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Lernziele

Nach Durcharbeitung des Beitrages ist Ihnen bekannt:

  • wo die Antikoagulantien angreifen und wie sie wirken

  • bei welchen Indikationen welche Antikoagulantien eingesetzt werden

  • bei welchen Antikoagulantien die Nierenfunktion eine wesentliche Rolle spielt und welche Konsequenzen sich daraus ergeben

  • wo die Vorteile der direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) im Vergleich zu den Vitamin K-Antagonisten (VKA) liegen bzw. wo man weiterhin VKAs einsetzen sollte

  • welche Thrombozytenfunktionshemmer zur Verfügung stehen, wo und wie sie eingesetzt werden

  • wie das perioperative Management bei Patienten unter direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) bei Elektiveingriffen erfolgen soll und was beachtet werden muss

Welche Antikoagulantien stehen derzeit zur Verfügung?

Initial standen als Antikoagulantien nur die unfraktionierten Heparine (UFH) und die Vitamin-K-Antagonisten (VKA) zur Verfügung. Vor ca. 30 Jahren kamen die niedermolekularen Heparine (NMH) hinzu. Anschließend hat es lange keine entscheidenden Fortschritte gegeben. Die Forschung fokussierte zunehmend auf die Entwicklung von Substanzen als Ersatz für die Vitamin-K-Antagonisten (Kumarinderivate). Ziel war es, Substanzen zu entwickeln, die direkt Schlüsselproteine im Gerinnungssystem inhibieren können und mindestens so wirksam wie die VKA‘ s sein sollten bei gleichzeitig geringerem Interaktions- und Nebenwirkungspotential. Dies hat zur Entwicklung der sogenannten neuen oralen Antikoagulantien (NOAKs) geführte. Bei der Begriffsbestimmung gibt es aktuell noch einen kleinen Richtungsstreit. Da die NOAKs als direkte Antikoagulantien, d.h. antithrombinunabhängig wirken und auch inzwischen zum Teil schon seit einigen Jahren zur Verfügung stehen, werden sie auch als DOAKs (direkte orale Antikoagulantien) bezeichnet. Derzeit sind in Deutschland vier DOAKs zugelassen, deren Indikationsbereich weitestgehend identisch ist. Die neuen oralen Antikoagulantien haben unterschiedliche Angriffspunkte im plasmatischen Gerinnungssystem, d.h. sie inhibieren entweder den Faktor Xa und werden als Faktor Xa-Antagonisten bezeichnet oder sie greifen am Faktor IIa (Thrombin) an und werden deshalb als Thrombinantagonisten bezeichnet. Faktor Xa-Antagonisten sind Rivaroxaban (Xarelto®), Apixaban (Eliquis®) und Edoxaban (Lixiana®). Der erste Vertreter der Substanzklasse DOAKs war 2008 der Thrombinantagonist Dabigatran (Pradaxa®). Die direkten oralen Antikoagulantien weisen deutliche pharmakologische Unterschiede auf, die es bei der Wahl und Dosierung zu berücksichtigen gilt (Tab. 1).

Tab. 1 Pharmakologische Kenndaten der direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs)

Wo greifen die Antikoagulantien an?

Abb. 1 zeigt die Angriffspunkte der Antikoagulantien im Gerinnungssystem. Die Hauptangriffspunkte sind der zentrale Faktor Xa und der Faktor IIa (Thrombin). Hierbei unterscheidet man zwischen den indirekten Antikoagulantien und den direkten Antikoagulantien. Während die indirekten Antikoagulantien Antihrombin benötigen, um ihre Wirkung zu entfalten, benötigen die direkten Antikoagulantien kein Antithrombin. D.h. sie wirken antithrombinunabhängig. Zu den indirekten Antikoagulantien gehören die unfraktionierten Heparine (UFH), die niedermolekularen Heparine (NMH), das Danaparoid und der indirekte Faktor Xa-Antagonist Fondaparinux. Zu den direkten Antikoagulantien gehören die DOAKs Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban und Dabigatran, ferner das HIT II-Therapeutikum Argatroban. Zu den in der Abbildung 1 mit ihren Angriffspunkten aufgeführten Substanzen kommen noch die Vitamin K-Antagonisten und die Thrombozytenfunktionshemmer hinzu.

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Angriffspunkte der Antikoagulantien im endoplasmatischen Gerinnungssystem.

Diskussion der einzelnen „Sustanzklassen“

Vitamin-K-Antagonisten (VKA)

Die Vitamin K-Antagonisten sind chemisch betrachtet Kumarine bzw. Phenylindandione.

Die Wirkung beruht auf der Hemmung der Vitamin K-abhängigen Karboxylierung der präformierten Blutgerinnungsfaktoren II, VII, IX und X in der Leber. Dadurch kommt es zu einem Konzentrationsabfall dieser Faktoren im Blut entsprechend ihrer unterschiedlichen Plasmahalbwertszeit. Die Folge ist ein vermindertes Gerinnungspotential, was zu einem hypokoagulatorischen Zustand führt, d.h. das Blut wird dünner. Die Hauptindikationen der VKA‘ s sind: Schlaganfallprophylaxe bei chronischem oder intermittierendem Vorhofflimmern, Rezidivprophylaxe nach venöser Thromboembolie und bei Zustand nach mechanischem Herzklappenersatz. Die Vitamin-K-Antagonisten bewirken neben der Hemmung obiger Gerinnungsfaktorsynthese auch eine Hemmung der Bildung von Protein C, S und des Protein Z in der Leber. Die blutverdünnende Wirkung der VKAs hängt entscheidend von der Vitamin K-Zufuhr mit der Nahrung, der intestinalen Resorptionsrate, der Eiweißbindung, der Metabolisierung, der Elimination, der Komedikation und wesentlich auch von der Lebersyntheseleistung ab. Dies spiegelt sich darin wieder, dass jeder Patient seine individuelle VKA-Wochendosis benötigt, die bei Phenprocoumon à 3mg nach eigener Erfahrung von 1 bis zu 16 Tabletten pro Woche reichen kann. Die VKA-Therapie muss mittels INR-Wert (International Normalized Ratio) überwacht werden. Den Quickwert sollte man nicht mehr verwenden, da er eine starke Abhängigkeit vom verwendeten Thromboplastinreagenz im Labor aufweist. Als therapeutischer INR-Bereich gilt 2,0 bis 3,0. Nur in speziellen Situationen ist ein höherer INR anzustreben wie z.B. bei Z.n. technischem Mitralklappenersatz (INR-Zielbereich 2,5–3,5). Um eine gute INR-Einstellung zu erreichen, ist es ganz wichtig, den Patienten mit dem Wirkmechanismus vertraut zu machen. Hierbei hat es sich bewährt, das in Form einer Waage darzustellen. D.h. gibt man in die eine Schale zu viel Vitamin K bei gleicher VKA-Dosierung in der anderen Schale, sinkt der INR-Wert ab, d.h. das Blut wird quasi dicker und der Patient besitzt keine ausreichende Antikoagulation mehr und ist so thromboemboliegefährdet. Umgekehrt gilt, wenn der Patient sich plötzlich Vitamin K-ärmer ernährt oder fastet, steigt bei gleicher VKA-Dosierung der INR-Wert über das therapeutische Maß hinaus an mit der Konsequenz, dass die Blutungsgefahr zunimmt. Ganz wichtig ist es ferner, den Patienten darauf aufmerksam zu machen, dass es zahlreiche Medikamente gibt, die die Wirkung der Vitamin K-Antagonisten verstärken oder auch reduzieren können. Deshalb muss man den Patienten unbedingt raten: dass bei Einnahme eines neuen Medikaments, bei Absetzen eines Medikaments oder bei Dosisänderung eines Medikaments dies mit dem behandelnden Arzt/Ärztin unbedingt zu besprechen ist. Die gleichzeitige Einnahme von Thrombozytenfunktionshemmern bei VKA-Therapie ist mit einem erhöhten Blutungsrisiko verknüpft, hier gilt es, neben Aspirin, Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor dem Patienten auch die plättchenhemmende Wirkung von nichtsteroidalen Antirheumatika bewusst zu machen, zumal diese Medikamente zum Teil frei verkäuflich sind. Auch die sogenannten Phytopharmaka sind nicht ganz unproblematisch. Durch eine gute und mündige Patientenführung ist eine optimale VKA-Therapie erreichbar. Sehr gut informiert und eingestellt sind in der Regel die INR-Selbstmesser. Die Halbwertszeiten der VKAs unterscheiden sich wesentlich, bei Phenprocoumon sind es ca. 150, bei Warfarin ca. 40 und bei Acenocoumarol ca. 9 Stunden. Diese Werte können sich bei Organinsuffizienzen, insbesondere bei eingeschränkter Leberfunktion, deutlich verlängern. Als Antagonisierungsmöglichkeit steht Vitamin K oder im Notfall der Prothrombinkomplex (PPSB) zur Verfügung. Bei lediglich Überdosierung ohne Blutung sollte man sich abwartend verhalten und INR-Verlaufskontrollen engmaschig durchführen (meist 1–2 tägig). Bei leichter bis mittlerer Blutung reicht die Gabe von Vitamin K meist aus, hierbei sollte man initial nicht mehr als 2–10 mg Vitamin K geben. Da Vitamin K zu den fettlöslichen Vitaminen gehört, werden bei hohen Dosen die Speicher aufgefüllt, was später die Neueinstellung mit VKA deutlich erschwert. Bei starker Blutung oder dringenden Interventionen, wie Notfalloperationen oder nicht-aufschiebbaren invasiven Eingriffen, wird PPSB gegeben [1].

Unfraktionierte Heparine (UFH) und niedermolekulare Heparine (NMH)

Heparin wird aus tierischem Gewebe gewonnen und hemmt in Form des Heparin-Antithrombinkomplexes verschiedene aktivierte Gerinnungsfaktoren des plasmatischen Gerinnungssystems. Besonders intensiv erfolgt die Hemmung des Faktors Xa und IIa (Thrombin). Ohne ausreichende Antithrombinkonzentration sind die Heparine wirkungslos. Die Plasmahalbwertszeit von UFH intravenös beträgt ca. 60–90 Minuten, die der NMH ist ca. doppelt so lang. Ein ganz wesentlicher Unterschied besteht in der Bioverfügbarkeit der Heparine nach subkutaner Applikation. So beträgt die Bioverfügbarkeit bei UFH lediglich 10-30% während die der NMH bei ca. 90% liegt. Auch die Inzidenz der heparininduzierten Thrombozytopenie ist bei den NMH deutlich niedriger als bei den UFH. Dies und die in Tab. 2 aufgeführten Unterschiede haben dazu geführt, dass die NMH heute zu mehr als 80% eingesetzt werden im Vergleich zu den unfraktionierten Heparinen. Die Indikationen sind v.a. Thromboseprophylaxe, Thromboembolietherapie und Gerinnungshemmung bei extrakorporalen Verfahren. Bei therapeutischer Dosierung werden die UFH mittels aktivierter partieller Thromboplastinzeit (aPTT) überwacht bzw. gesteuert. Hierbei wird das 1,5 bis 2,5-fache der Norm angestrebt. Bei low-dose UFH-Gabe ist ein Monitoring nicht notwendig. Die niedermolekularen Heparine werden bei therapeutischer Indikation z.B. bei tiefen Bein-Beckenvenenthrombosen, bei der Lungenembolie gewichtsadaptiert subkutan appliziert (Tab. 3). Im Gegensatz zur therapeutischen UFH-Gabe ist ein Routinemonitoring zur Therapieüberwachung nicht notwendig. Ausnahmen stellen Patienten mit einem Körpergewicht kleiner 50 kg, Kinder, Patienten mit Niereninsuffizienz, schweren Hepatopathien, Komplikationen unter NMH, Schwangere, die mehr als die Hochrisikoprophylaxedosis erhalten und die therapeutische intravenöse NMH-Gabe dar. Hierzu werden die anti-Faktor Xa Werte (aXa) bestimmt. Die aPTT ist hierzu nicht geeignet. Um die maximalen Plasmaspiegel zu erhalten, ist unbedingt darauf zu achten, dass die Blutentnahme 3,5–4 Stunden nach der subkutanen Applikation erfolgt. Als therapeutisch gelten aXa-Spiegel von 0,5 bis 1,2 U/ml. Eigene Erfahrungen haben gezeigt, dass bei Werten größer 1,5 U/l das Blutungsrisiko zunimmt. Hier gilt es, die Dosis zu reduzieren und eine aXa-Verlaufskontrolle durchzuführen. Da die NMH stärker renal eliminiert werden als die UFH, ist die Nierenfunktion wichtig. Hierbei gilt es, die Präparateunterschiede der einzelnen niedermolekularen Heparine zu berücksichtigen. Allgemein gilt: je kleiner das Molekulargewicht des NMH, desto stärker wird es renal eliminiert und desto größer ist das Kumulationsrisiko bei eingeschränkter Nierenfunktion. Ferner gilt: je kleiner das Molekulargewicht, desto höher die Affinität zum Faktor Xa im Vergleich zur Antithrombinwirkung (Abb. 2).

Tab. 2 Pharmakologisches Profil unfraktionierte Heparine (UFH) versus niedermolekulare Heparine (NMH)
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Niedermolekulare Heparine im Vergleich

Während UFH mittels Protaminchlorid oder-sulfat vollständig antagonisierbar ist, kann bei den NMH nur die anti-Thrombinwirkung antagonisiert werden, nicht die Anti-Xa-Wirkung. Protamin sollte bei NMH-Therapie nur sehr restriktiv eingesetzt werden. Tab. 3 zeigt die Dosierungen der NMH bei venösen Thromboembolien.

Fondaparinux

Arixtra® ist ein vollsynthetisch hergestelltes Pentasaccharid. Wegen seiner strukturellen Ähnlichkeit kann man es quasi als ultrakurzes niedermolekulares Heparin bezeichnen. Zu seiner Wirkungsentfaltung benötigt es wie die Heparine Antihrombin. Es inhibiert ausschließlich den Faktor Xa (indirekter Faktor Xa-Antagonist). Während die Plasmahalbwertszeit bei den NMH nach subkutaner Applikation ca. 4–6 Stunden beträgt, ist sie beim Fondaparinux mit 17 Stunden deutlich länger. Die Elimination erfolgt ausschließlich renal. Bei eingeschränkter Nierenfunktion verlängert sich die Halbwertszeit deutlich. Wegen der damit verbundenen Kumulation muss man daher die Dosis unbedingt anpassen (Tab.3).

Tab. 3 Niedermolekulare Heparine zur Akuttherapie venöser Thromboembolien (VTE) Stand Mai 2016

Ein spezifisches Antidot steht aktuell nicht zur Verfügung. Mit der Entwicklung der Antidote gegen die direkten Faktor X-Antagonisten (DOAKs) ist davon auszugehen, dass diese auch für Fondaparinux geeignet sein werden. Die Indikation für Fondaparinux entspricht denen der NMH. Zusätzlich besteht eine explizite Zulassung zur Therapie der Thrombophlebitis [2].

Danaparoid

Orgaran® ist ein nahezu indirekter Faktor X-Antagonist (Anti Xa: anti IIa-Ratio ca. 20:1) und benötigt zu seiner Wirkungsentfaltung Antithrombin. Es besteht aus einem Gemisch von niedermolekularen Glykosaminoglykanen mit einem Molekulargewicht von ca. 6.000 D. Es wird anlog den Heparinen aus Schweinedarmmukosa gewonnen. Dies erklärt seine strukturelle Ähnlichkeit mit den Heparinen. Im Vergleich zu UFH und NMH ist der Sulfatierungsgrad niedriger. Danaparoid wird ausschließlich zur Therapie der heparininduzierten Thrombozytopenie Typ II (HIT II) eingesetzt bzw. zur Thromboseprophylaxe nach stattgehabter HIT II. In seltenen Fällen besteht eine Kreuzreagibilität bei HIT II, was zu einer Verschlechterung der HIT II führen und eine bedrohliche Situation darstellen kann. Danaparoid muss dann sofort abgesetzt werden. Da Danaparoid vorwiegend renal eliminiert wird, besteht bei eingeschränkter Nierenfunktion Kumulationsgefahr. Die Danaparoidspiegel lassen sich wie die der NMHs mittels den üblichen chromogenen Substratassays bestimmen. Hierzu muss jedoch eine spezielle Eichkurve für Danaparoid erstellt werden. Wenn Danaparoid statt intravenös subkutan gegeben wird, muss die Blutentnahme zur Bestimmung der maximalen Plasmaspiegel ca. 5 Stunden nach Applikation erfolgen.

Als therapeutische aXa-Spiegel gelten Werte von 0,4–0,8 U/ml. Die Halbwertszeit von Danaparoid beträgt ca. 24 Stunden und ist damit ca. 4–5 mal so lang wie die der niedermolekularen Heparine. Ein spezifisches Antidot steht nicht zur Verfügung. Danaparoid wurde inzwischen bei der Therapie der HIT II weitestgehend durch den direkten Thrombinantagonisten Argatroban verdrängt.

Argatroban

Argatroban (Argatra®) ist ein direkter reversibler Thrombinantagonist und inhibiert freien und gebundenen Faktor IIa. Es wird als HIT II-Therapeutikum intravenös eingesetzt. Die Elimination erfolgt weitestgehend hepatisch, weshalb bei eingeschränkter Leberfunktion Kumulationsgefahr besteht. Die Halbwertszeit bei normaler Leberfunktion beträgt ca. 50 Minuten. Die Therapiesteuerung erfolgt über die aPTT analog der Überwachung der UFH-Therapie. Eine aPTT von 100 Sekunden sollte nicht überschritten werden. Die Überwachung ist auch mit der weniger etablierten Ecarin-Clotting-Time (ECT) durchführbar. Ein Antidot steht nicht zur Verfügung.

Bivalirudin

Bivalirudin (Angiox®) ist ein Thrombinantagonist und wird intravenös bei der perkutanen Koronarintervention eingesetzt. Die Elimination erfolgt renal. Es besitzt eine kurze Halbwertszeit. Ein Antidot steht nicht zur Verfügung.

Direkte orale Antikoagulantien (DOAKs)

Im Gegensatz zu den indirekten Antikoagulantien benötigen die direkten kein Antithrombin zur Wirkungsentfaltung. Sie greifen entweder am Faktor IIa oder am Faktor Xa an. Sie inhibieren sowohl den gebundenen Zielfaktor als auch den freizirkulierenden Anteil. Die Bindung ist reversibel. Die Substanzen sind zur Thromboembolieprophylaxe bei elektivem Knie- oder Hüftgelenkersatz zugelassen [3], ferner zur Akut und Folgetherapie der tiefen Beinvenenthrombose und Lungenembolie [4-10] und zur Schlaganfallprophylaxe bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern (Tab. 4) [11]. Rivaroxaban besitzt zusätzlich noch die Zulassung für das akute Koronarsyndrom (ACS) [12].

Tab. 4 Dosierungen und aktuelle Zulassung der direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs). Stand Mai 2016

Edoxaban ist in Asien zur Thromboembolieprophylaxe bei Hüft- und Knie-Totalendoprothese zugelassen, nicht jedoch in Europa. Die Substanzen besitzen unterschiedliche pharmakologische Eigenschaften (Tab.1) [13,14]. Im Gegensatz zu den Heparinen dürfen sie zur Thromboseprophylaxe nur postoperativ, nicht präoperativ eingesetzt werden. Hierzu gibt es substanzabhängig unterschiedliche Empfehlungen bezüglich des Beginns des postoperativen Einsatzes nach elektivem Hüft- und Kniegelenksersatzes. Beim Dabigatran erfolgt der Einsatz 1–4 Stunden nach OP-Ende, bei Rivaroxaban 6–8 Stunden und beim Apixaban 12–24 Stunden nach Operationsende. Diese Empfehlungen gelten nur für die Prophylaxedosierung, nicht für Patienten, die aus anderen Indikationen eine therapeutische DOAK-Dosierung bekommen, wie z.B. bei Vorhofflimmern oder venösen Thromboembolien (VTE). Hierzu fehlen aktuell die Empfehlungen der Hersteller. Deshalb sollte man postoperativ bei diesen Patenten zunächst NMH subkutan geben und erst später bei stabiler Hämostase und stabilen Kreislaufverhältnissen auf das entsprechende DOAK umsetzen. Das Umsetzen der Therapie von NMH auf DOAK ist einfach, d.h. man gibt zum Zeitpunkt der geplanten NMH-Gabe das entsprechende DOAK.

Wie bei den NMH gilt auch für die DOAKs, die unterschiedlichen Eliminationen insbesondere die Nierenfunktion zu beachten, um rechtzeitig entsprechende Dosisanpassungen vorzunehmen. Wann und wie Dosisanpassungen notwendig sind, zeigt Tab. 5. Bezüglich der Kumulationsgefahr bei eingeschränkter Nierenfunktion gilt die Reihenfolge: Dabigatran>Edoxaban>Rivaroxaban>Apixaban.

Bei den Zulassungsstudien zu den DOAKs wurden Patienten mit Hepatopathien weitgehend ausgeschlossen, weshalb bei diesen Patienten Vorsicht angezeigt ist. Bei der Therapie der akuten venösen Thromboembolie gilt unbedingt zu beachten, dass man beim Edoxaban und beim Dabigatran zur Initialtherapie zunächst niedermolekulare Heparine einsetzen muss und erst nach > 5 bzw. 7 Tagen auf das entsprechende DOAK umsetzen darf. Diese Einschränkung ist auf das Studiendesign der Zulassungsstudien zurückzuführen. Bei Rivaroxaban und Apixaban kann man mit Nachweis der VTE direkt beginnen, ohne dass man vorher NMH geben muss (Tab. 5).

Tab. 5 Dosierungen der direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) abhängig von der Nierenfunktion bei Vorhofflimmern

Welchen Einfluss haben die DOAKs auf die globalen Gerinnungstests?

Die DOAKs beeinflussen die globalen Gerinnungstests unterschiedlich, vgl. Tab. 6 [15,16]. Wie stark diese Veränderungen ausgeprägt sind, hängt entscheidend auch vom Zeitintervall der peroralen Einnahme zur Blutentnahme ab. Die maximalen Plasmaspiegel werden nach ca. 2–3 Stunden erreicht (Tab.1). Dann sind auch die Veränderungen der globalen Gerinnungstests am stärksten ausgeprägt. Generell am geringsten werden sie durch Apixaban verändert. Für den klinischen Alltag z.B. vor geplanten operativen oder invasiv interventionellen Eingriffen sollte die präoperative Blutentnahme deshalb im Talspiegel, d.h. vor der nächsten DOAK-Applikation erfolgen, um die Beeinflussung so gering wie möglich zu halten und Fehlinterpretation zu vermeiden, z.B. wenn der Quickwert DOAK-induziert niedrig gemessen wird, unterstellt man fälschlicherweise, dass der Patient ein Gerinnungs- oder Lebersyntheseproblem hat und er so nicht operiert werden kann.

Tab. 6 Auswirkungen der direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) auf die Gerinnungstests

Was bringen die Spiegelbestimmungen?

Bei Thromboembolien, Blutungen unter Antikoagulantien, vor Notfalleingriffen, bei Verdacht auf Kumulation bei Organinsuffizienzen bzw. auch zur Compliancekontrolle sind Spiegelkontrollen hilfreich. Hierzu stehen für die DOAKs spezielle Tests zur Verfügung. So für die direkten Faktor Xa-Antagonisten die chromogenen Xa-Assays wie z.B. der COAMATIC Heparin-Test für Rivaroxaban und der Rotachrom-Heparin-Test für Apixaban und für den Thrombinantagonisten Dabigatran der Hemoclot®-Thrombin-Inhibitortest. Das Testergebnis ist neben der Dosis entscheidend abhängig vom Zeitintervall der Einnahme des DOAK und der Blutentnahme. Die definierten Zielbereiche für die einzelnen Indikationen (Dosierungen) sind mit einem breiten Korridor belegt und korrelieren nicht mit dem Blutungsrisiko [17-23]. Vor diesem Hintergrund sind die Spiegelbestimmungen nur von begrenztem klinischem Wert, haben eher orientierenden Charakter und sollten deshalb nicht routinemäßig durchgeführt werden. Tabelle 7 zeigt einen Überblick der Konzentrationen der Spitzen- und Talspiegel der einzelnen Substanzen abhängig von ihrer Dosierung.

Tab. 7 Konzentrationen der direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) im steady state abhängig von ihrer Dosierung

Welche Vorteile/Nachteile besitzen die DOAKs im Vergleich zu den anderen Antikoagulantien insbesondere gegenüber den Vitamin K-Antagonisten?

Vorteile gegenüber VKA: Die DOAKs werden nach oraler Einnahme rasch resorbiert und entfalten dann auch sofort ihre antikoagulatorische Wirkung. Die Vitamin K-Antagonisten werden ähnlich schnell wie die DOAKs resorbiert. Die Wirkung setzt jedoch verzögert ein. Um antikoagulatorisch zu wirken, müssen erst die Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X in ihrer Konzentration im Plasma abfallen. Es dauert meist 5–7 Tage nach Beginn der Kumarintherapie bis ein INR-Wert ≥ 2,0 erreicht ist. So lange muss man weiter überlappend NMH applizieren. Die DOAKs werden in fixer Dosis verabreicht, bei den VKA benötigt jeder Patient seine individuell INR-gesteuerte Dosis, die individuell deutlich unterschiedlich sein kann. Im Gegensatz zu den VKAs ist ein routinemäßiges Labormonitoring nicht notwendig. Während bei den VKA-Patienten eine deutliche Abhängigkeit mit der Nahrung besteht (Vitamin K-reich oder Vitamin K-arm) spielt dies bei den DOAKs keine Rolle. Auch gibt es bei den DOAKs wesentlich weniger Medikamenteninteraktionen, die es zu beachten gilt. Hier ist als Beispiel bei den DOAKs zu nennen, dass häufig gerade ältere Patienten als „Wohlfühldroge“ Johanniskraut einnehmen. Dies kann die Wirkung der DOAKs um bis zu 50 % reduzieren und damit zu einer unzureichenden Antikoagulation führen. Deshalb gilt: kein Johanniskraut in Verbindung mit DOAKs. Was für den Praxisalltag noch wichtig ist: Rivaroxaban in Dosierungen größer 10 mg darf man niemals nüchtern nehmen, es braucht etwas Nahrung, um eine stabile Resorption zu gewährleisten. Bei den anderen DOAKs spielt dies keine Rolle. Wegen der deutlich geringeren Halbwertszeit sind die DOAKs besser steuerbar (ca. 12 Stunden vs. ca. 150 Stunden beim Phenprocoumon). Bei Blutungskomplikationen oder bei dringlichen Notfalleingriffen steht bei den Vitamin K-Antagonisten zur raschen „Gerinnungsnormalisierung“ das Faktorenkonzentrat PPSB zur Verfügung. Bei den DOAKs gibt es bislang nur für das Dabigatran ein spezifisches Antidot zur Aufhebung der Antikoagulation (Idarucizumab, Praxbind®) [24]. Es wirkt nach der i.v.-Applikation sofort, die Wirkung hält ca. 24 Stunden an. Wenn man wenige Stunden nach der Antidotgabe bei stabiler Hämostase wegen des dann wieder überwiegenden Thromboembolierisikos antikoagulieren muss, kann man das mit NMH durchführen. Mit Dabigatran geht es im obigen Zeitfenster nicht! Für die direkten Faktor Xa-Antagonisten wie Rivaroxaban, Apixan, Edoxaban sind spezifische Antidote in der klinischen Prüfphase (Andexanet alfa, PER977) [2528] und stehen wahrscheinlich bald zur Verfügung. Bis dato werden mechanische Blutstillungsmaßnahmen bzw., wenn dies nicht machbar ist, PPSB empfohlen in einer Dosierung von 30–50 I.E. i.v. mit ggf. weiteren nachfolgenden PPSB-Gaben. Wegen ihrer hohen Plasmaeiweißbindung sind die Faktor Xa-Antagonisten nicht dialysabel. Möglich wäre jedoch eine Elimination mittels Plasmapheresetherapie.

Bei Patienten, die unter längerfristiger oder dauerhafter DOAK-Therapie stehen, z.B. wegen VHF oder VTE, und sich einer elektiven Operation oder einem invasiven Eingriff unterziehen, muss im Gegensatz zu den VKA-Patienten nicht gebridged werden. Hier reicht es, wenn man vor der geplanten Intervention die Therapie unterbricht. Der Zeitpunkt der präinterventionellen Unterbrechung hängt hierbei ganz wesentlich von dem mit dem Eingriff verbundenen Blutungsrisikos und beim Dabigatran zusätzlich auch von der Nierenfunktion ab, siehe Tab. 8. Allgemein gilt, dass man bei Eingriffen mit „normalem Blutungsrisiko“ die DOAKs 2,0–2,5 Halbwertszeiten vor dem geplantem Eingriff absetzt, bei hohem Blutungsrisiko sind es ca. 4,0–4,5 Halbwertszeiten. Die Gabe von Heparin zum Bridgen ist unnötig und gefährlich! Merke: kein Brigding bei den DAOKs! Tab. 9 gibt einen exemplarischen Überblick, was unter normalem und hohem Blutungsrisiko gemeint ist [29,30]. Letztlich muss man bei der Einschätzung bezüglich Blutungsrisiko auf den Chirurgen vertrauen und danach das entsprechende perioperative Management festlegen. Nach erfolgreicher Intervention hat sich zunächst die Gabe von NMH, wie man das gewohnt ist, bewährt. Bei stabilen Verhältnissen kann man das DOAK wie vor dem Eingriff wieder geben, meist 1–3 Tage nach OP/Intervention.

Tab. 8 Perioperatives-perriinterventionelles Management der direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) modifiziert nach Herstellerangaben
Tab. 9 Risikostratifizierung von periinterventionellen Blutungen

Wann sind VKAs zu favorisieren?

Bei Patienten mit technischen Herzklappen ist die INR-adjustierte Antikoagulation obligat. Die DOAKs sind hier kontraindiziert. Eine unkritische Umsetzung einer VKA-Therapie auf DOAKs ist bei Patienten, die unter langjähriger VKA-Therapie keinerlei Probleme hatten und eine gute INR-Einstellung aufweisen, nicht gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere für gut eingestellte INR-Selbstmesser. Auch bei atypischen Thromboselokalisationen ist die VKA- bzw. NMH-Therapie zu favorisieren, da bereits für die Vitamin K-Antagonisten hierzu die Datenlage nicht sehr üppig ist und entsprechende Erfahrungen mit den DOAKs weitestgehend fehlen.

Welche Vorteile haben die DOAKs im Vergleich zu den Heparinen?

Die DOAKs werden oral verabreicht, die Heparine kann man nur intravenös oder subkutan applizieren. Dies ist aufwendiger und für die Patienten oft unangenehm. Aus pharmakoökonomischer Sicht sind die Tagesdosen der DOAKs im Vergleich zur den „Heparinspritzen“ kostengünstiger.

Vorteile NMH: DOAKs können nur oral appliziert werden, parenterale Applikationsformen stehen nicht zur Verfügung. Dies bedeutet, dass man bei den DOAKs auf eine funktionierende intestinale Resorption angewiesen ist. Sollte dies nicht gewährleistet sein, wie z.B. bei Patienten nach ausgedehnten Magen-Darmresektionen, bei entzündlichen Darmerkrankungen bzw. Malabsorptionssyndrom, ist der Einsatz der DOAKs wegen mangelnder Therapiesicherheit nicht zu empfehlen. Hier sollte man die subkutane NMH-Gabe favorisieren, um eine stabile, kalkulierbare Antikoagulation zu gewährleisten.

Bei bestehender Antikoagulationsindikation in der Schwangerschaft sind die DOAKs kontraindiziert, dies gilt auch für die postpartale Stillphase. Die Blutverdünnung erfolgt in der Schwangerschaft mit Heparinen in der Regel mit NMH subkutan. Postpartal kann man alternativ VKAs einsetzen. Wichtig ist, den Frauen zu vermitteln: Heparine gehen nicht über die Plazenta und nicht relevant in die Muttermilch über. Selbst wenn Spuren von NMH in der Muttermilch nachweisbar sind und das Kind dies inkorporiert, können Heparine im Gastrointestinaltrakt nicht resorbiert werden. Sie werden ferner rasch abgebaut.

Heparine sind gegenüber DOAKs zu favorisieren, wenn der Patient über Übelkeit klagt und Erbrechen droht. In dieser Situation, wie sie z.B. postoperativ als Narkosefolge auftreten kann, ist man mit NMH auf sicherer Seite.

Thrombozytenfunktionshemmer

Thrombozytenfunktionshemmer werden im arteriellen Stromgebiet zur Thromboseprophylaxe, Rezidivprophylaxe und zur Therapie eingesetzt. Die Indikationen umfassen z.B. ischämische kardio- und zerebrovaskluäre Erkrankungen, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Z.n. vaskulärer Stentimplatation. Hierbei werden die Thrombozytenfunktionshemmer als Monotherapie-, zur dualen Plättchenhemmung und auch in Kombination mit anderen Antikoagulantien wie UFH, NMH, VKA, und DOAKs bis hin zur Tripletherapie beispielsweise nach Stentimplantation und bestehendem nichtvalvulärem Vorhofflimmern eingesetzt. Hierbei gilt allgemein, dass das Blutungsrisiko neben den spezifischen individuellen Patientengegebenheiten vom Grad und der Intensität der Blutverdünnung abhängig ist. Eine Nutzen-Risiko-Validierung bezüglich Thromboembolie- vs. Blutungsrisiko des Patienten ist daher stets vor Beginn der Therapie durchzuführen. Eine einseitige Fokussierung auf die Verhinderung von Gefäßverschlüssen durch intensive Blutverdünnung kann zu manifesten Problemen führen. Wenn dann Blutungen auftreten, muss man die Antikoagulation reduzieren, absetzen bzw. modifizieren, was zu vital bedrohlichen Situationen führen kann. Dies gilt es bereits bei Festlegung des Therapiekonzeptes mit ins Kalkül aufzunehmen, d.h. man sollte sich stets die Frage vorab stellen: was mache ich, wenn es blutet? Um die individuellen Risiken abzuschätzen, haben sich Score-Systeme als hilfreich erwiesen z.B. bei Vorhofflimmern der CHA2DS2-VASc Score zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos und der HAS-BLED score zur Abschätzung des korrespondierenden Blutungsrisikos.

Als Thrombozytenfunktionshemmer stehen zur Verfügung: Acetylsalicylsäure, ADP-Rezeptorantagonisten, wie Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor, ferner die GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten. Zu den einzelnen Substanzen:

Acetylsalicylsäure (ASS): ASS ist der wichtigste und älteste Thrombozytenfunktionshemmer. Die Wirkung beruht auf der irreversiblen Acetylierung der Cyclooxygenase im Prostaglandinstoffwechsel. Dadurch wird die Prostaglandinsynthese in der Gefäßwand und in den Thrombozyten blockiert. Wichtig ist hierbei die Unterbrechung der Synthese des aggregationsfördernden Prostaglandins Thromboxan A2. Die Thrombozyten werden durch ASS über ihre gesamte Lebensdauer, d.h. 7–9 Tage blockiert. Dadurch wird das arterielle Thromboserisiko deutlich reduziert. ASS wird nach oraler Einnahme innerhalb von ca. 30–40 Minuten resorbiert und blockiert so die Thrombozyten rasch.

ADP-Rezeptor (P2Y12)-Antagonisten

Bei diesen Substanzen handelt es sich v.a. um die Thienopyridine Clopidogrel, Prasugrel und Ticlopidin. Sie sind alle 3 Prodrugs und werden in der Leber in ihre wirksamen Metaboliten umgewandelt. Die aktiven Metaboliten führen zu einer irreversiblen Hemmung des ADP-Rezeptors P2Y12. Neben den Thienopyridinen stehen noch die Nichtthienopyridine Ticagrelor und Cangrelor zur Verfügung, die ebenfalls zu einer Blockierung des ADP-Rezeptors P2Y12 führen. Diese beiden Substanzen wirken direkt, d.h. sie sind keine Prodrugs. Tab.10 zeigt die pharmakologischen Eigenschaften der Substanzen [31,32].

Tab. 10 Phamakologische Kenndaten der ADP-Rezeptor P2Y12-Antagonisten

Clopidogrel

Clopidogrel (Plaxix®, Iscover®) ist ein Prodrug und wird in der Leber in seinen wirksamen Metaboliten umgewandelt und blockiert so irreversibel den ADP-Rezeptor auf den Thrombozyten. Damit wird konsekutiv die ADP-induzierte Aktivierung des GP-IIb/IIIa-Rezeptorkomplexes und damit die Fibrinbrückenbildung zwischen den Plättchen verhindert. Um einen schnelleren Wirkungseintritt zu erreichen, wird initial eine Aufsättigungsdosis von 300–600 mg verabreicht. Clopidogrel wird meist in Kombination mit ASS bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom, nach kardialen, zerebralen und peripheren Stentimplantationen eingesetzt. Ferner zur dualen Plättchenhemmung bei Verschluss des offenen Foramen ovale (PFO) mittels Okkluder. Clopidogrel stellt eine Alternative zur Plättchenhemmung bei Aspirinunverträglichkeit dar.

Prasugrel

Prasugrel (Efient®) ist ein Prodrug und wird in der Leber in seinen wirksamen Metaboliten umgewandelt. Der Wirkmechanismus entspricht dem des Clopidogrels. Die Aufsättigungsdosis beträgt 60 mg. Im Gegensatz zu Clopidogrel tritt die Wirkung rascher und effektiver ein, ist aber mit einer höheren Blutungsrate verknüpft. Es wird als duale Plättchenhemmung zusammen mit ASS beim ACS und perkutaner Koronarintervention eingesetzt.

Ticlopidin

Ticlopidin ist ein Prodrug und hemmt wie Clopidogrel irreversibel die ADP-induzierte Thrombozytenaggregation. Es wird als Thrombozytenfunktionshemmer zur Prävention und Sekundärprophylaxe zerebraler Ischämien bei ASS-Unverträglichkeit eingesetzt. Ticlopidin wird wegen seines unsicheren Sicherheitsprofils heute nur noch selten verwendet.

Ticagrelor

Ticagrelor (Brilique®) ist der erste reversible ADP-Rezeptorantagonist. Es ist im Gegensatz zu den oben beschriebenen ADP-Rezeptorantagonisten kein Prodrug. Jedoch weiß man inzwischen, dass auch seine Metaboliten eine thrombozytenaggregationshemmende Wirkung besitzen. Nach oraler Einnahme ist der Wirkungseinstritt rasch. Die Initialdosis beträgt 180 mg, die anschließende Erhaltungsdosis ebenfalls 180 mg, jedoch wird die Tagesdosis gesplittet in 2x90 mg. Es wird zusammen mit ASS beim ACS eingesetzt. Es besitzt eine bessere Wirkung als Clopidogrel. Diese ist jedoch mit einer etwas höheren Blutungsrate verknüpft. Trotz der reversiblen Thrombozytenhemmung wird vom Hersteller empfohlen, Ticagrelor genau wie die anderen Thrombozytenfunktionshemmer, falls vertretbar, acht Tage vor einer geplanten Operation abzusetzen.

Glykoprotein IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten

Die Aktivierung der Glykoprotein IIb/IIIa-Rezeptoren auf der Oberfläche der Thrombozyten stellt die gemeinsame Endstrecke aller aggregationsinduzierenden Prozesse dar. Die zur Blockierung der GP IIb/IIIa-Rezeptoren entwickelten monoklonalen Antikörper inhibieren die Fibrinbrückenbildung zwischen den Blutplättchen und damit die Thrombozytenaggregation. Hierzu gehört das Fab-Fragment 7Ee Fab Aciximab=Rheopro®. Aciximab blockiert die GP IIb/IIIa-Rezeptoren irreversibel. Es wird bei der perkutanen transluminalen Koronarangiographie (PTCA) eingesetzt. Durch die Entwicklung reversibler GP IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten wie Eptifibatid (Integrilin®) und Tirofibran (Aggrastat®) wurde es weitgehend verdrängt. Die Substanzen werden intravenös appliziert.

Fazit für die Praxis

  • Es steht inzwischen eine Vielzahl von Antikoagulantien zur Verfügung

  • Sie werden einzeln, aber auch in Kombination eingesetzt

  • Die Wahl des Antikoagulans richtet sich nach der jeweiligen Indikation, den Komorbiditäten des Patienten, der Comedikation und nicht zuletzt dem Zulassungsstatus.

  • Wichtig bei der Wahl und der Dosis ist der Funktionszustand der Eliminationsorgane, v.a der Nieren- und Leberfunktion.

  • Bei der parenteralen Applikation sind die niedermolekularen Heparine (NMH) und das Fondaparinux am weitesten verbreitet; bei der intravenösen Gabe nach wie vor die unfraktionierten Heparine (UFH)

  • Bei der oralen Applikation stehen die Vitamin K-Antagonisten (VKA) und zunehmend die direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) im Fokus.

  • Die Therapie mit Vitamin K-Antagonisten muss mittels INR gesteuert und überwacht werden. Die Therapie wird durch zahlreiche Interaktionen erschwert.

  • Die DOAKs benötigen kein Routinemonitoring. Sie werden in fixer Dosis verabreicht, ihre Wirkung wird nicht durch Nahrungseinflüsse beeinträchtigt. Das erleichtert die Neueinstellung und auch die tägliche Praxis bei Patienten mit Vorhofflimmern und venösen Thromboembolien.

  • Wenn sich die Therapie dadurch auch vereinfacht hat, ist es ganz wichtig, bei der Wahl des Antikoagulationsregimes eine individuelle Nutzen-Risikoabwägung durchzuführen, d.h. ein Abwägen zwischen Benefit, wie z.B. der Vermeidung von Thromboembolien und des individuellen Blutungsrisikos, das mit der Gabe eines Blutverdünners verknüpft ist.

  • Bei Kombination von Antikoagulantien beispielsweise mit Thromboztenfunktionshemmern ist besondere Vorsicht angezeigt, dies gilt auch für Schmerzmittel mit thrombozytenhemmender Wirkung.

  • Entscheidend ist, dass der Patient bezüglich der Antikoagulation gut aufgeklärt wird und wissen muss, was es zu beachten gilt und wie er sich bei Komplikationen verhalten muss.

  • Ganz wichtig ist, dass er einen entsprechenden Ausweis erhält, woraus die Indikation zur Blutverdünnung hervorgeht, das entsprechende Präparat und die Dosis, ferner auch der medizinische Ansprechpartner. Diesen Ausweis hat er dann stets mitzuführen.

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Prof. Dr. med. Dr. phil. nat. Helmut Schinzel Wallstraße

CME-Fragebogen

Antikoagulation und antithrombozytäre Therapie

Welche Aussage zu Heparinen ist falsch?

◯ Unfraktionierte Heparine werden mit der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit gesteuert.

◯ Unfraktionierte Heparine können mit Protaminsulfat antagonisiert werden.

◯ Niedermolekulare Heparine werden nach subkutaner Applikation besser resorbiert als unfraktionierte Heparine.

◯ Niedermolekulare Heparine werden nach subkutaner Applikation schlechter resorbiert als unfraktionierte Heparine.

◯ Die HIT II-Inzidenz ist bei niedermolekularen Heparinen geringer als bei unfraktionierten Heparinen.

Welche Aussage zu Vitamin K-Antagonisten (VKA) ist falsch?

◯ Vitamin K-Antagonisten werden mittels INR-Wert dosiert und überwacht.

◯ Die Quickwertbestimmung ist unabhängig vom im Labor verwendeten Thromboplastin.

◯ Jeder Patient benötigt seine individuelle VKA-Dosis.

◯ Es gibt zahlreiche Interaktionen zwischen VKA und anderen Arzneimitteln.

◯ Die VKA-Dosis ist abhängig von der Nahrungsgewohnheit des Patienten.

Welche Aussage ist richtig?

◯ Bei Heparintherapie spielt die Nierenfunktion keine Rolle.

◯ Fondaparinux (Arixtra®) wird aus Schweinedarmmukosa gewonnen.

◯ Fondaparinux (Arixtra®) wird komplett renal eliminiert und besitzt bei eingeschränkter Nierenfunktion ein hohes Kumulationsrisiko.

◯ Die Halbwertszeit von Fondaparinux (Arixtra®) ist kurz und beträgt ca. 6 Stunden.

◯ Bei Blutungen unter Fondaparinux steht ein Antidot zur Verfügung.

Welche Antikoagulans benötigt zu seiner Wirkungsentfaltung Antithrombin?

◯ Phenprocoumon

◯ Coumadin

◯ Niedermolekulares Heparin

◯ Rivaroxaban

◯ Dabigatran

Welche Aussage zu den direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) ist falsch?

◯ Die DOAKs unterscheiden sich in ihrer gastrointestinalen Resorptionsrate erheblich.

◯ Für Dabigatran (Pradaxa®) steht ein Antidot zur Verfügung.

◯ Die DOAKs kann man mit der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) überwachen.

◯ Die DOAKs sind für die Therapie der Beinvenenthrombose und der Lungenembolie zugelassen.

◯ Die DOAKs wirken antithrombinunabhängig.

Welche Aussage ist nicht richtig?

◯ Der INR-Zielbereich bei der Therapie mit Vitamin K-Antagonisten bei Vorhofflimmern und zur Rezidivprophylaxe nach venösen Thromboeombolien beträgt 2,0 bis 3,0.

◯ Je höher der INR-Wert, desto höher die Blutungsgefahr.

◯ Je niedriger der Quickwert, desto höher die Blutungsgefahr.

◯ Die direkten oralen Antikogulatien (DOAKs) beeinflussen die globalen Gerinnungstests nicht.

◯ Die direkten oralen Antikoaguantien (DOAKs) werden oral appliziert.

Welche der nachfolgenden Substanzen beeinflussen nicht die Thrombozytenfunktion?

◯ GP IIb/III-Rezeptorantagonisten

◯ Acetylsalizylsäure

◯ Paracetamol

◯ Nichtsteroidale Antirheumatika

◯ Ticlopidin, Clopidogrel

Welche Aussage gilt nicht?

◯ Eine duale Plättchentherapie ist nach Stentimplantation indiziert.

◯ Unter dualer Plättchenhemmung sind Operationen möglichst zu vermeiden.

◯ Eine Kombination von Vitamin K-Antagonisten und Plättchenhemmung erhöht das Blutungsrisiko.

◯ Eine Kombination von direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) und Plättchenhemmung erhöht das Blutungsrisiko nicht.

◯ Die Tripletherapie geht mit einem erhöhten Blutungsrisiko einher.

Welche Aussage zur Medikamenteninteraktion ist richtig?

◯ Die gleichzeitige Einnahme von Vitamin K-Antagonisten und ASS ist stets problemlos.

◯ Die Einnahme von Johanniskraut hat keinen Einfluss auf die Therapie mit direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) und kann uneingeschränkt erfolgen.

◯ Multivitaminpräparte haben keinen Einfluss auf die Therapie mit Vitamin K-Antagonisten.

◯ Bei der Dosierung von Dabigatran spielt die Nierenfunktion eine wichtige Rolle.

◯ Bei der Therapie mit blutverdünnenden Medikamenten kann man beliebig ohne Risiko gleichzeitig alle Schmerzmittel verabreichen.

Was ist vor elektiven Operationen bei antikoagulierten Patienten zu beachten — welche Aussage ist falsch?

◯ Bei geplanter Operation und Therapie mit Vitamin K-Antagonisten muss über die Notwendigkeit des Bridgings nachgedacht werden.

◯ Bei den direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) ist abhängig vom - mit dem Eingriff verbundenen - Blutungsrisiko eine Antikoagulationspause einzulegen.

◯ Bei der präoperativen Antikoagulationspause bei Patienten mit DOAK-Therapie muss mit niedermolekularem Heparin gebridged werden.

◯ Der geplante postoperative Beginn der Antikoagulation kann bei instabiler Hämostase Probleme bereiten und muss situationsabhängig möglicherweise verschoben werden.

◯ Bei postoperativer Übelkeit bzw. Erbrechen sollte man niedermolekulares Heparin zur Thromboembolieprophylaxe favorisieren gegenüber oralen Antikoagulantien wie z.B. DOAKs.