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Lernziele

Nach der Lektüre dieses CME-Artikels

  • kennen Sie die Ursachen für Schmerzen in der Palliativmedizin.

  • kennen Sie die Therapiestrategien bei Schmerzen von Palliativpatienten.

  • können Sie die empfohlenen Schmerzmittel differenziert einsetzen.

Einleitung

Schmerzen sind eine komplexe, subjektive Empfindung. Laut Definition der International Association for the Study of Pain (IASP) ist Schmerz „ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache“ [1]. In der Palliativmedizin sind Schmerzen eines der häufigsten Probleme, die Ursachen dafür sind vielfältig.

Bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen sind 60„90 % aller Patienten mit Schmerzen belastet. Damit ist Schmerz nach Schwäche, Müdigkeit und Inappetenz eines der häufigsten Symptome. Schmerzen werden nicht nur durch den Tumor selbst verursacht. Oft sind Behandlungen dafür verantwortlich, z. B. Chemo- und Strahlentherapien oder operative Eingriffe. Zudem treten oft tumorassoziierte Schmerzen z. B. im Rahmen einer postherpetischen Neuralgie, einer Infektion, eines paraneoplastischen Syndroms und eines Dekubitus auf.

Auch neurologische Erkrankungen können Schmerzen verursachen. Viele Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS), multipler Sklerose (MS), Demenz oder nach einem Hirninfarkt leiden im fortgeschrittenen Stadium z. B. unter spastisch oder neuropathisch bedingten muskulären Schmerzen. Bei einer Parkinson-Erkrankung kann die Muskelspannung durch einen schlecht eingestellten Rigor schmerzhaft erhöht sein.

Viele Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) wurden über lange Jahre mit Steroiden behandelt. Die resultierende Osteoporose kann schmerzhafte Knochen- und Gelenkbeschwerden verursachen. Bereits vorbestehende Schmerzsyndrome wie chronische Rückenschmerzen werden durch Immobilität, Angst und innere Unruhe häufig verstärkt (Tab. 1 ).

Tab. 1 Ursachen von Schmerzen in der Palliativmedizin

Total-Pain-Konzept

Speziell mit Blick auf den Tumorschmerz führte Cicely Saunders das Total-Pain-Konzept ein (Abb. 1 ).

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1 Total-Pain-Konzept. (Nach [2])

Es berücksichtigt alle Dimensionen des Schmerzes, also körperliche, psychische, soziale und spirituelle Bedürfnisse des Patienten [2]. Das Verständnis der Schmerzursachen sowie die Diagnostik und Therapie sollten daran ausgerichtet werden.

„Körperlicher Schmerz“ umfasst neurophysiologische Vorgänge, bei denen tumoröse Veränderungen die peripheren Nozizeptoren bzw. Strukturen des somatosensiblen Systems aktivieren. Diese Signale werden über zentrale Schmerzbahnen in das Gehirn weitergeleitet. „Psychischer Schmerz“ fasst unangenehme Gefühlserlebnisse wie Ängste oder Depression als psychische Begleiterkrankungen zusammen. „Sozialer Schmerz“ umfasst u. a. die Deprivation des Patienten im familiären oder sozialen Umfeld, den Arbeitsplatzverlust oder finanzielle Probleme. Der Schmerz kann zur existenziellen Bedrohung werden, wenn der Patient seiner Beziehungen und Funktionen beraubt wird, über die er sich selbst definiert. „Spiritueller Schmerz“ entsteht, weil Grundvorstellungen über das Leben und Sterben ins Wanken geraten.

Das Total-Pain-Konzept wurde zwar im palliativmedizinischen Kontext entwickelt, kann aber auch auf andere chronische Schmerzerkrankungen übertragen werden.

Neurobiologische Ursachen der Schmerzen

Für eine adäquate Behandlung muss der rein nozizeptive Tumorschmerz vom Tumorschmerz mit neuropathischer Komponente unterschieden werden.

Die neuropathischen Schmerzanteile werden durch Schädigungen im somatosensiblen Nervensystem hervorgerufen. Die Ursache dafür kann die Tumorerkrankung selbst sein, aber auch die Tumorbehandlung. Im Bereich der Axonschädigung treten typischerweise sensible Minuszeichen auf, wie z. B. eine taktile oder thermische Hypästhesie und Hypalgesie.

In tumornahen Geweben kann es zu einer peripheren Sensibilisierung der schmerzverarbeitenden Neurone kommen. Dies wird durch eine Ansäuerung und Freisetzung von pronozizeptiven Substanzen wie Prostaglandinen, Bradykinin und „nerve growth factor“ verursacht. Klinisch treten dann lokalisierte sensible Pluszeichen auf, wie z. B. Hitze- und Druckhyperalgesien.

Sekundär kann sich eine zentrale Sensibilisierung entwickeln, die mit einer Hyperalgesie gegen spitze Reize und einer Allodynie einhergehen kann ([3], Abb. 2 ). Ursache ist hier der erhöhte Impulseinstrom aus der Peripherie auf die zentralen Schmerzneurone im Hinterhorn des Rückenmarks.

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2 Allodynie und Hyperalgesie. (Aus [4])

Auch bei Krankheitsbildern wie MS und ALS wird regelhaft die Pyramidenbahn geschädigt. Dadurch wird der Muskeldehnungsreflex enthemmt und häufig der Muskeltonus schmerzhaft erhöht. Bei einem idiopathischen Parkinson-Syndrom oder einer Multisystematrophie macht sich der Rigor oft schon vor der Diagnosestellung durch muskuläre Schmerzen bemerkbar. Vor allem bei älteren und dementen Palliativpatienten werden die Schmerzen durch Spastik oder Rigor häufig unterschätzt (Tab. 2 ). Die Kenntnis des zentralen motorischen Systems kann dabei helfen, die Versorgung der Betroffenen zu verbessern (Abb. 3 ).

Tab. 2 Klinische Symptome von Spastik und Rigor
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3 Schmerzen durch Spastik und Rigor. Vereinfachte schematische Darstellung des zentralen motorischen Systems. Rechts: Die Schädigung der Pyramidenbahn führt zur Enthemmung von Muskeldehnungsrefl exen und in der Folge zur schmerzhaften Spastik. Links: Das Zusammenspiel aktivierender (rot) und hemmender (schwarz) extrapyramidalmotorischer Bahnsysteme (schwarz) durch eine verringerte Freisetzung von Dopamin bzw. Schädigung der Zielstrukturen für Dopamin führt in der Folge zu schmerzhaftem Rigor. (Mit freundl. Genehmigung Prof. Dr. Roman Rolke)

Empfehlungen zur medikamentösen Therapie

Tumorschmerzen sollen laut Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach einem Stufenschema behandelt werden. In Stufe 1 wird zunächst mit Nichtopioidanalgetika begonnen. Bei mittelstarken Schmerzen werden zusätzlich Opioide der WHO-Stufe 2 gegeben. Bei starken Schmerzen wird zu Opioiden der WHO-Stufe 3 gewechselt [5].

Nichtopioidanalgetika werden in Stufe 1 bis 3 empfohlen, je nach Situation können auch Koanalgetika in jeder Stufe ergänzt werden (Tab. 3 ):

  • trizyklische Antidepressiva,

  • Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI),

  • Antikonvulsiva,

  • Steroide,

  • Muskelrelaxanzien,

  • Spasmolytika,

  • Lokalanästhetika oder

  • Bisphosphonate.

Tab. 3 WHO-Stufenschema für die Behandlung von Tumorschmerzen

Bei anderen chronischen Schmerzsyndromen ist die Anwendung des WHO-Schemas umstritten. Grundsätzlich spielen aber auch hier Koanalgetika eine wichtige Rolle [6].

Koanalgetika

Antidepressiva und Antikonvulsiva

Die wichtigsten Koanalgetika sind Antidepressiva und Antikonvulsiva. Trizyklische Antidepressiva wirken niedrig dosiert über eine Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung. Sie können aber graduell auch Natriumkanäle blockieren, wodurch keine Aktionspotenziale mehr an den Schmerzfasern aufgebaut werden. Zudem wird die ektope Erregungsbildung im Verlauf der Schmerzbahn reduziert. Gerade bei älteren und multimorbiden Patienten können die Medikamente allerdings Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten, Delir und Agitiertheit hervorrufen.

Besser verträglich sind selektive SNRI, die aus dem Hirnstamm absteigende Schmerzhemmsysteme verstärken [3].

Antikonvulsiva vom Typ der Kalziumkanalmodulatoren vermindern den präsynaptischen Kalziumeinstrom von primären Afferenzen. Sekundär reduzieren sie die Glutamatfreisetzung im Hinterhorn des Rückenmarks. Dadurch wird die NMDA-Rezeptor-vermittelte Erregung spinaler „wide dynamic range neurons“ (WDR-Neurone) verringert. Als erwünschte Nebenwirkungen beeinflussen Kalziumkanalmodulatoren den Schlaf positiv und wirken angstmindernd.

Muskelrelaxanzien

Bei der Therapie der schmerzhaften Spastik bei MS, ALS oder nach Hirninfarkt spielen zentral wirksame Muskelrelaxanzien eine wichtige Rolle (Tab. 2 ).

Muskelrelaxanzien sind keine Analgetika, sie wirken über die Tonusverminderung schmerzlindernd.

Baclofen verstärkt als γ-Aminobuttersäure(GABA)B-Agonist zentral hemmende Bahnen, wodurch die spinale Kontrolle der reflektorischen Einstellung der Muskelspannung verbessert wird. Baclofen kann oral oder intrathekal verabreicht werden. Bei der oralen Gabe ist Müdigkeit die Hauptnebenwirkung.

Klassische Benzodiazepine können in der palliativen Schmerztherapie als GABAA-Agonisten eingesetzt werden, da das potenzielle Abhängigkeitsrisiko wegen der oft begrenzten Lebensdauer keine Rolle spielt.

Alternativ kann Tolperison verabreicht werden, wobei dessen Wirkmechanismus noch nicht vollständig geklärt ist. Möglicherweise hemmt die Substanz den spinalen Muskeldehnungsreflex, indem sie die Transmitterfreisetzung primärer Afferenzen präsynaptisch blockiert [7]. Tolperison macht weniger müde als die älteren Muskelrelaxanzien.

Tizanidin wirkt als ά2-Adrenozeptor-Agonist zentral antispastisch. Die Substanz wird überwiegend hepatisch eliminiert, die Plasmakonzentration wird durch Alkohol und auch orale Kontrazeptiva erhöht. Bei gleichzeitiger Anwendung anderer Zytochrom-P450(CYP)1A2-Inhibitoren wird zur Vorsicht geraten.

Flupirtin sollte nicht zu den Muskelrelaxanzien gezählt werden. Es wirkt als Nichtopioidanalgetikum, das auch Muskelverspannungen reduziert. Flupirtin ist ein selektiver neuronaler Kaliumkanalöffner (SNEPCO), der hyperpolarisiert und damit u. a. das Ruhemembranpotenzial zentraler Schmerzneurone stabilisiert. Die Substanz sollte nicht bei erhöhten Leberwerten gegeben werden. Die Anwendung ist auf 14 Tage begrenzt.

Bei schmerzhaftem Rigor sollte zunächst die Einstellung mit L-Dopa oder Dopaminagonisten optimiert werden.

Opioide

Opioide bei mittelstarken bis starken Tumorschmerzen

Das WHO-Stufenschema sollte nicht dogmatisch angewendet werden. Bei rasch eskalierenden Schmerzen kann neben Nichtopioiden auch sofort ein starkes Opioid der Stufe 3 indiziert sein. Im Verlauf muss die Dosis angepasst werden, wenn die Schmerzintensität mit der Tumorprogredienz zunimmt. Zudem kann sich eine gewisse Opioidtoleranz entwickeln. Ziel der Schmerztherapie ist die Schmerzlinderung. Die meisten Patienten sind mit einer reduzierten Schmerzstärke von etwa 2–3 auf der numerischen Ratingskala (NRS) zufrieden. Wichtig ist, dass die Symptome gelindert werden. Höhere Opioiddosierungen können vermehrte Nebenwirkungen verursachen, wie z. B. Sedierung, Verwirrtheit und Myoklonien. Opioidnaive Patienten können am Anfang unter Übelkeit leiden, seltener unter Erbrechen und Juckreiz. Diese Nebenwirkungen bilden sich meist innerhalb weniger Tage zurück. Falls Antiemetika erforderlich waren, können sie dann wieder abgesetzt werden. Eine begleitende Obstipation persistiert dagegen in der Regel, sodass Laxanzien dauerhaft eingenommen werden müssen.

Grundsätzlich wird ein retardiertes, lang wirksames Opioid mit einem rasch wirksamen Opioid als Bedarfsmedikation kombiniert. Die Einnahme erfolgt bevorzugt oral nach einem festen Zeitschema. Wenn die Schmerzen nicht ausreichend gelindert sind, wird das rasch wirksame Opioid frühestens 1 h nach der letzten Bedarfsgabe erneut verabreicht.

Eine gute Schmerzeinstellung braucht oft Zeit. Der offene Umgang mit Problemen und Nebenwirkungen während der Einstellungsphase ist wichtig. Um den Patienten als Partner in der Schmerztherapie zu gewinnen, muss auch über die Vorurteile gesprochen werden, wie Suchtgefahr, schnelle Toleranzentwicklung und Sedierung bis zur Atemdepression [3].

Mittelstarke Opioide der WHO-Stufe 2

Tramadol und Tilidin wirken am μ-Rezeptor etwa fünf- bis zehnmal schwächer als die Referenzsubstanz Morphin. Tilidin wird als Retardpräparat angeboten, in fixer Kombination mit dem Opioidantagonisten Naloxon. Naloxon vermindert die Obstipation über einen Opioidantagonismus im Darm.

Bei hochgradiger Leberinsuffizienz kann das Prodrug Tilidin nicht ausreichend zum wirksamen Nortilidin metabolisiert werden. Bei Niereninsuffizienz muss die Tilidindosis nicht angepasst werden, da nur 0,1 % des Tilidins und etwa 3 % des Nortilidins renal ausgeschieden werden. Tilidin ist schlecht dialysierbar [8].

Tramadol wirkt als μ-Opioidrezeptor-Agonist und als SNRI. Die Substanz wird in der Leber über das Isoenzym CYP2D6 zum aktiven Metaboliten O-Desmethyltramadol metabolisiert. Allerdings fehlt dieses Isoenzym bei 5–10 % der kaukasischen Bevölkerung, in diesen Fällen ist die analgetische Wirkung nur schwach. Bei einer Leber- und Niereninsuffizienz kann Tramadol kumulieren. Die Kombination mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) und trizyklischen Antidepressiva kann ein Serotoninsyndrom auslösen [9].

Starke Opioide der WHO-Stufe 3

Als starke Opioide gelten

  • Morphin,

  • Hydromorphon,

  • Oxycodon,

  • Fentanyl,

  • Buprenorphin,

  • Levomethadon und

  • Tapentadol.

Lange galt Morphin als Opioid der ersten Wahl bei mittleren bis starken Schmerzen. Inzwischen werden Oxycodon und Hydromorphon als gleichwertige Alternativen betrachtet [10].

Morphin

Morphin gilt weiterhin als Referenz für die Wirkstärke aller Opioide. Es unterliegt nach oraler Gabe zu 50–60 % dem hepatischen First-Pass-Effekt. Die Glucuronidierung erfolgt in der Leber, Morphin wird aber auch in anderen Organen metabolisiert, z. B. im Zentralnervensystem. Ausgeschieden wird es über die Nieren. Es gibt zwei Hauptmetaboliten, Morphin-6-Glucuronid (M6G) und Morphin-3-Glucuronid (M3G). Bei Niereninsuffizienz kann M6G kumulieren und zu Vigilanzminderung, Orientierungsstörung und Myoklonien führen [11].

Hydromorphon

Hydromorphon wird gut resorbiert und hat kaum aktive Metabolite [12]. Die Substanz wird überwiegend in der Leber inaktiviert und ist unabhängig vom CYP-System. Hydromorphon kann auch bei Nieren- und Leberinsuffizienz angewandt werden.

Oxycodon

In der Retardzubereitung wird Oxycodon initial rasch freigesetzt, gefolgt von einer langsameren Freisetzung über zwölf Stunden [13]. Die Bioverfügbarkeit ist mit 75 % hoch, Oxycodon ist selbst aktiv. Bei Niereninsuffizienz kann die Substanz kumulieren. Oxycodon steht auch als Kombinationspräparat mit Naloxon zur Verfügung, um die Obstipation zu vermindern.

Fentanyl und Buprenorphin

Fentanyl und Buprenorphin können auch transdermal appliziert werden, die Pflaster sind vor allem für Patienten mit Schluckstörungen eine wichtige Alternative. Es dauert allerdings zwölf Stunden, bis analgetisch wirksame Konzentrationen erreicht werden. Ein „steady state“ wird mit dem Fentanylpflaster erst nach 36 bis 48 Stunden erzielt. Nach Entfernen eines Pflasters muss die lange Eliminationshalbzeit von 13 bis 24 Stunden berücksichtigt werden. Dies liegt an der Depotbildung in der Haut und der Lipophilie von Fentanyl [14]. Fentanylpflaster werden erst nach 72 Stunden erneuert, Buprenorphinpflaster abhängig vom System nach drei, vier oder sieben Tagen. Eine erhöhte Hauttemperatur kann dazu führen, dass ungewollt mehr Fentanyl und Buprenorphin freigesetzt wird.

Fentanyl und Buprenorphin stehen auch als schnell wirksame Sublingualtabletten zur Verfügung, Fentanyl zudem als Nasenspray oder Lutschtablette.

Bei Leberinsuffizienz muss die Fentanyldosis nicht angepasst werden, bei Buprenorphin ist dies noch unklar. Da Buprenorphin überwiegend biliär ausgeschieden wird, ist bei Niereninsuffizienz keine Änderung der Dosis notwendig [15]. Die Substanz kann wegen seiner hohen Rezeptoraffinität kaum durch Naloxon antagonisiert werden.

Levomethadon und Tapentadol

Levomethadon wirkt sowohl als μ-Rezeptor-Agonist als auch als NMDA-Rezeptor-Antagonist. Die Halbwertszeit ist mit 24 bis 72 Stunden lang, daher ist Levomethadon schwieriger zu steuern als die anderen verfügbaren Opioide [16][17]. Bei Leberinsuffizienz ist keine Dosisanpassung erforderlich. Tapentadol wirkt am μ-Rezeptor und hemmt gleichzeitig die Noradrenalin-Wiederaufnahme. Zur Behandlung von Tumorschmerzen liegen keine ausreichenden Daten vor.

Levomethadon und Tapentadol können durch ihren dualen Wirkmechanismus bei neuropathischen Schmerzen vorteilhaft sein. Auch die zentrale Sensibilisierung im nozizeptivem System kann reduziert werden.

Durchbruchschmerzen

Plötzliche Schmerzkrisen können z. B. durch Bewegungen, Husten, Niesen oder Pressen beim Stuhlgang ausgelöst werden. Die Krisen werden auch als Durchbruchschmerzen im Rahmen einer Tumorerkrankung beschrieben. In diesen Situationen sollte ein Sechstel der Opioidtagesdosis in einer schnell wirksamen Form gegeben werden.

Falls die Schmerzen gegen Ende der Wirkdauer des Basisopioids auftreten, besteht der Verdacht auf eine Unterdosierung. Oft genügt es hier, die Dosierung des Basisopioids anzupassen.

Opioidwechsel

Ein Opioidwechsel sollte erwogen werden, wenn die Schmerzen trotz exzessiv hoher Opioiddosierungen nicht ausreichend gelindert werden können oder wenn die Nebenwirkungen stark sind. Die Umrechnung der Opioide erfolgt nach dem „äquianalgetischen Dosisverhältnis“. Das neue Opioid wirkt jedoch meist stärker, da zwischen den Opioiden in der Regel nur eine inkomplette Kreuztoleranz besteht. Zur Sicherheit sollte die bisherige Gesamttagesdosis daher zunächst um 25–50 % reduziert werden. In den folgenden Tagen wird die Dosierung dann schrittweise angepasst. Wenn anfangs z. B. mehrmals täglich ein schnell wirksames Opioid benötigt wird, kann die Summe dieser Bedarfsgaben zur Dosis der Basismedikation hinzugerechnet werden.

Anpassung in der Sterbephase

In der Sterbephase nimmt oft die Leber- und Nierenfunktion ab. Dadurch können die Opioide kumulieren und entsprechende Nebenwirkungen hervorrufen, z. B. Verwirrtheitszustände, Unruhe und Myoklonien. In diesem Fall sollte die Dosis angepasst werden. Besser als Tabletten oder Pflaster eignen sich dann s.c.-Injektionen, vor allem wenn die orale Flüssigkeits- oder Medikamentenaufnahme gestört ist. Das Opioidpflaster kann belassen werden, solange nichts auf eine Überdosierung hinweist.

Interventionelle Schmerztherapie

Opioide können auch über einen Periduralkatheter oder einen intraspinalen Katheter appliziert werden. Wenn die Therapie voraussichtlich über mehrere Monate erfolgen soll, kann eine Opioidpumpe implantiert werden. Weitere invasive Verfahren sind beispielsweise die Plexus-coeliacus-Blockade oder die zervikale Chordotomie, bei der die spinale Schmerzbahn zerstört wird. Auch die palliative Strahlentherapie lindert die Schmerzen oft effektiv.

Fazit für die Praxis

  • In der palliativmedizinischen Betreuung spielen Tumorschmerzen eine wichtige Rolle, sie sind für fast alle Patienten belastend. Die Schmerzen werden durch den Tumor selbst, die Behandlungen und durch begleitende Erkrankungen verursacht. Aber auch neurologische Erkrankungen können starke Muskelschmerzen durch Spastik oder Rigor auslösen, ebenso osteoporotische Knochen- und Gelenkbeschwerden.

  • Das Total-Pain-Konzept berücksichtigt auch die psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse des Patienten. Es wurde zwar im palliativmedizinischen Kontext entwickelt, kann aber auf andere chronische Schmerzerkrankungen übertragen werden.

  • Tumorschmerzen sollen nach dem WHO-Stufenschema behandelt werden. In Stufe 1 wird zunächst mit Nichtopioidanalgetika begonnen. Bei mittelstarken Schmerzen werden zusätzlich Opioide der WHO-Stufe 2 gegeben. Bei starken Schmerzen wird zu Opioiden der WHO-Stufe 3 gewechselt.

  • Die neuropathische Komponente des Tumorschmerzes sollte nicht übersehen werden, da hier Koanalgetika wie Antidepressiva oder Antikonvulsiva hilfreich sind. Dadurch werden auch mögliche psychische Komorbiditäten wie Angststörungen, Schlafstörungen oder depressive Episoden behandelt.

  • Bei der Therapie der schmerzhaften Spastik spielen zentral wirksame Muskelrelaxanzien eine wichtige Rolle. Bei schmerzhaftem Rigor sollte zunächst die Einstellung mit L-Dopa oder Dopaminagonisten optimiert werden.

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Dr. Henning Cuhls

Schmerztherapie in der Palliativmedizin

Welches Opioid kann besonders bei neuropathischen Schmerzen vorteilhaft sein?

□ Fentanyl

□ Hydromorphon

□ Oxycodon

□ Buprenorphin

□ Levomethadon

Tumorschmerzen werden zu 10–25 % durch die Tumortherapie verursacht. Was ist eine typische Ursache für therapiebedingte Tumorschmerzen?

□ Leberkapselschmerz

□ Postherpetische Neuralgie

□ Stomatitis

□ Paraneoplastisches Syndrom

□ Dekubitus

Welches Opioid gilt inzwischen als gleichwertige Alternative zu Morphin bei mittleren bis starken Tumorschmerzen?

□ Fentanyl

□ Hydromorphon

□ Tapentadol

□ Levomethadon

□ Buprenorphin

Was ist typisch für eine Spastik im Vergleich zum Rigor?

□ andauernde Muskeltonuserhöhung

□ gleichmäßig erhöhter Muskeltonus bei passiver Bewegung

□ normale Muskeleigenreflexe

□ keine Lähmungen

□ Beuge- und Streckmuslen sind gleichmäßig betroffen

Welche Medikamentenkombination entspricht dem WHO-Stufenschema 2?

□ Metamizol + Celecoxib + Amitriptylin

□ Ibuprofen + Amitriptylin + Pregabalin

□ Metamizol + Tilidin + Amitriptylin

□ Ibuprofen + Tanpentadol + Pregabalin

□ Metamizol + Oxycodon + Doxepin

Welche Wirkstärke hat Tramadol im Vergleich zu Morphin?

□ 0,1

□ 0,5

□ 1

□ 2

□ 10

Zentral wirksame Muskelrelaxanzien sind wichtige Koanalgetika. Welche Substanz wirkt als ά2-Adrenozeptoragonist zentral antispastisch?

□ Baclofen

□ Tetrazepam

□ Tolperison

□ Tizanidin

□ Flupirtin

Wieviel Stunden dauert es durchschnittlich, bis mit einem Fentanylpflaster eine analgetisch wirksame Konzentration erreicht wird?

□ 4 Stunden

□ 8 Stunden

□ 12 Stunden

□ 16 Stunden

□ 20 Stunden

Welche Dosis eines schnell wirksamen Opioids sollte bei Durchbruchschmerzen gegeben werden?

□ Hälfte der Tagesdosis des Basisopioids

□ Ein Drittel der Tagesdosis des Basisopioids

□ Ein Viertel der Tagesdosis des Basisopioids

□ Ein Sechstel der Tagesdosis des Basisopioids

□ Ein Zehntel der Tagesdosis des Basisopioids

Welches Opioid kann sowohl bei Leber- als auch bei Niereninsuffizienz ohne Kumulationsgefahr oder Wirkverlust angewandt werden?

□ Tilidin

□ Tramadol

□ Hydromorphon

□ Oxycodon

□ Morphin