Aufgrund der Zunahme von Alterserkrankungen und damit auch Altersepilesien sind außer der optimierten Behandlung Konzepte für die Prävention, den Erhalt der Funktionsfähigkeit und der Selbstständigkeit der Patienten von Bedeutung. Die Konzepte der verschiedenen Therapiestrategien multimorbider Patientenkonstellationen müssen bei der Epilepsietherapie speziell berücksichtigt werden.

Hintergrund

Bei der Behandlung der Altersepilepsien sind altersbedingte Veränderungen der Organfunktionen, vermehrtes Auftreten von Komorbiditäten, Funktionsstörungen des Nervensystems (Motorik, Sensorik und Vegetativum) sowie damit verbundene Probleme der Alltagsbewältigung zu beachten. Besonders zu bedenkende Faktoren sind in Tab. 1 und Tab. 2 aufgelistet.

Im Folgenden werden Stand und wichtige Zukunftsaufgaben zur Behandlung von Patienten mit Altersepilepsien diskutiert.

Tab. 1 Häufige, besonders zu berücksichtigende Faktoren bei der Behandlung von Altersepilepsien
Tab. 2 Komorbidität

Alterungsbedingte Funktionsänderung des Organismus

Nach Arroyo u. Krämer [4] sind Veränderungen der gastrointestinalen Absorption und Bioverfügbarkeit, des totalen Körperwassergehalts, der Albuminkonzentration, der Leberfunktion und der glomerulären Nierenfiltration besonders zu berücksichtigen. Bei Patienten mit Altersepilepsien führen Veränderungen des Verdauungstrakts zu einer Verminderung der Absorptionsfläche, Perfusion, Motilität und Säureproduktion. Die Einnahme von Antacida spielt ebenfalls eine Rolle für die Aufnahme von Antiepileptika.

Das Verteilungsvolumen und die Halbwertzeit mancher Medikamente können durch die Veränderung des gesamten Wassergehalts hervorgerufen werden, ebenso wie durch die Veränderung der Muskel- und Fettmasse. Aufgrund eines erhöhten Anteils an Fettgewebe besteht ein verändertes Verteilungsvolumen; deshalb ist dieses für hydrophile Substanzen reduziert und für lipophile erhöht (z. B. Benzodiazepin und Phenobarbital). Eine Abnahme der Albuminkonzentration kann zu einer Reduktion der Proteinbindung und zu einer Zunahme der freien Anteile von Antiepileptika, wie z. B. für die Carbamazepinfraktion, führen [15]. Infolge einer Leberfunktionsabnahme werden Medikamente mit hoher Proteinbindung, wie z. B. Valproat, durch die Reduktion der Proteinsynthese betroffen. Wegen des erniedrigten Albuminserumspiegels v. a. für Phenytoin und Valproat ist die Proteinbindung reduziert, da diese Substanzen stark proteingebunden sind. Aus diesem Grund können Fehlbeurteilungen der gesamt-proteingebundenen und freien Fraktionen für diese Substanzen entstehen, wenn nicht beide Anteile im Serum gemessen werden.

Weiterhin kann es zu einer Reduktion der Metabolisierung verschiedener Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin und Oxcarbazepin) kommen. Auch die Glucuronidierung oder Acetylierung sind vermindert. Durch Interaktion glucuronisierter Medikamente kann ein Abfall z. B. der Lamotriginkonzentration bei Einnahme von Hormonen auch im Alter resultieren. Durch Abnehmen der glomerulären Filtrationsrate, Kreatinin-Clearance und tubulären Sekretion können Veränderungen der pharmakokinetischen Eigenschaften auftreten, die Intoxikationen bedingen. Bezüglich der Rezeptorempfindlichkeit des Gehirns können die Abnahme der Rezeptorenzahl und die gleichzeitige Zunahme der Sensitivität zu einem erhöhten Intoxikationsrisiko von Antiepileptika führen.

Ergänzend zu der erhöhten Rezeptorempfindlichkeit kann die Nebenwirkungsrate von Antiepileptika durch frühere und steilere Serumkonzentrationsanstiege bedingt sein. Sie resultieren aus einer höheren ungebundenen Fraktion der Substanzen, Veränderungen in der Halbwertszeit (v. a. Phenytoin, Carbamazepin, Benzodiazepine, Phenobarbital) und längeren Latenzen bis zum Fließgleichgewicht [7, 32].

Vor allem im Zusammenhang mit renal auszuscheidenden Antiepileptika (z. B. Levetiracetam, Pregabalin, Gabapentin) empfiehlt es sich, bei Patienten mit Altersepilepsien die Kreatinin-Clearance zu bestimmen, bevor eine medikamentöse Therapie eingeleitet wird.

Antiepileptikatherapie

Behandlungsergebnisse

Die Wirksamkeit von Antiepileptika im höheren Lebensalter ist verglichen mit der bei Epilepsiepatienten im jüngeren Lebensalter oft besser. Bei älteren Patienten ist eine Fünfjahresremission häufiger zu finden als bei Jüngeren [6, 25, 26]. Valproat war im Vergleich zu Phenytoin wirksamer und verträglicher. Die Dosierung von Valproat war 30–40 % als im Vergleich zu Patienten im jüngeren Lebensalter [38, 39, 58].

Es existieren nur wenige Evidenzklasse-I-Untersuchungen zur Antiepileptikabehandlung bei Altersepilepsien. Im Vergleich von Lamotrigin mit Carbamazepin und Gabapentin zeigte sich eine bessere Retentionsrate bei Lamotrigintherapie im Vergleich zu Carbamazepin. Gegenüber Gabapentin war ebenfalls ein Unterschied im Trend auffindbar, der jedoch nicht statistisch signifikant war [44]. Wurden jedoch statt Carbamazepin Standardpräparate mit Carbamazepin-retard-Tabletten und Lamotrigin, ebenfalls randomisiert und doppelblind kontrolliert, verglichen, blieben in den letzten 20 Behandlungswochen 52 % der Patientin unter Lamotrigintherapie und 57 % unter Carbamazepin-retard-Einnahme anfallsfrei. Die Abbruchrate wegen unerwünschter Nebenwirkungen betrug unter Lamotriginbehandlung 14 % und unter Carbamazepin retard 25 %. Die Retentionsraten unter Lamotrigintherapie betrugen 73 % und unter Carbamazepin retard 67 % [20, 43, 45, 48].

Vergleiche der Tolerabilität von Lamotrigin und Phenytoin [14] zeigten zwar auch unter der Lamotrigintherapie Nebenwirkungen, jedoch traten diese weniger häufig als unter der Phenytoinbehandlung. Levetiracetam wurde sowohl in Kombinations- als auch in Monotherapie untersucht. In der sog. Keeper-Studie von Morell et al. [28] betrug die Responderrate während der letzten 6 Wochen des Studienverlaufs 81 % in der Gruppe der über 60-jährigen, verglichen mit 67 % in der Gruppe der unter 60-jährigen Patienten.

Levetiracetam wurde mit Carbamazepin und Lamotrigin in einer prospektiven Monotherapiestudie bei neu diagnostizierten Epilepsien verglichen [63]. Insgesamt wurde 491 Patienten mit einer Monotherapie in die Studie aufgenommen. Das mittlere Alter betrug 71 Jahre. Die niedrigste Retentionsrate fand sich bei Carbamazepin mit 46 %, gefolgt von Lamotrigin mit 56 % und von Levetiracetam mit 61 %.

Die klinische Pharmakokinetik bei Altersepilepsien wurde von Contin et al. [8] untersucht. Die „Steady-state“-Clearance nimmt mit zunehmendem Alter ab, sodass Patienten mit Altersepilepsien (66 bis 80 Jahre) eine um 30 % niedrigere Antiepileptikadosierung benötigten und sehr alte Patienten (81 bis 96 Jahre) sogar eine Reduktion auf 50 % der üblichen Dosis.

Eine prospektive Studie bezüglich einer Oxcarbazepinmonotherapie fand bei einer niedrigen bis mäßigen Dosierung von ca. 900 mg/Tag in 37,6 % der Fälle mindestens eine einjährige Anfallsfreiheit. Allerdings führten Nebenwirkungen wie Stevens-Johnson-Syndrom (1,4 %), Müdigkeit und Schläfrigkeit (2,14 %), Übelkeit, Benommenheit bei Hyponatriämie (5,34 %) zum Studienabbruch [11]. Das erhöhte Risiko von Hyponatriämien im höheren Lebensalter schränkt die Anwendung bei Altersepilepsien ein.

„Expert ratings“, die in den Jahren 2000–2004 in den USA durchgeführt wurden, ergaben für Altersepilepsien, dass Lamotrigin, danach Levetiracetam, Gabapentin, dann Carbamazepin und Oxcarbazepin, gefolgt von Topiramat und Valproat als 1.-Wahl-Medikamente eingesetzt wurden [20].

Die Daten einer deutsch-österreichisch-schweizerischen Arbeitsgruppe des D-A-CH-Arbeitskreises ergaben 2007 folgende Reihenfolge: an 1. Stelle Levetiracetam, dann Lamotrigin, Gabapentin als Antiepileptika der 1. Wahl, gefolgt von Topiramat und Valproat. Oxcarbazepin und Carbamazepin wurden wegen möglicher Interaktionen und Hyponatriämie sowie kardialer Störung als weniger empfehlenswert bewertet [23]. Valproat wird meistens zur Behandlung generalisierter Epilepsien eingesetzt. Die Nebenwirkungen von Antiepileptika sind nicht selten beeinträchtigende Faktoren in der Therapie der Altersepilepsien [45].

Mattson et al. [27] untersuchten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Topiramat bei Altersepilepsien und fanden bei Anwendung niedriger Topiramatmonotherapiedosierungen keinen wesentlichen Unterschied der Nebenwirkungen (allerdings mit Ausnahme von Anorexie und Ataxie) im Vergleich zu Behandlungen jüngerer Patienten. Besonders muss allerdings auf die Möglichkeit kognitiver Einbußen geachtet werden.

Wechselwirkungen

Das Interaktionspotenzial von Antiepileptika ist bei Altersepilepsien von besonderer Wichtigkeit, da häufig auch zahlreiche Medikamente, abgesehen von den Antikonvulsiva, verordnet werden. Als starke Enzyminduktoren sind Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital und Primidon sehr ungünstig. Valproat hat enzymhemmende Eigenschaften. Das Wechselwirkungspotenzial von Oxcarbazepin ist im Vergleich zu Carbamazepin geringer [40]. Bei Patienten mit Altersepilepsien sind daher Antiepileptika mit fehlendem oder niedrigem Interaktionspotenzal empfehlenswert. Die Evaluierung neuerer Antiepileptika ist in diesem Hinblick von großer Bedeutung [23, 27].

In multizentrischen Vergleichsstudien von Epilepsiezentren waren 17,1 % der Patienten mit Altersepilepsien unbehandelt mit Antiepileptika, Patienten des mittleren Lebensalters 1,9 % und Jugendliche 0 %. Die Effektivität hinsichtlich der Anfallskontrolle wurde mit 44,4 % als sehr gut angegeben, die Verträglichkeit mit 43,6 % [58].

Tab. 3 Vergleich der Häufigkeit eingesetzter Antiepileptika in den 3 Altersgruppen [58]

Bei Altersepilepsien wurden am häufigsten Lamotrigin (30,6 %), dann Levetiracetam (26 %) und Gabapentin (18,7 %) eingesetzt.

Tab. 4 Kriterien für die Antiepileptikaauswahl

In einer Studie in österreichischen Altersheimen haben 5–17 % der Bewohner Antiepileptika erhalten. In 51,5 % der Fälle wurden die Antiepileptika wegen epileptischer Anfälle verabreicht. In 41 % der Fälle wurden 6 bis 9 Komedikationen mit anderen Medikamenten und in 26 % mit mehr als 10 anderen Medikamenten.

Die häufigsten Komedikationen sind in Tab. 5 nach Huber et al. [19] wiedergegeben.

Tab. 5 Angewendete Komedikationen neben Antiepileptika bei 828 älteren Menschen im Altersheim. (Nach [19])

Multimorbidität und Epilepsietherapie

Kardiovaskuläre Erkrankungen, niedriges Körpergewicht und niedrige Muskelmasse, eingeschränkte Leber- und Nierenfunktion sowie kognitive Störungen sind bei der Auswahl der Antiepileptika zu berücksichtigen, da sie sonst vermeidbare unerwünschte Nebenwirkungen verursachen. Patienten mit einem atrioventrikulären (AV-)Block 2. Grades sollten nicht mit Carbamazepin, Oxcarbazepin oder Lacosamid behandelt werden. Thioridazin, Makrolide, Antibiotika, Fluconazol oder Domperidon können ebenfalls zu einer QTc-Verlängerung führen. Interaktionen von Enzyminduktoren oder Inhibitoren mit Warfarin, aber auch Antibiotika wie Erythromyzin oder Meronem können gefährlichen Intoxikationen auslösen. Gabapentin, Pregabalin, Levetiracetam und Topiramat weisen keine nennenswerten Interaktionen mit Antikoagulanzien auf, jedoch können im Zusammenhang mit renaler Insuffizienz Probleme auftreten. Levetiracetam kann emotionale Störungen verursachen und Topiramat kognitive Nebenwirkungen hervorrufen. Dies gilt besonders dann, wenn es in höheren Dosen als Zusatzmedikation eingesetzt wird. In Monotherapie wird Topiramat bis zu einer Dosierung von 100 mg relativ gut vertragen. Eine Osteoporose tritt gehäuft bei älteren Frauen auf und wurde bei 15–40 % der Patienten mit enzyminduzierenden Antiepileptika gefunden [52].

In betreuten Einrichtungen wohnende Patienten haben ein 4-fach erhöhtes Risiko, Knochenbrüche zu erleiden. Das Risiko, Knochenbrüche zu erleiden, ist um das 2,2-Fache erhöht, im Einzelnen für Hüftfrakturen um das 5,3-Fache, für Unterarmfrakturen um das 1,7-Fache und für vertebrale Frakturen das 6,2-Fache. Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon und Valproat haben gemäß einigen Studien verstärkten Einfluss auf die Osteoporoseentwicklung [5, 35, 37, 46, 49]. Für Gabapentin, Pregabalin und Levetiracetam ist dies nicht belegt [34, 36]. Levetiracetam kann jedoch die Knochenstärke verringern, ohne die Knochenmasse zu senken [61].

Topiramatstudien ergaben konträre Resultate [9, 33]. Im Verlauf einer Monotherapie mit Lamotrigin über 1 bis 5 Jahre trat Osteoporose weniger häufig in dem untersuchten Kollekitv auf als bei Polytherapie.

Die Knochendichte war bei Monotherapie im Gegensatz zur Polytherapie nicht verringert [60]. Langzeituntersuchungen weisen darauf hin, dass das Arterioskleroserisiko unter antiepileptischer Langzeittherapie mit Carbamazepin, Phenytoin oder Valproat erhöht sein kann. Eine Auswahl besonders wichtiger Wechselwirkungen von Antiepileptika miteinander oder mit Nichtantiepileptika wird bei Krämer [22] und Stefan [56] dargestellt.

Zerebrovaskuläre Erkankungen

Die häufigste Komorbidität bei Altersepilepsien stellen die zerebrovaskulären Erkrankungen dar. Nach einem Hirninfarkt wird in der Regel keine prophylaktische antiepileptische Dauertherapie durchgeführt [2, 12]. Im Hinblick auf die Indikation der Antiepileptikatherapie ist zu berücksichtigen, ob es sich um einen Früh- oder Spätanfall nach dem Hirninfarkt handelt [30, 41, 47]. Nach einem Spontananfall ist das Rezidivrisiko im Vergleich zum Frühanfall deutlich erhöht. Ein erhöhtes Verletzungsrisiko bei Anfällen mit Sturz spricht für eine frühe Behandlung mit Antiepileptika. Weitere Hinweise zur Medikamentenwahl bei Komorbidität sind in Tab. 6 gegeben.

Tab. 6 Komorbidität und Medikamentenwahl

Unter Phenytoin kann durch Blockade von α-adrenergen Rezeptoren Stressinkontinenz gefördert werden. Dies führt zu einer Erschlaffung des M. sphincter internus. Eine entsprechende Erschlaffung kann auch durch Benzodiazepine und Phenobarbital hervorgerufen werden. Eine parasympathische Stimulation des M. detrusor kann durch Carbamazepin hervorgerufen werden.

Kognitive Störungen und Epilepsien

Ein Drittel der Patienten wiesen dosisabhängige Nebenwirkungen der Antiepileptika auf. Epileptische Anfälle waren unabhängige Prädiktoren für eine neu beginnende Demenz innerhalb von 3 Jahren nach Hirninfarkt [10]. Schlechte kognitive Leistungen (definiert durch die Mini-Mental State Examination, MMSE) stellten im Frühstadium der Alzheimer-Demenz einen Prädiktor für späteres Auftreten unprovozierter Anfälle dar. Außerdem wurden unprovozierte Anfälle gehäuft bei Beginn einer Demenz im jüngeren Alter mit schnellerem kognitiven Abbau gefunden. Die Anfallsfrequenz bei Alzheimer-Patienten wurde als relativ niedrig beschrieben [31]. Offensichtlich disponieren bestimmte genetische Formen der Alzheimer-Demenz mit abnormalen Ablagerungen von Amyloid-beta (A-β) zu Anfällen. Weder Erkrankungsdauer noch Alter der Patienten wurden in anderen Studien als signifikante Risikofaktoren für die Anfallsentwicklung gefunden.

In prospektiven Studien wurde festgestellt, dass Anfälle in 1,5–16 % der Fälle bei milder Verlaufsform der Alzheimer-Erkrankung auftraten; dagegen betrug die Anfallshäufigkeit bei institutionalisierten Alzheimer-Patienten mit schwereren Verlaufsformen zwischen 69 und 64 %. Die Häufigkeit der verschiedenen Anfallstypen wird unterschiedlich berichtet.

In einigen Studien werden v. a. generalisierte Anfälle mit motorischen Manifestationen in anderen komplex-fokalen Anfällen und in wiederum anderen Myoklonien beschrieben [13].

Die Erfassung von Anfällen bei Patienten mit Alzheimer-Demenz ist ein Problem, da die Betroffenen vergessen und schlecht berichten können. Daher ist auch die Beurteilung der Anfallsfrequenz schwierig und sollte in bestimmten Fällen durch ein Video-EEG-Langzeit-Monitoring verbessert werden.

Studien, die den Effekt einer antiepileptischen Behandlung bei Alzheimer-Demenz-Patienten untersuchen, existieren bis jetzt noch nicht ausreichend. Ebenso ist der Einfluss auf die kognitiven Funktionen durch Antiepileptikabehandlung nicht genügend untersucht. Nur Untersuchungen mit kleineren Fallzahlen bei Valproateinsatz ohne unzureichende quantitative kognitive Verlaufskontrollen und präzisen Angaben zu Anfällen liegen vor.

Eine randomisierte Untersuchung mit Donepezil bei Patienten mit Epilepsie und Gedächtnisproblemen fand keine Zunahme von Anfällen. Memantin zeigte unterschiedliche Ergebnisse. Neuroleptika und Antidepressiva, die zur Behandlung von Verhaltensstörungen bei Demenz eingesetzt wurden, waren mit einer Rate von 0,1–9 % mit Anfallsmanifestationen assoziiert. Hohe Dosen von Clozapin und Chlorpromazin führten am häufigsten zu epileptischen Anfallsmanifestationen [18, 24].

Die Rolle der medialen temporalen Strukturen für die Entstehung und Behandlung von Anfällen bei Alzheimer-Demenz bedarf weiterer Forschung.

Das gemeinsame Auftreten von M.  Parkinson und epileptischen Anfällen wird unterschiedlich beurteilt. Mutation im τ-Gen auf Chromosom 17 sind verantwortlich für eine autosomal-dominant vererbte frontotemporale Demenz und M. Parkinson (FTDP-17, [50]). Beim Parkinson-Syndrom fanden Stefan u. Winkler [57] bei 389 Patienten nur in 0,32 % der Fälle das Zusammentreffen von kryptogener Epilepsie und M. Parkinson.

Ein idiopathisches Parkinson-Syndrom kann bei einer Valproattherapie und Altersepilepsie vorgetäuscht werden. Hierbei handelt es sich um eine Enzephalopathie, die nach Absetzen von Valproat bei 32 von 36 Patienten zu einer subjektiven und objektiven Verbesserung führte [3]. Obwohl experimentell durch Mikroinjektionen von Dopamin-D2-Agonisten in den Nucleus accumbens amygdalagekindelter Ratten ein antikonvulsiver Effekt nachgewiesen wurde, hat sich bisher aus dem offensichtlichen Antagonismus kein klinisch therapeutisches Konzept abgeleitet [62].

Epilepsiechirurgie

Epilepsiechirurgische Eingriffe bei Altersepilepsien sind selten [1, 16]. Gründe hierfür sind, dass die meisten Patienten mit Altersepilepsien durch Antiepileptika anfallsfrei werden und zum anderen kardiovaskuläre sowie andere Komorbiditäten relativ häufig bei Altersepilepsien vorhanden sind. Hierdurch kann das Risiko chirurgischer Eingriffe erhöht werden. Außerdem sind soziale Faktoren, wie wiederholte Arbeitslosigkeit, weniger relevant als bei jüngeren Patienten.

Am Epilepsiezentrum Erlangen waren von 1987–2010 13 % der operierten Patienten zum Zeitpunkt der Operation älter als 50 Jahre und 4 % älter als 60 Jahre.

Wenige Studien berichten eingehend über epilepsiechirurgische Ergebnisse bei älteren Patienten. Der älteste operierte Patient war 75 Jahre alt. In einer Studie, bei der 52 Patienten wegen refraktärer Temporallappenepilepsie operiert wurden, wurden 40 selektive Amygdalohippokampektomien, 5 laterale temporale Läsionektomien plus Amygdalohippokampektomien und 7 anteriotemporale Lobektomien durchgeführt.

Von diesen Patienten wurde bei 23 % präoperativ ein invasives Video-EEG-Monitoring abgeleitet. Anfallsfreiheiten der Engel-Klasse I wurden bei 71 %, Engel-Klasse II bei 19 %, Engel-Klasse III bei 8 % und Engel-Klasse IV bei 2 % erzielt. Es zeigte sich keine Differenz bezüglich der postoperativen Anfallsfreiheit zwischen Patienten, die älter als 50 oder 60 Jahre waren. Jedoch wiesen 3,8 % ein permanentes neurologisches Defizit (Dysphasie und Hemiparesen) und 5,3 % eine Hemianopsie auf. Das Risiko für eine postoperative Komplikation war nur leicht erhöht gegenüber der Situation jüngerer Kontrollgruppen [16]. Fortschritte in der präoperativen Diagnostik bei chirurgischen Verfahren ermöglichen auch gute Ergebnisse.

Nichtinvasive Quellenlokalisationen fokaler epileptischer Aktivität und funktionell wichtiger Hirnregionen mithilfe der Magnetoenzephalographie (MEG)/Elektroenzephalographie (EEG) können bei Patienten mit Altersepilepsien patientenschonend eingesetzt werden [55]. Höheres Patientenalter stellt also per se keine Kontraindikation für Epilepsiechirurgie da. Allerdings nehmen die Risiken im hohen Lebensalter zu, wobei die Daten zu über 65-jährigen Patienten mit Altersepilepsien noch gering sind [51].

Spezielle Versorgungsprobleme

Die zunehmende Anzahl älterer Menschen erfordert besondere Aufmerksamkeit für neurologische Alterserkrankungen und hierbei Altersepilepsien. In den Beiträgen zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Gesundheit und Krankheit im Alter vom Robert Koch-Institut, Berlin, 2009, wird festgestellt, dass die Mobilität (mehr als 1 km zu Fuß zu gehen oder mehrere Treppenabsätze zu steigen) ab dem 65. bis 74. Lebensjahr bei 10 % und oberhalb des 75. Lebensjahrs zu 25 % eingeschränkt ist. Neben der verringerten Mobilität sind außerdem Funktionseinbußen des Gleichgewichtssystems, des Sehens, des Hörens, der Feinmotorik und der Kognition zu berücksichtigen.

Aufgrund der Berliner Altersstudien (BASE I und II) wird gefordert, „neben den Behandlungen von alterstypischen Krankheiten Konzepte für den Erhalt von Selbstständigkeit und für die Prävention schwerer Erkrankungen zu entwickeln. Auch die Grundlagenforschung ist integraler Bestandteil neurogeriatrischer Forschung [64]. Aus den Mobilitäts- und Funktionseinbußen, aber auch vermehrter Isolation allein Lebender ergeben sich besondere Aufgaben zur Hilfe bei der Alltagsbewältigung, aber auch der medizinischen Versorgung. Eine konkrete Situation einer allein lebenden alten Patientin zeigt sich in der folgenden Anfrage: „Ich leide unter Verwirrtheitszuständen, bin verlangsamt, falle wiederholt und kann schlecht gehen. Eine Therapie habe ich aus finanziellen Gründen bisher nicht. Wer kann helfen?“ Die Situation für ältere Patienten mit Epilepsien wird von Reuber et al. [42] beleuchtet. Von 846 Erwachsenen, die sich in der Betreuung des Epilepsiezentrums befinden, benutzen 43,7 % der Patienten, die jünger als 20 Jahre sind, einen speziellen Betreuungsservice, jedoch nur 2,3 % der über 85-Jährigen wurden in eine entsprechende Spezialeinrichtung überwiesen. Daher sind ältere Patienten mit Anfällen einem größeren Risiko nicht nur für Fehldiagnosen, sondern auch für eine unzureichende Behandlung ausgesetzt. Neben der Schwierigkeit, eine fachlich kompetente ärztliche Betreuung zu erhalten, können Probleme der Adhärenz einer eingeleiteten antiepileptischen Therapie dadurch entstehen, dass ältere Patienten eine herabgesetzte Merkfähigkeit aufweisen können und bereits mehrmals täglich verschiedene andere rezeptierte Substanzen einnehmen müssen (aus dem Erfahrungsbereich des Autors bis zu 20). Dysphagien kommen bei Älteren in 11 % der Fälle vor und bei Hirninfarktpatienten in 29–65 % [29]. Außerdem können Diuretika, Antidepressiva und Opioide einen trockenen Mund verursachen [54], was das Schlucken von Tabletten erschweren kann.

Zum Einhalten und Überwachen der Adherenz sind Antiepileptika, die ein- bis 2-mal/Tag eingenommen werden können, von Vorteil. Valproat, Perampanel, Zonisamid können als abendliche Einmalgabe und Lamotrigin z. B. als morgendliche Einmalgabe eingesetzt werden.

Für ältere Epilepsiepatienten empfiehlt sich außerdem ein Informationsblatt zur Vorbereitung einer Konsultation beim Arzt. In dieser vornotierten Liste von Fragen sollen Notizen zur Anfallshäufigkeit, zum tageszeitlichen Auftreten, zu Medikamenteneinnahme, aufgeführt sein, ebenso der Wunsch nach einer Begleitperson und Telefonnummer im Fall von Problemen zur Möglichkeit des Kontakts.

Aufgrund der Zunahme an alten oftmals chronisch kranken morbiden Patienten steigt die Zahl der Notfallaufnahmen, wobei gleichzeitig Betten in Krankenhäusern abgebaut werden sollen und die Spezialisierung der Fachgebiete voranschreitet. Diesem Dilemma begegnet das Albertinen-Krankenhaus in Hamburg mit der Einrichtung einer interdisziplinären Notfall- und Kurzliegeaufnahmestation (INKA); hierfür erhielt es den Deutschen Innovationspreis im Gesundheitswesen. In dem Behandlungsplan arbeiten als Versorgungspartner Angehörige, Sozialdienste, Pflege, Patienten, Arzt, Hausarzt und ambulanter Pflegedienst zusammen. In einem Konsens wird dann über die Organisation der ambulanten Pflege, Überweisung in bestimmte Fachabteilungen oder das Pflegeheim entschieden. Hierbei sind auch neurogeriatrische Konsiliarvisiten und im Fall der Epilepsie die Kontaktaufnahme mit einem Epileptologen zweckmäßig [17].

Während der stationären Versorgung sind besondere Informationen bezüglich der Epilepsiepflege erforderlich. Hierzu gehört, dass Patienten mit Anfällen nicht in Einzelzimmer (es sei denn, es wird eine ständige Videoüberwachung durchgeführt) untergebracht werden. Patienten sollen nach einem Anfrageprotokoll über Vorboten der Anfälle, Anfallssymptome und v. a. die postiktualen Defizite (Gedächtnis, Sprache, motorische sensorische Funktionen) und die Regelmäßigkeit der Medikamenteneinnahme befragt werden, damit anschließend rechtzeitig Kontakt mit der epileptologischen Weiterbetreuungsstelle ambulant aufgenommen wird.

In der Krankenpflegeausbildung ist es zweckmäßig, Videodokumentationen verschiedener epileptischer Anfälle zu demonstrieren, damit eine der häufigsten neurologischen Krankheitserscheinungen auch seitens des Pflegepersonals sachverständig erfasst und dokumentiert werden kann.

Im Hinblick auf Mobilitätseinschränkungen und größerer Entfernung zu Apotheken oder Ärzten ist der Einsatz speziell ausgebildeter Epilepsieschwestern in der ambulanten Versorgung zweckmäßig.

Der Landesverband Epilepsie Bayern empfiehlt in seiner Expertenrunde „Epilepsie 60 plus“ eine spezielle Epilepsieschulung für Betroffene und bei Patienten mit Multimorbidität, z. B. Schlaganfall mit Epilepsie oder Demenz, eine psychosoziale Begleitung durch eine speziell gebildete Neurologie-Epilepsie-Schwester. Weitere Gesichtspunkte betreffen neben der speziellen Fortbildung des Pflegepersonals epilepsieadäquate Einrichtungen, wie z. B. Betten, Anfallswarnsysteme und die Möglichkeit zur kontinuierlichen Antiepileptikaeinnahme. Zusätzliche Anregungen zielen auf ein betreutes Wohnen mit Assistenz für gewisse Tätigkeiten oder technischen Hilfen ab.

Fazit für die Praxis

  • Die Therapie der Altersepilepsien stellt eine komplexe Zukunftsaufgabe dar.

  • Bei der Behandlung der Altersepilepsien sind altersbedingte Veränderungen der Organfunktionen, vermehrtes Auftreten von Komorbiditäten, Funktionsstörungen des Nervensystems und damit verbundene Probleme der Alltagsbewältigung zu beachten.

  • Die Wirksamkeit von Antiepileptika im höheren Lebensalter ist, verglichen mit der bei Epilepsiepatienten im jüngeren Lebensalter, oft stärker.

  • Das Interaktionspotenzial von Antiepileptika ist bei Altersepilepsien von besonderer Wichtigkeit, da häufig auch zahlreiche Medikamente, abgesehen von den Antikonvulsiva, verordnet werden. Bei Patienten mit Altersepilepsien sind daher Antiepileptika mit fehlendem oder niedrigem Interaktionspotenzial empfehlenswert.

  • Kardiovaskuläre Erkrankungen, niedriges Körpergewicht und Muskelmasse, eingeschränkte Leber- und Nierenfunktion sowie kognitive Störungen sind bei der Auswahl der Antiepileptika zu berücksichtigen.