Schon die Anamnese kann wichtige Hinweise auf die Ursache von chronischem Juckreiz geben. Besonders wichtig ist die Frage, wie auf das Jucken reagiert wird.

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Etwa 15% der Menschen leiden unter chronischem Juckreiz, der länger als sechs Wochen besteht. In der Hautarztpraxis machen diese Patientinnen und Patienten 36% aller Fälle aus. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen, jedoch spielt das Alter eine Rolle: Vor allem bei Kindern und älteren Menschen über 65 Jahre kommt länger andauernder Pruritus vermehrt vor. Ältere leiden häufig unter einem Exsikkationsekzem. "Sie duschen häufig, aber cremen wenig", sagte Prof. Thomas Dirschka, Dermatologe aus Wuppertal auf dem Internisten-Update in München. Das Austrocknungsekzem sei die häufigste Ursache für chronischen Juckreiz bei älteren Menschen. Die Haut dieser Patienten sieht wie eine "Wüstenlandschaft" aus, eine Art ichthyosiformes Bild der Haut, beschrieb es Dirschka. Besonders ältere Menschen sollten deshalb eine rückfettende Duschemulsion verwenden und harnstoffhaltige Externa auftragen.

Eingeteilt wird chronischer Pruritus nach der Anamnese und dem klinischen Bild in drei Kategorien:

  1. 1.

    Chronischer Pruritus mit primär veränderter Haut,

  2. 2.

    Chronischer Pruritus mit primär unveränderter Haut,

  3. 3.

    Chronischer Pruritus mit sekundär veränderter Haut wie Kratzläsionen.

Reiben - Kratzen - Löffeln

Anhand der Art des Juckreizes kann durch eine einfache Klassifikation unterschieden werden, woher der Juckreiz kommt. Er kann in drei verschiedene Formen der Juckreizbeantwortung unterteilt werden (Tab. 1): Berichten die Patienten, dass sie an der juckenden Stelle reiben müssen, kann von einer Urtikaria ausgegangen werden. Im Gegensatz dazu kratzt der Ekzematiker. Kratzen heißt grundsätzlich, dass die Epidermis beteiligt ist, wie bei ekzematösen Hautveränderungen. Als dritte Form wird das "Löffeln" unterschieden. Gerade bei älteren Patienten sind pruriginöse Läsionen zu beobachten, kleine, kondensierte Herde mit zahlreichen kleinen Narben, etwa bei nierenkranken Patienten oder Atopikern im Bereich der Arme. Die Patienten "löffeln" diese Herde aus. "Wenn diese Patienten ,gelöffelt' haben, ist der Juckreiz mit einem Mal vorbei", schilderte Dirschka das Leiden. Danach blutet es, die Stellen vernarben und das Ganze beginnt an einer neuen Stelle.

Tab. 1 Praktische Tipps zur Einordnung von Juckreiz

Diagnostik bei Juckreiz

Um nichts zu übersehen, empfiehlt Dirschka eine Basisdiagnostik vorzunehmen: Differenzialblutbild (besteht eine Eosinophilie?), Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktives Protein und Ferritin sollten geprüft werden. Außerdem sollten Niere (Kreatinin, Harnstoff, glomeruläre Filtrationsrate), Leber (Transaminasen, alkalische Phosphatase, Bilirubin), Schilddrüse (LDH, TSH) und ein möglicher Diabetes (Glukose, HbA1c) gecheckt werden. Zusätzlich wird empfohlen, eine Stuhlprobe auf okkultes Blut zu testen. An den Läsionen sollten bakteriologische bzw. mykotische Abstriche und ein Milbennachweis erfolgen.

Im Bereich der Inneren Medizin sind folgende Formen des Juckreizes von Bedeutung:

  • Nephrogener Pruritus,

  • Cholestastischer Pruritus,

  • Hämatologische und lymphoproliferative Erkrankungen,

  • Paraneoplastischer Pruritus,

  • Neurologische Krankheiten,

  • Arzneimittel.

Therapeutische Optionen

Bei einem juckenden Ekzem könnte es naheliegen, den Patientinnen und Patienten die Einnahme eines Antihistaminikums zu empfehlen. Dirschka wies jedoch darauf hin, dass dieses bei ekzematösem Juckreiz nicht wirke. Dieser Juckreiz wird nämlich über den Histamin-4-Rezeptor vermittelt, Antihistaminika binden jedoch an den Histamin-1-Rezeptor. Durch die hochdosierte Gabe älterer Präparate können die Patienten zwar müde gemacht werden. "Aber Sie befreien sie nicht vom Juckreiz", sagte Dirschka. Histamin-4-Rezeptor-Blocker befinden sich in der Entwicklung und könnten in naher Zukunft eine wirksame Option in der Behandlung von Ekzematikern werden. Derzeit kommen bei ekzematösen Hautkrankheiten topische Glukokortikoide oder Calcineurininhibitoren zum Einsatz. Juckreiz in Verbindung mit urtikariellen Hautveränderungen spricht dagegen gut auf systemische Antihistaminika an.

Nach einem Vortrag von: Thomas Dirschka. Hot Topic: Dermatologie. Internisten Update 2021, München 19. November 2021