Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags wissen Sie:

  • wie die Initialdiagnostik bei neu diagnostizierter Leberwerterhöhung erfolgen sollte.

  • wann eine weiterführende Differenzialdiagnostik bei Verdacht auf eine Lebererkrankung sinnvoll ist.

  • wie über die Laborergebnisse der Primärdiagnostik das Schädigungsmuster der Leber differenziert werden kann.

  • welche Diagnostik Aufschluss über die Genese der häufigsten Lebererkrankungen in Deutschland gibt.

Einleitung

Die Leber ist das für den Stoffwechsel zentrale Organ im menschlichen Körper und an zahlreichen Stoffwechselprozessen beteiligt. Sie interagiert essenziell mit dem gesamten Organismus. Eine Erhöhung der Leberwerte ist im medizinischen Alltag keine Seltenheit. Bei etwa 20-25% der Bevölkerung in Deutschland, mit einer deutlich gestiegenen Tendenz in den letzten zehn Jahren, werden erhöhte Leberwerte bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten während einer Routine-Blutuntersuchung entdeckt [1]. Die Bedeutung dieser „stillen Volkskrankheit“ für Morbidität und Mortalität ist erheblich [2].

Erhöhte Leberwerte als „stille Volkskrankheit“

Die erhobenen Befunde stellen den behandelnden Arzt, meist den Allgemeinmediziner als Primärversorger, aber auch Klinikärzte, vor große Herausforderungen. Es muss entschieden werden, welche Werte und Konstellationen als Indikatoren für eine direkte Abklärung mit weiterführender Diagnostik berücksichtigt werden sollen und in welchen Fällen ein abwartendes Vorgehen mit Kontrolluntersuchungen angebracht ist. Die rechtzeitige Erkennung von Lebererkrankungen ist prognostisch relevant. Frühzeitige Diagnosen auch bei leichten Leberwerterhöhungen können eine Korrektur prädisponierender Faktoren, die Vermeidung einer Krankheitsprogression mit Langzeitfolgen wie Leberzirrhose und Leberzellkarzinom und teilweise sogar eine Heilung ermöglichen.

Konsensbasierter Algorithmus zur Vermeidung von Überdiagnostik

Neben dem Patienten profitiert auch das öffentliche Gesundheitssystem von evidenz- und konsensbasierten Standards zur Sicherstellung einer angemessenen Diagnostik und Therapie von Lebererkrankungen. Diese Standards tragen auch dazu bei, irrationale und kostenintensive Überdiagnostik zu vermeiden. Die Differenzialdiagnose erhöhter Leberwerte ist vielfältig. Ziel ist es, einen ökonomischen und diagnostisch fundierten Algorithmus zur Erkennung und zum Umgang mit (unklar) erhöhten Leberwerten unter Beachtung regionaler und individueller Risikofaktoren aufzuzeigen, der den untersuchenden Arzt bei der Entscheidungsfindung und Diagnosestellung unterstützt.

Anamnese und körperliche Untersuchung kommen einer zentralen Bedeutung zu

Anamnese und körperliche Untersuchung

Für die Indikationsstellung zur Anforderung von Laboruntersuchungen und die Auswahl des geeigneten Untersuchungsspektrums sind die Anamnese und systematische körperliche Untersuchung jedes Patienten unerlässlich. Lebererkrankungen beginnen oft ohne oder mit nur wenig fassbaren, unspezifischen Beschwerden. Wegen des breit gefächerten Ursachenspektrums von Lebererkrankungen empfiehlt sich eine strukturierte systematische Anamneseerhebung, die neben der Eigen-, Sexual- und Familienanamnese auch äußere Einflüsse berücksichtigt, wie Alkohol- und Drogenabusus sowie Medikamentenexpositionen (inkl. Phytotherapeutika, Nahrungsergänzungsmittel), Tätowierungen/Piercings, berufsbedingte und freizeitbedingte Noxen (wie Nadelstichverletzungen, Lösungsmittel, Schwermetalle), Auslandsreisen oder die Transfusion von Blutprodukten bzw. medizinische Interventionen, u.v.m.

Mittels Inspektion können typische Leberhautzeichen auf eine Lebererkrankung hinweisen

Die körperliche Untersuchung beinhaltet zwingend die vollständige körperliche Inspektion, um keine der oft wegweisenden Leberhautzeichen bzw. Befunde einer bereits fortgeschrittenen Hepatopathie zu übersehen, wie „temporal wasting“, Ikterus, Lacklippen, Lackzunge, Spidernaevi, Palmarerythem, Weißnägel/Uhrglasnägel, Dupuytren-Kontrakturen sowie Zeichen der portalen Hypertension wie Aszites, Splenomegalie, „Caput medusae“, sowie evtl. Kratzeffekte/Exkoriationen durch Juckreiz, Gynäkomastie, Hodenatrophie und Bauchglatze/femininer Behaarungstyp, Ödeme, Foetor hepaticus, Purpura und/oder Hauteinblutungen, etc.

Die palpatorisch, perkutorisch oder durch Kratzauskultation bestimmte Größenbeurteilung der Leber dient der Ersteinschätzung und Orientierung bei grober Abweichung von der Norm. Der Abstand zwischen Lungen-Lebergrenzen und unterem Leberrand beträgt in der Medioklavikularlinie beim Erwachsenen bis zu 12 cm. Eine Zunahme der Lebergröße findet sich häufig bei akuten Lebererkrankungen und kann oft mit einem Kapselspannungsschmerz assoziiert sein, wohingegen bei fortgeschrittener Zirrhose die Leber schrumpft. Zudem können beim Abdominalbefund Konsistenz (bspw. weich bei Leberverfettung und hart bei Bindegewebsvermehrung und Zirrhose), Druckdolenz (Murphy- vs. Courvoisier-Zeichen) und Oberflächenbeschaffenheit (grobknotig z.B. bei Leberzirrhose oder Metastasen) sowie ein Vorhandensein von Aszites und einer Splenomegalie erfasst und beurteilt werden.

Aus den so erhobenen Befunden leitet sich die weiterführende Diagnostik ab. Die nachfolgenden Kapitel beinhalten detaillierte Erläuterungen zur Labordiagnostik. Bildgebende und invasive diagnostische Verfahren, inklusive Histologie und Humangenetik sowie Funktionsteste und Scoring-Verfahren sind ebenfalls wichtige Säulen der hepatologischen Diagnostik, auf die jedoch in diesem Beitrag nur am Rande eingegangen werden kann.

„Leberwerte“

Lebererkrankungen führen zu Funktionsstörungen oder -einschränkungen der Hepatozyten. Diese Vorgänge lassen sich anhand erhöhter Leberwerte erkennen. Der Begriff „Leberwerte“ ist jedoch zu ungenau und definiert keinen spezifischen Laborparameter. Der gezielte Einsatz klinischer Laborchemie erfordert, dass nur diejenigen Parameter ausgewählt werden, die konkret zur Beantwortung der diagnostischen Fragestellung dienen. Für eine erste Orientierung wird neben dem Blutbild in der Regel die Bestimmung folgender Werte herangezogen (Abb. 1):

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Allgemeine Leberwerterhöhung.

  • Transaminasen (Glutamat-Oxalacetat-Transaminase [GOT], syn. Aspartat-Aminotransferase [AST] und Glutamat-Pyruvat-Transaminase [GPT], syn. Alanin-Aminotransferase [ALT] und Glutamatdehydrogenase [GLDH] ➔ Indikator der hepatozellulären Schädigung

  • Gamma-Glutamyltransferase [GGT], alkalische Phosphatase [AP] und Bilirubin ➔ Indikator der Cholestase/biliären Exkretionsstörung

  • Cholinesterase [CHE], Albumin und Quick-Wert/INR ➔ Indikator der hepatozellulären Syntheseleistung

Es ist daher sinnvoll, bereits frühzeitig eine differenzialdiagnostische Einordnung des Schädigungsmusters vorzunehmen. Dies sollte anhand der Konstellation und Höhe der Laborwerte sowie des Schweregrads und der Indikatoren für eine mögliche Genese (hepatisch, cholestatisch, toxisch oder gemischt) erfolgen, um eine Prognose zu erstellen (Tab. 1). Durch die simultane Bestimmung der GOT, GPT und GGT lassen sich mehr als 95% aller Lebererkrankungen erkennen [3].

Tab. 1 Schädigungsmuster, Leberwerterhöhungen und ihre Differenzialdiagnosen

Eine weiterführende Diagnostik ist obligatorisch, wenn erhöhte Leberwerte persistieren oder länger als sechs Monate über dem Normwert oder dem Zweifachen des oberen Normwertes liegen und/oder mit einer symptomatischen Klinik einhergehen. Der negative prädiktive Wert für eine Leberpathologie bei normalen Transaminasen liegt bei etwa 98%, sodass die Bestimmung der Transaminasen eher zum Ausschluss als zum Nachweis einer Lebererkrankung geeignet ist [4].

Die Sonographie ist unter den bildgebenden Verfahren das Diagnostikum der ersten Wahl

Eine weiterführende Diagnostik wird durch spezifischere molekulargenetische und/oder immunologische Untersuchungen sowie bildgebende und invasive Verfahren ergänzt. Beim abwartenden Offenhalten sollte obligatorisch eine Kontrolluntersuchung bei jeder erstdiagnostizierten Leberwerterhöhung, beispielsweise nach Analgetika- oder Antibiotikatherapie oder bei harmlosen parainfektiösen Mitreaktionen, innerhalb von ein bis spätestens drei Monaten erfolgen [5]. Zudem ist zu beachten, dass es immer wieder zu transienten Erhöhungen und individuellen Schwankungen kommen kann, ohne dass eine Pathologie vorliegt.

Leberkrankungen gehen mit einer Schädigung der Hepatozyten einher, sinnvoll ist daher die labordiagnostische Einteilung in eine hepatozelluläre Schädigung, Cholestase und Verlust der Syntheseleistung

Parameter eines parenchymatösen Leberschadens

Hepatozelluläre Enzyme, deren vermehrter Übertritt ins Blut eine direkte parenchymatöse Schädigung anzeigen, sind die GOT, GPT und die GLDH. Das leberspezifische Enzym GPT ist überwiegend zytoplasmatisch in den Hepatozyten lokalisiert und tritt bereits bei geringen Leberparenchymschäden mit Membranpermeabilitätsstörungen in das Plasma über. Infolgedessen ist dieser Parameter sehr sensitiv für Screening-Untersuchung in der medizinischen Praxis. Hingegen findet sich die GOT auch in vielen nicht-hepatischen Zellen und ist sowohl im Zytoplasma als auch in den Mitochondrien lokalisiert. Sofern keine extrahepatischen Zellschädigungen vorhanden sind, weist eine GOT-Erhöhung auf ein ausgeprägteres hepatozelluläres Schädigungsmuster hin. Eine isolierte GOT-Erhöhung ist aufgrund ihrer fehlenden Leber-Spezifität oft extrahepatisch verursacht. Das Verhältnis zwischen GOT zu GPT, der sogenannte De-Ritis-Quotient, kann Hinweise auf die Genese der Hepatopathie bzw. eine Differenzierung zwischen einem eher leichten (Quotient < 1, bspw. akute Hepatitis) und einem eher schweren Leberschaden, häufig mit Nekrose (Quotient > 1, bspw. chronische Leberzirrhose), geben. Hierbei verschiebt sich der De-Ritis-Quotient zugunsten der überwiegend mitochondrialen Enzyme. Bei der alkoholischen Steatohepatitis findet sich häufig ein Quotient > 2 mit gleichzeitig erhöhter GGT [4].

Als klinisch-chemische Basislaboruntersuchung zum Screening einer Lebererkrankung reichen GOT, GPT, GGT, AP, Bilirubin, CHE, Albumin, Quick-Wert/INR und ein kleines Blutbild

Die GLDH ist fast ausschließlich in den Mitochondrien der Leber sowie auch in anderen stoffwechselaktiven Organen nachweisbar. Sofern keine extrahepatischen Zellschädigungen vorhanden sind, weist sie eine zentroazinäre Schädigung nach, vor allem bei schweren Parenchymschäden wie Hypoxie, akute toxische Hepatitis (z.B. mit grünem Knollenblätterpilz) und Verschlussikterus.

Der De-Ritis-Quotient kann hilfreich bei der Differenzierung der Hepatopathie sein

Eine sorgfältige Interpretation ist unerlässlich, da Transaminaseerhöhungen auch bei Schädigungen oder Erkrankungen von extrahepatischen Geweben vorkommen können, wie nach einem Trauma, einer Myokardischämie, Herzrhythmusstörungen, Muskelerkrankungen oder Hämolyse. Zudem kann ein systemisches Krankheitsgeschehen eine Mitreaktion der Hepatozyten verursachen. Beispielsweise können parainfektiöse Transaminaseerhöhungen bei Begleithepatitis im Rahmen systemischer Virusinfektionen wie CMV- oder EBV-Infektionen auftreten. Weitere Ursachen sind Hypoxie mit kardialer oder pulmonaler Genese (z.B. Lungenembolie mit Rechtsherzbelastung), endokrine Erkrankungen (Porphyrie, Amyloidose, Glykogenose, Hypo- oder Hyperthyreose), Autoimmunerkrankungen (Lupus erythematodes, Sarkoidose), bakterielle Infektionen (Tuberkulose, Leptospirose, Brucellose) oder Darmerkrankungen (chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie).

Zu beachten sind extrahepatische Ursachen bei Transaminasenerhöhungen

Von Bedeutung ist neben der Zusammenschau der diagnostischen Leberenzyme auch die Halbwertszeit der Elimination aus dem Serum von Relevanz. Hierbei kann es zu Fehlinterpretationen kommen. Somit ist auch der Zeitpunkt der Blutentnahme relevant.

Indikatoren für eine Cholestase sind GGT, AP und Bilirubin

Bei der Interpretation der Ätiologie der Lebererkrankungen muss auch die Höhe der Enzymaktivitäten berücksichtig werden. Transient normwertige Transaminasen schließen eine Lebererkrankung („ausgebrannte Leberzirrhose“) sowie eine Infektiosität bei Virushepatitiden als auch metabolische Erkrankungen nicht aus [6]. Den höchsten Transaminasenanstieg (> 10- bis 50-fach der Norm) beobachtet man bei fulminant verlaufenden akut-viralen oder medikamentös-toxischen Hepatitiden. Geringe Erhöhungen (< 5-fach der Norm) können bei MASLD auftreten. Darüber hinaus sollten die aktuellen gültigen Normwerte bei der kritischen Überlegung mit Eingang finden, da die ursprünglichen gesunden Kontrollkollektive aufgrund der unterschätzten Prävalenz von MASLD und chronischer Hepatitis C wahrscheinlich zu hoch angesetzt sind [7].

Die GGT ermöglicht eine Differenzierung zwischen hepatisch/biliären und osteogenen Ursachen bei erhöhter AP

Bei der Bewertung der absoluten Enzymaktivitäten muss formal auch die berichtete Einheit (1 µkatal/L = 60 U/L) beachtet werden, um grobe Fehlinterpretationen zu vermeiden, z.B. entsprächen 30 µkatal/L 1.800 U/L.

Parameter einer Gallensekretionsstörung und Cholestase

Ein einzelner Parameter ist nicht ausreichend, um eine Cholestase zu diagnostizieren. Im medizinischen Alltag reicht es zunächst, die GGT, die AP und das Gesamtbilirubin zusammen zu betrachten.

Die GGT ist ein leberspezifischer und äußerst empfindlicher Indikator sowohl für diverse Leberstörungen, die z.B. durch Medikamente, Alkohol, Ernährung, oder Tumore verursacht werden, als auch für Erkrankungen des Gallengangsystems. Die GGT ist der sensitivste Parameter für alkoholtoxische Leberschäden. Besonders hohe Werte treten bei Cholestase und alkoholbedingter Hepatitis auf. Beachtenswert sind auch ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko sowie allgemein erhöhte Sterblichkeit bei anhaltender isolierter GGT-Erhöhung [8].

Die simultane Erhöhung von AP und GGT deutet stark auf eine hepatobiliäre Ursache hin. Eine isoliert erhöhte Gesamt-AP bedarf der weiteren Aufschlüsselung in ihre organ-spezifischen Isoformen. Die Plazenta-AP ist physiologisch im letzten Trimenon der Schwangerschaft erhöht. Die Knochen-AP (syn. Ostase) zeigt deutliche altersabhängige Schwankungen während des Knochenwachstums im Kindes- und Jugendalter. Pathologische Knochen-AP Befunde weisen auf eine vermehrte Osteoblastenaktivität hin, z.B. bei Hyperparathyreoidismus, Knochentumoren, Frakturheilung oder Morbus Paget. AP-Erhöhungen bei Entzündungen des Gastrointestinaltrakts lassen sich durch eine vermehrte Aktivität der Darm-AP erklären.

Sklerenikterus ab 2 mg/dl, bzw. Hautikterus ab 3 mg/dl sind Hauptsymptome der Cholestase. Die Bestimmung des Gesamt-Bilirubins und dessen Aufschlüsselung in direktes und indirektes Bilirubin ermöglichen die Differenzialdiagnostik des Ikterus in prähepatische, hepatische und posthepatische Ursachen.

Bei prähepatischen Hyperbilirubinämien überwiegt das indirekte, d.h. noch unkonjugierte Bilirubin, das hauptsächlich durch den Abbau von Hämoglobin im Rahmen einer Hämolyse entsteht. Da Störungen der Hepatozytenfunktion auch zu einer verminderten Bilirubinaufnahme führen können, zeigen Hepatopathien oft ein Mischbild mit Erhöhung des direkten und indirekten Bilirubins.

Nach der Aufnahme des Bilirubins in den Hepatozyten wird es mittels UDP-Glukuronyltransferase glukuronidiert und in direktes, d.h. konjugiertes, wasserlösliches Bilirubin umgewandelt, das aktiv aus der Zelle in die Gallenflüssigkeit ausgeschieden wird. Somit können sowohl hepatozelluläre Schädigungen als auch Störungen der Glukuronidierung und des kanalikulären Transports zu einer intrahepatischen Bilirubinämie führen, bei der das direkte Bilirubin überwiegt. Hepatozelluläre Schädigungen sind an der gleichzeitigen Transaminasenerhöhung erkennbar.

Konjugiertes Bilirubin wird im Dünndarm bakteriell in Urobilinogen umgewandelt und verleiht dem Stuhl seine typische Färbung. Ca. 20% des Urobilinogens werden reabsorbiert und erreichen über den enterohepatischen Kreislauf erneut die Leber. Fallen große Mengen Urobilinogen an, wird es auch renal ausgeschieden und bereits vor dem Auftreten des Ikterus im Urinstatus nachweisbar.

Abflussstörungen der Galle führen zu einer gleichzeitigen Erhöhung der GGT, AP und des direkten Bilirubins. Bei der intrahepatischen Cholestase steht häufig ein medikamenten-bedingter Funktionsverlust des Hepatozyten im Vordergrund. Bei der extrahepatischen Bilirubinämie liegen eher mechanische Ursachen (Steine, Tumoren, Entzündungen) vor und zeigen sich durch Entfärbung des Stuhls und fehlendes Urobilinogen im Urinstatus.

Parameter der Lebersynthese und Detoxifikation

Die Leber stellt neben ihren 500 unterschiedlichen Funktionen ein essenzielles Organ für den Proteinmetabolismus dar. Indikatoren bzw. Surrogate zur Bewertung der hepatozelullären Syntheseleistung sind CHE, Albumin und der Quick-Wert sowie Ammoniak für die Detoxifikation. Für alle Marker der Syntheseleistung existieren Einschränkungen, so dass mehr als ein Marker parallel bewertet werden sollte.

Für Verlaufskontrollen ist Kenntnis der Halbwertszeiten (HWZ) wichtig. Der Quick-Wert als Globaltest der hepatogenen Gerinnungsfaktoren besitzt eine deutlich kürzer HWZ als die CHE, deren HWZ wiederum kürzer ist als die des Albumins.

Die CHE weist große interindividuelle Schwankungen auf, so dass eine einmalige Messung kaum bewertbar ist. Sobald der individuelle Aktivitätsbereich der CHE bekannt ist, kann er als Verlaufsparameter mit höherer Sensitivität als Albumin genutzt werden. Bei schweren akuten und fortgeschrittenen chronischen Lebererkrankungen fällt die CHE um mehr als 50%. Da einige Medikamente, wie z.B. Morphine, Enzyminhibitoren der CHE sind, ist eine kritische Medikamentenanamnese erforderlich. Da die Albumin- und CHE-Synthese im Hepatozyten aneinander gekoppelt sind, führt eine kompensatorisch erhöhte Albumin-Synthese, z.B. bei Eiweißverlustsyndromen auch zu einer Zunahme der CHE. Im Gegensatz zu Albumin retiniert CHE in der Niere und akkumuliert im Blut. Wesentliche Einschränkungen des Quickwertes sind therapeutische Erfordernisse wie eine antikoagulative Therapie oder die Substitution von Gerinnungsfaktoren.

Unterschieden wird in prähepatischen, hepatischen und posthepatischen Ikterus

Erhöhte Ammoniak-Spiegel im Vollblut weisen bei fortgeschrittener Leberinsuffizienz oder akutem Leberversagen auf eine verminderte Entgiftungsfunktion der Leber hin. Verlässliche Ammoniakbefunde stellen hohe Anforderungen an die Präanalytik. Ammoniak ist in Erythrozyten und Thrombozyten deutlich höher konzentriert als im Plasma. Hinzu kommt, dass über die Aktivität der GGT weiterhin Ammoniak produziert wird. Bei der Probenahme und dem Transport muss eine Hämolyse vermieden und die Aktivität der GGT durch Kühlen der Probe gedrosselt werden. Um die ex-vivo-Zunahme, also falsch hohe Ammoniak-Werte, zu vermeiden, sollte Blut nur aus der ungestauten Vene entnommen und gekühlt möglichst schnell in das Labor transportiert werden.

Die Bestimmung von Ammoniak erfordert eine präzise und anspruchsvolle Präanalytik

Die minimale (früher: subklinische oder latente) hepatische Enzephalopathie (HE) kann bereits vor dem Anstieg des Ammoniaks einsetzen. Defizite in kognitiven Teilbereichen können dann nur durch neuropsychometrische Tests erfasst werden. Je weiter fortgeschritten das HE-Stadium ist, umso mehr korrelieren Ammoniak und die Klinik der Patienten.

Nachweis von Virushepatitiden

Bei Erkrankungen mit typischem hepatozellulärem Schädigungsmuster (Anstieg der Transaminasen auf 500-3.000 U/l, De-Ritis-Quotient < 1) sollten virale Infektionen als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden. Da sowohl eine Behandlungsindikation als auch ein Übertragungsrisiko bestehen, ist es ratsam, stets eine adäquate Virusserologie durchzuführen.

Bei akuter Hepatitis B ist anti-HBc-IgM immer, das HBsAg in 90% der Fälle positiv

Die fünf Haupterreger für Virushepatitiden (Hepatitis-A-Virus [HAV], Hepatitis-B-Virus [HBV], Hepatitis-C-Virus [HCV], Hepatitis-D-Virus [HDV], Hepatitis-E-Virus [HEV]) machen etwa 95% aller Fälle aus. Die chronische HBV-Infektion zählt mit weltweit etwa 400 Mio. Menschen zu den häufigsten Infektionskrankheiten, während die HCV-Infektion 130-170 Mio. Erkrankte verursacht [9]. Trotz vorhandener Impfanamnese sollte insbesondere bei Risikogruppen (z.B. i.v.-Drogenkonsum, Migration, Promiskuität) eine HBV-Infektion als Ursache einer Hepatitis abgeklärt werden. HAV und HEV führen meist zu selbstlimitierten akuten Hepatitiden durch fäkal-orale Übertragung. Im Gegensatz dazu erfolgt die Übertragung von HBV, HCV und HDV meist parenteral und kann zu einer chronischen Infektion mit dem potenziellen Risiko einer Leberzirrhose und der Entwicklung eines HCC führen.

Durchgemachte Hepatitis B: anti-HBs positiv (90%) und anti-HBc IgG positiv, Z.n. HBV-Impfung: anti-HBs positiv und anti-HBc IgG negativ

Weitere Viren können eine Begleithepatitis als Reaktion auf eine systemische Infektion auslösen. Zu diesen hepatotropen Viren zählen das Cytomegalievirus [CMV], Epstein-Barr-Virus [EBV], Herpes-simplex-Virus [HSV] sowie „exotische“ Viren, wie Arboviren, Marburg-Virus usw., bei denen die Reiseanamnese zu beachten ist.

Die virologische Basisserologie (Tab. 2) bei HBV sollte HBs-Ag und anti-HBc, sowie anti-HCV bei HCV beinhalten. Zur weiteren Differenzierung zwischen akuter und chronischer Infektion kann anti-HBc IgM und IgG sowie HBe-Ag, anti-HBe und HBV-DNA als Marker der Infektiosität bestimmt werden [10]. Jeder Hbs-Ag-positive Patient sollte auf eine Simultan- oder Koinfektion mit HDV (anti-HDV IgM, HDV-RNA) getestet werden. Da anti-HCV erst ca. 7-8 Wochen nach Erkrankungsbeginn nachweisbar wird (diagnostische Lücke) sollte bei Verdacht zusätzlich die HCV-RNA mittels PCR bestimmt werden [11]. Für die Auswahl der antiviralen Therapie wird der HCV-Genotyp bestimmt.

Tab. 2 Diagnostik der Virus-Hepatitis

In Europa nehmen akute Infektion mit dem HEV zu. Sie ist die häufigste Zoonose, die durch den Konsum von rohem oder unzureichend gegartem Schweine- und Wildfleisch oder durch kontaminiertes Trinkwasser übertragen wird. Serologisch sind anti-HEV IgM und HEV-RNA im Blut und Stuhl nachweisbar. Bei immunsupprimierten Personen oder Organtransplantierten sind chronische Verläufe mit Zirrhose möglich [12].

Die meisten HAV-Infektionen mit positiven Anti-HAV IgM, verlaufen akut und betreffen Reiserückkehrer aus südlichen Ländern, aufgrund von fäkal-oraler Übertragung bei mangelhaften hygienischen Verhältnissen.

Diagnostik bei akuter massiver und chronischer Leberwerterhöhung

Essenziell ist die Unterscheidung zwischen akuter und chronischer Leberschädigung für die weitere Diagnostik und Prognose (siehe Abb. 2). Akutes Leberversagen ist selten (ca. 200 Fälle/Jahr in Deutschland) und erfordert sofortige Behandlung in spezialisierten Kliniken [13]. Es ist durch Ikterus, Gerinnungsstörung und hepatische Enzephalopathie gekennzeichnet und tritt bei Patienten ohne vorherige chronische Lebererkrankung auf. Es gibt drei Verlaufsformen: fulminant (< 7 Tage), akut (7-28 Tage) und subakut (> 4 Wochen). Laborchemisch zeigt sich eine Erhöhung von Transaminasen, Bilirubin und Ammoniak sowie eine Erniedrigung des Quick-Wertes. Der MELD-Score hilft als Prognosemarker bei der Priorisierung von Organvergaben und beim Monitoring der Patienten zur Lebertransplantation auf der Warteliste.

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Vorgehen bei akuter und chronischer Leberwerterhöhung.

Chronische Lebererkrankungen bestehen, wenn eine Hepatitis nach 6 Monaten nicht ausgeheilt ist. Die Klassifizierung basiert auf Ätiologie, Entzündungsgrad und Fibrosestadium. Häufigste Ursache erhöhter Transaminasen ist die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (MASLD) [14]. Frühstadien sind oft beschwerdefrei, was eine Dekompensation bei fehlender Diagnostik zur Folge haben kann. Bei negativen Befunden sollten seltenere Ursachen wie Infektionen durch Bakterien, Pilze und Parasiten geprüft werden. Weitere Differenzialdiagnosen sind in Tab. 3 dargestellt.

Tab. 3 Ursachen und Diffenzialdiagnosen von Hepatitiden

Diagnostik bei ausgewählten Lebererkrankungen

Alkoholische Fettleberkrankung (AFLD, „alcoholic fatty liver disease”)

Die ethyltoxische Fettlebererkrankung betrifft 5-10% der Bevölkerung in Westeuropa und ist in Deutschland die zweithäufigste chronische Lebererkrankung. Akuter Alkoholkonsum kann durch Ethanol in der Ausatemluft oder im Serum sowie durch Ethylglucuronid (ETG) im Urin als auch in Haarproben nachgewiesen werden. Chronischer Konsum zeigt ein erhöhtes CDT (Carbohydrate-Deficient-Transferrin) im Serum, als auch ein Anstieg der GGT, erhöhtes MCV (mean corpuscular volume) und IgA.

Der MELD-Score (Model for End-stage Liver Disease) wird berechnet aus dem Serumkreatinin, Bilirubin, INR und zusätzlichen klinischen Informationen

Metabolische Dysfunktions-assoziierte Steatotische Lebererkrankung (MASLD, „metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease“)

Die häufigste chronische Lebererkrankung in den Industrienationen ist die MASLD, die etwa ein Drittel der Erwachsenen betrifft und zunehmend auch bei Jugendlichen auftritt [15, 16]. 10-20% der Betroffenen entwickeln eine MASH (Metabolische Dysfunktions-assoziierte Steatohepatitis), von denen 10-20% eine fortschreitende Zirrhose entwickeln, die bei 5% zu Zirrhose und MASH-assoziiertem hepatozellulären Karzinom (2% der Leberzirrhosen/Jahr) führt [17]. Die neue Terminologie (MASLD/MASH) soll präziser und weniger stigmatisierend sein als NAFLD (non-alcoholic fatty liver disease), da über 90% der Fälle durch das metabolische Syndrom verursacht sind [18]. Seltenere Ursachen sind Medikamente, Magen-Darm-Operationen und parenterale Ernährung. Laborbefunde zeigen erhöhte Transaminasen und der De-Ritis-Quotient ist oft < 1 im Vergleich zu Abgrenzung bei ASH > 1. Ein spezifischer Marker wie M30 für Apoptose könnte zukünftig diagnostisch bedeutsam sein. Derzeit kann MASLD nur durch Leberbiopsie von MASH unterschieden werden.

Eine riskante Trinkmenge wird ab einer täglichen Zufuhr von 24 g Alkohol pro Tag beim Mann und 12 g Alkohol pro Tag bei der Frau beobachtet

Autoimmune Lebererkrankungen

Bei unklarer Leberwerterhöhung sollten autoimmune Lebererkrankungen in Betracht gezogen werden. Die Autoimmunhepatitis (AIH) betrifft vorwiegend Frauen im jungen und mittleren Alter (80%), assoziiert mit HLA-Haplotypen B8, DR3 und DR4. Charakteristisch sind positive Autoantikörper (antinukleäre Antikörper [ANA] und Antikörper gegen glatte Muskulatur (F-Actin) [ASMA], bei Typ I AIH oder liver kidney microsome-Ak gegen CytochromP450 2D6 [LKM1] bei Typ II AIH), erhöhte Transaminasen, polykonale Hypergammaglobulinämie, und histologisch-bioptisch eine portale und lobuläre Hepatitis.

Der NAFLD Fibrosis Score (NFS), bestehend aus Alter, BMI, Diabetes, GOT, GPT, Thrombozyten und Albumin, hilft bei der Risikoeinschätzung und Vorhersage einer Fibrose

Überlappungssyndrome mit primär biliärer Cholangitis (PBC) und primär sklerosierender Cholangitis (PSC) sind möglich. 1-2% der Zirrhosefälle sind der PBC zuzuordnen, meist sind Frauen mittleren Alters mit erhöhten Cholestaseparametern (AP, GGT) und IgM betroffen. Der Nachweis erfolgt durch antimitochondriale Antikörper (AMA, spezifisch Anti-M2) und Leberhistologie [19]. PSC betrifft häufiger Männer, oft assoziiert mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung, insbesondere Colitis ulcerosa. Sie führt zu sklerosierender Entzündung der Gallengänge, diagnostizierbar durch MRCP oder ERCP, sowie zu erhöhten Cholestaseparametern und in 60% erhöhten antineutrophilen cytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) mit perinuklerärem Fluoreszenzmuster (pANCA).

Der Antikörpertiter korreliert nicht mit dem Schweregrad der Erkrankung

Medikamentös-induzierte Leberschäden (DILI)

Die Häufigkeit von DILI (drug-induced liver injury) variiert, ebenso wie die Schädigungsmuster (hepatozellulär, cholestatisch, gemischt), wobei spezifische Laborparameter fehlen. Eine sorgfältige Medikamentenanamnese der letzten 6 Monate (inkl. Phytotherapeutika, Drogen, Nahrungsergänzungsmittel) ist wichtig, um alternative Ursachen auszuschließen. Hepatotoxine werden in obligate (dosisabhängig, vorhersehbar) und fakultative (dosisunabhängig, unvorhersehbar, idosynkratisch) unterteilt. Häufige Auslöser sind NSAR, Statine, Antibiotika und Antiepileptika, die auch nur vorübergehende Transaminasenerhöhungen verursachen können.

Die Therapie besteht in einem positiven Ansprechen auf Immunsuppressiva

Fazit für die Praxis

  • Erhöhte Leberwerte sind häufig, so weist jeder vierte bis fünfte Bundesbürger mit steigender Tendenz in Deutschland erhöhte Leberparameter auf.

  • Eine frühzeitige Abklärung ist entscheidend für die Therapie und Prognose der Erkrankungen sowie zur Prävention von Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom; das Übersehen auch geringer Leberwerterhöhungen in der Primärversorgung kann weitreichende Konsequenzen haben.

  • Neben der ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung stellen laborchemische Marker der Leberparenchymschädigung, der Cholestase und Lebersynthese die Grundpfeiler der initialen Labordiagnostik dar.

  • Die Basisdiagnostik umfasst vor allem die Bestimmung von GPT, GOT, GGT, AP, Bilirubin, CHE, Albumin, INR sowie ein Blutbild.

  • Die erhobenen Leberwertkonstellationen ermöglichen eine Differenzierung in akute und chronische Lebererkrankungen sowie in eher primär hepatische oder cholestatische Schädigungen sowie in eine Mischform mit typisch zugrundeliegender Ätiologie.

  • Ein abwartendes Zuwarten mit Kontrollen innerhalb von 1-3 Monaten kann bei Werten unterhalb des zweifachen oberen Normwertes und fehlenden Zeichen einer Leberinsuffizienz vertreten werden („Watch and Control“).

  • Hierzulande ist die Metabolische Fettlebererkrankung(MASLD/NAFLD) die häufigste chronische Lebererkrankung, ebenfalls häufig sind durch Alkoholkonsum oder Hepatitis B und C ausgelöste Hepatitiden.

  • Für die erweiterte komplexe Diagnostik bei spezifischen Erkrankungen sind ferner eine Autoantikörperserologie, speziellere biochemischer Marker sowie teilweise eine Leberbiopsie sinnvoll. Extrahepatische Ursachen sollten ebenfalls bedacht werden.

Komplikationen der PSC sind biliäre Zirrhose und erhöhtes Risiko für cholangiozelluläre und kolorektale Karzinome

Zu beachten sind Mischbilder wie durch Arzneimittel, die nicht streng zu einem Schädigungsmuster eingeordnet werden können

Herausgeber der Rubrik CME Zertifizierte Fortbildung: Prof. Dr. med. J. Bogner, München, Prof. Dr. med. H.J. Heppner, Bayreuth, Prof. Dr. med. K. Parhofer, München