Die Frage, worin der Unterschied zwischen bewusstlos oder komatös besteht, ist streng genommen überflüssig. Beide Begriffe bezeichnen nämlich exakt das Gleiche, nämlich einen Zustand, in dem der Patient

  • nicht erweckt werden kann,

  • die Augen weder spontan noch auf Schmerzreiz öffnet und

  • Aufforderungen nicht befolgt.

Dies besagt zumindest die S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) zum Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter (Stand 07/2007). Wichtig zu wissen ist auch noch, dass in einem solchen Zustand spontane Bewegungen durchaus möglich sind. So kann ein bewusstloser Patient de facto „gezielte Reaktionen auf Schmerzreize aufweisen“, schreibt der Anästhesist Dr. Wolfgang Stahl vom Universitätsklinikum Ulm in der Zeitschrift „Notfall + Rettungsmedizin“.

Selbst notfallmedizinisch geschulte Kollegen scheinen bei diesen Definitionen allerdings ins Schleudern zu geraten. In einer Umfrage, die Stahl und sein Team mit insgesamt 131 (49 angehenden und 82 erfahrenen) Notärzten durchgeführt hat, gingen 60% davon aus, dass eine gezielte Abwehrreaktion auf Schmerzreize im Koma nicht möglich sei.

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Bewusstlos oder komatös? Eigentlich egal, denn beides bezeichnet das Gleiche.

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Unsicherheit beim Anwenden der Glasgow Coma Scale

Große Unsicherheit besteht offenbar auch bei der Anwendung der Glasgow Coma Scale (GCS). Dieser von schottischen Wissenschaftlern ursprünglich für hämodynamisch stabile Traumapatienten entwickelte Score hat sich in Deutschland zur Einschätzung verschiedenster posttraumatischer Bewusstseinsstörungen etabliert. Beurteilt wird die Fähigkeit, die Augen zu öffnen sowie verbal und motorisch zu reagieren. In der ersten Kategorie sind maximal 4, in der zweiten maximal 5 und in der dritten maximal 6 Punkte zu erreichen. Im optimalen Fall, das heißt bei vollem Bewusstsein, kommt man damit theoretisch auf 15 Punkte, das Minimum bei jeweils komplett ausbleibender Reaktion sind 3 Punkte (Tabelle 1). Gemäß der DGNC-Leitlinie liegt die Grenze zur Bewusstlosigkeit bei 8 Punkten im GCS-Score, darunter ist der Patient eindeutig bewusstlos oder eben komatös. Viele als Notärzte aktive Mediziner sahen das anders: Für sie war man unterhalb von 9 Punkten „bewusstlos“ und unterhalb von 7 Punkten „komatös“, obwohl diese Unterscheidung eigentlich gar nicht mehr getroffen werden sollte. Berufsanfänger sahen die Grenze zur Bewusstlosigkeit im Mittel bei einem GCS-Wert von 8, zum Koma bei einem Mittelwert von 6,5. Richtige Antworten beim Stichwort „Bewusstlosigkeit“ gaben nur knapp die Hälfte der Notärzte und ein Drittel der Berufsanfänger, für das „Koma“ lagen die Raten bei 40 bzw. 35%. Im Umkehrschluss hieß das, so Stahl, dass die Antworten in fast zwei Drittel der Fälle nicht mit dem wahren GCS-Wert übereinstimmten. Die falschen GCS-Codierungen hingen nach Stahl vor allem mit der Fehleinschätzung der motorischen Antwort zusammen. Hier zogen die Studienteilnehmer oftmals die „schlechteste“ Reaktion des Patienten zur Beurteilung heran, obwohl im Sinne der schottischen Originalautoren immer die beste Antwort gezählt werden müsste.

Tab. 1 Glasgow Coma Scale

Die Begriffe Somnolenz, Sopor und Stupor stammen ursprünglich aus der Neurologie und Psychiatrie. Sie werden aber zumindest in Deutschland auch in der Notfallmedizin häufig eingesetzt und dienen hier der quantitativen Beschreibung von Bewusstseinsstörungen. Exakte Definitionen gibt es allerdings nicht; die Übergänge sind fließend. Einig ist man sich in der Literatur lediglich darüber, dass Somnolenz in der Reihenfolge die leichteste Abstufung der Bewusstseinsminderung bezeichnet. Dies spiegelte sich auch in der Umfrage wider, wenngleich hier erhebliche Unsicherheiten zutage traten. „Die Streuung der Antworten“, so Stahl, „umfasste das ganze Spektrum der GCS“. Häufigkeitsmaxima gab es keine. Somnolenz wurde im Schnitt ab einem Punktwert von 11 gesehen, Sopor und Stupor im Mittel ab 8, und zwar von beiden Teilnehmergruppen.

„Wann würden Sie intubieren?“

Eine wichtige praktische Frage war für die Studienautoren, wann die Notärzte — ausgehend von den genannten Kategorien — die Indikation zur Intubation stellten. Hier schieden sich die Geister schon bei der Bewusstlosigkeit: Für 90% der noch nicht aktiven Notfallmediziner genügte die Einstufung in diese Kategorie, um den Tubus zu schieben. Die erfahrenen Kollegen sahen das viel gelassener. Nur für die Hälfte bestand allein dadurch, dass man „Bewusstlosigkeit“ festgestellt hatte, bereits Handlungsbedarf. Seltsamerweise wollten beim „Koma“ insgesamt wesentlich weniger Ärzte intubieren: Der Anteil lag für beide Berufsgruppen bei 30–35%. Unter den quantitativen Begriffen sorgte überraschenderweise ausgerechnet die Somnolenz bei den angehenden Notärzten am meisten für Druck: 94% würden dabei intubieren, bei Sopor und Stupor jeweils „nur“ 80%. Bei allen drei Kategorien reagierten die erfahrenen Notärzte wieder zurückhaltender, dafür aber offenbar ohne festes Konzept (82, 70 und 81%). Die „Coolness“ der erfahrenen Kollegen kommt wohl daher, dass diese sich eher an klinischen Gegebenheiten orientieren und nicht nur an theoretischen Kategorien und der punktuellen GCS-Erhebung, spekuliert Notfallexperte Stahl. So mache es Sinn, sich zum Beispiel erst nach Stabilisierung der Vitalparameter oder abhängig von der Transportzeit in die Klinik zur Intubation zu entscheiden.

Ausbildung muss besser werden!

Nach Stahl hapert es klar an der Ausbildung: Es sei zu fordern, dass alle an der Patientenversorgung beteiligten Ärzte, nicht nur die Notfallmediziner, in der Anwendung des GCS-Werts absolut sicher seien und die drei Subscores sowie den Summenscore zuverlässig ermitteln könnten. Unstrittig sei, „dass bei Patienten mit einem GCS ≤ 8 die Indikation zur Intubation und Beatmung besteht“. Die Begriffe Somnolenz, Sopor und Stupor seien dagegen vieldeutig, wenig verlässlich und erlaubten keinen interkollegialen Informationsaustausch. Sie sollten daher bis auf wenige Ausnahmen in der Notfallmedizin komplett vermieden werden.