

Studien wie Anderson und Reeb (2003), Barontini und Caprio (2006) oder Audretsch et al. (2010) untersuchen die Erfolgswirkung solcher Governance Strukturen und kontrollieren gleichzeitig für eine übermäßige Kontrolle von Stimmrechten durch Familien in großen Unternehmen. Obwohl die beiden ersten Arbeiten zwar eine robuste positive, aber indirekte Verbindung von Familieneinfluss auf die Unternehmensleistung bestätigen, bleiben ihre grobkörnigen Indikatoren der Familienkontrolle wenig aussagekräftig. Vergleichbare positive Einflüsse familiärer Kontrolle existieren für deutsche Unternehmen (Koeberle-Schmid et al.2009; Audretsch et al.2010). Audretsch et al. (2010) verwenden eindeutige und direkte Werte für Familienbesitz, Familienkontrolle und Familienmanagement. Sie nutzen den Vorteil des gesetzlich vorgeschriebenen zweistufigen Führungssystems in Deutschland (Two Tier Board) und untersuchen den Einfluss der Komponenten von Familienunternehmen auf verschiedene Indikatoren der finanziellen Leistungsstärke. Sie finden robuste Belege, dass weder Familienbesitz noch Familienmanagement einen positiven Einfluss auf umsatzbasierte, eigenkapitalbasierte oder gesamtinvestitionsbasierte Kennzahlen haben. Gleichzeitig sind sie in der Lage zu zeigen, dass Familienkontrolle die einzig signifikante und positive Wirkungsvariable von Familieneinfluss auf Unternehmenserfolg ist.

Durch die Ausübung einer dominanten Position generieren Familieneigner private Vorteile und maximieren ihren Nutzen. Dies geschieht, indem sie Familienmitglieder in Management und Aufsichtsrat einsetzen und Unternehmenswerte an sich reißen (Tunneling) und sich so zu Lasten anderer Share- und Stakeholder bereichern (Bertrand und Schoar2006; Bloom und Van Reenen2007; Breton-Miller und Miller2009; Faccio et al.2001). Durch die Nutzung ihrer Kontrollrechte können diese Familieneigentümer nicht nur Positionen im Topmanagement mit Familienmitgliedern – ungeachtet derer Qualifikationen und Fähigkeiten – besetzen, sondern zusätzlich private Vorteile erlangen, z. B. durch überzogene Abfindungen. Der aktuelle empirische Forschungsstand legt nahe, dass die unzureichende Trennung von Eigentum und Kontrolle in Familienunternehmen nicht nur den kurzfristigen Erfolg, sondern auch die langfristige unternehmerische Ausrichtung beeinflusst (vgl. Hack2009).

Neben Studien zum direkten, kurzfristigen Erfolg von Familienunternehmen beschäftigt sich die empirische Forschung zunehmend mit der Untersuchung erfolgsrelevanter Unterschiede von Familienunternehmen und anderen Unternehmen. Hier ist insbesondere das Innovationsverhalten zu nennen, dessen Bedeutung für langfristige Rentabilität und das Wachstum eines Unternehmens unumstritten ist (Zahra1991,1996). Die wenigen bisher vorliegenden Studien lassen sich in zwei Kategorien teilen, deren Vertreter zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen gelangen. Eine Forschungsrichtung, die sich aus der interdisziplinären Forschung zu Familienunternehmen herleitet, interpretiert Innovationserfolg als die Summe variierender Kombinationen aus individuellen, organisatorischen und umweltbedingten Faktoren. Sie kommt zu dem Schluss, dass Familienunternehmen durch einen besonderenUnternehmergeist geprägt sind, der sie innovativer macht. Bei dieser unternehmerischen Grundhaltung geht es weniger um spezifische Produkt- oder Innovationsstrategien als um ein Phänomen auf Unternehmensebene, welches agressives, proaktives und risikobereites Verhalten beinhaltet (Talke2007). Eine zweite Gruppe von Studien beruft sich auf die Argumente der Corporate Governance und Corporate Finance. Ausgehend vom zentralen Argument der fehlenden Trennung von Eigentum und Kontrolle (Berle und Means1932; Fama und Jensen1983; Jensen und Meckling1976) sowie der unzureichendenDiversifikation der Eigentümer untersuchen sie die Einflüsse dieser Governance-Struktur auf die Risikoaversion, welche Innovationsverhalten moderiert. In dieser Forschungsrichtung existieren bisher nur wenige Studien (Aldrich und Cliff2003); unsere Untersuchung versteht sich als Beitrag zu dieser zweiten Forschungsrichtung. Die folgenden Abschnitte skizzieren zentrale Argumente beider Forschungsrichtungen und schließen mit untersuchungsleitenden Hypothesen. Allerdings lassen sich beide Konzepte und Forschungsstränge nicht eindeutig trennen, da Unternehmergeist einerseits und das Bestreben zur Diversifizierung andererseits über das Konstrukt der Risikoaversion zusammenhängen. Zudem – analog zum Problem der Erfolgsmessung – leiden sowohl die theoretischen Argumente als auch die empirischen Untersuchungen am Konstrukt „Familienunternehmen“, das sowohl Unternehmen in der ersten Gründergeneration – dem „Entrepreneur“ – umfasst, als auch solche, die sich bereits seit Generationen im Eigentum der Familie befinden.

2.1 Innovation und Unternehmergeist

Ein Teil der empirischen Literatur untersucht den Zusammenhang zwischen Unternehmergeist und Langfristorientierung und die Auswirkung auf das Innovationsverhalten von Unternehmen. Hierbei wird Familienunternehmen ein Vorteil gegenüber Nicht-Familienunternehmen unterstellt, der sich in einer stärkeren Förderung von Innovationen zeigen soll (vgl. Block2009, S. 96 f.).

Short et al. (2009) untersuchen die unternehmerische Orientierung (Habbershon und Pistrui2002; Chrisman et al.2005) von Familienunternehmen und stellen Unterschiede zwischen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen anhand mehrerer Dimensionen unternehmerischer Orientierung heraus. Mithilfe eines Datensatzes von 426 US-amerikanischen S&P 500 Unternehmen für die Jahre 2001–2003 zeigen sie empirisch, dass in Familienunternehmen eine stärkere unternehmerische Orientierung vorherrscht.

Dieser Unternehmergeist, der Familienunternehmen zugeschrieben wird, soll zu einer erhöhten Innovationstätigkeit führen. Aus der Gründungsforschung (vgl. Audretsch et al.2006) ist bekannt, dass Entrepreneure oftmals eine geringe Risikoaversion aufweisen und eher durch Overconfidence geprägt sind (vgl. Schade und Burmeister-Lamp2009). Einen solch positiven Effekt des Familieneinflusses auf die Innovationsaktivität eines Unternehmens belegen Aldrich und Cliff (2003), Rogoff und Heck (2003) oder Zahra (2005). Zahra et al. (2004) weisen nach, dass kulturelle Aspekte in Familienunternehmen einen stärkeren Einfluss auf den Unternehmergeist haben als in Nicht-Familienunternehmen. Diese stark familiär geprägte Unternehmenskultur sichert die Fähigkeit, eine Innovationsorientierung zu entwickeln und aufrecht zu erhalten (Hall et al.2001; Nordqvist et al.2008). Gleichzeitig lässt sich umgekehrt zeigen, dass Außenseiter (hier: Nicht-Familienmitglieder), eine innovationsfördernde strategische Ausrichtung von Unternehmen hemmen (Zahra1996), da sie unternehmerische Aktivitäten schlechter bewerten können als Insider (hier: Familienmitglieder) (Baysinger und Hoskisson1990; ebenso Hill und Snell1988).

Zahra (2005) untersucht anhand von 209 US-amerikanischen Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe des S&P 500 den Einfluss familiärer Beteiligung auf die Innovationsneigung von Familienunternehmen. Seine Erkenntnis ist: je mehr Generationen einer Familie aktiv am Geschäft beteiligt sind, desto größer das Gespür für Innovationen. Dadurch, dass Innovationen stark von der Kultur der Organisation beeinflusst werden, haben Familienunternehmen gegenüber Nicht-Familienunternehmen die Möglichkeit, von ihrer Langfristorientierung zu profitieren. Um aus diesem Vorteil einen Nutzenzuwachs zu generieren, müssen sie ihr ursprüngliches Innovationsverhalten beibehalten und über Generationen „vererben“ (Kellermanns et al.2008; Naldi et al.2007; Short et al.2009; Zahra et al.2004; Casillas et al.2010; Lawless und Anderson1996).

Block (2009, S. 94 ff.) interpretiert Aufwendungen für F&E einerseits als Ausdruck einer „entrepreneurial orientation“ (S. 96) und reiht sich damit in die oben zitierte Literatur ein und andererseits als Proxy für eine längerfristige Ausrichtung eines Unternehmens. Alleine durch den Charakter der Unsicherheit von Innovationsprojekten und der großen zeitlichen Verzögerung von Investitionskosten und rückfließenden Cash flows widerspräche dies einem myopischen Verhalten. Familienunternehmen mit einer unterstellten und charakterisierenden Langfristorientierung zeigen sich entsprechend innovativer.

Hypothese 1:

Familienunternehmen sind innovativer als andere Unternehmen

2.2 Innovation und mangelnde Diversifikation

Diversifikation garantiert in erster Linie die Streuung von Risiken. Für Familieneigentümer im Allgemeinen und Familienmanager im Speziellen ist die Diversifizierung nicht im selben Ausmaß möglich wie für Portfolioinvestoren. Die meisten Familieneigner haben einen großen Teil ihres Vermögens im Unternehmen investiert und bestreiten daraus ihren Lebensunterhalt. So existiert keine effektive Trennung zwischen dem persönlichen und dem ins Unternehmen investierten Vermögen. Daher ist zu erwarten, dass eine Abneigung gegen das Eingehen höherer Risiken vorherrscht. Da Innovationen stets mit einem Risiko verbunden sind, wird in Unternehmen mit familiärem Anteilsbesitz eine geringere Innovationsaktivität erwartet (Naldi et al.2007; Zahra2005). Sharma et al. (1997) unterstellen, dass Gründer von Familienunternehmen das Risiko des Misserfolgs unternehmerischer Wagnisse mit der möglichen Konsequenz der Vernichtung des Familienvermögens scheuen. Für kleine und mittelgroße Unternehmen in Schweden finden Naldi et al. (2007) heraus, dass Familienunternehmen verglichen mit Nicht-Familienunternehmen eine statistisch geringere Bereitschaft zur Risikoaufnahme aufweisen. Auch De Visscher (2004) weist darauf hin, dass Familien sehr kritisch gegenüber Risiken eingestellt sind und den Verlust der Unabhängigkeit bei einem möglichen Scheitern fürchten. Familienunternehmen sind eher bestrebt, die Existenz des Unternehmens zu sichern, eher geneigt in weniger riskante Projekte zu investieren (Schulze et al.2001) und halten traditionell an Geschäftsbereichen mit geringem Risiko und damit verbundener geringerer Rentabilität fest (Sharma und Manikutty2005). Morck et al. (2000) untersuchen das Innovationsverhalten kanadischer Familien- und Nicht-Familienunternehmen und verwenden F&E-Ausgaben, die später in ein Patent münden, als Maß für Innovation. Sie belegen, dass familiengeführte Unternehmen weniger für Forschung und Entwicklung ausgeben und Familienkontrolle zu weniger Patentanmeldungen führt.

Gleichzeitig ist die oben diskutierte „Vererbung“ von Unternehmergeist (Kellermanns et al.2008; Naldi et al.2007; Short et al.2009; Zahra et al.2004; Casillas et al.2010; Lawless und Anderson1996) keinesfalls ein Automatismus. Es liegen Argumente vor, dass Familienunternehmen im Zeitablauf dazu tendieren, konservativ zu werden und Risiken zu meiden (Autio und Mustakallio2003). Da Familienunternehmen zunächst an Bestandsschutz interessiert sind, gewichten Sie Risiken überproportional und sehen sich einem schwierigeren Rendite-Risiko-Zielkonflikt gegenüber (Carney2005; Schulze et al.2003; Short et al.2009). Zusätzlich verringert sich der Grenznutzen der Weiterführung der Unternehmung mit jeder weiteren Generation (dieses Phänomen ist als „Buddenbrook Syndrom“ bekannt (vgl. Neumann1997, S. 38 f.)). Dieser sinkende Grenznutzen geht mit einem geringeren Interesse an der aktiven Unternehmensführung und einer verringerten unternehmerischen Orientierung einher.Footnote 3

Hypothese 2:

Familienunternehmen sind weniger innovativ als andere Unternehmen

3 Datensatz, Variablen und Schätzmethode

Untersuchungen zu Familienunternehmen bedienen sich mehrheitlich einer willkürlichen und situativen Definition von Familienunternehmen. Unter den immer wiederkehrenden Merkmalen befinden sich die gegenseitige Abhängigkeit der Familienmitglieder (Dyer1964; Jaffe und Lane2004), Stimmrechte (Barnes und Hershon1994; Barry1989; Rue und Ibrahim1996), die Beteiligung der Familie im operativen Management (Heck und Trent1999; Alcorn1986), der Anteilsbesitz einer Familie am Unternehmen (Tagiuri und Davis1992; Giovannini2010) oder die Führung durch den Inhaber (Donckels und Lambrecht1999; Stern1986). Im Gegensatz zu anderen Variablen, wie beispielsweise der Börsennotierung, kann die Abgrenzung zwischen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen nur schwer mittels einer Dummy-Variablen getroffen werden.Footnote 4 Wir verzichten daher bewusst auf die Festlegung eines singulären Unterscheidungsmerkmals anhand eines Schwellenwertes. Stattdessen beziehen wir kontinuierliche Dimensionen des familiären Einflusses in unsere Untersuchung mit ein, die in der Lage sind, unterschiedliche Aspekte dieser Beeinflussung abzubilden.

Wir untersuchen das Innovationsverhalten von Familienunternehmen und berücksichtigen dabei unterschiedliche Industrien und Industriestrukturen. Unsere empirische Erhebung stützt sich auf einen Datensatz, der Bilanzdaten (2004) von 436 deutschen Industrieunternehmen beinhaltet. Die Stichprobe berücksichtigt Großunternehmen und KMUs gleichermaßen; der Banken- und Finanzsektor wird aufgrund der unzureichenden Vergleichbarkeit im Innovationsverhalten von der Untersuchung ausgeklammert, wenngleich gerade diese Branche durch einen hohen Anteil an Familienunternehmen besticht. Informationen über Innovationsaktivitäten, Eigentumsverhältnisse, familiäre Verbindungen und die Zusammensetzung der Leitungsorgane wurden manuell aus öffentlich zugänglichen Informationsquellen wie Onlinedatenbanken der BaFin, den jeweiligen Firmenhomepages, Jahresberichten und anderen Publikationen (Pressemitteilungen und Zeitschriftendatenbanken) zusammengetragen. Diese Daten wurden zusammengeführt um die uns interessierenden Variablen zu erhalten. Vom ursprünglichen Datensatz mussten 52 Unternehmen aufgrund fehlender Variablen entfernt werden, sodass 384 Beobachtungswerte für die empirische Analyse verbleiben.

Endogene Variable:

Um einen Näherungswert für das Innovationsverhalten von Unternehmen zu erhalten legen wir die Anzahl der Patente eines Unternehmens aus der Online-Datenbank des Deutschen Patentamtes zugrunde. Dabei verwenden wir als erklärende Variable die Anzahl der Patente pro Mitarbeiter (Patente je Mitarbeiter), die im Zeitraum zwischen 2000 und 2004 angemeldet wurden, sowie zusätzlich den bestehenden Patentbestand eines Unternehmens, um für die Pfadabhängigkeit im Innovationsverhalten zu kontrollieren. Die Anzahl angemeldeter Patente pro Mitarbeiter dient gleichzeitig zur Kontrolle für die Unternehmensgröße, da die Anzahl der Patente im Allgemeinen mit der Unternehmensgröße steigt. Die Verwendung eines gleitenden Durchschnitts für einen Fünf-Jahres-Zeitraum für die Patentanmeldungen soll einer möglichen Verzerrung durch den langwierigen Prozess der Patentierung und damit einer eher willkürlichen Allokation von Patenten in einzelnen Jahren vorbeugen.

Erklärende Variablen:

Zahlreiche Studien verwenden Familieneigentum als ausschließlichen Proxy für Kontrolle und vernachlässigen die Unterscheidung zwischen Unternehmen im Familienbesitz und Unternehmen, die durch Familienmitglieder geführt werden (Chrisman et al.2002; Chrisman et al.2004; Daily und Near2000; Jaskiewicz et al.2005; Lee2004; McConaughy et al.1998). Um eine exaktere Analyse über die Entscheidungsstruktur von Mitgliedern in Leitungsorganen bei Innovationen zu erhalten, schlägt Zahra (1996) die Unterscheidung in aktive und passive Mitglieder vor. Nur so könne deren Beteiligung und Einfluss getrennt voneinander gemessen werden. Wir folgen dieser Aufforderung, indem wir den Einfluss von Familienbesitz, Familienkontrolle und -management gesondert betrachten. Im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern ist in Deutschland das Kontrollorgan des Aufsichtsrates institutionell vom Organ der Geschäftsführung, dem Vorstand, getrennt. Dies ermöglicht es uns, diese Effekte zu isolieren. Entsprechend beziehen wir uns auf mehrere Variablen, die einerseits ein Familienunternehmen charakterisieren und andererseits einen unterschiedlichen Einfluss auf die Innovationsaktivitäten aufweisen können: den Familienbesitz (Unternehmensanteil in Familienbesitz (%)), die Familienkontrolle (Anteil Familie am gesamten Aufsichtsrat (%)) und das Familienmanagement (Anteil Familie am Gesamtvorstand (%)). Im Gegensatz zu US-amerikanischen Studien sind wir in der Lage, den Einfluss der Kontrolle (Aufsichtsrat oder Kontrollorgan) von jenem des Managements (Vorstand oder Geschäftsführung) direkt zu trennen. Da diese Variablen unterschiedliche Aspekte eines gemeinsamen latenten Konstrukts der Governance von Familienunternehmen abbilden, kann nicht von einer Unabhängigkeit dieser drei Variablen ausgegangen werden. Wir berücksichtigen dies einerseits durch alternative Schätzmodelle und andererseits durch die Einführung von Interaktionstermen, die es uns ermöglichen, die gemeinsame und spezifische Varianz der Variablen abzubilden.

Kontrollvariablen:

Die Innovationsaktivität in Unternehmen wird durch Einflussfaktoren bestimmt, die nicht in direktem Zusammenhang mit den vordergründig erklärenden Variablen oder in einer indirekten Wechselwirkung mit diesen stehen. So kontrollieren wir für industriespezifische Effekte (Maschinenbau,Elektronik, Technik, Nahrungsmittel, Bekleidungsindustrie und Papierindustrie). Damit tragen wir auch einem Nachteil der Verwendung von Patentdaten als Innovationsindikator Rechnung: den branchenspezifischen Unterschieden im Patentierungsverhalten (Griliches et al.1988; ebenso Schulze et al.2003). Zusätzlich kontrollieren wir für die Unternehmensgröße über die Mitarbeiterzahl (Anzahl Mitarbeiter), das Alter eines Unternehmens (Unternehmensalter (ln)) und über eine Notierung an der Börse (Börsennotierung).

Zur Schätzung des Einflusses der familienspezifischen Variablen auf die Innovationsaktivität verwenden wir einfache OLS-Schätzungen mit einem heteroskedastizitätskonsistenten Schätzer. Dabei verwenden wir sieben Schätzmodelle, die sich durch den unterschiedlichen Einbezug familienspezifischer Variablen unterscheiden. Alle Schätzmodelle weisen dieselben Kontrollvariablen (Branchendummies, Unternehmensalter, Unternehmensgröße, Börsennotierung) auf, divergieren aber nach der Berücksichtigung des Anteilsbesitzes der Familie (Modell 1), der Vertretung im Aufsichtsrat/Kontrollgremium (Modell 2), im Vorstand (Modell 3), der Interaktion von Anteilsbesitz der Familie mit der Vertretung im Aufsichtsrat/Kontrollgremium (Modell 4) und im Vorstand (Modell 5), der isolierten Berücksichtigung der Vertretung im Vorstand und Aufsichtsrat (Modell 6) und schließlich des Gesamtmodelles (Modell 7), in dem alle Variablen berücksichtigt werden.

4 Empirische Ergebnisse

Erste Ergebnisse der Studie liefert der Blick auf die deskriptiven Statistiken in Tab. 1. Die durchschnittliche Patentintensität über alle betrachteten Unternehmen liegt bei ungefähr 0,09 – also 9 Patente auf 100 Mitarbeiter, ein überdurchschnittlich hoher Wert. Dabei lassen sich in einem Mittelwertsvergleich (t-Test) keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen nachweisen. Der Anteilsbesitz von Familien mit durchschnittlich 29 % übersteigt bei weitem die Beobachtungen US-amerikanischer Studien. In ungefähr 12 % der betrachteten Unternehmen befinden sich Familienmitglieder im Vorstand oder im Top Management.

Mehr als ein Drittel aller einbezogenen Unternehmen (39 %) sind an der Börse notiert. Die typischen Branchen im Datensatz stellen der Maschinenbau mit fast 19 % aller enthaltenen Unternehmen, die Elektroindustrie mit etwas über 13 % sowie die chemische Industrie und die Metallverarbeitende Industrie mit jeweils über 11 % dar. Das durchschnittliche Alter der betrachteten Unternehmen liegt bei 82 Jahren, wobei sich hier Familienunternehmen im Vergleich der Mittelwerte zwar signifikant aber nur in geringem Maße von Nicht-Familienunternehmen unterscheiden. Das älteste Unternehmen im Datensatz existiert seit 610 Jahren. Die durchschnittliche Unternehmensgröße von 6.771 Mitarbeitern weist auf die Selektion besonders großer Unternehmen hin, allerdings mit sehr hoher Standardabweichung. So beschäftigt das kleinste einbezogene Unternehmen gerade 5, das größte weit über 400.000 Mitarbeiter. Auch hier zeigen sich zwar Unterschiede in den Mittelwerten, so liegt der Durchschnitt bei Familienunternehmen bei 5.820 und bei Nicht-Familienunternehmen bei 8.220, allerdings nicht statistisch signifikant von Null verschieden.

Die Korrelationskoeffizienten der wesentlichen Variablen untereinander sind in Tab. 2 dargestellt. Die höchste Korrelation weist der Eigentumsanteil der Familie mit dem Anteil der Familienmitglieder im Vorstand auf (r = 0,502), der sich auch als statistisch signifikant von Null verschieden zeigt. Dies belegt, dass ein großer Teil der Familienunternehmen ihren Einfluss über die Vorstandstätigkeit ausübt bzw. aktiv am Management des Unternehmens teilnimmt. Dies charakterisiert das klassische oder traditionelle Familienunternehmen, bei dem ein relevanter Teil der Eigentumsanteile im Familienbesitz ist und die Familie selbst das Unternehmen führt. Ebenfalls signifikant von Null verschieden, wenngleich nicht in derselben Höhe, zeigt sich die Korrelation zwischen dem Eigentumsanteil der Familien und dem Anteil der Familienmitglieder im Aufsichtsrat (r = 0,292). Interessanterweise zeigen beide Variablen zu Familienpräsenz in Leitungsorganen eine sehr geringe und nicht von Null verschiedene Korrelation auf. Dies könnte auf die Verfolgung guter „Corporate Governance“-Richtlinien in Familienunternehmen hindeuten.Footnote 5

Die Schätzergebnisse sind in Tab. 3 wiedergegeben und in sieben Teilmodelle untergliedert. Alle sieben Schätzmodelle gleichen sich im Einbezug der Kontrollvariablen. Im ersten Schätzmodell (Modell 1) wird zu den Kontrollvariablen nur der Eigentumsanteil der Familie als erklärende Variable einbezogen. Dieser Koeffizient weist einen signifikant negativen Wert auf (p < 0,001) und belegt unsere zweite Hypothese, wonach Familienunternehmen ein eher geringes Innovationsverhalten aufweisen. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen und könnte ein Indiz für die mangelnde Risikodiversifikation und daraus resultierendes risikoaverses Innovationsverhalten sein. Im nächsten Schätzmodell (Modell 2) wird der Einfluss der Familie im Aufsichtsrat hinsichtlich des Innovationsverhaltens isoliert getestet. Der prozentuale Anteil der Familienmitglieder im Aufsichtsrat zeigt sich dabei nicht statistisch signifikant von Null verschieden. Anders, wenn der Anteil der Familienmitglieder am Gesamtvorstand als erklärende Variable einbezogen wird (Modell 3). Hier zeigt sich erneut ein negativer Einfluss auf das Innovationsverhalten. Die Analogie zwischen dem ersten und dritten Modell ist im Rahmen der vorhandenen Korrelation der beiden erklärenden Variablen zu erwarten gewesen.Footnote 6 Dieses Ergebnis deckt sich mit vorliegenden internationalen Studien, welche mehrheitlich Eigentum als Proxy für Familienmanagement verwenden.

Da davon ausgegangen wird – und die deskriptiven Statistiken belegen dies – dass sowohl der Anteil der Familienmitglieder im Aufsichtsrat (oder Kontrollgremium) als auch im Vorstand mit einem Anteilsbesitz der Familie am Unternehmen verbunden ist, werden diese Variablen im folgenden als Interaktionsvariable berücksichtigt (Modelle 4 und 5). Neben dem Anteil des Eigentums der Familie, der wie zuvor statistisch signifikant und negativ in die Schätzgleichung eingeht, erweist sich der Anteil der Familienmitglieder im Aufsichtsrat als statistisch signifikant – allerdings mit positivem Vorzeichen. Unternehmen, bei denen die Kontrolle über Familienmitglieder im Aufsichtsrat erfolgt, weisen eine höhere Patentintensität auf. Führt man diese Schätzung mit dem Anteil der Familienmitglieder im Vorstand, also dem aktiven Management, durch, zeigt sich wie zuvor ein negativer Einfluss. In Modell 6 sind beide institutionellen Machtebenen – Vorstand und Aufsichtsrat – berücksichtigt, ohne expliziten Einbezug des Familienanteils. Hier zeigt sich kein statistisch signifikanter Einfluss durch den Aufsichtsrat, während der Einfluss der Familie im Vorstand nach wie vor negativ bleibt.

In Modell 7 werden schließlich alle Variablen berücksichtigt. Wiederum weist sich die Auswirkung des Anteilsbesitzes der Familie als signifikant (negativ) auf die Patentintensität aus, während der Anteil der Familie im Aufsichtsrat einen signifikant positiven Effekt auf die Patentintensität auszuüben scheint.

In allen sieben Schätzungen geben die Kontrollvariablen ein sehr homogenes Bild wieder. Es können keine Unterschiede hinsichtlich der Unternehmensgröße – gemessen an der Zahl der Mitarbeiter – und des Alters eines Unternehmens belegt werden. Die Vermutung, dass größere Unternehmen eine höhere Patentintensität aufweisen als kleinere, findet in diesem Datensatz keine Bestätigung. Interessant hingegen ist das in allen Schätzmodellen konsistente Ergebnis, dass sich die Börsennotierung nicht signifikant auf die Patentintensität ausübt. Die Notierung an der Börse ist mit einer – mehr oder weniger großen – Streuung der Anteile auf mehrere Eigner verbunden. Dadurch wird das Risiko der unternehmerischen Entscheidungen auf mehrere Schultern verteilt mit der Konsequenz, dass höhere Risiken (mit höheren erwarteten Erträgen) eingegangen werden können. Demzufolge müsste bei diesen Unternehmen ein signifikant positives Vorzeichen erwartet werden. Dies scheint für den vorliegenden Datensatz nicht der Fall zu sein. Die Branchenvariablen zeigen den erwarteten Effekt auf die Patentintensität. Während im Maschinenbau die Patentintensität signifikant höher ist als in der Kontrollgruppe weisen die Nahrungsmittelindustrie, die Bekleidungsindustrie oder die Papierindustrie eine signifikant geringere Patentintensität auf. Die Schätzgleichungen weisen ein adjustiertes Bestimmtheitsmaß mit einem Erklärungsgehalt von ungefähr 5 % auf, vergleichbar mit anderen Studien auf der Basis von Querschnittsdaten.

In allen Schätzungen aber zeigt sich, dass letztendlich der Eigentumsanteil einer Familie ausschlaggebend für die Innovationsaktivität eines Unternehmens ist. Der Kanal der „Machtausübung“ von Entscheidungen oder der Einfluss auf das Innovationsverhalten zeigt sich in unseren Daten als signifikant. In Unternehmen mit aktiver Beteiligung der Familienmitglieder im Vorstand können wir einen signifikant negativen Effekt auf die Patentintensität feststellen. Dieser Befund zeigt sich auch in den Ergebnissen von Block (2009, S. 94 ff.) für US-amerikanische Unternehmen.Footnote 7 Hierbei könnte es sich um die „klassischen“ Familienunternehmen mit aktiver Beteiligung der Familie im Unternehmen – mit all ihren eingangs skizzierten Vor- aber auch Nachteilen handeln. Im Gegensatz dazu scheint ein Teil der Familienunternehmen über die Kontrolle im Aufsichtsrat geführt zu werden, diese weisen eine signifikant höhere Patentintensität auf. Die geringe Korrelation zwischen Präsenz im Vorstand und im Aufsichtsrat lässt darauf schließen, dass ein Teil der Eignerfamilien sich auf die Rolle des Kontrolleurs konzentriert. Der signifikante und positive Einfluss könnte darauf hinweisen, dass es sich bei diesen Unternehmen um eine Art „Familien-Portfoliounternehmung“Footnote 8 handelt.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung deutscher Unternehmen sind mit den theoretischen Erkenntnissen der Corporate Governance Forschung (Jensen und Meckling1976; Demsetz1983) und den empirischen Ergebnissen zur Governance von Familienunternehmen nur teilweise vereinbar (De Visscher2004; Morck et al.2000; Naldi et al.2007; Schulze et al.2001; Sharma und Manikutty2005; Sharma et al.1997; Zahra2005). Jene Studien belegen, dass eignergeführte Unternehmen aufgrund mangelnder Diversifikation und einer geringen Trennung von Eigentum und Kontrolle risikoaverser handeln als managergeführte Unternehmen mit diversifizierten Anteilseignern. Für die vorliegende Untersuchung deutscher Familienunternehmen kann dies so nicht bestätigt werden. Familienkontrollierte Unternehmen (Präsenz im Aufsichtsrat) weisen sogar eine signifikant höhere Patentaktivität auf. Dies spricht für die Argumentation der Forscher, die den positiven Einfluss des familiären „Unternehmergeists“ auf das Innovationsverhalten eines Unternehmens untersuchen (beispielsweise Casillas et al.2010; Kellermanns et al.2008; Lawless und Anderson1996; Naldi et al.2007; Short et al.2009; Zahra et al.2004). Die Isolation der Effekte des Familieneigentums, Familienmanagements und der Familienkontrolle führt so zu einer differenzierten Aussage über die Innovationstätigkeit in Familienunternehmen. Insbesondere lässt sich feststellen, dass neben dem Ausmaß familiärer Beteiligung die Art der Einflussnahme durch die Familie ein wichtiger moderierender Effekt ist.

Eine geringere Innovationsaktivität darf aber nicht als grundsätzliche Innovationsfeindlichkeit gewertet werden. Die Ergebnisse decken sich vielmehr mit weitläufigen Aussagen und Beobachtungen, wonach Familienunternehmen ein Garant wirtschaftlicher Beständigkeit sind. Die geringere Innovationsrate kann – ebenso wie die oft kolportierten geringeren Schwankungen in Unternehmensergebnis und Anzahl der Beschäftigten (vgl. Block2009, S. 133 ff.) – als ein Indiz für diese Beständigkeit gewertet werden. So stellt Kock (2007) im Rahmen einer Metaanalyse über den Zusammenhang von Innovationsgrad und Innovationserfolg eine negative Korrelation des organisationalen Innovationsgrads mit dem Innovationserfolg fest. Im Licht dieser Ergebnisse könnte die geringere Innovationsaktivität auch als eine gezieltere Projektauswahl in Familienunternehmen interpretiert werden. Allerdings muss hier berücksichtigt werden, dass Patente ein Maß für gelungene Innovationsprojekte – nicht aber für die gesamte Aktivität – darstellen.

Die Ergebnisse unserer Studie decken sich bezüglich des Einflusses von Familienmitgliedern im Management mit jenen von Block (2009) für US-amerikanische Unternehmen. Nicht wenige Unternehmen, insbesondere aus dem Maschinenbau, sind von Ingenieuren gegründet worden, die ihre persönliche Innovationskraft und -aktivität in einem eigenen Unternehmen höher bewerten. Die Entscheidung, sich selbständig zu machen, beruhte auf der Einschätzung der eigenen Persönlichkeit. Familienmitglieder als Nachfolger im Management weisen nicht unbedingt diesen „Spirit“ und diese außergewöhnlichen Fähigkeiten auf. Stattdessen könnte sich eine Konzentration auf die Kontrolle des Unternehmens anbieten und als vorteilhaft erweisen. Allerdings sind Handlungsempfehlungen diesbezüglich im Einzelfall zu entscheiden und nicht aufgrund einer eher großzahligen Untersuchung mit sehr heterogenen Unternehmen möglich.

Der Erkenntnishorizont empirischer Forschung ist immer durch die Verfügbarkeit von Daten und den Stand der Theoriebildung begrenzt. So weist diese Studie, wie andere empirische Studien aus dem Bereich der Corporate Governance, eine Reihe von Problemen auf, welche die Interpretation der Ergebnisse einschränken. Das aus unserer Sicht größte Problem stellt die Qualität der Daten dar, insbesondere Selektionseffekte. Während viele Studien einen sogenannten „Selection Bias“ aufgrund der Selektion des gesamten Datensatzes aufweisen, sehen wir eher ein Selektionsproblem von Familienunternehmen, das eng im Zusammenhang mit dem Innovationsverhalten verbunden sein kann. Unternehmen mit hoher Patentintensität werden vorwiegend in sogenannten „High-Tech“-Branchen zu finden sein. Ein großer Teil der Familienunternehmen in Deutschland wurde zu einer Zeit gegründet, in der diese Branchen noch nicht existierten. Somit dominieren Familien in Branchen wie Handel, Textil, Nahrungsmittel oder auch Banken (welche nicht berücksichtigt wurden), die sich tendenziell durch eine geringere Innovationsaktivität auszeichnen. Dies lässt sich auch damit begründen, dass Familienunternehmen einen Vorteil in der Weitergabe und Vermittlung eher standardisierter Prozesse innerhalb der Familie besitzen, was wiederum für Branchen mit längeren Produktlebenszyklen spricht. Ein weiterer Selektionseffekt, der hier nicht direkt erfasst wird, ist die Produktpalette. Bücher wie „The Hidden Champions“ und andere eher populärwissenschaftliche Veröffentlichungen weisen auf die Spitzenposition von Familienunternehmen in Nischen hin. Diese Unternehmen zeichnen sich durch eine geringe Produktpalette mit wenigen, aber sehr innovativen Produkten aus. Obwohl die Unternehmensgröße sich nicht als statistisch signifikant erweist, können diese Effekte dadurch nicht hinreichend aufgefangen werden. Ebenfalls können wir nicht für die vielfach geäußerte Behauptung kontrollieren, dass in großen Unternehmen fast drei Viertel aller Patente ungenutzt bleiben. Dies würde zwar nicht das empirische Ergebnis an sich, aber die damit verbundene Aussage oder Interpretation zu Lasten der (kleineren) Familienunternehmen verzerren, die vielleicht weniger Patente anmelden, diese dafür aber im Produktionsprozess einsetzen. Dass Patente kein uneingeschränkt geeignetes Maß für die Innovationsaktivität darstellen, ist bereits angemerkt. Solange dies für alle Unternehmen im Datensatz gleichermaßen gilt, würde dies die Ergebnisse und deren Interpretation weniger beeinflussen. Nicht auszuschließen ist, dass Familienunternehmen aufgrund ihrer eingeschränkten Produktpalette ein engeres Verhältnis zu ihren Kunden haben und folglich mehr mit diesen forschen und entwickeln, ohne das Ergebnis zu patentieren – letztendlich auch, weil Patente einerseits ein Signal für die Konkurrenz darstellen und andererseits auch aufgrund (prohibitiv hoher) Durchsetzungskosten keinen hinreichenden Schutz des geistigen Eigentums bieten.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Diese Studie setzte sich zum Ziel, das Innovationsverhalten von Familienunternehmen im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen zu analysieren. Im Unterschied zu bisherigen Untersuchungen, insbesondere aus den angelsächsischen Ländern, wurde der Einfluss der Familie über das aktive Management im Vorstand und die Kontrolle im Aufsichtsrat auch isoliert betrachtet. Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Halten von Eigentumsanteilen durch Familienmitglieder einen signifikant negativen Einfluss auf das Innovationsverhalten hat. Die Konzentration von Eigentumsrechten impliziert Risikoaversion als Konsequenz geringer Diversifikation. Im Gegensatz zum klassischen Argument (Berle und Means1932), wonach die Angleichung der Interessen von Eigentümer und Manager in inhabergeführten Unternehmen zu einer Erhöhung der Innovationstätigkeiten führen sollte, führt das Management durch die Familie zu weniger Innovationen. Anders hingegen im Rahmen der Kontrolle über den Aufsichtsrat: Hier zeigt sich ein positiver Einfluss der Familie auf das Innovationsverhalten. Dies mag auch auf die Besonderheiten des Two-Tier Boards in Deutschland zurückzuführen sein. Hier könnte ein – im Vergleich zu den USA (vgl. Block2009) – geringerer Eigentumsanteil genügen, um das Unternehmen zu kontrollieren. Dafür könnte ein Teil des Vermögens genutzt werden, um sich bei mehreren Unternehmen analog zu beteiligen. Hierdurch wird eine Diversifikation erreicht, die auch Anreiz zu einer erhöhten Innovationstätigkeit, ggf. mit positiven Spillover-Effekten, führen kann.

Unsere Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass sich Eignerfamilien mehr auf die Kontrolle von Unternehmen und weniger auf die Beteiligung im aktiven Management konzentrieren sollten. Dies ist komplementär mit internationalen Untersuchungen zur Erfolgswirkung familiärer Kontrolle (Anderson und Reeb2003; Barontini und Caprio2006; Peng und Jiang2010) als auch mit Studien, welche sich spezifisch mit dem deutschen Corporate Governance System befassen (Witt2008; Koeberle-Schmid et al.2009; Audretsch et al.2010). So könnten unsere Ergebnisse auch einen kleinen Hinweis in Richtung des wohl größten oder zumindest meist diskutierten Problems von Familienunternehmen geben, der Nachfolge (vgl. Redlefsen und Witt2006).

Neben den bereits im vorigen Kapitel erwähnten Nachteilen, die es in zukünftigen Studien abzumildern gilt, sollte auch die „Black Box“ der Familienunternehmen weiter geöffnet werden. Neben einer detaillierteren Analyse von Unterschieden in der Anzahl der Generationen von Familien, bspw. Gründerfamilien, wäre auch ein Blick auf sogenannte „Familien-Portfolio-Unternehmen“ und die Rolle von Stiftungen im Zusammenhang mit der Kontrolle von Familienunternehmen interessant; weniger aus dem Aspekt der in der Literatur diskutierten pyramidalen Struktur (Levy2009), sondern durch den Übergang von einem eher monolithischen Unternehmen hin zu einer bewussten, diversifikationsorientierten Portfolioinvestition. Ein nicht unbeträchtlicher Teil deutscher Unternehmen befindet sich unter der Kontrolle von Familien, koordiniert über den Aufsichtsrat. Letztendlich zählt aber nicht die Zahl der Patente an und für sich, sondern, wie das geistige Eigentum in nachhaltiges Wirtschaften zum Wohle der Stakeholder umgesetzt wird.

Tab. 1 Deskriptive Statistik
Tab. 2 Korrelationsmatrix
Tab. 3 Ergebnisse der Regressionsanalysen