Hintergrund

Kolorektale Karzinome (KRK) sind mit etwa 640.000 Todesfällen pro Jahr weltweit die dritthäufigste Krebstodesursache. In Europa sind sie die zweithäufigsten Karzinome mit etwa 380.000 Fällen pro Jahr und auch die zweithäufigste Krebstodesursache mit etwa 200.000 Todesfällen pro Jahr [4]. In den letzten Jahren ist die KRK-bedingte Mortalität stetig gesunken. Im metastasierten Stadium ist dies in erster Linie auf neue Chemotherapeutika (Oxaliplatin, Irinotecan), die neuen zielgerichteten Substanzen (Anti-EGFR-, Anti-VEGF-Antikörper) und geänderte Therapiestrategien, z. B. die Resektion von Metastasen bei KRK-Patienten mit isolierten Leber- und/oder Lungenmetastasen zurückzuführen.

Derzeit beschränkt sich die zielgerichtete Therapie beim metastasierten kolorektalen Karzinom in der klinischen Anwendung auf 2 Angriffspunkte:

  • Blockierung des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors („epidermal growth factor receptor“, EGFR) mit den monoklonalen Antikörpern Cetuximab (chimär) und Panitumumab (human),

  • Hemmung der Tumorangiogenese unter Verwendung des monoklonalen Antikörpers Bevacizumab, der gegen den „vascular endothelial growth factor“ (VEGF) gerichtet ist.

Zahlreiche weitere Zielmoleküle werden derzeit in klinischen Studien evaluiert und es wurden auch schon Ergebnisse mitgeteilt; sie sind aber noch nicht für die Indikation „kolorektales Karzinom“ zugelassen (z. B. Aflibercept, Regorafenib).

Blockade des EGFR-Signalwegs beim metastasierten KRK

Der EGFR- oder HER1-Rezeptor ist ein Glykoprotein aus der Reihe der transmembranären Rezeptortyrosinkinase und das erste Mitglied der HER-Rezeptor-Familie, zu der auch der aus der Therapie des Mammakarzinoms und des Adenokarzinoms des Magens bekannte HER2-Rezeptor gehört. Unterschiedliche Liganden wie z. B. der epidermale Wachstumsfaktor (EGF), Transforming-Growth-Faktor (TGF), Epiregulin, Betacellulin und Amphiregulin binden an den EGF-Rezeptor und führen über eine Dimerisation und Autophosphorylierung des Rezeptors zur Aktivierung der intrazellulären Signalkaskade, die Zellproliferation, Angiogenese und Apoptoseverhalten der Zelle moduliert [39]. Expression oder gar Überexpression des EGFR finden sich bei ca. 80% aller KRK, was klinisch mit einer verkürzten Überlebenszeit und einer gesteigerten Metastasierungsrate einhergeht [14, 27]. Angriffspunkte, um diesen Signalweg zu beeinflussen, gibt es im gesamten Verlauf der Signalkaskade, vom Liganden bis zu den einzelnen Signalmolekülen. In der klinischen Anwendung befinden sich allerdings momentan nur die EGFR-blockierenden Antikörper Cetuximab und Panitumumab.

Gibt es prädiktive Signalmoleküle für das Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie?

EGFR-Gen-Kopien

Die Menge an EGFR-Gen-Kopien im Tumorgewebe scheint mit der Ansprechrate für eine Anti-EGFR-Therapie zu korrelieren [28]. Es zeigt sich jedoch eine große Heterogenität hinsichtlich der Konzentration von EGFR-Gen-Kopien im Tumorgewebe [31], so dass eine Verwendung dieses Markers im klinischen Alltag wenig zweckmäßig und praktikabel ist und daher routinemäßig unterbleibt.

Weitere Genexpressionsprofilanalysen zeigten, dass Patienten mit Tumoren, die die EGFR-Liganden Epiregulin (EREG) und Amphiregulin (AREG) hoch exprimieren, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, von einer Therapie mit Cetuximab zu profitieren. Patienten mit einer hohen Expression von EREG oder AREG im Tumor hatten ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben als Patienten, bei denen diese beiden Faktoren im Tumor nur niedrig exprimiert waren. Es zeigte sich, dass Patienten, deren Tumor eine Mutation im KRAS-Gen aufwies, eine signifikant geringere Krankheitskontrollrate hatten, als Patienten mit KRAS-Wildtyp im Tumor [20]. Aber was ist KRAS eigentlich genau?

KRAS

KRAS gehört zur Familie der RAS-GTP-bindenden und -spaltenden Proteine, ähnlich wie NRAS und HRAS. RAS-GTPasen wechseln von einer GTP-gebundenen, aktiven Form zu einer GDP-gebundenen, inaktiven Form. Sie übernehmen häufig die Rolle eines Mediators in der Signalweiterleitung von durch Rezeptortyrosinkinasen induzierten Signalwegen wie z. B. dem EGFR-Signalweg. Durch sog. aktivierende Mutationen wird KRAS konstitutiv aktiv, da die GTPase, also die GTP-spaltende Funktion, durch die Mutation inaktiviert wird und das Protein in seiner aktiven, GTP-gebundenen Form verbleibt.

KRAS-Mutationen finden sich häufig in gastrointestinalen Tumoren, beim KRK in etwa 40% der Fälle. Meist liegt eine Punktmutation im Codon 12 bzw. 13 des KRAS-Onkogens zugrunde. Die COSMIC-Datenbank gibt folgende Häufigkeiten an: für G12D 36%, G12V 22%, G12C 9%, G12A 7%, G12S 6%, und G13D 19%. Diese aktivierenden KRAS-Mutationen treten früh in der Adenom-Karzinom-Sequenz auf. Der Nachweis einer KRAS-Mutation kann mittels konventioneller Sequenzierung oder quantitativer Polymerasekettenreaktion (PCR) an in Paraffin eingebetteten Gewebeproben durchgeführt werden. Da die Mutation zu 95% in der Metastase vorliegt, wenn sie im Primärtumor nachweisbar war und umgekehrt, eignen sich Biopsien aus beiden Quellen, um die Mutationsanalyse durchzuführen und das Ergebnis ist als repräsentativ für den Gesamttumor anzusehen [36].

Der Nachweis einer KRAS-Mutation kann mittels konventioneller Sequenzierung oder PCR erfolgen

Bisher ist immer noch nicht schlüssig geklärt, welche intrazellulären Konsequenzen eine aktivierende Mutation von endogenem KRAS wirklich hat. Eine konstitutive Aktivierung von RAS-regulierten Signalwegen wie der MEK-ERK-Kaskade durch endogenes, aktives KRAS (im Gegensatz zu ektop exprimiertem aktivem KRAS) lässt sich mit den konventionell eingesetzten Analyseverfahren (z. B. aktivitätsspezifische Antikörper gegen Proteinkinasen) nicht überzeugend nachweisen.

Bei einer aktivierenden KRAS-Mutation ist eine gegen EGFR gerichtete Therapie mit Cetuximab oder Panitumumab nicht wirksam.

Bereits präklinische Daten deuteten darauf hin, dass der antiproliferative Effekt einer gegen den EGFR gerichteten Therapie durch die mutationsbedingte, konstitutive Aktivierung von KRAS aufgehoben sein könnte. Dass eine aktivierende KRAS-Mutation die Vorhersage der Nichtwirksamkeit einer Anti-EGFR-Therapie erlaubt, zeigte sich zuerst in retrospektiven Analysen kleinerer klinischer Studien [25] und schließlich auch in großen Patientenkohorten, die entweder Cetuximab- [8] oder Panitumumab beinhaltende Therapien erhalten hatten [1, 12, 41].

In einer Studie, in der Panitumumab als Monotherapie bei Patienten mit chemotherapierefraktärem KRK mit der besten supportiven Therapie („best supportive care“, BSC) verglichen wurde, zeigte sich ein Gesamttumoransprechen („overall response rate“, ORR) von 17% bei den KRAS-Wildtyp-Patienten im Vergleich zu 0% bei den Patienten mit nachgewiesener KRAS-Mutation. Das mediane Überleben war mit 12,3 Wochen in der KRAS-Wildtyp-Population im Vergleich zu 7,4 Wochen in der KRAS-mutierten Gruppe deutlich verlängert. Das bedeutet, dass diese Patientengruppe nicht von der Anti-EGFR-Therapie mit Panitumumab im Vergleich zu BSC profitiert hat [19].

Gleichermaßen brachte der Einsatz von Cetuximab kein zusätzliches Ansprechen in der Kombination mit Irinotecan bei einer kleinen Kohorte von Patienten mit chemotherapierefraktärem KRK und nachgewiesener KRAS-Mutation [8]. Diese Ergebnisse bestätigten sich in einer randomisierten Phase-III-Studie gegen BSC: Auch hier zeigte nur die Gruppe mit KRAS-Wildtyp-Tumoren und Cetuximab ein verbesserte Prognose mit einem Gesamtüberleben („overall survival“, OS) von 9,5 gegen 4,5 Monate. Die KRAS-mutierten Patienten zeigten hingegen wieder keinen Unterschied zur Kontrollgruppe mit BSC [19].

Auch Studien, in denen Cetuximab in der Erstlinientherapie mit Kombinationschemotherapien wie FOLFIRI (Crystal-Studie) oder FOLFOX4 (OPUS) kombiniert worden war, wurden retrospektiv hinsichtlich des Einflusses einer KRAS-Mutation auf die Wirkung einer Anti-EGFR-Therapie ausgewertet. Es zeigte sich, dass in der gesamten Studienpopulation mit beiden Chemotherapieregimen die Kombination mit Cetuximab bereits das Tumoransprechen (ORR) in beiden Studien und das mediane progressionsfreie PFS („progression-free survival“, PFS) in der größeren Studie (Crystal) verbesserte. Eine noch deutlichere Verbesserung von ORR und medianem PFS durch Hinzunahme des Antikörpers zeigte sich in beiden Studien, wenn nur Patienten mit KRAS-Wildtyp-Status im Tumor berücksichtigt wurden.

  • ORR  plus/ minus  Cetuximab:

    • OPUS: 61% vs. 37%, p = 0,011;

    • CRYSTAL: 59% vs. 43%, p= 0,003.

  • Medianes PFS plus/ minus Cetuximab:

    • OPUS: 7,7 vs. 7,2 Monate, HR 0,57, p = 0,016;

    • CRYSTAL: 9,9 vs. 8,7 Monate, HR 0,68, p = 0,017.

Im Gegensatz dazu brachte die Addition von Cetuximab zu FOLFOX oder FOLFIRI keinen Vorteil für Patienten mit KRAS-mutiertem metastasiertem KRK (mKRK). Bemerkenswerterweise hatte diese Patientengruppe sogar ein signifikant kürzeres medianes PFS, wenn Cetuximab mit FOLFOX4 kombiniert wurde [3, 43]. In beiden Studien hatte der KRAS-Mutations-Status keinen Einfluss auf die Prognose in den jeweiligen Kontrollarmen, in denen eine reine Kombinationschemotherapie (FOLFOX4 bzw. FOLFIRI) appliziert wurde. Dies impliziert, dass der KRAS-Status vornehmlich ein prädiktiver Marker für das Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie, aber zumindest in der Erstlinientherapie kein prognostischer Marker ist.

Klinische Studien zur Kombination von Panitumumab in der Erstlinientherapie mit FOLFOX (PRIME Studie) [10] und in der Zweitlinientherapie mit Irinotecan (20050181-Studie) [30] bestätigten die Effektivität einer Kombination mit dem Anti-EGFR-Antikörpers für das Tumoransprechen und das progressionsfreie Überleben nur in der Gruppe der Patienten mit KRAS-Wildtyp-Status im Tumor. Wiederum schienen in der PRIME-Studie Patienten mit einer KRAS-Mutation, die eine oxaliplatinhaltige Chemotherapie gemeinsam mit dem Anti-EGFR-Antikörper erhielten, einen eher ungünstigeren Verlauf ihrer Erkrankung zu haben (manifestiert durch ein kürzeres PFS; [10]).

Der KRAS-Status ist damit ein negativ-prädiktiver Marker, d. h., er sagt lediglich das Nichtansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie bei Vorliegen einer KRAS-Mutation im Tumor voraus, nicht aber das Ansprechen auf eine solche Therapie.

Der KRAS-Status ist ein „negativ-prädiktiver“ Marker

In den letzten Monaten gaben retrospektive Auswertungen der oben genannten Studien zur Kombination von Cetuximab mit Kombinationschemotherapie in der Erstlinientherapie Hinweise darauf, dass nicht alle RAS-Mutationen einen gleichermaßen negativ-prädiktiven Aussagewert für eine Anti-EGFR-Therapie haben könnten. Bereits vor mehreren Jahren publizierte Daten zeigen, dass sich RAS-Mutationen in Codon 12 und 13 hinsichtlich ihrer Tumorbiologie unterscheiden [13]. Es gibt klinische Hinweise, dass eine G13D-Mutation prognostisch ungünstig ist. Bei Vorliegen einer G13D-Mutation des KRAS-Gens im Tumor könnten jedoch Patienten von einer Anti-EGFR-Therapie mit Cetuximab hinsichtlich OS und PFS profitieren, und zwar in der Erstlinientherapie wie auch in fortgeschrittenen Therapielinien [7, 42]. Allerdings lag diese Mutation nur bei etwa 8% der Patienten in den Studien vor, und die Konfidenzintervalle streuten breit.

Aktuelle analog ausgewertete Daten der Phase-III-Studien zum Einsatz von Panitumumab in der Erst- und Zweitlinientherapie des metastasierten KRK – Panitumumab plus FOLFOX4 („first-line“) oder FOLFIRI („second-line“) – zeigen jedoch bei einer ausgiebigen Analyse der Korrelation von Mutationen im KRAS-Gen und PFS bzw. OS für die häufigsten Mutationen (G12A, G12C, G12D, G12R, G12S, G12V, G13D) ein völlig anderes Bild. Hier fand sich in der Erstlinientherapie nur für die G12C-Mutation ein etwas besseres PFS bei Einsatz von Panitumumab, nicht aber für die G13D-Mutation. In der Zweitlinientherapie ergaben sich sehr geringe Vorteile bei Vorliegen einer G13D-, aber auch einer G12C- oder einer G12S-Mutation zugunsten des panitumumabhaltigen Behandlungsarms bei großen Konfidenzintervallen. Hinsichtlich des Gesamtüberlebens schienen Patienten mit einer G12V-Mutation im Tumor von einer Therapie mit Panitumumab zu profitieren, während Patienten mit einer G13D-Mutation im Tumor ein signifikant besseres Überleben im Kontrollarm hatten. In der Zweitlinientherapie war das Überleben bei Patienten mit einer G13D-Mutation im Tumor wiederum besser im Panitumumab-Arm [29].

Wie lässt sich diese widersprüchliche Datenlage erklären? Unterschiede zwischen den verwendeten Antikörpern könnten eine Rolle spielen. Wahrscheinlicher ist aber, dass es aufgrund der relativ geringen Zahl von Patienten mit bestimmten KRAS-Mutationen in den jeweiligen retrospektiven Analysen zu Verzerrungen kommt, da PFS und OS ja auch noch von anderen Faktoren im Tumor beeinflusst werden. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich aktuell außerhalb von Studien nicht, Patienten mit bestimmten KRAS-Mutationen im Tumor doch mit einer Anti-EGFR-Therapie zu behandeln.

NRAS

NRAS ist ebenfalls eine RAS-Isoform. NRAS-Mutationen in kolorektalen Karzinomen sind mit etwa 3% betroffener Patienten vergleichsweise selten. Bei Patienten mit NRAS-Mutationen im Tumor war das Ansprechen von chemorefraktären KRAS-Wildtyp-Tumoren auf eine Therapie mit Cetuximab deutlich schlechter: 7,7% bei Vorliegen einer NRAS-Mutation vs. 38,1% in NRAS-Wildtyp-Tumoren [6]. Auch bei Kombination von Irinotecan mit Cetuximab scheinen Patienten mit einer NRAS-Mutation im Tumor nicht von der Therapie mit Cetuximab zu profitieren [40].

Angesichts der spärlichen Datenlage und der geringen Patientenzahl mit NRAS-Mutationen erscheint eine routinemäßige Bestimmung von NRAS-Mutationen vor Beginn einer Anti-EGFR-Therapie derzeit nicht geboten.

BRAF

BRAF ist eine Serin-Threonin-Kinase und ein Protoonkogen, das RAS in der EGFR-Signalkaskade nachgeordnet ist (Abb. 1). Aktivierende BRAF-Mutationen, vornehmlich in Position V600E, finden sich bei 8–10% aller KRK. Das Gewebe dieser Tumoren zeichnet sich durch Lymphozyteninfiltration und eine geringgradige, auch muzinöse Differenzierung aus. Anatomisch finden sich BRAF-mutierte Karzinome häufig im proximalen Kolon. Mutationen im BRAF- und KRAS-Gen schließen sich gegenseitig aus, so dass BRAF-Mutationen nur in KRAS-Wildtyp-Tumoren vorkommen [34]. Mutiertes BRAF fungiert als Wachstums- und Überlebensstimulus speziell in KRK-Zellen mit Mikrosatelliteninstabilität [24].

In einer retrospektiven Analyse (11 der 79 Patienten mit einer BRAF-V600E-Mutation im mKRK) zeigte kein Patient mit BRAF-Mutation ein Ansprechen der chemorefraktären Tumoren auf eine Anti-EGFR-Therapie mit Cetuximab bzw. Panitumumab. Umgekehrt zeigte sich bei keinem der Patienten mit Tumoransprechen eine BRAF-Mutation. Patienten mit BRAF-mutierten KRK hatten ein signifikant verkürztes PFS und OS im Vergleich zu BRAF-Wildtyp-Patienten [9]. In einer ähnlichen Analyse ergab sich ein Tumoransprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie von 8,3% bei Vorliegen eine BRAF-Mutation im Tumor im Vergleich zu 38% bei BRAF-Wildtyp-Tumoren [5].

Auch in einer Analyse der sogenannten PICCOLO-Studie (Irinotecan  plus/ minus Panitumumab bei chemotherapierefraktärem mKRK; [40]) zeigte sich bei 29% aller Patienten mit KRAS-Wildtyp eine oder mehrere aktivierende Mutationen, z. B. BRAF, NRAS, PIK3K oder KRAS-146 . Bei Vorliegen einer dieser Mutationen im Tumor profitierten die Patienten nicht von einer Therapie mit Panitumumab hinsichtlich des Parameters Überleben. Im Gegenteil, es zeigte sich sogar ein nicht signifikanter Trend zu einem kürzeren Überleben bei einer Anti-EGFR-Therapie und Vorliegen einer BRAF-Mutation im Tumor.

Aus einer retrospektiven Analyse der oben beschriebenen CRYSTAL-Studie (FOLFIRI plus Cetuximab in der Erstlinientherapie) ergaben sich Hinweise darauf, dass eine BRAF-Mutation eher prognostisch, aber nicht prädiktiv für ein Therapieansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie in der Erstlinientherapie ist [22]. In der Erstlinientherapie ist eine BRAF-Mutation also mit einer deutlich ungünstigeren Prognose assoziiert, auch wenn Patienten nur eine Chemotherapie erhalten. Erhalten Patienten trotz dieser ungünstigen Prognose eine Zweit- oder Drittlinientherapie, dann könnte eine BRAF-Mutation auch ein negativ-prädiktiver Faktor für eine gegen den EGFR gerichtete Therapie sein [40]. Diese Interpretation der Daten steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass BRAF-Mutationen selten sind. Daher ist die in den retrospektiven Analysen ausgewertete Fallzahl klein, so dass Verzerrungen durchaus möglich sind. Während prospektive Studien zu dieser Fragestellung durchaus wünschenswert sind, erscheint aufgrund der aktuellen Datenlage die routinemäßige Untersuchung von KRAS-Wildtyp-Tumoren hinsichtlich ihres BRAF-Mutations-Status vor Durchführen einer Anti-EGFR-Therapie nicht indiziert.

Abb. 1
figure 1

Der EGFR-Signalweg. Die Ligandenbindung an EGFR der Zelloberfläche induziert die Phosphorylierung von mehreren intrazellulären Tyrosinresten, die Downstream-Signalkaskaden aktivieren: hauptsächlich den MAPK-Signalweg, den P13K-KT-Signalweg und den JAK/STAT-Signalweg. Diese Signalwege regulieren Gene, die zu Zellproliferation, Zellüberleben und Zellinvasion, Angiogenese und Metastasierung beitragen. Eine gezielte EGFR-Hemmung könnte entweder mit monoklonalen Antikörpern erfolgen, die an die extrazelluläre EGFR-Domäne binden, oder mit kleinmolekularen TKIs, die an die intrazelluläre Domäne binden. EGF(R) epidermal growth factor (receptor), TGF transforming growth factor, TKI Tyrosinkinaseinhibitor. (Aus [44])

PTEN und PI3-Kinase

Ein weiterer potenziell prädiktiver Biomarker für das Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie ist der Expressionsstatus von PTEN („phosphataseand tensin homologue deleted on chromosome 10“). PTEN ist eine Phosphatase, die PI3-Kinase (PI3K) dephosphoryliert und damit inaktiviert. Ein Verlust von PTEN führt zu einer dauerhaften Aktivierung dieses Signalwegs und zu einer Apoptoseresistenz der Tumorzellen. In vitro zeigen KRK-Zellen bei Verlust von PTEN eine Resistenz gegenüber Cetuximab [17]. In einer retrospektiven Analyse konnte gezeigt werden, dass die PTEN-Expression im Gegensatz zum KRAS-Mutations-Status im Primärtumor und in den Metastasen variiert. Nur der PTEN-Expressions-Status in den Metastasen korrelierte signifikant mit dem Tumoransprechen und dem progressionsfreien Überleben bei Patienten mit mKRK unter einer Therapie mit Irinotecan und Cetuximab (RR: PTEN + -Tumoren 36%, PTEN‑Tumoren 5%; medianes PFS: PTEN + -Tumoren 4,7 Monate, PTEN-Tumoren 3,3 Monate; [26]). Von anderen Gruppen gibt es hier widersprüchliche Daten zur Rolle von PTEN als prädiktivem Marker [33, 37]. Der Verlust von PTEN scheint vor allem ein Hinweis auf eine aggressivere Tumorerkrankung zu sein und hat damit am ehesten prognostische Bedeutung [38]. Größere Studien sind nötig, um die Evidenz von PTEN als prädiktivem Marker des Ansprechens auf eine Anti-EGFR-Therapie zu verstärken.

Mutationen in der PI3-Kinase wurden bei 14,5% der KRK beschrieben. Davon liegen etwa 70% in Exon 9 und etwa 20% in Exon 20. Exon-9-Mutationen hatte in chemotherapierefraktären Tumoren keine Bedeutung hinsichtlich des Ansprechens auf eine gegen EGFR gerichtete Therapie. Bei Vorliegen einer Exon-20-Mutation war das Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie allerdings 0%, verglichen mit 36,8% bei Vorliegen von PI3K-Wildtyp. Auch medianes PFS und OS waren bei Vorliegen einer Exon-20-Mutation in PI3K signifikant schlechter [5].

Weitere Signalmoleküle

Verschiedene Signalmoleküle wie IGF-IR („insulin-like growth factor I rezeptor“), EpCAM, DR5 („death receptor 5“) und viele mehr sind aktuell Bestandteil klinischer Untersuchungen. Über ihren prädiktiven oder prognostischen Wert hinsichtlich der Therapie des metastasierten KRK lässt sich aktuell jedoch noch keine definitive Aussage treffen.

Hemmung der Tumorangiogenese

Maligne Tumoren benötigen ab einer gewissen Größe (> 2–3 mm) ein eigenes Netz von Gefäßen, um die Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr zu gewährleisten [11]. Mit der Entdeckung von VEGF („vascular endothelial growth factor“), der durch Aktivierung von Rezeptortyrosinkinasen das Wachstum von Endothelzellen stimuliert, war ein guter Angriffspunkt für die Blockade der Tumorangiogenese gefunden [2, 21].

Im klinischen Alltag findet heute im Bereich des metastasierten KRK vor allem der monoklonale, humanisierte VEGF-Antikörper Bevacizumab Anwendung, der an VEGF bindet und dieses dadurch neutralisiert. Als Einzelsubstanz ist Bevacizumab bei mKRK-Patienten nicht effektiv. In Kombination mit Chemotherapeutika hat Bevacizumab in zahlreichen klinischen Studien eine deutliche Verbesserung des progressionsfreien Überlebens und auch des Gesamtüberlebens in der Erst- und Zweitlinientherapie des mKRK gezeigt.

Aktuell gibt es keinen prädiktiven Biomarker für eine Angiogeneseinhibition

Es gab Hinweise, dass im Blut zirkulierendes VEGF ein Surrogatparameter für Angiogenese und damit Tumorprogression bei onkologischen Patienten sein könnte [32]. Heute weiß man, dass vom Tumor sezerniertes VEGF erst dann signifikant nachweisbar wird, wenn die Tumorlast bereits hoch ist. Damit scheidet zirkulierendes VEGF als sensitiver Marker einer angiogenesehemmenden Therapie aus [35]. Auch die VEGF-Konzentration im Primärtumor oder im VEGF-Signalweg weiter abwärts lokalisierte Signalmoleküle wie C-RAF, p53 oder Mediatoren der Angiogenese wie TSP-2 sind keine prädiktiven Marker für das Ansprechen auf eine VEGF-Therapie [15, 16, 18]

Somit gibt es aktuell keinen prädiktiven Biomarker für eine Angiogeneseinhibition, z. B. mit Bevacizumab. Der Erfolg der Antiangiogenesetherapie ist unabhängig vom KRAS-Status des Tumors, was sich damit erklären lässt, das die Therapie primär auf das tumorassoziierte Gefäßsystem und nicht auf Karzinomzellen abzielt [15, 16]. Eventuell kann die Konzentration bestimmter Zytokine während der Chemotherapie als Marker für die Aktivierung alternativer Signalwege der Angiogenese und damit als Marker für eine zunehmende Resistenz gegen ein VEGF-blockierendes Therapiekonzept gelten [23]. Aber auch hier sind weitergehende Untersuchungen notwendig.

Fazit für die Praxis

  • Der KRAS-Status ist aktuell der beste (negativ-)prädiktive Biomarker für eine Therapie mit EGFR-blockierenden Antikörpern. Daher sollte der KRAS-Mutationsstatus vor Einleitung mit einer zielgerichteten Anti-EGFR-Therapie unbedingt ermittelt werden, unabhängig von etwaigen Kombinationspartnern oder der Chemotherapielinie. Aufgrund der hohen Konkordanz zwischen Primarius und Metastase hinsichtlich der KRAS-Mutation kann die Bestimmung aus beiden Geweben erfolgen.

  • Wegen der negativ-prädiktiven Eigenschaft kann das Vorliegen eines KRAS-Wildtyps nicht automatisch mit einem Ansprechen auf eine gegen den EGFR gerichtete Therapie gleichgesetzt werden. Dies liegt auch darin begründet, dass es weitere Mutationen im Tumor gibt, die ein Ansprechen auf eine gegen EGFR gerichtete Therapie modulieren, z. T. sogar möglicherweise in Abhängigkeit von der Therapielinie, in welcher der Anti-EGFR-Antikörper eingesetzt wird.

  • Zur Klärung des prädiktiven Charakters anderer Biomarker, die im KRK deutlich seltener mutiert auftreten (NRAS, BRAF, PI3K), sind weitere Studien nötig.

  • Für die Angiogenesehemmung gibt es aktuell keinen prädiktiven Biomarker.