Psychische Beeinträchtigungen bei Einsatzkräften im Rettungsdienst wurden in den vergangenen 10 Jahren, u. a. bedingt durch Großschadensereignisse und Katastrophen (in Deutschland z. B. das ICE-Unglück in Eschede 1998), verstärkt empirisch untersucht. In diesem Zusammenhang waren Beeinträchtigungen mit Krankheitswert nach extremen Einsatzerfahrungen, insbesondere die Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD), von Interesse. Im Rahmen der Etablierung einer umfassenden psychosozialen Notfallversorgung wären vor diesem Hintergrund spezielle Einsatznachsorgeangebote zur Sekundärprävention einer PTSD nach erfahrenen Extrembelastungen vorzuhalten. Zudem werden für die Primärprävention der PTSD Maßnahmen auf der Personenebene, wie z. B. Einsatzvorbereitung durch Aus-, Fort- und Weiterbildung diskutiert.

Zur Bedeutung alltäglicher „Banalbelastungen“ und ungünstiger Arbeitsbedingungen liegen kaum Daten vor

Überlegungen zur primären Prävention eines breiteren Spektrums von Beeinträchtigungen, z. B. Erschöpfung, Überdruss, Verlust von Engagement und individueller Leistungsfähigkeit (Burnout), subjektive arbeitsbezogene Gesundheit wie z. B. Belastbarkeit und Wohlbefinden auf der Verhältnisebene, insbesondere auf der Ebene der Arbeitsorganisation, nahmen insgesamt einen geringeren Stellenwert ein [4]. Vor dem Hintergrund jüngerer Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von Burnout und Traumatisierung (PTSD; [24]) wären (arbeits)verhältnispräventive Interventionen aber als eine sinnvolle Ergänzung bisheriger Angebote zu werten. Über die Bedeutung alltäglicher „Banalbelastungen“ und ungünstiger Arbeitsbedingungen für die subjektive Gesundheit (z. B. Wohlbefinden, Belastbarkeit) und Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert, z. B. Burnout, liegen zudem für Einsatzkräfte im Rettungsdienst kaum Daten vor [1, 14].

Im Folgenden werden die Ergebnisse einer Querschnittstudie bei hauptberuflichen Einsatzkräften im Rettungsdienst aus den Bundesländern Berlin und Sachsen-Anhalt vorgestellt, die im Rahmen des Projekts „Entwicklung von Standards und Empfehlungen für ein Netzwerk zur bundesweiten Strukturierung und Organisation psychosozialer Notfallversorgung“ (Kurztitel: Netzwerk Psychosoziale Notfallversorgung)“Footnote 1 durchgeführt wurde. Gegenstand dieser Untersuchung ist der Zusammenhang zwischen Anforderungen und Belastungen einerseits sowie Kriterien subjektiver Gesundheit (z. B. Wohlbefinden, Belastbarkeit) und Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert (Burnout) andererseits.

Anforderungen und Belastungen im Rettungsdienst

Das Spektrum potenzieller Belastungen für Einsatzkräfte im Rettungsdienst—ausgehend von bisherigen Untersuchungsergebnissen—kann in Belastungen aus der Tätigkeit im Rettungsdienst (dazu gehören auch Extrembelastungen im Einsatz) sowie aus den arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen unterschieden werden [3, 20, 30]. Zudem werden Belastungen für Einsatzkräfte diskutiert, die sich aus der Aufgaben-, Rollen- und Interaktions- sowie Organisationsstruktur ergeben können [6]. Potenziell traumatisierende Einsätze können dabei als ein Bestandteil eines komplexen Stressorengefüges gesehen werden.

Als extrem belastend und potenziell PTSD-auslösend können Tätigkeits- und Einsatzmerkmale im Rettungsdienst gewertet werden, in denen z. B. die eigene körperliche Unversehrtheit gefährdet wird, die die Verletzung oder den Tod eines Kollegen zur Folge haben, sowie Situationen mit extrem erlebter Handlungsunfähigkeit [3, 7, 16, 28, 29, 30].

Auch die Bedeutung ungünstiger arbeitsorganisatorischer Rahmenbedingungen im Rettungsdienst für die Entwicklung von Beeinträchtigungen wurde in der Vergangenheit diskutiert [6]. Dazu können zum einen Regulationshindernisse gezählt werden, die eine planmäßige, den beruflichen Standards entsprechende Erfüllung der Arbeitsaufgabe behindern. Eine offene oder verdeckte Überwachung durch Vorgesetzte und/oder Kollegen, subjektiv sinnlose Vorschriften und unzureichende Beteiligung an relevanten betrieblichen Entscheidungsprozessen können zu Regulationshindernissen gezählt werden. Auch quantitative Überforderung (z. B. Zeitdruck) zählt dazu: Zeitdruck kann sich aus Situationen ergeben, in denen die gestellten Aufgaben in der vorgegebenen Zeit nicht erfüllt werden können [18].

Burnout und potenzielle gesundheitliche Beeinträchtigungen

Zum Spektrum möglicher Fehlbeanspruchungsfolgen, die im Zusammenhang mit der Arbeit im Rettungsdienst diskutiert werden, zählen zum einen Krankheiten nach ICD 10 bzw. DSM IV (z. B. PTSD, [9, 28, 29, 30]), aber auch Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert. Insbesondere für eine umfassende effektive Primärprävention interessieren aber auch arbeitsbedingte Gesundheitsstörungen, die keine „Krankheiten“ sind, die aber dennoch eine Beeinträchtigung der Einsatzfähigkeit bedeuten können. Insbesondere Beeinträchtigungen des körperlichen und psychosozialen Wohlbefindens, der individuellen Leistungsfähigkeit und des beruflichen Engagements können u. U. die Vulnerabilität für krankheitsrelevante Störungen erhöhen [1, 11, 12, 14, 25, 27, 31]. Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert sind in Untersuchungen im Rettungsdienst bisher eher vernachlässigt worden (vgl. aber [1, 5, 14]).

Burnout: Definition und Messbarkeit

Neben Einschränkungen im Wohlbefinden, der Belastbarkeit und der Vitalität stellt Burnout eine arbeitsbedingte Beeinträchtigung dar, die seit Mitte der 1970er Jahre [13] für „helfende Berufe“ und darüber hinaus diskutiert wurde [15, 23, 27]. Maslach u. Jackson zufolge kann Burnout durch (emotionale) Erschöpfung, Depersonalisierung—Zynismus sowie reduziertes Wirksamkeitserleben bzw. reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit charakterisiert werden [21, 22, 23]. Diese mehrdimensionale Definition von Burnout lag der Mehrzahl empirischer Burnout-Studien zugrunde, obwohl sie jüngeren Veröffentlichungen zufolge der Komplexität von Burnout nicht ausreichend Rechnung trägt [26]. Im Ergebnis bisheriger Quer- und Längsschnittuntersuchungen ergeben sich in psychosozialen, pflegerischen und medizinischen Berufen ein bedeutender Einfluss arbeitsorganisatorischer Rahmenbedingungen auf das Burnout-Syndrom [8, 11, 14, 21, 23, 27], während Merkmale der Person insgesamt einen sehr geringen Erklärungsbeitrag für Burnout leisteten [27].

Zur Burnout-Messung liegt ein Instrument vor (Maslach-Burnout-Inventory, MBI), welches Burnout der theoretischen Dimensionierung folgend erfassen kann [22], das in deutscher Sprache verfügbar ist [11] und national wie international am häufigsten verwendet wurde (60% der Untersuchungen von 1976–1996 [26]). Die deutschsprachige Version wurde in mehreren Untersuchungen psychometrisch getestet, wobei die faktorielle Struktur in den meisten Studien bestätigt wurde (u. a. [11, 15]), teilweise aber auch nicht reproduziert werden konnte [10]. Diese Ergebnisse lassen daher auch auf Schwächen des deutschsprachigen MBI schließen.

Ursachen von Burnout im Rettungsdienst

Für den Bereich Rettungsdienst liegen wenige Veröffentlichungen vor, die Burnout als Folge der Arbeit untersuchten oder diskutierten [1, 5, 14, 24]. Etwa ein Drittel der Einsatzkräfte wiesen dabei hohe Burnout-Werte auf (Messinstrument MBI; [1]). Als burnout-relevante Einflussfaktoren wurden u. a. Überlastung (z. B. durch eine hohe Einsatzfrequenz), ein geringer Berufserfolg, ungelöste Teamkonflikte aber auch PTSD-Prädiktoren wie die eigene Gefährdung im Einsatz ermittelt, also Faktoren, die sowohl tätigkeitsspezifischen, arbeitsorganisatorischen und interaktionsspezifischen Stressoren zugeordnet werden können [1, 14].

Zudem leisten bestimmte Burnoutkomponenten, insbesondere Erschöpfung und Depersonalisierung im Rettungsdienst einen hohen Erklärungsbeitrag für die Herausbildung von Symptomen einer PTSD [24]: ausgebrannte Einsatzkräfte sind nach extremen Einsatzerfahrungen offenbar anfälliger für eine PTSD als nicht ausgebrannte. In diesem Zusammenhang bekommen Belastungen, die sich aus der Arbeitsorganisation ergeben und tätigkeitsspezifische Merkmale, die Einfluss auf Burnout haben, auch Bedeutung für die organisationsbezogene, primäre Prävention posttraumatischer Reaktionen bei Einsatzkräften.

Im Rahmen dieser Untersuchung interessiert daher:

  1. 1.

    Welche Merkmale der Arbeitstätigkeit und Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst, auch über extrem belastende Einsätzen hinaus, stehen im Zusammenhang mit der Einschränkung der individuellen Leistungsfähigkeit und des subjektiven Wohlbefindens sowie mit Burnout?

  2. 2.

    Wie häufig werden potenziell belastende Merkmale der Arbeitstätigkeit und Arbeitsbedingungen von Einsatzkräften im Rettungsdienst erlebt?

  3. 3.

    Welche Bedeutung hat Burnout bei Einsatzkräften im Rettungsdienst?

  4. 4.

    In welchem Zusammenhang stehen Merkmale der Arbeit im Rettungsdienst mit Burnout, arbeitsbezogenem Wohlbefinden und individueller Leistungsfähigkeit?

Methodik

Zu einem Untersuchungszeitpunkt (05/2003; Querschnittstudie) wurden über Verantwortliche von Rettungsdienstträgern der Länder Berlin und Sachsen-Anhalt je 100 Fragebögen (N=200) an Einsatzkräfte ausgegeben. Ausgefüllte Fragebögen konnten anonym über den Träger oder postalisch mit einem portofreien Rückumschlag zurückgesendet werden. Aufgrund der Fragebögen bestand keine Möglichkeit, Rückschlüsse auf die Person des Ausfüllenden zu ziehen. Lediglich die Herkunft des Fragebogens (Bundesland) konnte nachvollzogen werden.

An dieser Studie haben Einsatzkräfte im Rettungsdienst aus Berufsfeuerwehren sowie aus Hilfsorganisationen (DRK, JUH, ASB, MHD) teilgenommen. Mit 98 eingegangenen Fragebögen (60 Berlin; 38 Sachsen–Anhalt) liegt die Rücklaufquote bei 49%.

Erhebungsinstrument und Datenauswertung

Der Fragebogen erfasst neben soziodemografischen Angaben tätigkeitsspezifische Merkmale der Arbeit im Rettungsdienst, arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen, personale und soziale Ressourcen, habituelles psychosoziales Wohlbefinden, Belastbarkeit, innere Ruhe, Ausgeglichenheit sowie Burnout. Anforderungen aus der Tätigkeit im Rettungsdienst wurden mit einem Messinstrument erfasst, dessen 15 Items inhaltlich auf die am meisten in der Literatur referierten Belastungsmerkmale im Rettungsdienst zurückgehen, sich zudem auf Erfahrungsberichte von Einsatzkräften, den Blättern zur Berufskunde sowie auf die eigene Berufserfahrung des Autors als Rettungsassistent gründen. Es erfasst sowohl Alltagsanforderungen als auch Anforderungen in Extremereignissen. Dazu gehören die Bereiche der Wahrnehmung physischer Gefährdung, also die Häufigkeit subjektiv bedrohender Situationen, Schnittstellenprobleme im Rettungsdienst, darunter sind Behinderungen an rettungsdienstlichen „Kontakteinrichtungen“—z. B. Notaufnahmen, Rettungsleitstelle zu verstehen, behindernde Einsatzbedingungen, behindernde Bedingungen im Einsatz, die nicht durch die Einsatzkraft oder ihren Arbeitgeber beeinflussbar sind—z. B. Straßenverkehr und Arbeitszeit, also Häufigkeit ungünstiger Arbeitszeiten. Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst wurden mit zwei Skalen des Fragebogens „Merkmale der eigenen Arbeitsbedingungen sowie der eigenen Umgehensweisen“ erfasst (ungünstige arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen—Regulationshindernisse —und quantitative Überforderung—Zeitdruck; [18].

Zur Burnout-Messung wurde das MBI in der 2. Fassung [22] in der deutschsprachigen Version [11] verwendet. Mit den Skalen Vitalität, Belastbarkeit und Innere Ruhe des „Fragebogens zur Erfassung des körperlichen Wohlbefindens“ (FEW 16) wurden Aspekte subjektiver körperlicher Gesundheit [19] erhoben, psychosoziales Wohlbefinden mit dem „Marburger Fragebogen zum habituellen Wohlbefinden“ (MHW; [17]). Soziale Ressourcen sind mit den modifizierten Caplan-Skalen zur Erfassung sozialer Unterstützung erhoben worden [15, 32]. Als personale Ressource wurde der Sense of Coherence (SOC) mit der Kurzversion des Fragebogens zur Erfassung der Lebensorientierung erhoben [2].

Eingabe und Datenanalysen erfolgten mit der Statistiksoftware SPSS 11.0®. Zunächst wurden Stichprobenparameter erhobener Variablen berechnet, die Zusammenhangsannahmen wurden durch Berechnung von Korrelations- und Regressionskoeffizienten überprüft. Die Auswertung erfolgte länderübergreifend, also in einer Stichprobe.

Ergebnisse der Untersuchung

Stichprobencharakteristika

In der Stichprobe sind vorwiegend männliche Rettungsdienstmitarbeiter repräsentiert (97,9%), die mehrheitlich in einer festen Partnerschaft leben (85,1%). Im öffentlichen Dienst sind 62,5% der repräsentierten Einsatzkräfte beschäftigt, 33,3% in Hilfsorganisationen angestellt, 4,2% haben einen Arbeitsplatz bei privaten Rettungsdienstträgern. Deutlich mehr Berliner Einsatzkräfte sind dabei im öffentlichen Dienst angestellt, wogegen die Mehrzahl der Einsatzkräfte von Sachsen-Anhalt bei Hilfsorganisationen beschäftigt ist.

48,4% der Studienteilnehmer haben einen Berufsabschluss als Rettungsassistent, 50,5% sind Rettungssanitäter, die übrigen haben eine Qualifikation als Rettungshelfer. Beim Vergleich der beruflichen Qualifikation zwischen Berlin und Sachsen-Anhalt wird deutlich, das mehr Einsatzkräfte in Sachsen-Anhalt einen berufsqualifizierenden Abschluss im Rettungsdienst haben (Rettungsassistent/in). Die rettungsdienstliche Qualifikation kann bei Berlinern dennoch als gleichwertig eingeschätzt werden, weil der größte Anteil der Berliner Einsatzkräfte aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Berufsfeuerwehr die Laufbahnprüfung im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst absolviert haben müsste. Die berufliche Absicherung Berliner Einsatzkräfte kann durch einen hohen Anteil unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse (96,6%) als besser eingeschätzt werden als in Sachsen-Anhalt mit lediglich 66,7%.

Im Durchschnitt waren die Studienteilnehmer 35,7 Jahre (SD =7,1), hatten 12,3 Jahre Berufserfahrung im Rettungsdienst (SD =7,1), arbeiteten wöchentlich durchschnittlich 51,9 Stunden (SD =6,8) und waren davon zu ca. 80,5% (SD=18,1) ihrer Arbeitszeit mit rettungsdienstlichen Aufgaben betraut (Rest: Feuerwehr bzw. Krankentransport).

Anforderungen und Belastungen im Rettungsdienst

Die Häufigkeit mit der Einsatzkräfte bestimmte potenziell belastende Situationen erleben, die einerseits dem Bereich „Arbeitstätigkeit im Rettungsdienst“ andererseits arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen im Rettungsdienst zugeordnet werden können ist Tabelle 1 zu entnehmen.

Tabelle 1 Maßzahlen der Belastungsvariablen

Insgesamt erleben Einsatzkräfte im Rettungsdienst Situationen mit physischer Gefährdung sowie behindernde arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen seltener als einmal im Monat (MW =1,1–1,6). Dagegen ergeben sich Probleme an rettungsdienstlichen Schnittstellen (z. B. Leitstelle, Notaufnahme im Krankenhaus) und Situationen mit quantitativer Überforderung (Zeitdruck) durchschnittlich monatlich einmal (MW=2,1–2,6). Am häufigsten (ein- bis mehrmals wöchentlich) werden Behinderungen während der Einsätze sowie lange und ungünstige Arbeitszeiten (>12 h sowie Nachtarbeit) erlebt (MW=3,5–4,9).

Burnout im Rettungsdienst

Die Mittelwerte der Burnout-Dimensionen werden aus den Nennungen der Häufigkeit des Erlebens der in den Items beschriebenen Situationen errechnet, sie bewegen sich zwischen 1,7 und ca. 2,0 bei einem möglichen Wertespektrum von 0 bis 6. Dabei werden Situationen, die zu reduziertem Wirksamkeitserleben zu zählen sind, am häufigsten, Erfahrungen emotionaler Erschöpfung dagegen am seltensten erlebt (Tabelle 2). Einsatzkräfte im Rettungsdienst sind im Vergleich mit bisher untersuchten, psychosozialen Berufsgruppen weniger (emotional) erschöpft (p=0,000). Die Interaktion zwischen Einsatzkraft und Patienten ist aber von größerer Distanz und geringerer Anteilnahme geprägt (Depersonalisierung; p=0,000), zudem fühlen sich Einsatzkräfte weniger wirksam in ihrer Arbeit (p=0,000; [11, 15, 18]).

Tabelle 2 Maßzahlen der Burnout-Komponenten

Anhand der Vergleichswerte zur Burnout-Ausprägung nach der amerikanischen Normierung des MBI [15] weisen zwischen 13% (emotionale Erschöpfung) und 47% (reduziertes Wirksamkeitserleben) der Einsatzkräfte im Rettungsdienst hohe Burnout-Ausprägungen auf. Hochgradig ausgebrannt, also mit hohen Werten auf allen Burnout-Dimensionen, können 9% der Rettungsdienstler bezeichnet werden (Tabelle 3).

Tabelle 3 Anteil ausgebrannter Einsatzkräfte (n=94)

Insbesondere der Anteil sich reduziert wirksam fühlender Einsatzkräfte, die also einschätzen, dass sie zentralen beruflichen Standards nicht gerecht werden, ist auffällig hoch.

Da für das deutschsprachige MBI keine Vergleichs- oder Normwerte existieren, können diese Zahlen jedoch lediglich als Tendenz verstanden werden, sie stellen also keine Prävalenzdaten, vergleichbar mit Angaben zur PTSD-Prävalenz nach extrem belastenden Einsätzen dar.

Belastbarkeit, Vitalität und Wohlbefinden im Rettungsdienst

Im Mittel bewegen sich die Werte für die Belastbarkeit, die Vitalität und innere Ruhe/ Gelassenheit zwischen 3,0 und 3,5 (0: trifft überhaupt nicht zu, 5: trifft voll und ganz zu). Für das psychosoziale Wohlbefinden ergab sich ein Mittelwert von 4,5 (1: trifft gar nicht zu, 6: trifft völlig zu). Die Werte bewegen sich auf einem mäßig hohem Niveau (Tabelle 4) und sind im Vergleich mit Klinikstichproben deutlich höher (signifikant bei p=0,000 für alle Dimensionen).

Tabelle 4 Maßzahlen von Dimensionen habituellen Wohlbefindens

Obwohl potenziell belastende Arbeitsinhalte, ungünstige Arbeitsbedingungen sowie bestimmte Burnout-Dimensionen relativ hoch ausgeprägt waren, also eine hohe Belastung annehmen lassen, sind im Durchschnitt Kriterien selbsteingeschätzter Gesundheit kaum herabgesetzt. Das kann aber u. U. auf die Formulierung einiger Items zurückzuführen sein (z. B. „Ich bin körperlich belastbar“, „Ich wache morgens energiegeladen auf“), die zentrale (körperliche) Berufsvoraussetzungen im Rettungsdienst berühren und daher möglicherweise im Sinne sozialer Erwünschtheit verzerrt wurden.

Auswirkungen der Arbeit im Rettungsdienst

Das häufige Erleben von Situationen, in denen die eigene und fremde körperliche Unversehrtheit als bedroht bewertet wurde, Behinderungen während Rettungseinsätzen (z. B. schwer erreichbare Einsatzorte) sowie ungünstige arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen (Regulationshindernisse und Zeitdruck) stehen im Burnout-Kontext mit hoher (emotionaler) Erschöpfung und Zynismus/Depersonalisierung in Zusammenhang. Das Wirksamkeitserleben korreliert dagegen nicht mit Einflussfaktoren aus der Arbeit im Rettungsdienst, ist aber umso geringer je erschöpfter Einsatzkräfte sind und je distanzierter, zynischer und unpersönlicher sie in Kontakt mit dem Patienten stehen (Depersonalisierung; Tabelle 5).

Tabelle 5 Korrelationsmatrix: Belastungen, Burnout und Wohlbefinden

Im Ergebnis von Regressionsanalysen leisten die Wahrnehmung physischer Gefährdung und Regulationshindernisse in der Arbeit den größten Erklärungsbeitrag für die Burnout-Dimensionen (emotionale) Erschöpfung und Depersonalisierung (β zwischen 0,24 und 0,36), sie variieren in hohem Maß gemeinsam.

Die aufgeklärte korrigierte Gesamtvarianz liegt zwischen 18 und 22%. Das Erleben höherer eigener Wirksamkeit bzw. Leistungsfähigkeit steht in Zusammenhang mit hindernden Situationen im Einsatz: die Sicherstellung der Patientenversorgung auch unter ungünstigen Einsatzbedingungen stärkt offenbar das Gefühl, die Arbeit den beruflichen Standards im Rettungsdienst entsprechend auszuführen. (Emotionale) Erschöpfung liefert einen größeren Erklärungsbeitrag für geringes Wirksamkeitserleben, beide Variablen erklären ca. 23% der Gesamtvarianz reduzierten Wirksamkeitserlebens. Einsatzkräfte, die erschöpft sind, erleben sich häufiger herabgesetzt leistungsfähig. Merkmale der Arbeit scheinen sich somit eher indirekt auf das Wirksamkeitserleben auszuwirken (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Einflussfaktoren auf Burnout (signifikante Effekte nach schrittweiser multipler Regression: *signifikant auf einem Niveau von p<0,05; **signifikant auf einem Niveau von p<0,01; ***signifikant auf einem Niveau von p<0,001)

Aspekte des körperlichen Wohlbefindens (Belastbarkeit, Vitalität, Gelassenheit) stehen in schwachem Zusammenhang mit tätigkeitsspezifischen Merkmalen und arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen im Rettungsdienst. Lediglich der Zusammenhang zwischen dem häufigen Erleben physischer Gefährdung und geringer Vitalität ist signifikant. Hohe, signifikante, erwartungsgemäß negative Korrelationskoeffizienten wurden zwischen Burnout und Kriterien der selbsteingeschätzten Gesundheit von Einsatzkräften ermittelt.

Ausgebrannte Einsatzkräfte erleben sich also deutlich weniger belastbar, weniger vital, ausgeruht und unruhiger als nicht ausgebrannte.

Im Ergebnis von Regressionsanalysen wurde ein hoher Erklärungsbeitrag für herabgesetztes psychosoziales Wohlbefinden sowie für geringe Vitalität und innere Ruhe durch Burnout ermittelt. Insbesondere die Zusammenhänge mit (emotionaler) Erschöpfung und reduziertem Wirksamkeitserleben sind bedeutsam. Der Zusammenhang zwischen reduziertem Wirksamkeitserleben und einer geringen Belastbarkeit bewegt sich auf signifikanten Niveau, ist aber nur schwach. Beide Variablen variieren nur zu ca. 6% gemeinsam. Merkmale der Arbeit und arbeitsbedingte Fehlbeanspruchungsfolgen (Burnout, insbesondere reduziertes Wirksamkeitserleben) beeinflussen die Belastbarkeit von Rettungsdiensteinsatzkräften im Ergebnis dieser Untersuchung offenbar nur schwach (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Einflussfaktoren auf habituelles körperliches und allgemeines psychosoziales Wohlbefinden (signifikante Effekte nach schrittweiser multipler Regression: *signifikant auf einem Niveau von p<0,05; **signifikant auf einem Niveau von p<0,01; ***signifikant auf einem Niveau von p<0,001)

Schlussfolgerungen

Ein potenzieller Bedarf an psychosozialer Unterstützung für Einsatzkräfte im Rettungsdienst kann z. B. anhand der Inzidenz posttraumatischer Belastungsstörungen nach extrem belastenden Einsätzen abgeleitet werden. Dabei bleibt jedoch weitgehend unbeachtet, wie hoch die individuelle Widerstandsfähigkeit und Vulnerabilität von Einsatzkräften für psychische Beeinträchtigungen, die Krankheitswert haben, vor dem Ereignis war.

Einsatzkräfte im Rettungsdienst, die bereits belastet in Einsätze außerhalb „normaler“ Einsatzerfahrungen gehen, werden in der Folge stärker von psychischen Krankheitssymptomen betroffen sein, als gering belastete Einsatzkräfte.

Zu Kriterien der Vulnerabilität von Einsatzkräften können, ausgehend von jüngeren Daten [24], z. B. Burnout aber auch Einschränkungen der selbsteingeschätzten Belastbarkeit, der Vitalität und des Wohlbefindens gezählt werden. Auf diese Variablen wird weniger ein Einfluss von Extremereignissen erwartet, als vielmehr von alltägliche Belastungen, Gefahren sowie ungünstigen arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen.

Die Diskussion der Ergebnisse der Studie erfolgt vor dem Hintergrund zu berücksichtigender methodischer Einschränkungen. Zum einen repräsentieren die Ergebnisse eine relativ kleine Stichprobe (n=98) aus lediglich 2 Untersuchungsregionen. Aus diesem Grund lassen die Daten lediglich Rückschlüsse auf Einsatzkräfte der Bundesländer Berlin und Sachsen-Anhalt zu. Ableitungen für Einsatzkräfte in der Bundesrepublik sind nur in der Tendenz möglich. Die Daten wurden durch Selbstauskünfte in Fragebögen erhoben, es kann daher angenommen werden, dass hochbelastete Einsatzkräfte möglicherweise wenig motiviert gewesen waren, den relativ umfangreichen Fragebogen auszufüllen, sie also von vornherein nicht in der Stichprobe repräsentiert sein können. Aufgrund des Untersuchungsdesigns (Querschnittstudie) können keine kausalen Zusammenhänge die Diskussionsgrundlage bilden.

Einfluss von Arbeitsanforderungen

Anforderungen der Arbeit im Rettungsdienst wurden nach der Häufigkeit erhoben, mit der sie im einem Zeitraum des vergangenen Jahres erlebt wurden. Besonders selten wurden Einsatzsituationen erlebt, die mit extremen Erfahrungen verbunden sind, z. B. die eigene physische Gefährdung oder die von Kollegen im Einsatz. Die größte Bedeutung für die Arbeit im Rettungsdienst haben Behinderungen im Rahmen von Einsätzen (z. B. durch unaufmerksame Verkehrsteilnehmer) und Schnittstellenprobleme (z. B. Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Leitstelle und Rettungswagen, Probleme bei der Übergabe des Patienten an der Notaufnahme im Krankenhaus).

Im Vergleich mit Ergebnissen bei anderen Berufsgruppen [11, 15] fällt auf, dass Regulationshindernisse in der Arbeit, also organisationsinterne Faktoren, die eine den beruflichen Standards entsprechende Erfüllung von Arbeitsaufgaben behindern oder verzögern, von Einsatzkräften im Rettungsdienst vergleichsweise häufig erlebt werden. Die höhere Ausprägung im Vergleich mit anderen untersuchten Berufsgruppen kann darin begründet sein, dass Mitarbeiter im Rettungsdienst nicht nur in ihrer Arbeitgeberorganisation agieren, sondern auch an Schnittstellen zu anderen Organisationen, deren Rahmenbedingungen die Arbeit von Einsatzkräften ebenfalls behindern können, bzw. deren Arbeitsweise zu wenig bekannt ist (z. B. Notaufnahmebereiche in Krankenhäusern).

Zeitdruck hat im Rettungsdienst dagegen eine vergleichsweise geringe Bedeutung, u. a. auch, weil es außer der Hilfsfrist keine zeitlich-monetären Vorgaben für die Betreuung von Notfallpatienten gibt, also weniger Möglichkeiten bestehen, in Zeitdruck zu geraten. Arbeitszeitmerkmale, z. B. lange Dienstzeiten und Nachtarbeit, werden sehr häufig erlebt, stehen aber in keinem Zusammenhang mit den untersuchten Beeinträchtigungen bei Einsatzkräften, was z. B. auf die Selbstverständlichkeit dieser Rahmenbedingung im Rettungsdienst zurückgeführt werden könnte.

Burnout: Einflüsse und Wirkungen

Burnout wird offensichtlich durch die relativ selten erlebten, ungünstigen arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmung von Gefahr für Leib und Leben im Einsatz am stärksten beeinflusst. Je häufiger sich Einsatzkräfte mit diesen Faktoren konfrontiert sahen, desto ausgebrannter sind sie.

Der Anteil von Einsatzkräften mit hohen Burnout-Werten, die sich also als hochgradig erschöpft, sehr wenig wirksam in ihrer Arbeit erleben und einen überdistanziert bis zynischen Kontakt mit ihren Patienten pflegen, bewegt sich zwischen 13 und 47% (!). Vor dem Hintergrund jüngerer Studienergebnisse zum Zusammenhang von Burnout und PTSD im Rettungsdienst [24], wonach ausgebrannte Einsatzkräfte mehr PTSD-Symptome aufwiesen, gewinnt dieses Ergebnis Bedeutung bei der Prävention, von Burnout im engeren, der PTSD im weiteren Sinne.

Die geringe Bedeutung von Arbeitsanforderungen an Einsatzkräfte für Kriterien der subjektiven Gesundheit, die einem hohen Zusammenhang zwischen Burnout und Gesundheitskriterien (Belastbarkeit, Vitalität, innere Ruhe und psychosoziales Wohlbefinden) gegenübersteht, lässt die Annahme zu, dass Burnout den Zusammenhang zwischen Belastungen und Gesundheit bei Einsatzkräften mediiert.

Deutlich wird zudem, dass auch Belastungen, die bisher als Prädiktoren für die PTSD diskutiert wurden (z. B. Gefährdung im Einsatz), auch Bedeutung für Burnout und die selbsteingeschätzte Gesundheit haben. Gemeinsam mit ungünstigen Arbeitsbedingungen sind sie offenbar auch mitverantwortlich für eine höhere Vulnerabilität von Einsatzkräften sowie für verschiedene Formen von Befindensbeeinträchtigungen. Der Fokus für Handlungsmöglichkeiten zur Prävention langfristiger Stressfolgen (z. B. PTSD) im Rettungsdienst, die sich auf Stressmanagement und Stressimpfung im Kontext hoch belastender Einsätze konzentrierten, wird hier auf ein breiteres Spektrum von Maßnahmen vor dem Einsatz (z. B. eine angemessene Vorbereitung) und bei der Organisation ausgedehnt.

Fazit für die Praxis

Beim Aufbau eines Netzwerks zur psychosozialen Notfallversorgung mit dem Ziel, allen Einsatzkräften vor und nach extrem belastenden Einsätzen und im Alltag eine angemessene, bedarfsgerechte psychosoziale Unterstützung zu gewährleisten, wären neben bereits bestehenden primärpräventiven Angeboten zum Stressmanagement und sekundärpräventiven Angeboten zur Einsatzbegleitung und -nachsorge auch verhältnispräventive Angebote zur Optimierung von Arbeitsorganisation und Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst zu berücksichtigen. Sie wurden aber bisher eher am Rand betrachtet.

Auf Organisationsebene wären z. B. Optimierungen denkbar, wie transparentere Entscheidungsprozesse, die Beteiligung der von Entscheidungen betroffenen Einsatzkräfte an Entscheidungen, die Bildung erwünschter und dauerhafter Teamkonstellationen, der einverständlich vorgenommene Wechsel zwischen Rettungswachen und Einsatzstellen innerhalb der Organisation (z. B. durch ein „Pendeln“ zwischen Wachen mit hohem und geringem, belastenden und weniger belastenden Einsatzaufkommen), aber auch Maßnahmen, die Konflikte unter Kollegen und mit Vorgesetzten durch die Schaffung geeigneter Kommunikationsmöglichkeiten frühzeitiger erkennen lassen und ihre Lösung unterstützen (z. B. regelmäßige Teamtreffen, Schaffung informeller Gelegenheitsstrukturen etc.). Wie aufzubauende und existierende Angebote angemessen vernetzt und bei Bedarf eingesetzt werden können, ist derzeit noch Gegenstand eines Forschungsprojekts, in dessen Rahmen auch diese Studie durchgeführt wurde. Abschließende Empfehlungen sind daher erst mit dem Abschluss des Forschungsvorhabens möglich.