In der jüngsten Zeit bekommen Prävention und Gesundheitsförderung als Handlungsbereiche des Gesundheitssystems eine wachsende Bedeutung [18], damit erlangen auch Evaluation und Qualitätsentwicklung in Prävention und Gesundheitsförderung verstärkt Aufmerksamkeit. Hintergrund dieses Aufschwungs sind die Erfahrungen mit der Einführung des § 20 SGB V und seiner vorübergehenden Streichung im Jahr 1996, die damit begründet wurde, dass die gesetzlichen Krankenkassen aus Marketinggründen Maßnahmen finanzieren, die keine Wirkung haben [23].

Nach der erneuten Einführung im Jahr 2000 haben sich die gesetzlichen Krankenkassen auf eine Definition prioritärer Handlungsfelder und Kriterien zur Umsetzung verständigt. Der in diesem Zusammenhang entwickelte Handlungsleitfaden wurde jüngst überarbeitet und im Februar 2006 veröffentlicht [2]. Mit diesen Aktivitäten wurde die Diskussion um Evaluation und Qualitätsentwicklung wesentlich befördert. Im Zusammenhang mit der Diskussion um ein Präventionsgesetz [7] war geplant, beide Aspekte auch gesetzlich zu verankern. So war im ursprünglichen Entwurf des Präventionsgesetzes von 2005 formuliert, dass nur solche Leistungen der verhaltensorientierten Primärprävention von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden können, die ihre Wirksamkeit belegt haben (bzw. einen Wirksamkeitsnachweis nachreichen): „Leistungen zur Verhaltensprävention nach § 15 dürfen grundsätzlich nur erbracht werden, wenn ihre Wirksamkeit wissenschaftlich hinreichend nachgewiesen ist. Ist sie nicht ausreichend nachgewiesen, kann zwischen dem Leistungsträger und dem Erbringer der Leistung vertraglich festgelegt werden, dass die Wirksamkeit auf Kosten des Leistungserbringers innerhalb einer angemessenen Frist begleitend nachzuweisen ist.“ (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention, § 20, [7]).

In Bezug auf settingbezogene Gesundheitsförderungsmaßnahmen (in der Sprache des Gesetzentwurfs „Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten“) war vorgesehen, dass diese mit einem Qualitätsmanagementkonzept verbunden werden sollten, wenn sie durch die GKV im Rahmen des Gesetzes finanziert werden wollten: „Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten nach § 17 dürfen nur erbracht werden, wenn vorab der Nachweis eines präzisen, nachvollziehbaren und erfolgversprechenden Konzepts zum Qualitätsmanagement geführt wird“ (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention, § 20, [7]).

Es kann erwartet werden, dass in einem neuen Gesetzentwurf ähnliche Kriterien zu finden sein werden, denn vor dem Hintergrund der knappen Ressourcen kann eine Finanzierung nur gerechtfertigt werden, wenn Maßnahmen durchgeführt werden, die auch einen Effekt erwarten lassen.

Auffällig ist, dass in der Diskussion die Begriffe häufig nicht trennscharf, wenn nicht sogar als Synonyme verwendet werden. Der folgende Beitrag verfolgt deshalb das Ziel einer begrifflichen Klärung. Unter Rückgriff auf den „Public Health Action Cycle“, der sich als Interventionsmodell in Public Health bewährt hat [17], werden die Begriffe Evaluation, Evidenz und Qualität erläutert und es wird in die Methodik randomisierter, kontrollierter Studien zur Evaluation von Präventionsmaßnahmen kurz eingeführt. Anschließend wird der Stand der Umsetzung in Deutschland skizziert, ehe abschließend kurz zentrale Herausforderungen formuliert werden.

Der „Public Health Action Cycle“ als Rahmenmodell für gesundheitsbezogene Interventionsplanung

Für die Planung und Umsetzung gesundheitsbezogener Interventionen hat sich der „Public Health Action Cycle“, der von Rosenbrock [17] in die deutsche Diskussion eingeführt wurde, bewährt (Abb. 1). Ausgangspunkt ist eine sorgfältige Problemanalyse: Unter Rückgriff auf die Gesundheitsberichterstattung sowie auf epidemiologische, sozialepidemiologische und weitere Studien wird der Problembereich beschrieben, um ein Verständnis für Prävalenzen und Inzidenzen sowie für Ursachen und Einflussmechanismen zu gewinnen. Bereits bei der Problemanalyse sollte deutlich werden, welche Bevölkerungsgruppen von dem jeweiligen Gesundheitsproblem besonders betroffen sind, wie sich Subgruppen hinsichtlich der Einflussfaktoren unterscheiden und welche Rahmenbedingungen (z. B. unterschiedliche Motive und Einstellungen) für das jeweilige Themengebiet relevant sind. Über die Problembeschreibung können Ansatzpunkte für gesundheitsbezogene Interventionen gewonnen werden.

Abb. 1
figure 1

„Public Health Action Cycle“ als Rahmenmodell für gesundheitsbezogene Interventionen (nach [17])

In einem 2. Schritt erfolgt die Ableitung und Planung von Interventionsstrategien. Diese sollten theoriegestützt und evidenzbasiert erfolgen, bereits die Zielparameter und Zielgrößen definieren, spezifische Zielgruppen präzisieren (z. B. in Bezug auf Alter, Geschlecht, sozialer Lage einschließlich Bildungsstatus und Migrationshintergrund) und die zentralen Rahmenbedingungen (organisatorisch, ökonomisch, gesetzlich) reflektieren, unter denen die Intervention erfolgen soll.

Im 3. Schritt erfolgt die Implementation. Hierzu ist zunächst die Intervention (in Bezug auf die zuvor ausgewählte Strategie!) zu planen: Zielgruppe und organisatorischer Rahmen sind festzulegen, methodische Zugänge sind ebenso zu definieren wie Umfang, Ablauf und Inhalte.

Der vorerst letzte Schritt im Kreislauf bezieht sich auf die Ergebnisbewertung: Die Wirksamkeit der Maßnahme wird überprüft, indem die Ziele den Ergebnissen gegenüber gestellt werden (Effektivität). Zudem kann die Effizienz überprüft werden, indem das Kosten-Nutzen-Verhältnis durch einen Vergleich der Maßnahme mit anderen Maßnahmen ermittelt wird. Durch die Ergebnisbewertung lässt sich abschätzen, ob sich der Problembereich verändert hat oder ob eine neue Strategie geplant oder andere Interventionen entwickelt werden müssen.

Am Beispiel der Adipositas im Kindes- und Jugendalter soll dieser Prozess kurz illustriert werden. Internationale epidemiologische Studien belegen, dass Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen zunehmen. Für Deutschland wird – in Abhängigkeit von dem gewählten Referenzsystem und der Untersuchungsregion – davon ausgegangen, dass 10–15% der Einschüler und Einschülerinnen übergewichtig sowie weitere 5% adipös sind, mit deutlichen Unterschieden nach sozialer Schicht und kulturellem Hintergrund (Problemdefinition [6, 11]).

Unter Rückgriff auf die internationale Evidenzbasis ließe sich eine Strategie entwickeln, die als Zielgruppe Kinder im Vorschulalter in Kindertagesstätten definiert und im Kern für diese Zielgruppe ein primärpräventives Programm entwickelt, das Bewegungs- und Ernährungskomponenten enthält (Strategieformulierung). Bei der Implementation des Programms wären die Zugangswege zu klären und die Komponenten auszugestalten. Dabei wäre v. a. darauf zu achten, dass unterschiedliche kulturelle Hintergründe im Ernährungs- und Bewegungsverhalten berücksichtigt werden (Implementation/Umsetzung). Nach der Programmimplementation erfolgt die Evaluation, in der z. B. untersucht werden könnte, ob sich das Bewegungs- und Ernährungsverhalten der Kinder verändert hat und der Anteil der übergewichtigen Kinder niedriger ist als in Kindertagesstätten ohne das Angebot (Evaluation). Dabei wäre möglichst nach kurz-, mittel- und langfristigen Effekten zu differenzieren – auch wenn Längsschnittstudien mit langfristigem Zeithorizont nur selten finanziert werden.

Begriffsklärung: Evaluation, Evidenzbasierung und Qualitätsmanagement

Der „Public Health Action Cycle“ bietet sich als Rahmenmodell an, um die Begriffe Evaluation, Qualitätsmanagement und Evidenzbasierung der Prävention und Gesundheitsförderung zu erläutern (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Verortung der Begriffe Evaluation, Evidenzbasierung und Qualitätsmanagement im „Public Health Action Cycle“

Evaluation

Die Evaluation ist expliziter Bestandteil des „Public Health Action Cycles“. Sie bezieht sich auf die Ergebnisse einer Intervention und auf die Frage, ob das, was implementiert wurde, auch etwas bewirkt bzw. ob das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt. Die Evaluationskultur ist in Deutschland noch vergleichsweise gering ausgeprägt. Dies hat seinen Grund nicht zuletzt darin, dass qualitativ hochwertige Evaluationsstudien aufwändig und teuer sind. Das Bundesforschungsministerium hat diesen Mangel erkannt und fördert seit 2005 im Rahmen mehrerer Ausschreibungen Projekte zur Präventionsforschung.

Als höchster methodischer Standard gilt die randomisierte, kontrollierte Studie, die allerdings nur bei eng begrenzten Fragestellungen sinnvoll eingesetzt wird. Im einfachsten Fall wird hierzu die Zielpopulation per Zufall („randomisiert“) in 2 Gruppen eingeteilt (Abb. 3). In beiden Gruppen wird eine Baseline-Erhebung der Zielindikatoren (Outcomes) vor Beginn der Maßnahme (t0) durchgeführt, anschließend wird in der Interventionsgruppe die Maßnahme implementiert, während in der Kontrollgruppe keine Intervention erfolgt. Nach Abschluss der Maßnahme (t1 und gegebenenfalls zu weiteren Zeitpunkten) werden die Zielindikatoren erneut erhoben. Es wird vermutet, dass sich in der Interventionsgruppe die Parameter verändern, während sie in der Kontrollgruppe unverändert sind bzw. die positiven Veränderungen schwächer oder die negativen Veränderungen stärker ausgeprägt sind.

Abb. 3
figure 3

Prinzip einer randomisierten, kontrollierten Interventionsstudie

In dem oben genannten Beispiel der Adipositasprävention könnten der Body-Mass-Index sowie das Bewegungs- und Ernährungsverhalten der Kinder als Zielindikatoren definiert werden, die zu Beginn und am Ende der Maßnahme erhoben werden. Problematisch ist in dem Beispiel die Randomisierung: Da eine zufällige Zuordnung innerhalb eines Kindergartens wenig praktikabel ist, müsste die Randomisierung in Bezug auf Kindertagesstätten selber erfolgen, wobei sich die Interventions- und die Kontrollkindergärten möglichst wenig unterscheiden sollten – in der Evaluationspraxis eine große Herausforderung.

Bereits das Beispiel zeigt, dass randomisierte, kontrollierte Studien zwar einem methodisch hohen Standard folgen, sich aber nur für wenig komplexe Fragestellungen und mit klar definierten Endpunkten eignen. Dies mag für einige primärpräventive Projekte zutreffen, für die Gesundheitsförderung ist die Methodik jedoch kaum brauchbar [13, 15]. Gesundheitsförderung wird hier im Sinne der Ottawa-Charta als eine Strategie definiert, die an den Ressourcen und nicht an den Risiken ansetzt, auf die Determinanten der Gesundheit einwirken will, komplexe Prozesse initiiert, unspezifisch wirkt und vorwiegend im Setting ansetzt [10]. Die Zielgrößen sind daher unklarer und schwerer zu spezifizieren.

Nutbeam [14] hat ein Outcomemodell zu möglichen Erfolgsparametern in der Gesundheitsförderung entwickelt, das unterschiedliche Wirkebenen voneinander unterscheidet (Gesundheitsindikatoren, Determinanten der Gesundheit, intermediäre Gesundheitsergebnisse; s. auch die Adaptation für den deutschsprachigen Raum durch Ruckstuhl u. Abel [19] sowie die Anwendung des Modells im Rahmen der Qualitätsentwicklung der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz: http://www.quint-essenz.ch).

Auch Gesundheitsförderungsprojekte können ihren Nutzen nachweisen, sie müssen sich aber aufgrund der Komplexität und Dynamik der Interventionen anderer Methoden und Ansätze bedienen. Sie erfordern die Nutzung eines breiten qualitativen und quantitativen Methodenrepertoires, das auch die Kompetenzen anderer Disziplinen (z. B. der Politikwissenschaft zur Erfassung des Partizipationsgrades) nutzt (zu qualitativen Evaluationsansätzen s. Flick [8]). Vielversprechend sind hier v. a. partizipative Evaluationsansätze, die die Projektdurchführenden und die Zielgruppe an allen Aspekten der Planung, Durchführung, Steuerung und Auswertung mit einbeziehen und eine Brücke zur Qualitätsentwicklung darstellen [27].

Evidenzbasierung

Die Begriffe Evidenz und Evidenzbasierung sind in der Gesundheitsförderungsdebatte noch vergleichsweise neu [1, 13]. Noch 1998 wird das Stichwort nicht im WHO-Glossar zur Gesundheitsförderung aufgeführt [25]. Am Gesetzentwurf für ein Präventionsgesetz lässt sich hier eine Entwicklung ablesen, die deutlich macht, dass vorhandene Erfahrungen mit Interventionen für die Konzeption von Maßnahmen und Programmen genutzt werden müssen. Die vorhandenen Evaluationsstudien bilden gemeinsam mit anderen Datenquellen die Evidenzbasis, deren Grundlage Interventionsstrategien ausgewählt werden können.

Als Arbeitsgrundlage kann die Definition von Rychetnik et al. [21] dienen, die evidenzbasierte Public-Health-Maßnahmen als informierte, bewusste und umsichtige Nutzung plausiblen Wissens definieren: „Evidence based public health can be defined as a public health endeavour in which there is an informed, explicit, and judicious use of evidence that has been derived from any of a variety of science and social science research and evaluation methods“ [21].

Die Frage, welche Studien und Fakten als Evidenz gelten, ist umstritten [13, 15]. Es besteht Konsens, dass die in der Medizin entwickelte Evidenzhierarchie auf Prävention und Gesundheitsförderung nicht einfach übertragbar ist. Zahlreiche Autoren und Autorinnen plädieren dafür, sich nicht auf randomisierte, kontrollierte Studien zu beschränken, da sie für das Interventionsfeld nur eingeschränkte Informationen bereit stellen, sondern auch z. B. Studien zu den Gesundheitsdeterminanten, soziologischen Studien über die Muster und Ursachen von Ungleichheit oder qualitative Studien zur Erfassung von Motiven für und Einstellungen zu gesundheitsrelevantem Verhalten in unterschiedlichen sozialen Gruppen zu verwenden. Hervorgehoben wird auch, dass die lokalen Gegebenheiten häufig größere Relevanz verdienen als randomisierte Studien aus eingeschränkten Kontexten [13, 15].

Es gibt im internationalen Kontext inzwischen einige Ansätze, vorhandene Studien systematisch zu dokumentieren und aufzubereiten, sodass die Anbieter und Entwickler von Maßnahmen auf Datenbanken zurückgreifen können. Zu nennen sind hier u. a. die „Task Force on Community Preventive Services“ unter Federführung der US-amerikanischen „Centers for Disease Control and Prevention“, die seit 1999 einen „Guide to Community Preventive Services“ veröffentlichen, der sich auf gemeindebezogene Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention konzentriert [1, 3, 22].

  • Der „Community Guide“ berücksichtigt 3 Felder: gesundheitsriskantes Verhalten (z. B. Tabakkonsum, mangelndes Bewegungsverhalten), spezifische Gesundheitsprobleme (z. B. Krebs, Diabetes mellitus, Autounfälle) sowie soziale und Umweltbedingungen (z. B. Wohnen, Bildung).

  • Die „Task Force“ stützt sich auf systematische Reviews, die die Arbeiten unterschiedlicher Disziplinen (Sozialwissenschaften, Statistik, Epidemiologie und Medizin) einschließt und, wo vorhanden, durch ökonomische Studien ergänzt [3]. Zu den jeweiligen Themenbereichen werden 4 Evidenzstufen unterschieden, die sich auf die Qualität der Studien, die Angemessenheit des Studiendesigns, der Zahl der Studien, der Konsistenz der Ergebnisse, der Effektgröße und Expertenmeinungen stützen [22].

  • Die Cochrane-Database „Health Promotion and Public Health Field“ [5] fokussiert stärker auf Präventionsansätze und berücksichtigt auch individuenbezogene Strategien und stellt systematische Reviews zu einer Fülle von Präventionsaspekten zur Verfügung. Sie reichen von Ansätzen zur Steigerung kardiovaskulärer Gesundheit, zur Reduktion von Drogen- und Alkoholgebrauch über die Verhinderung von infektiösen und sexuell übertragbaren Krankheiten bis zur Förderung mentaler und sozialer Gesundheit. Die Zusammenfassungen der Reviews sind frei zugänglich, eine gesonderte Website bereitet die wesentlichsten Ergebnisse für Verbraucher und Verbraucherinnen allgemein verständlich auf.

Auch die WHO bemüht sich mittlerweile um eine systematische Darstellung der vorhandenen Evidenz. Gemeinsam mit den US-amerikanischen „Centers for Disease Control and Prevention“ wurde ein Handbuch erarbeitet [24], das die wichtigsten Prinzipien und Methoden zusammenstellt. In der Folge wurde in Kooperation mit der „International Union for Health Promotion and Education das Global Programme on Health Promotion Effectiveness“ (IUHPE) aufgelegt [9], das bewährte Prinzipien, Modelle und Methoden aufbereitet und hierbei regionale und kulturelle Unterschiede berücksichtigt. Das in diesem Kontext entstandene Netzwerk bemüht sich, die Evidenz für erfolgreiche Prävention und Gesundheitsförderung auch an politische Akteure in dem Feld zu vermitteln. Das „Health Evidence Network“ macht die Ergebnisse für Entscheidungsträger im Internet verfügbar [26]

Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung

Während die Evaluationskultur noch wenig ausgeprägt ist, ist das Bewusstsein für Qualität und Qualitätsentwicklung auch in Prävention und Gesundheitsförderung in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – nicht zuletzt aufgrund der Aktivitäten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die hier einen Diskussionsprozess angestoßen hat [4]. Die Begriffe Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung werden inkonsistent und häufig synonym gebraucht (z. B. [4]).

Der Begriff Qualitätssicherung bezieht sich tendenziell stärker auf das Ergebnis, das in Anlehnung an entsprechende Prozesse in der Industrie kontrolliert und gesichert werden soll, während der Begriff Qualitätsmanagement stärker den Prozess betont: „Qualitätsmanagement soll dazu dienen, Systeme, Organisationen, Prozesse und Abläufe so zu optimieren, dass die Basis für eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung geschaffen und das Hauptziel erreicht wird: die Verbesserung der gesundheitlichen Ergebnisqualität“ [23]. Qualitätsmanagement ist danach ein kontinuierlicher Prozess, der inhärenter Bestandteil der interventiven Maßnahme ist.

Der Begriff Qualitätsentwicklung wurde im Kontext des Kooperationsverbunds „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ in die Diskussion eingeführt, um ein Verständnis „für die zentralen Elemente wie das Denken in Regelkreisen und Qualität als Arbeitsprinzip praxisnah umzusetzen und damit Qualität zu entwickeln“ [12]. Der im Rahmen des Kooperationsverbunds vertretene Good-practice-Ansatz versteht sich als pragmatisches Vorgehen, um für Fragen der Qualitätsentwicklung zu sensibilisieren.

Trotz unterschiedlicher Akzentsetzungen lässt sich festhalten, dass sich der Aspekt der Qualität schwerpunktmäßig auf die Implementations- und Umsetzungsphase im „Public Health Action Cycle“ bezieht: Qualität meint das Ausmaß, in dem Gesundheitsleistungen die Wahrscheinlichkeit erwünschter Interventionsergebnisse erhöhen und mit dem Stand der Wissenschaft übereinstimmen (Institute of Medicine, zit. nach Rosenbrock [16]).

Qualitätsmanagement hat zum Ziel, das was gemacht wird, auch gut zu machen. Die von Donabedian eingeführte Dreiteilung in Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität ist auch in der Prävention und Gesundheitsförderung von Relevanz. Strukturqualität bezieht sich auf die (infra-)strukturellen und qualifikatorischen Voraussetzungen für die Intervention, also z. B. die räumlichen Bedingungen oder die Ausbildung der Kursleiter in der Adipositasprävention. Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen haben sich hinsichtlich der Maßnahmen, die nach § 20 SGB V finanziert werden, im Februar 2006 erneut auf solche Qualitätsmerkmale geeinigt [2]. Die Prozessqualität bezieht sich auf die Umsetzung und Durchführung der Intervention.

Derzeit werden verschiedene Ansätze erprobt, die von einem unterschiedlichen Formalisierungsgrad und unterschiedlichen Zielrichtungen geprägt sind. Sie reichen von der Anwendung standardisierter Instrumente wie ISO 9001 oder EFQM, über die Entwicklung von Planungs- und Steuerungsinstrumenten für die Gesundheitsförderungspraxis (z. B. Quintessenz, entwickelt für die Stiftung „Gesundheitsförderung Schweiz“, s. oben), über die Suche nach Good-practice- oder Best-practice-Modellen, die anhand im Konsens entwickelter Kriterien jene Projekte identifiziert, die in bestimmten Aspekten für andere Gesundheitsförderungsprojekte beispielhaft wirken können (http://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de). Die Ergebnisqualität bezieht sich auf das Outcome der Intervention und wird mit oben beschriebenen Evaluationsstudien erfasst.

Der von Donabedian eingeführte Dreischritt der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität muss bei Gesundheitsförderungs- und Präventionsangeboten um den Aspekt der Planungsqualität [23] bzw. Assessmentqualität ergänzt werden [20]. Zur Erfassung der Assessmentqualität lassen sich 4 Parameter differenzieren:

  • Abklärung von Bedarf und Bedürfnis (Benötigt die Zielgruppe überhaupt die Intervention?),

  • theoretische Grundlagen (Ist die Intervention theoretisch verankert?),

  • Erfahrungswerte aus anderen Projekten (Welche Maßnahmen mit ähnlicher Zielrichtung haben sich bewährt?) sowie

  • Kenntnisse über die Rahmenbedingungen (rechtlich, kulturell, politisch).

Herausforderungen

Es ist unstrittig, dass Evaluation und Qualitätsentwicklung zukünftig in Prävention und Gesundheitsförderung stärkere Bedeutung erlangen müssen [4], weil nur so ein Wirksamkeitsnachweis erbracht und die Evidenzbasis für weitere Maßnahmen verbreitert werden kann. Es ist ebenfalls unstrittig, dass es einer besseren Qualitätssicherung bedarf, weil es selbstverständlich sein sollte, dass die Maßnahmen auf möglichst hohem Niveau etabliert werden. Beides ist jedoch häufig leichter gesagt als getan, weil die finanziellen Ressourcen oft nicht vorhanden sind und das Know-how erst ansatzweise vorhanden ist.

Im internationalen Raum werden intensive Diskussionen geführt, an denen Deutschland nur am Rande beteiligt ist und es wäre zu wünschen, dass sich hier eine stärkere Kooperation entwickelt. Da die Erfahrungen aus dem internationalen Raum nicht immer unmittelbar auf die deutsche Situation übertragen werden können (da viele Interventionen kulturell angepasst werden müssen), erscheint es zudem sinnvoll, dass für Deutschland eine eigene Datenbank aufgebaut wird (z. B. strukturell angebunden an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin). Dies ist gerade vor dem Hintergrund wichtig, dass zukünftig v. a. solche Ansätze mit Mitteln der öffentlichen Hand und der GKV gefördert werden, die bereits einen Wirksamkeitsnachweis erbracht haben

Fazit für die Praxis

Zur Etablierung von Prävention und Gesundheitsförderung ist notwendig, dass:

  • eine Verständigung darüber erfolgt, welche Ebenen und Parameter sinnvoll und wünschenswert sind; hierzu muss ein breites Verständnis für Evaluation und Qualität geweckt werden.

  • in die (Weiter-)Entwicklung von Instrumenten und Methodik investiert wird, unter Einbezug qualitativer und quantitativer Methodik und mit der Expertise eines breiten fachwissenschaftlichen Spektrums.

  • Ressourcen durch die Auftraggeber/Leistungsträger zur Verfügung stehen, um Evaluation und Qualitätssicherung/Qualitätsentwicklung in Projekte integrieren zu können (beides ist nicht zum Nulltarif zu haben) und

  • Projektverantwortliche und -durchführende in Evaluation und Qualitätsentwicklung qualifiziert werden.