Zeitlebens viel Sport und Bewegung — das kann im Alter Alzheimer vorbeugen, legen jedenfalls epidemiologische Daten nahe. Sportlich Aktive entwickelten in Langzeitstudien oft nur halb so häufig eine Demenz wie träge Altersgenossen. Allerdings lassen auch die besten Kohortenstudien kaum Aussagen zur Kausalität zu. Gut möglich, dass es nicht der Sport ist, der das Alzheimerrisiko senkt, sondern ein anderer Faktor, der bei aktiven Menschen eher anzutreffen ist als bei nicht aktiven. Inzwischen gibt es jedoch sowohl aus Tierexperimenten als auch aus klinischen Untersuchungen Hinweise, dass viel körperliche Betätigung die Werte einiger Biomarker verbessert, die bei Alzheimer von Bedeutung sind.

In einer Querschnittstudie mit 317 Teilnehmern haben Forscher geschaut, ob sich solche Biomarker tatsächlich bei aktiven und weniger aktiven älteren Menschen unterscheiden. Erwartungsgemäß hatte das Alter den größten Einfluss auf die Biomarker: Mit steigendem Alter nahm die Beta-Amyloid-Last zu, der Hippocampus schrumpfte, der Glukosestoffwechsel ging zurück, Gedächtnis und andere Hirnfunktionen wurden schlechter. Allerdings waren diese altersabhängigen Veränderungen umso schwächer, je mehr sich die Teilnehmer bewegten.

Polymorphismus ist für Hippocampusvolumen relevant

Manche Forscher machen sich nicht mehr so sehr Gedanken, ob, sondern wie Sport vor Alzheimer schützt. Das beste Erklärungsmodell ist noch immer die hohe kardiovaskuläre Fitness von körperlich Aktiven. Kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie und Hypercholesterinämie sind auch Risikofaktoren für eine Demenz, und wenn Sport einen positiven Einfluss auf solche Faktoren hat, sollte sich mit viel Bewegung auch das Demenzrisiko senken lassen. Aber es gibt darüber hinaus wohl auch noch einen direkten Einfluss der Bewegung: Treiben ältere Menschen viel Sport, können sie dadurch das Hippocampusvolumen vergrößern und ihre kognitive Leistung verbessern. Ähnliches wurde auch bei jüngeren Schizophrenie-Patienten beobachtet. Sport könnte also den Hippocampus und damit auch das Gedächtnis bei einer beginnenden Demenz länger funktionsfähig halten. Als Hauptmediator für diesen Effekt gilt der Wachstumsfaktor BDNF (Brain-derived neurotrophic factor).

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Kann Sport etwa den grauen Zellen schaden?

© Susan Stevenson / Getty images /Hemera / Thinkstock

Ein Forscherteam hat sich etwas genauer für einen Polymorphismus im BDNF-Gen interessiert. Normalerweise kodiert das Gen für Valin an Position 66 im Protein, bei etwa einem Drittel der Bevölkerung findet sich aber zumindest in einem der beiden Allele Methionin. Bei diesen Personen funktioniert die BDNF-Regulation weniger gut, sie bauen bei einer Alzheimer-Erkrankung geistig schneller ab als die Valin-Homozygoten und haben dann auch ein geringeres Hippocampusvolumen, berichten die Neurologen.

Viel Sport, wenig Hirn — auch das ist möglich

In einer Querschnittstudie haben die Wissenschaftler nun bei 114 Frauen im Alter von über 60 Jahren geschaut, ob der BDNF-Polymorphismus einen Einfluss auf den Effekt von Sport hat. Wie sich herausstellte, gab es insgesamt keinen Zusammenhang zwischen körperlicher Betätigung und Hirnvolumen, der Hippocampus war bei den körperlich Aktiven aber im Schnitt etwas größer. Schauten sich die Forscher nun den Genotyp an, dann waren bei den Valin-Homozygoten Temporallappen und Hippocampus umso größer, je mehr sich die Probanden bewegten. Bei den Methionin-Trägern sah die Sache anders aus: Das Hippocampusvolumen war bei den Sportlichen ähnlich groß wie bei den wenig Aktiven, der Temporallappen zeigte bei den Probanden mit viel Bewegung sogar ein kleineres Volumen. Sollte Sport also das Volumen in den fürs Gedächtnis kritischen Hirnbereichen steigern, dann offenbar nur bei den Valin-Homozygoten. Ein Drittel der Bevölkerung könnte sich demnach vergeblich abstrampeln — zumindest was den erhofften Schutzeffekt über BDNF betrifft. Möglicherweise wäre zu viel Sport dann sogar schädlich fürs Gehirn.