Anamnese

Eine 25 Jahre alte russische Patientin wurde aufgrund einer diskreten Eisenmangelanämie sowie fraglicher, seit 6 Jahren vereinzelt auftretender Teerstühle bei anamnestisch bekannter Ulkuskrankheit stationär aufgenommen. Zur Vorgeschichte gab sie an, dass kurz nach der Geburt eine Operation am Dünndarm durchgeführt worden sei. Seit einiger Zeit seien gehäuft voluminöse sowie teilweise fettig-glänzende Stuhlgänge aufgetreten. Weitere spezifische Beschwerden wurden dezidiert verneint.

Untersuchungsergebnisse

Klinischer Befund

Bei Aufnahme zeigte sich eine 172 cm große und ca. ca. 54 kg schwere Patientin (Body-Mass-Index 18,3) in gering reduziertem Allgemein- sowie Ernährungszustand. Der abdominelle sowie der übrige körperliche Untersuchungsbefund waren bis auf eine reizlose mediane Laparotomienarbe ohne Inkarzerationszeichen unauffällig.

Laborwerte

Laborchemisch bestand eine diskrete Anämie mit einem Hämoglobinwert von 10,9 g/dl (Referenzbereich 12–16 g/dl) bei ausgeprägtem Eisenmangel (Ferritin 4 µg/l, Referenzbereich 20–300 µg/l; Transferrinsättigung 12%, Referenzbereich 16–45%). Ansonsten war das internistische Routinelabor unauffällig, mit normalem Differenzialblutbild sowie normwertigen Spiegeln von Folsäure und Vitamin B12.

Bildgebende Verfahren

Abdomensonographisch waren lediglich 2 Nebenmilzen sowie beidseits Ovarialzysten nachweisbar. In der Ösophagogastroduodenoskopie (Abb. 1, Abb. 2) zeigten sich konfluierende erosive Läsionen im Ösophagus (Refluxösophagitis Grad 2 nach Savary und Miller) sowie 2 Ostien im Bereich des geröteten Antrums (Abb. 1).

Endoskopisch erreichte man durch den rund und konzentrisch schließenden typischen Pylorus einen etwa 5 cm langen Bulbus duodeni, der blind endete und in seinem Pol eine makroskopisch unauffällige Papilla Vateri mit Sekretion von klarer Galle aufwies (Abb. 2). Nach Rückzug in den Magen fand sich majorseitig nur wenige Zentimeter neben dem Pylorus eine weit offene, reizlose Gastroenterostomie, durch die endoskopisch der unauffällige Dünndarm ca. 70 cm weit eingesehen werden konnte. Eine Blutungsquelle im oberen Gastrointestinaltrakt gab es nicht.

Abb. 1
figure 1

Endoskopische Darstellung von 2 Öffnungen im Magenantrum: Gastroenterostomie und Pylorus

Abb. 2
figure 2

Nach endoskopischer Pyloruspassage wird der blind verschlossene Bulbus duodeni mit Papilla Vateri sichtbar

Ihre Diagnose?

Diagnose: Gastroenterostomie bei kongenitaler Duodenalatresie

Diskussion

Prävalenz und Systematik

Stenose oder Atresie des Duodenums stellen eine häufige Ursache für eine kongenitale intestinale Obstruktion dar. Die Häufigkeit wird mit ca. 1 pro 5.000–10.000 Geburten beziffert. Die Fehlbildung findet sich beim männlichen Geschlecht häufiger als beim weiblichen [1, 2, 3]. Die Duodenalatresie kann mit komplexen Formen der Malrotation assoziiert sein sowie im Rahmen von Syndromen (z. B. Down-Syndrom) auftreten. Auffällig werden betroffene Säuglinge u. a. durch galliges Erbrechen oder abdominelle Distension innerhalb der ersten Lebenstage [3]. In Röntgenleeraufnahmen des Abdomens wird die Fehlbildung als „double bubble sign“ erkennbar. Dank rascher Diagnosestellung (z. B. mittels pränataler Sonographie und Nachweis eines Polyhydramnions) sowie peri- und postoperativer Maßnahmen (antibiotische Regimes, optimierte neonatologische Intensivmedizin) beträgt die postoperative Langzeitüberlebensrate in retrospektiven Studien mittlerweile über 85% [2, 3].

Eine Klassifikation der Duodenalatresie kann entweder in topographischem Bezug auf die Papilla Vateri (proximal oder distal) vorgenommen werden oder nach der Einteilung von Gray und Skandalakis in 3 verschiedene Formen. Am häufigsten ist die Ausbildung eines mukosalen Rings bei normaler Muskelschicht (Typ I). Seltener findet sich eine schmale Verbindung zwischen zwei atretischen Dünndarmabschnitten (Typ II). Die seltenste Manifestation ist, wie bei unserer Patientin, der Typ III mit kompletter Separation des blind endenden Bulbus duodeni (Abb. 3; [4]).

Abb. 3
figure 3

Magen in Inversion mit Blick auf die Angulusfalte sowie mit Darstellung des Pylorus und der Gastroenterostomie

Operative Therapie

Das operative Vorgehen richtet sich nach der Ursache der Obstruktion und stellt nach Möglichkeit die Duodenalpassage zum Zeitpunkt der Diagnosestellung beim Säugling wieder her, z. B. durch Membranexzision, Umgehungsduodenoduodenostomie beim Pancreas anulare oder durch chirurgische Umwandlung in eine Nonrotation.

Eine Gastrojejunostomie sollte aufgrund häufiger Spätkomplikationen vermieden werden

Die Gastrojejunostomie, wie bei unserer Patientin durchgeführt, scheint am häufigsten mit Spätkomplikationen im Langzeitverlauf verbunden zu sein und sollte daher nach Möglichkeit vermieden werden [5].

Spätkomplikationen

Die operative Korrektur einer Duodenalatresie zeigt i.d.R. keinen negativen Einfluss auf die weitere körperliche Entwicklung. Selten treten im postoperativen Langzeitverlauf Anastomosenstenosen auf, die eine erneute Operation erfordern. Weitere Spätkomplikationen umfassen zusätzlich das Auftreten von Ulzera oder eine potenzielle Bakteriostase mit Entwicklung eines Blind-Loop-Syndroms. Vor allem nach Gastroenterostomie kann ein biliärer gastroösophagealer Reflux auftreten, der zu Ösophagitis, Strikturen und Ulzera führen kann. Darüber hinaus kann der Chymus nach Gastrojejunostomie aufgrund der fehlenden Pylorusfunktion zu rasch in den Dünndarm übertreten, während Galle und Pankreassekret erst verspätet nach transpylorischer Sekretion aus dem blind endenden Bulbus durch die Gastroenterostomie in den Dünndarm gelangen und dort dem Chymus beigemischt werden. Daher kann es zu einer pankreatikozibalen Asynchronie kommen [6], also zum verspäteten Kontakt der pankreatischen Enzyme mit dem Chymus, mit potenzieller Maldigestion.

Schließlich besteht grundsätzlich die Gefahr, dass – bei anatomischen Gegebenheiten wie bei unserer Patientin – die pankreatischen Enzyme durch den permanenten Umweg über den sauren Magen inaktiviert werden, da dort das pH-Milieu für Pankreasenzyme nicht optimal ist. Auch bei normwertiger Elastasebestimmung im Stuhl können daher die Symptome einer exokrinen Pankreasinsuffizienz vorliegen. Bei dringendem klinischem Verdacht sollte daher, wie im vorliegenden Fall, eine Enzymsubstitution mit Pankreasenzymen begonnen werden.

Behandlung und Verlauf

Histologisch zeigte sich bei unserer Patientin bis auf eine geringe chronische, Helicobacter-pylori-negative Gastritis kein auffälliger Befund. Die übrige endoskopische Diagnostik zur weiteren Abklärung der Eisenmangelanämie – Ileokoloskopie, Kapselenteroskopie (Kapsel endoskopisch in die abführende Dünndarmschlinge platziert) – ergab keinen auffälligen Befund. Die Eisenmangelanämie war auf eine Hypermenorrhö zurückzuführen.

Ein detaillierter Bericht über die vor 25 Jahren in der Heimat durchgeführte Operation konnte nicht mehr beigebracht werden. Die mutmaßlich durchgeführte Gastrojejunostomie bei Duodenalatresie war wenige Tage nach der Geburt der Patientin in Russland erfolgt. Das vordiagnostizierte Ulkusleiden bezog sich offenbar auf ein vor mehreren Jahren in der Heimat endoskopisch nachgewiesenes Ulcus jejuni in der proximalen abführenden Dünndarmschlinge.

Die Elastase im Stuhl war normwertig. Angesichts des reduzierten Ernährungszustands sowie rezidivierender Fettstühle bestand dennoch der hochgradige Verdacht auf das Vorliegen einer exokrinen Pankreasinsuffizienz, bedingt durch eine postoperative pankreatikozibale Asynchronie. Bei der Patientin wurde daher eine Enzymsubstitution mit Pankreasenzymen (3 ×2× 25.000 IE/Tag) begonnen. Hierunter kam es innerhalb von 4 Wochen zu einer Normalisierung der Stuhlfrequenz und -konsistenz.

Fazit für die Praxis

  • Die operative Korrektur einer Duodenalatresie zeigt in der Regel keinen negativen Einfluss auf die weitere körperliche Entwicklung.

  • Allerdings ist nach Gastroenterostomie ein biliärer gastroösophagealer Reflux möglich, der zu Ösophagitis, Strikturen und Ulzera führen kann.

  • Nach Gastrojejunostomie besteht aufgrund der fehlenden Pylorusfunktion die Gefahr einer pankreatikozibalen Asynchronie und anderer Spätkomplikationen. Sie sollte daher möglichst vermieden werden.

  • Bei erwachsenen Patienten, die aufgrund einer Duodenalatresie dennoch eine Gastrojejunostomie erhalten hatten, sollte immer eine Maldigestion (z. B. bei pankreatikozibaler Asynchronie) ausgeschlossen werden. Gegebenenfalls ist eine Substitution mit Pankreasenzymen durchzuführen.