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© VOISIN / PHANIE / Science Photo Library

Tab. 1 Blutbild; Normwerte für Erwachsene in Mitteleuropa

Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrages

  • haben Sie die Normwerte des normalen Blutbildes bei Erwachsenen und Kindern rekapituliert,

  • kennen Sie die Definitionen und Wertigkeiten der Zellvermehrung und der Zellverminderung der einzelnen Leukozytenfraktionen,

  • wissen Sie, dass eine Leukozytose immer eine Spezifizierung verlangt, welche Zellfraktion vermehrt ist,

  • kennen Sie die klinische Bedeutung der pathologischen Veränderungen der Leukozyten,

  • sind Sie darüber informiert, wie wichtig die Verwendung von Absolutzahlen zur Charakterisierung einer Zellfraktion ist,

  • wissen Sie, dass Leukämie nicht immer eine Leukozytose bedeuten muss,

  • sind Sie mit dem physiologischen Blutbild in der Schwangerschaft vertraut.

Einführung

Das Blutbild gehört zur Basisuntersuchung einer internistischen Diagnostik. Es gibt eine Auskunft darüber, ob die Blutbildung intakt oder pathologisch verändert ist. Auch eine Leukämie lässt sich oft im peripheren Blut feststellen. Ebenso können sich Hinweise für ein Knochenmarkversagen ergeben, wenn eine starke Verminderung der Erythro-, Leuko- und Thrombozyten besteht. Wichtig ist eine sachgerechte und auf die Pathogenese bezogene Interpretation einer Abweichung vom Normalbefund des Blutbildes. Dazu möchte dieser Artikel einen Beitrag leisten.

Wegen der Komplexizität des „pathologischen Blutbildes“ beschränkt sich dieser Beitrag auf die in der Praxis wesentlichen Veränderungen der Leukozyten.

Kleines und großes Blutbild

Das kleine Blutbild gibt eine Basisinformation über die Erythrozyten, die Leukozyten und die Thrombozyten und eine Auskunft über das Hämoglobin und den Hämatokritwert (HKT) des Blutes. Der HKT gibt den Anteil der Blutkörperchen am Gesamtblut wieder und erlaubt eine Information über die Dickflüssigkeit und damit über die rheologischen Eigenschaften des Blutes. Das kleine Blutbild gehört zur Standarddiagnostik einer internistischen Untersuchung. Dafür reichen wenige Milliliter Vollblut aus.

Beim großen Blutbild werden zusätzlich die einzelnen Fraktionen der Leukozyten bestimmt. Im Differenzialblutbild werden sie prozentual angegeben. Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, dürfen die Prozentangaben zur alleinigen Charakterisierung einer Leukozytenfraktion nur dann verwendet werden, wenn sich deren Gesamtzahl innerhalb des Normalbereichs befindet. Für die klinische Bewertung ist es besser und zugleich eindeutiger die Absolutwerte zu verwenden.

Abweichungen gegenüber den Normwerten werden zusammenfassend als pathologisches Blutbild bezeichnet. Diese sind sehr vielfältig und können quantitativer oder qualitativer Natur sein. Im Folgenden werden die für Hausärzte und Internisten relevanten Blutbildveränderungen erörtert.

Erythrozytose, erhöhter Hämatokrit

Wenngleich die Veränderungen des roten Blutes und der Thrombozyten nicht Gegenstand einer detaillierten Darstellung in dieser Arbeit sind, werden bereits hier einige essenzielle Feststellungen aufgeführt. So kommt es bei einer Anämie neben dem Ausmaß der Verminderung des Hämoglobinwerts (Hb) auch auf den Zeitfaktor des Hb-Abfalls an. Eine Erythrozytenvermehrung wird über den Hämatokrit beurteilt. Dieser spiegelt sowohl die Zahl als auch den Hb-Gehalt der Erythrozyten wider. Ein Wert >55% geht mit einem exponentiellen Anstieg eines Thromboembolierisikos einher.

Thrombozytopenie, Thrombozytose

Eine Thrombozytopenie <20.000 /μl gilt als potenziell gefährlich, da das Risiko für ein Blutungsereignis erhöht ist und bedarf der unverzüglichen Ursachenklärung durch einen Hämatologen. Andererseits ist eine Plättchenzahl >450.000 /μl mit einer erhöhten Thromboemboliegefahr verbunden. Eine Thrombozytose, besonders bei einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung, ist eine Indikation für eine präventive Behandlung.

Leukozytose

Eine Leukozytose liegt vor, wenn bei Erwachsenen die Leukozytenzahl 10.000/μl übersteigt. Neben der summativen Zellvermehrung können die einzelnen Fraktionen der weißen Blutkörperchen isoliert gesteigert sein. Zur klinischen Beurteilung einer Leukozytose ist ein Differenzialblutbild erforderlich, um festzustellen, welche Zelllinie die Vermehrung verursacht. Daraus ergibt sich, dass die Bezeichnung Leukozytose eine Gruppenbezeichnung ist, die immer eine Spezifizierung verlangt, welche der fünf leukozytären Zellreihen für die Zellproliferation verantwortlich ist. Für die Bewertung ist hierbei nicht allein die Prozentangabe, sondern die Absolutzahl der Zellen entscheidend (siehe Abschnitt Leukozytenfraktionen, Prozentangaben, Absolutzahlen). Die Vermehrung einer quantitativ kleinen Fraktion, wie der eosinophilen oder basophilen Granulozyten, muss nicht unbedingt mit einer Steigerung der Gesamtleukozytenzahl verbunden sein. Oft wird Leukozytose mit der Vermehrung neutrophiler Granulozyten gleichgesetzt. Wie die Tab.2 zeigt, entspricht das nicht den tatsächlichen Verhältnissen.

Tab. 2 Leukozytosetypen

Neutrophile Leukozytose

Die Feststellung einer Granulozytenvermehrung >6000 /μl wirft die Frage nach deren klinischen Bedeutung auf. Für die Interpretation ist wichtig, ob der Veränderung eine reaktive oder eine neoplastische Genese zugrunde liegt. Eine benigne neutrophile Leukozytose wird auch als leukämoide Reaktion bezeichnet. Klinisch relevant ist deren Abgrenzung gegenüber einer chronischen myeloischen Leukämie (CML) [1]:

Unterscheidung leukämoide Reaktion (LR) versus chronische myeloische Leukämie (CML)

  1. 1.

    Klinik: Eine floride Entzündung, Fieber und Lymphknotenschwellung sprechen für eine LR, eine Splenomegalie mit derber Konsistenz ohne Entzündungszeichen eher für eine CML.

  2. 2.

    Pathologische Linksverschiebung (Abb. 1): Das Vorhandensein unreifer (immaturer) granulozytärer Zellen, das betrifft Metamyelozyten, Myelozyten, Promyelozyten und Myeloblasten, wird als pathologische Linksverschiebung bezeichnet. Hier muss grundsätzlich eine neoplastische Ursache in Betracht gezogen werden. Ein Anteil von >15% immaturer granulozytärer Zellen charakterisiert die CML.

  3. 3.

    Basophile Granulozyten: Ihre Vermehrung, spricht für eine CML (siehe Abschnitt Basophilie).

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Blutausstrich bei chronischer myeloischer Leukämie. Pappenheim-Färbung; Neutrophile Leukozytose mit Linksverschiebung bis zum Myeloblast bei 15:00, rote Vorstufe bei 17:00 Uhr.

© R. Fuchs

Eine neutrophile Leukozytose mit einer geringeren Linksverschiebung als 15% unreifer myeloischer Zellen ohne Vermehrung der Basophilen ist eher reaktiver Natur.

Als Orientierung gilt außerdem:

  • Eine Leukozytose bis 100.000/μl (100 G/l) kann reaktiv sein.

  • Eine Leukozytose >100.000/μl (100 G/l) ist meist neoplastisch.

Zu den Ursachen der neutrophilen Leukozytose siehe Tab 3.

Tab. 3 Ursachen einer neutrophilen Leukozytose

Blasten im peripheren Blut

Unter der Bezeichnung Blasten versteht man Vorläuferzellen der myeloischen, lymphatischen oder der roten Reihe. Wenn deren Anteil ≥20% der kernhaltigen Zellen ausmacht, lautet die Diagnose akute Leukämie (AL) (Abb. 2). Diese Feststellung verlangt eine weiterführende Diagnostik mit Durchflusszytometrie sowie Zytogenetik und Molekulargenetik, um den Subtyp festzulegen und um eine Aussage zur Prognose treffen zu können. Häufig besteht eine mehr oder weniger ausgeprägte Leukozytose mit begleitender Anämie (<12 g/dl) und Thrombopenie (<150.000 μl). Es ist jedoch zu beachten, dass bei einer akuten Leukämie eine Leukozytenvermehrung fehlen kann. Selbst eine Leukopenie schliesst eine AL nicht aus [2].

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Blutausstrich bei akuter myeloischer Leukämie. Vier mittelgroße, gänzlich undifferenzierte Zellen, zwei mit prominenten Nukleolen.

© R. Fuchs

Bei einer AL liegt im Blutausstrich oft ein sogenannter Hiatus leucaemicus vor, das bedeutet ein Nebeneinander von Blasten und reifen segmentkernigen Granulozyten bei Fehlen der mittleren Reifungsstufen wie der Promyelo-, Myelo- und Metamyelozyten. Der Begriff des Hiatus leucaemicus hat in erster Linie eine historische Bedeutung. Heute zählt viel mehr der Prozentsatz der Blasten im Ausstrich, unabhängig davon, ob Zwischenstufen vorhanden sind oder nicht. Ein Patient mit ≥20% Blasten im Blutbild ist unverzüglich in eine Abteilung für Hämatologie zu überweisen. Dort wird die notwendige weiterführende Diagnostik, einschließlich einer Knochenmarkpunktion, komplettiert. Die akute Promyelozytenleukämie bedarf wegen oft vorhandener lebensbedrohlicher Koagulationsprobleme eines möglichst schnellen Therapiebeginns. Wenn das geschieht, hat besonders dieser AL-Typ eine vergleichsweise gute Prognose [3].

Blastenvermehrung bei vorbekannter hämatologischer Neoplasie

Der Begriff myeloproliferativen Neoplasie (MPN) ist eine Gruppenbezeichnung für die Krankheitsbilder chronische myeloische Leukämie (CML), Polycythaemia vera (PV), essenzielle Thrombozythämie (ET) und primäre Myelofibrose (PMF). Wenn sich bei einer bekannten MPN ≥20% Blasten finden, lautet die Diagnose Blastenschub der entsprechenden Erkrankung. Dieser kann bei einer CML zytomorphologisch myeloisch oder lymphatisch auftreten. Im Falle einer vorausgegangenen chronischen myelomonozytären Leukämie spricht man bei gleicher Blastenvermehrung von einer sekundären akuten myeloischen Leukämie. Die Prognose dieser Formen ist meist ungünstig [4].

Ein Blastenanteil von 10-19% im peripheren Blut spricht bei einer MPN für ein Akzelerationsstadium der Erkrankung [2]. Die Akzeleration wird am häufigsten bei der CML beobachtet.

Im Falle eines vordiagnostizierten Myelodysplastischen Syndroms (MDS) bedeutet das Fehlen von Blasten im Blutbild ein geringeres Risiko für die Transformation in eine AL. Demgegenüber signalisiert deren Nachweis eine ungünstige Prognose. Blasten mit 2–4% im Blutausstrich entsprechen der Diagnose eines MDS mit Blastenvermehrung, Typ I. Ein Anteil peripherer Blasten von 5–19% bedeutet MDS mit Blastenvermehrung, Typ II. Bei fehlenden Blasten im Blut ist deren Anteil im Knochenmark prognostisch entscheidend. Die Überlebenswahrscheinlichkeit der überwiegend älteren MDS-Patienten schwankt in Abhängigkeit vom Blastenanteil und weiteren Faktoren zwischen 8,8 Jahren und 0,8 Jahren [5].

Leukoerythroblastisches Blutbild

Darunter versteht man das gleichzeitige Vorkommen unreifer myeloischer Zellen bis zu den Myeloblasten und kernhaltiger roter Vorstufen im Blutausstrich. Außer beim Neugeborenen ist dieser Befund immer Ausdruck einer schwerwiegenden Störung der Blutbildung. Dieses Phänomen findet sich bei einer extramedullären Hämatopoese, das heißt einer Blutbildung außerhalb des Knochenmarkes (KM) in Leber und Milz. Ursachen eines leukoerythroblastischen Blutbildes sind [1]:

  • Knochenmarkverdrängende Prozesse wie Knochenmarkfibrosierung oder -Karzinose,

  • Eine exzessive neoplastische Blutbildung wie bei der CML in klassischer und atypischer Form,

  • eine stark gesteigerte KM-Regeneration nach intensiver Chemotherapie, bei schwergradiger hämolytischer Anämie oder Stresssituationen wie einer mikrobiellen Sepsis.

Leukopenie

Eine Leukopenie liegt vor, wenn die Leukozytenzahl im peripheren Blut 3500/μl unterschreitet.

Neben der allgemeinen Verminderung der weißen Blutkörperchen kann bei normaler Gesamtzahl auch nur eine Zellreihe isoliert betroffen sein. Deswegen sind für die praktische Bewertung auch hier die Absolutzahlen und nicht die Prozentangaben entscheidend. Die Kriterien der Zytopenie für die einzelnen Zelllinien finden sich in Tab. 4.

Tab. 4 Kriterien für die Zytopenie der einzelnen leukozytären Zelllinien

Granulozytopenie

Eine Verminderung der neutrophilen Granulozyten <1500/μl, auch Neutropenie genannt, ist die häufigste und wichtigste Form einer Zytopenie im peripheren Blut. Die Begriffe Neutropenie und Agranulozytose sind nicht nur quantitativ, sondern auch pathogenetisch definiert.

Nach Heimpel H. [6] ist die Bezeichnung Neutropenie für die Situation reserviert, bei der die Granulozytenverminderung als Folge einer malignen Bluterkrankung oder nach einer knochenmarktoxischen Medikation auftritt. Bei diesen Formen können die Neutrophilenzahlen ebenso stark reduziert sein wie bei einer Agranulozytose, siehe unten. In der klinischen Praxis und in der Literatur werden die Begriffe nicht immer definitionsgemäß verwendet. Häufig tritt eine Neutropenie gemeinsam mit einer Verminderung der Ery- und/oder der Thrombozyten (Bi- oder Panzytopenie) im peripheren Blut auf.

Ursachen einer Neutropenie

Eine Verminderung der Neutrophilen kommt entweder durch eine ungenügende Bildung, eine gestörte Ausreifung im Knochenmark oder durch einen verstärkten Abbau der Granulozyten in der Körperperipherie zustande. Die Unterscheidung ist durch eine Untersuchung des Knochenmarkes möglich. Die klinische Relevanz einer Neutropenie hängt vom Schweregrad der Granulozytenverminderung ab (Tab. 5). Bei einer Leukopenie und einer Neutropenie als der zahlenmäßig stärksten leukozytären Fraktion besteht oft ein relatives Überwiegen der Lymphozyten [7].

Tab. 5 Graduierung und klinische Relevanz der Neutropenie

Agranulozytose

Diese Diagnose bedeutet den isolierten Abfall der neutrophilen Granulozyten <500 /μl bei normalen Werten für die Thrombo- und die Erythrozyten. Häufig wird eine Agranulozytose durch einen medikamenteninduzierten Autoimmunprozess ausgelöst. Nach Metimazol ist mit einer Agranulozytose bei 1/1.000.000 behandelter Patienten zu rechnen [8].

Nach eigener Beobachtung ist die Inzidenz deutlich höher. Das agranulozytoseauslösende Arzneimittel fungiert als Hapten, das erst durch eine in-vivo-Kopplung an ein Protein zu einem Antikörper-bildenden Vollantigen wird. Unter Vermittlung von Komplement lysiert der Antikörper granulozytäre Zellen ab der Entwicklungsstufe des Myelozyten, sodass im zirkulierenden Blut die reifen myeloischen Zellen fehlen. Das klinische Bild der Agranulozytose ist die Folge. In schweren Fällen richtet sich die zytotoxische Aktivität der Antikörper auch gegen die myeloischen Vorläuferzellen. Abhängig von den Zielzellen der Autoaggression finden sich im Knochenmark zwei unterschiedliche morphologische Bilder: Bei der klassischen Form besteht im Gegensatz zum Fehlen der reifen neutrophilen Zellen eine Vermehrung von Promyelozyten (Agranulozytose) oder es fehlen alle myeloischen Zellen, einschliesslich der Promyelozyten und der Myeloblasten. Diese Form wird „pure white cell aplasia“ genannt.

Klinisch ist der Granulozytenmangel durch hohes Fieber infolge einer Bakteriämie gekennzeichnet. Ulzeröse Läsionen finden sich im Bereich der Mundschleimhaut und in der Anogenitalregion. Häufig besteht eine akute Entzündung des Respirationstraktes, oft mit einer Pneumonie einhergehend. Zur Klärung der Ursache ist immer eine sorgfältige Medikamentenanamnese erforderlich. Im Blutausstrich fehlen die Granulozyten praktisch vollständig. Die übrigen Zellreihen, einschließlich der Erythro- und thrombozyten, sind im typischen falle einer Agranulozytose nicht vermindert. Granulozyten <500/μl und Fieber stellen eine lebensbedrohliche Situation dar und bedürfen der unverzüglich stationären Einweisung in eine hämatologische Abteilung.

Bizytopenie, Panzytopenie

Wenn die Zahlen von zwei Zellreihen im peripheren Blut unter dem Normwert liegen, spricht man von einer Bizytopenie. Sind alle drei Reihen betroffen, liegt eine Panzytopenie vor. Die Folgen sind eine Anämie, Thrombopenie und Leukopenie. Ihre klinische Bedeutung hängt vom Schweregrad der Zytopenie der betroffenen Kompartimente ab. Auch hier gibt es reaktive und neoplastische Ursachen.

Nahezu regelmäßig besteht eine Zytopenie bei einer portalen Hypertension und anderen Erkrankungen, die mit einer Splenomegalie einhergehen und aus hämatologischer Sicht einen Hypersplenismus bedingen [9]. Bei einer Panzytopenie kommen viele Erkrankungen ursächlich in Betracht. Grundsätzlich gilt: Eine anderweitig nicht erklärte und anhaltende Zellverminderung im peripheren Blut, ob mit klinischer Symptomatik verbunden oder nicht, bedarf einer ursächlichen Klärung durch einen Hämatologen. In einem solchen Fall ist diagnostisch eine Knochenmarkpunktion erforderlich.

Die Ursache einer Zytopenie kann sowohl hämatologischer als auch nichthämatolgischer Natur sein. Gefürchtet ist eine toxisch bedingte Knochenmarkaplasie infolge einer standardmäßigen Methotrexattherapie (MTX) von Patienten mit einer chronischen rheumatischen Arthritis. Die immunsuppressiv intentionierte Behandlung ist wirksam und wird im allgemeinen gut toleriert. Dennoch kann die niedrigdosierte, potenziell hämatotoxische Substanz zu einem schwerwiegendem Problem werden, wenn keine ausreichende Flüssigkeitszufuhr erfolgt oder gleichzeitig nephrotoxische Medikamente wie nichtsteroidale Antirheumatika eingenommen werden. Dadurch wird MTX nicht genügend ausgeschieden, kumuliert und schädigt die Hämotopoese. Der toxische Effekt kann so schwergradig sein, dass eine lebensbedrohliche Knochenmarkaplasie resultiert.

Nach Weglassen des MTX, Flüssigkeitszufuhr sowie hämatologischer und antibiotischer Supportivbehandlung ist die Prognose, trotz der Schwere des Zustandsbildes, zumeist gut. Zu beachten ist auch, dass die perniziöse Anämie (p.A.) nicht nur eine Erkrankung des roten Blutes ist, sondern aufgrund der essenziellen Rolle des Vitamin B12 für die DNA-Bildung alle drei blutbildenden Reihen einbezieht und somit immer eine Panzytopenie besteht. An eine p.A. ist immer dann zu denken, wenn bei einem älteren Menschen trotz ausgeprägter Panzytopenie das Allgemeinbefinden gut ist, die Anämie hyperchrom und makrozytär erscheint, die Retikulozyten niedrig sind und die LDH einen auffallend hohen Wert von >1000 U/l aufweist [1].

Leukozytenfraktionen, Prozentangaben, Absolutzahlen

Prozentangaben zur zahlenmäßigen Bewertung eines Zellkomparitmentes dürfen nur dann verwendet werden, wenn die Leukozytenzahl normal ist. Sonst müssen die Absolutzahlen pro Mikroliter benutzt werden. Ein Beispiel macht die klinische Relevanz zwischen der Prozent- und der Absolutzahl deutlich: Leukozyten 3200 /μl. Differenzialblutbild: Granulozyten 3%, Eosinophile 2%, Monozyten 9%, Lymphozyten 86%. Aufgrund der sehr geringen Zahl der Neutrophilen besteht ein relatives Überwiegen der Lymphozyten. Ihr Absolutwert beträgt 2700 /μl und liegt somit im Normbereich. Die Bewertung als Lymphozytose wäre demnach falsch [4].

Monozytose

Eine Monozytenvermehrung im Blut liegt bei einem Wert >600 /μl vor. Mögliche Ursachen sind in Tab. 6 zusammengestellt. Mehrheitlich handelt es sich um eine begleitende Zellvermehrung bei einem anderen Grundleiden. Jedoch gibt es ebenso eine neoplastisch bedingte Monozytose. Deren häufigste Form ist die chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML). Auch einige Typen der akuten myeloischen Leukämie schwemmen monozytäre Zellen in das periphere Blut aus. Dort erscheinen sie als atypische Monozyten oder als unreife Monoblasten oder Promonozyten.

Tab. 6 Ursachen einer Monozytose

Monozytopenie

Eine Verminderung der Monozyten spielt klinisch nur eine geringe Rolle. Eine Ausnahme ist die Haarzellenleukämie (HCL). Für diese Erkrankung ist die Monozytopenie charakteristisch und konstant nachweisbar, sodass die Monozytenverminderung als ein Diagnosekriterium der HCL gilt.

Eosinophilie

Finden sich im Blut >500 /μl Eosinophile (Eo) spricht man von einer Eosinophilie, sind es >1500 /μl Eo, liegt eine Hypereosinophilie vor. Wenn die Eo mehr als sechs Monate >1500 /μl betragen, besteht eine persistierende Hypereosinophilie (PHE).

Nach Feststellung einer Eosinophilie muss deren Zuordnung in eine der aufgeführten Diagnosegruppen erfolgen [10] (Tab. 7). In den meisten Fällen tritt die Eosinophilenvermehrung begleitend zu einer anderen Erkrankung auf und weist viele unterschiedliche Differenzialdiagnosen auf, wie die Tab. 8 zeigt. Selten besteht eine neoplastische Ursache im Sinne einer Eosinophilenleukämie.

Tab. 7 Klinische Bewertung der Eosinophilie
Tab. 8 Ursachen einer Eosinophilie

Die Feststellung einer Eosinophilie ist hämatologisch einfach. Klinisch wichtig ist die Feststellung, dass eine Eosinophilie zunächst einen erhöhten Laborwert darstellt, der einer ursächlichen Klärung bedarf. Wenn eine Hypereosinophilie persistiert, klinisch symptomatisch ist und sich ein Grundleiden nicht finden lässt, soll der Patient einem Hämatologen vorgestellt werden. In einem solchen oft schwierig zu klärenden Fall muss das ganze diagnostische Instrumentarium mit Knochenmarkspunktion sowie einer Zyto- und Molekulargenetik zum Einsatz kommen. Die Diagnostik einer PHE ist äußerst komplex.

Eine Eosinopenie ist klinisch ohne Bedeutung. Eine Eo-Verminderung findet sich regelmäßig bei einer Steroidtherapie.

Basophilie

Eine Vermehrung der basophilen Granulozyten besteht, wenn sich im peripheren Blut >100 /μl dieses Zelltyps finden. Dem entspricht bei normaler Gesamtzellzahl ein Anteil ≥2% im Differenzialblutbild. Aufgrund der Seltenheit der Basophilen ist ihre praktische Bedeutung gering. Eine Ausnahme besteht für die Abgrenzung einer leukämoiden Reaktion von der chronischen myeloischen Leukämie (CML). Bei einer neutrophilen Leukozytose mit pathologischer Linksverschiebung ist eine Basophilie indikativ für eine CML. Bei einer leukämoiden Reaktion fehlt eine Vermehrung der basophilen Granulozyten. Eine Basopenie ist praktisch unbedeutend [11].

Lymphozyten

Die physiologische Lymphozytenzahl ist abhängig vom Lebensalter. Kinder und Jugendliche haben höhere Normwerte als ältere Menschen. Die Lymphozyten sind die Träger der spezifischen Immunität. Sie stellen eine außerordentlich vielfältige Zellgruppe dar. Funktionell werden drei Gruppen unterschieden: B-, T- und natürliche Killerzellen (NK-Zellen). Sie werden in den lymphatischen Geweben und im Knochenmark gebildet.

B-Lymphozyten sind knochenmarkgeprägt (engl. bone marrow). Sie sind für die antikörpergebundene, humorale Immunität zuständig. T-Lymphozyten sind thymusgeprägt und verkörpern die zellgebundene spezifische Immunität. LGL-Zellen sind große granulierte Lymphozyten, die im Englischen large granular lymphocytes heißen. Umgangssprachlich werden sie als LGL-Zellen bezeichnet. Als natürliche Killerzellen zerstören sie körperfremde Strukturen, darunter auch Tumorzellen [9].

Mit Ausnahme der LGL-Zellen können sie im gefärbten Blutausstrich nicht zuverlässig unterschieden werden. Dafür ist die Durchführung einer Durchflusszytometrie erforderlich. Immunzytologisch lassen sich damit die typenspezifischen Merkmale erfassen.

T-Zellen sind charakterisiert durch die Expression von CD3, B-Zellen durch CD19, LGL-Zellen durch CD56/CD16. Die Verteilung der einzelnen Subpopulationen werden mit Hilfe des sogenannten Immunstatus bewertet. Damit lässt sich, wenn vorhanden, eine Immundefizienz erfassen [12].

Durchflusszytometrie, Zytogenetik

Für eine präzise diagnostische Zuordnung einer Lymphozytenpopulation ist eine immunzytologische Untersuchung mittels einer Durchflusszytometrie unerlässlich. Damit gelingt die zuverlässige Unterscheidung zwischen einer reaktiven und einer neoplastischen Zellvermehrung für die B-Zellen. Für die T-Lymphozyten und die NK-Zellen ist die Differenzierung schwieriger [13].

Im Falle einer klonalen Zellpopulation ist zur prognostischen Bewertung zusätzlich eine zytogenetische Diagnostik notwendig.

Lymphozytose

Während beim Erwachsenen eine Lymphzytose bei >4000 /μl besteht, liegt eine solche bei Kindern und Jugendlichen, altersabhängig bei >6000–9000 /μl vor. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Verhältnisse im Erwachsenenalter .

Morphologisch sind Lymphozyten eine sehr heterogene Zellgruppe. Bei einem Erwachsenen ist bei einer normalen Gesamt-Leukozytenzahl ein Anteil der Lymphozyten >50% immer pathologisch. Die Ursachen für eine Lymphozytenvermehrung sind breit gefächert (Tab. 9). Für den praktischen Umgang mit einer Lymphozytose sind einige Feststellungen hilfreich:

  • Eine Lymphozytose, begleitend zu einer anderen Erkrankung, bedarf keiner speziellen Bewertung.

  • Je älter ein Patient ist, umso wahrscheinlicher ist eine neoplastische Genese der Lymphozytenvermehrung.

  • Nicht jede lymphatische Neoplasie bedarf einer spezifischen Behandlung.

  • Eine lymphatische Neoplasie muss von einem Hämato-Onkologen zumindest mitbetreut werden.

  • Ein Nichthämatologe muss nicht alle der nahezu unendlich vielfältigen Formen lymphatischer Neoplasien kennen.

Tab. 9 Lymphozytose Ursachen

Gumprecht’sche Kernschatten

Hierbei handelt es sich um zerdrückte Kerne lymphatischer Zellen (Abb. 3). Während diese Zellfragmente früher im Differentialblutbild nur beschrieben, aber nicht gezählt wurden, werden sie heute unter funktionellen Aspekten bei den Prozentangaben der Leukozyten als eigene Fraktion erfasst und ihre Menge, wie andere Zellfraktionen, bezogen auf 100 kernhaltige Zellen angegeben. Das ist wichtig, um eine zuverlässige Aussage über die tatsächliche im Blut vorhandene Granulozytenzahl machen zu können. Dies kann im Falle einer Immundefizienz klinisch wichtig sein. Am häufigsten finden sich Kernschatten bei der chronisch lymphatischen Leukämie. Sie werden aber auch bei reaktiven Lymphozytenvermehrungen wie der Mononukleose angetroffen [3].

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Blutausstrich bei chronische lymphatischer Leukämie. Starke Vermehrung kleiner Lymphozyten, deren Zellkerne nur wenig größer sind als Erythrozyten. Rechts ein Gumprecht’scher Kernschatten.

© R. Fuchs

Reaktive, nicht neoplastische Lymphozytose

Zwei Krankheitsgruppen kommen dafür ursächlich in Betracht. Am häufigsten ist ein lymphotroper Virusinfekt mit seinem bekanntesten Vertreter, der Epstein-Barr-Infektion, die klinisch als Mononukleose in Erscheinung tritt. Bemerkenswert ist, dass diese Erkrankung nach dem 50. Lebensjahr praktisch nicht vorkommt, dass sie eine sich selbst heilende Erkrankung darstellt und zytologisch eine breite Streuung unterschiedlich aussehender lymphatischer Zellen im Blutausstrich aufweist. Daraus resultiert ein „buntes“ Blutbild, das für diese Diagnose charakteristisch ist. Andere virale Erkrankungen, wie z.B. die Zytomegalie-Infektion, können ähnliche zytologische Veränderungen zeigen. Sie sind jedoch meist weniger ausgeprägt und werden zytologisch als „mononukleose-like“ beschrieben.

Eine erreger- und grundleidenunabhängige Lymphozytenvermehrung stellt die persistierende polyklonale B-Lymphozytose dar. Diese wird vornehmlich bei stark zigarettenrauchenden Frauen beobachtet. Die absolute Lymphozytenzahl geht selten über 20.000/μl hinaus. Typisch ist das Auftreten zweikerniger Lymphozyten, die allerdings nur 1–2% der kernhaltigen Zellen ausmachen. Durchflusszytometrisch erweisen sich die Zellen als polyklonal. Die Veränderungen sind reversibel und verschwinden nach Einstellen des Zigarettenkonsums [14].

Vermehrung von Subgruppen, LGL-Zellen

Es können auch nur einzelne Fraktionen gesteigert sein, ohne dass eine Vermehrung der Gesamtlymphozytenzahl besteht. Eine praktische Bedeutung hat die Erhöhung der granulierten Lymphozyten (LGL-Zellen). Ihre physiologische Funktion besteht in der Infektabwehr gegen Viren, Pilze, einige Mikroben, z. B. Tuberkulosebakterien und der Vernichtung von Tumorzellen. Die Normwert liegen bei 90–590/μl und/oder <10% der Leukozyten im Blutausstrich.

Eine Vermehrung liegt vor, wenn ihr Anteil >10% beträgt. In diesem Falle werden die LGL als atypische Lymphozyten bezeichnet und bedürfen einer weitergehenden diagnostischen Bewertung. Der Ausdruck atypisch sagt lediglich, dass diese Zellfraktion nicht normal ist, gibt aber keine Auskunft über die Dignität der Vermehrung dieser lymphozytären Subpopulation. Eine persistierende LGL-Vermehrung geht oft mit einer Neutropenie einher und kann eine gesteigerte Infektanfälligkeit, speziell der oberen Atemwege, zur Folge haben. Eine begleitende LGL-Zytose findet sich bei der Sarkoidose, Autoimmun- und Lebererkrankungen sowie regelmäßig nach einer Knochenmarktransplantation. In seltenen Fällen besteht eine LGL-Leukämie. Deren diagnostische Sicherung ist schwierig und muss durch einen Hämatologen erfolgen [16].

Neoplastische Lymphozytose

Die häufigste Ursache ist die chronische lymphatische Leukämie (CLL) (Abb. 3). Definition, WHO 2016 [15].

Die CLL ist mit wenigen Ausnahmen eine Neoplasie der B-Lymphozyten, die aus kleinen, mehr oder weniger gleichförmig aussehenden Lymphozyten besteht, die in einem kleinen Prozentsatz mit unreiferen Vertretern, den Prolymphozyten (<10%), vermischt sind. Entsprechend dem monoklonalen Charakter der B-Zellen besteht immunzytologisch eine Restriktion der Zelloberflächen-gebundenen Immunglobuline auf einen einzigen Typ, der entweder die Leichtkette Kappa oder Lambda betrifft. Darüber hinaus exprimieren die Zellen in der Durchflusszytometrie die B-Zellmarker CD19, CD20, CD22, CD79a (schwach) und zeigen eine Koexpression von CD5 und C23. Die definitionsgemäße Mindestzahl monoklonaler B-Lymphozyten mit dem aufgeführten CLL-Phänotyp beträgt ≥5000 /μl für die Dauer von ≥3 Monate. Für die Primärdiagnose der CLL ist eine Knochenmarkpunktion nicht erforderlich [15].

Die Prognose der CLL ist sehr variabel. Schon die traditionelle Stadieneinteilung nach BINET oder RAI (Tab. 10) zeigt die Unterschiedlichkeit des klinischen Verlaufs. Neben blanden Formen ohne Krankheitswert gibt es aggressive Typen mit einer medianen Überlebenszeit von nur 32 Monaten. Besonders die chromosomale Deletion des kurzen Arms des Chromosoms 17 geht mit einer ungünstigen Prognose einher. Im fortgeschrittenen Stadium besteht fast immer eine Immundefizienz infolge einer ungenügenden Immunglobulinproduktion durch die funktionsschwachen CLL-Zellen. Die quantitative Bestimmung der Immunglobuline IgG, IgA und IgM im Serum ist deshalb wichtig, um den Grad der Schwächung des Immunsystems ermitteln zu können. Bei einer Infektion, besonders bei einer fieberhaften, muss eine konsequente antibiotische Behandlung erfolgen. Bei gehäuftem Auftreten fieberhafter Episoden kann eine therapeutische oder auch eine prophylaktische intravenöse Immunglobinsubstitution sinnvoll sein.

Tab. 10 Stadieneinteilung der chronischen lymphatischen Leukämie

Im Krankheitsverlauf einer CLL kann der Anteil der unreiferen Subpopulation, der Prolymphozyten, zunehmen. Wenn deren Anteil 50% der lymphatischen Zellen überschreitet, spricht man von einer sekundären Prolymphozytenleukämie (PLL). Daneben gibt es eine primäre PLL ohne vorausgegangene CLL.

Monoklonale B-Lymphozytose

Wenn die Lymphozyten vermehrt sind, aber <5000/μl gezählt werden und ein klonales B-Zell-Markerexpressionsmuster vorliegt, spricht man von einer monoklonalen B-Lymphozytose (MBL). Diese kann dem Vollbild eines Non-Hodgkin-Lymphoms oder einer CLL vorausgehen oder ohne Progression als solche fortbestehen. Die Inzidenz der MBL beträgt altersabhängig bis zu 12% der Durchschnittsbevölkerung und ist damit vergleichsweise hoch. Einer CLL geht immer eine MBL voraus. Klinisch werden zwei Formen unterschieden: MBL <500 /μl vs. >500 aber <5000 /μl. Die „Low count“-MBL (<500 /μl) ist problemlos, da diese nicht proliferiert. Dieser „benigne“ Typ benötigt kein klinisches Follow-up [15].

Haarzellenleukämie (HCL)

Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine leukämisch verlaufende B-Zellneoplasie, deren diagnosegebenden Zellen im Blutausstrich gut zu erkennen sind. Wichtig ist, dass die klassische Form der HCL üblicherweise mit einer Leukopenie im peripheren Blut einhergeht, immer eine Monozytopenie und meist eine Splenomegalie aufweist. Die HCL mit einer Vermehrung der Absolutzahl der klonalen Haarzellen wird als HCL-Variante bezeichnet. Diese verhält sich klinisch aggressiver als die klassische HCL [4].

Lymphozytopenie

Die physiologische Lymphozytenzahl ist, wie oben ausgeführt, altersabhängig. Im Laufe des Lebens nimmt ihre Zahl ab. Für die Bewertung der Lymphozyten ist zu beachten, dass diese für die spezifische Immunität zuständige Zellgruppe, wie oben ausgeführt, aus den Fraktionen der T-, B- und NK-Zellen besteht. Die Lymphozyten können als Gesamtgruppe, aber auch nur in den Einzelfraktionen vermindert sein [17].

CD4-Zellen, HIV-Infektion

Die CD4-Lymphozyten, auch als Helferzellen bezeichnet, sind eine Unterfraktion der T-Zellen. Sie nehmen unter den immunkompetenten Zellen eine Sonderstellung ein. Ihre Zellzahl gibt Auskunft über den Zustand des zellulären Schenkels des Immunsystems. Bei einer HIV-Infektion korrelieren neben der quantitativen Viruslast im Blut die CD4-Zellen mit dem Grad der Immundefizienz, der Lebensqualität und der Prognose der Patienten. Unbehandelt sinkt bei einer HIV-Infektion die CD4-Zellzahl kontinuierlich ab. Bei einem Wert um 500 /μl ist die Indikation zu einer antiviralen Behandlung gegeben. Sinken die CD4-Lymphozyten <200 /μl ist neben der Antivirustherapie eine prophylaktische antibiotische Therapie indiziert, um der gefürchteten Pneumocystis jiroveci-Infektion vorzubeugen [18].

Blutbild in der Schwangerschaft

Hämoglobin

Das Auftreten einer leichtgradigen Anämie ist in der Schwangerschaft physiologisch. Sie ist Folge einer Hämodilution infolge einer disproportionalen Zunahme des Plasmavolumens. In der Gravidität nimmt die Erythrozytenmasse zwar um 30%, das Plasmavolumen jedoch um 50% zu. Daraus resultiert eine Verminderung des Hämoglobins um 2–4 g/dl. Der auf diesem Mechanismus beruhende Hb-Abfall geht nicht unter 11 g/dl. Die „physiologische Schwangerschaftsanämie“ ist normochrom und normozytär.

Von einer Anämie in der Schwangerschaft spricht man bei einer Hämoglobinkonzentration <11 g/dl im 1. und 3. Trimenon sowie <10,5 g/dl im 2. Trimenon. Der Grenzwert einer postpartalen Anämie liegt bei < 10 g/dl [19].

Thrombozyten, Gestationsthrombozytopenie (GTP)

Bei etwa 6–15% aller Schwangerschaften ist mit einer Thrombozytenzahl <150 G/l zu rechnen. Bei der Mehrzahl dieser Frauen besteht eine klinisch nicht relevante Schwangerschaftsthrombozytopenie mit Werten zwischen 110–150 G/l, in Einzelfällen bis 70 G/l, ohne dass ein Risiko für eine maternale Blutung oder eine fetale Thrombozytopenie besteht.

Die als Gestationsthrombozytopenie bezeichnete Plättchenverminderung lässt sich wie folgt erklären:

  • Verstärkte in vivo-Aktivierung und Ablagerung der Thrombozyten in der Plazenta.

  • Verkürzte Lebensdauer der Plättchen während der Schwangerschaft. Die GTP tritt vorzugsweise im dritten Trimenon auf. Eine Therapie ist nicht erforderlich. Neben der harmlosen GTP können während der Gravidität aber auch alle anderen mit einer Plättchenverminderung einhergehenden Erkrankungen auftreten.

Leukozyten

Physiologisch ist ein milder Anstieg der Leukozyten auf 15.000/μl, bedingt durch eine Vermehrung der neutrophilen Granulozyten ohne pathologische Linksverschiebung. Im Wochenbett können die Werte bis auf 20.000/μl steigen [20].

Fazit

  • Die Interpretation eines Blutbildes verlangt einen Bezug auf den Normalbefund, der sich im Kindesalter und während der Schwangerschaft vom gesunden Erwachsenen unterscheidet. Mit Ausnahme dieser zwei Besonderheiten gibt es für die Leukozyten keinen Unterschied zwischen Mann und Frau.

  • Eine Leukozytose kann reaktiv als Begleitphänomen eines anderen Grundleidens oder eigenständig, neoplastisch in Form einer Leukämie auftreten.

  • Bei einer Leukozytose muss immer das die Zellvermehrung verursachende Kompartiment benannt werden. In diesem Sinne spricht man von einer neutrophilen Leukozytose, Lymphozytose, Monozytose, Eosinophilie oder einer Basophilie.

  • Bei einer Leukämie oder einem Verdacht darauf ist wichtig, wie hoch der Anteil der unreifen Zellen, der Blasten, im Blut ist. Bei deren Anteil von mehr als 20% besteht eine akute Leukämie. Diese Patienten bedürfen einer sofortigen Einweisung in eine hämatologische Abteilung.

  • Im Falle einer Zellverminderung, einer Leukopenie, muss ebenfalls angegeben werden, welcher Teil der fünf Leukozytenfraktionen vermindert ist. So spricht man von einer Neutropenie, Lymphopenie oder Monozytopenie. Zur Charakterisierung des Schweregrades der Zytopenie dürfen nicht die Prozentzahlen verwendet, sondern es müssen die Absolutzahlen angegeben werden.

  • Bei einer Neutrophilenzahl unter 500/μl besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit. Der kritische Grenzwert der T-Helferlymphozyten liegt ebenfalls bei 500/μl.

figure 5

Prof. Dr. med. Roland Fuchs

CME-Fragebogen

Das pathologische Blutbild

Die Vermehrung einer der aufgeführten Zellarten erlaubt eine Unterscheidung zwischen einer leukämoiden Reaktion und einer chronischen myeloischen Leukämie.

◯ Eosinophile Granulozyten

◯ Basophile Granulozyten

◯ Myelozyten

◯ Promyelozyten

◯ Monozyten

Eine gesteigerte Blutungsgefahr besteht bei einem Thrombozytenwert

◯ <150.000 /μl

◯ <100.000 /μl

◯ <75.000 /μl

◯ <50.000 /μl

◯ <20.000 /μl

Bei einer der aufgeführten Leukämien ist leitliniengerecht zur Primärdiagnose eine Knochenmarkpunktion nicht erforderlich.

◯ Chronische myeloische Leukämie

◯ Chronische myelo-monozytäre Leukämie

◯ Chronische Eoninophilenleukämie

◯ Chronische lymphatische Leukämie

◯ Promyelozytenleukämie

Eine der angeführten Erkrankungen geht in der Regel mit einer Panzytopenie einher

◯ Akute myeloische Leukämie

◯ Essenzielle Thrombozythämie

◯ Haarzellenleukämie-Variante

◯ Perniziöse Anämie

◯ Autoimmunhämolytische Anämie

Die Verminderung einer Zellfraktion ist klinisch bedeutungslos

◯ Helferzellen

◯ B-Lymphozyten

◯ Basophile Granulozyten

◯ Neutrophile Granulozyten

◯ Retikulozyten

Patient mit einer seit acht Monaten bestehenden Leukozytose von 18.000–23.000 /μl, einem Anteil von 38–45% Eosinophilen und ein zunehmenden Schwäche des rechten Armes. Hämatologisch keine Vermehrung von Blasten. Zyto- und molekulargenetisch kein Nachweis einer Aberration. Keine definierte hämatologische Erkrankung. Wie lautet die Diagnose?

◯ Reaktive Eosinophilie

◯ Idiopathische Hypereosinophilie

◯ Idiopathisches hypereosinophiles Syndrom

◯ Chronische Eosinophilen-Leukämie

◯ Akute myeloische Leukämie mit Eosinophilie

Bei einer der aufgeführten Erkrankungen besteht typischerweise eine Leukopenie

◯ Erythroleukämie

◯ Haarzellenleukämie

◯ Atypische myeloische Leukämie

◯ Multiples Myelom

◯ Monoklonale B-Lymphozytose

Welche Erkrankung wird klinisch-hämatologisch nach der Binet-Klassifikation eingeteilt?

◯ Chronische lymphatische Leukämie

◯ Follikuläres Lymphom

◯ Sézary-Syndrom

◯ Myelodysplastisches Syndrom mit Mehrliniendysplasie

◯ Systemische Mastozytose

Im Falle einer HIV-Infektion besteht bei welcher Zahl der CD4+Zellen die Indikation für eine antivirale Therapie

◯ <4000 /μl

◯ <3000 /μl

◯ <2000 /μl

◯ <1000 /μl

◯ <500 /μl

Welches ist der wichtigste Prognosefaktor eines Myelodysplastischen Syndroms?

◯ Vermehrung der Monozyten

◯ Zahl der Blasten im Blut oder im Knochenmark

◯ Fehlen des Y-Chromosoms

◯ Anämie <10 g/dl

◯ Alter >75 Jahre