Im April 2018 haben die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DNG) und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) eine vollständig überarbeitete Version der S1-Leitlinie zur Therapie bei sowie zur Prophylaxe von Migräneattacken veröffentlicht. Hinzugefügt haben die Autoren unter anderem Empfehlungen zu Entspannungsverfahren und verhaltenstherapeutischen Interventionen. Das betrifft zum einen Möglichkeiten der Selbstbehandlung im akuten Anfall, vor allem aber Optionen, um den Attacken vorzubeugen.

Ziel ist Schmerzdistanzierung

So zielt ein Schmerzbewältigungstraining darauf ab, im Anfall eine Schmerzdistanzierung zu erreichen, etwa durch Aufmerksamkeitslenkung. Entsprechende Imaginationsübungen werden im schmerzfreien Intervall geübt, um sie im Falle eines Anfalls anwenden zu können. „Für diese Verfahren liegen aktuell keine verwertbaren Effektivitätsmaße vor“, erklären Prof. Peter Kropp von der Universitätsmedizin Rostock und seine Kollegen in einer zusammenfassenden Darstellung der Verfahren [1].

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Bei chronischer Migräne liegen oft zusätzlich Angst- und Schlafstörungen oder Depressionen vor.

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Mithilfe von Biofeedbackverfahren wird z.B. versucht, im Anfall willentlich eine Verengung der rechten oder linken Arteria temporalis superficialis herbeizuführen, um auf diese Weise die Schmerzen zu lindern (Blutvolumenpuls (BVP)-Biofeedback). Allerdings wird heute davon ausgegangen, dass es sich bei den vaskulären Veränderungen während des Migräneanfalls um Epiphänomene handelt. Dennoch gilt das BVP-Biofeedback als wirksam. Vergleichsstudien zur medikamentösen Standardtherapie gibt es allerdings nicht.

Positive Berichte zu Neurofeedback

Weitere Verfahren sind das thermale, das elektromyografische (EMG)- und das Hautleitwert-Biofeedback zur Anfallsprophylaxe — Bewertungen dazu liegen nach Angaben von Kropp und Mitarbeitern nicht vor. Erste positive Berichte gebe es zum Neurofeedback.

Besser untersucht sind verhaltenstherapeutische Methoden, um Migräneanfällen vorzubeugen. Dies beginnt mit der Beratung und Führung des Patienten, setzt sich über Entspannungsverfahren fort und beinhaltet weiterhin Ausdauertraining sowie die kognitive Verhaltenstherapie.

Bereits die Beratung reduziert die Kopfschmerzhäufigkeit, verbessert die Wirkung der Akutmedizin und verringert die Wahrscheinlichkeit des Medikamentenübergebrauchs. Neuere Ansätze wie Internet-basierte Beratungen könnten „künftig ein effizienter Baustein in einem schmerztherapeutischen Gesamtkonzept sein“, meinen die Kopfschmerz-Experten.

Progressive Muskelrelaxation ist dem autogenen Training überlegen

Bei den Entspannungsverfahren ist die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson dem autogenen Training überlegen. In der heute bevorzugt angewandten Version von Bernstein und Borkovec werden 16 Muskelgruppen unterschieden, die nacheinander kurz angespannt und danach für jeweils 30 bis 40 Sekunden bewusst entspannt werden. Dabei wird auf die wahrgenommenen Unterschiede der muskulären Spannung fokussiert und der gesamte Körper soll sich entspannen.

Nach Erlernen der Langversion können verschiedene Kurzversionen der Technik eingeübt werden, um schließlich auch ohne vorhergehende Anspannung die Muskulatur entspannen zu können. Der Methode liegt die Annahme zugrunde, dass bei Migräne eine erhöhte autonome Aktivierung vorliegt, der man mit systematischer Entspannung entgegenwirken kann.

In Bezug auf Ausdauertraining wird in Studien sowohl über Besserungen der Schmerzintensität als auch über die Reduktion der Anfallshäufigkeit berichtet.

Die kognitive Verhaltenstherapie zielt darauf, die Selbstwirksamkeit und die Kontrollüberzeugungen zu bessern. Es geht um den adäquaten Umgang mit Stress, mit negativen Affekten und um veränderte Erwartungshaltungen, besonders bei leistungsorientierten Migränepatienten.