Unabhängig von der Ursache einer Protheseninfektion wird der weitere klinische Verlauf durch die Pathogenität der beteiligten bakteriellen Erreger bestimmt. Insbesondere Staphylokokken haben ein umfangreiches Arsenal an Virulenzfaktoren, das es ihnen ermöglicht, die Infektion zu etablieren und dem Einsatz von Chemotherapeutika zu widerstehen. Nur eine verbesserte Kenntnis der Wirkungsmechanismen pathogener Bakterien wird es dem Gefäßchirurgen ermöglichen, Gefäßprotheseninfektionen zu beherrschen.

Jede postoperative Wundinfektion belastet den Erfolg eines operativen Eingriffs. Für den Bereich der Gefäßchirurgie sind eine erhöhte Morbidität und Letalität des Patienten unausweichliche Folgen der Infektion. Auslöser sind in erster Linie bakterielle Erreger. Die Grundlage wirksamer Strategien zur Vermeidung und Behandlung bakterieller Infektionen in der Gefäßchirurgie ist die genaue Kenntnis des Erregerspektrums und der bakterienspezifischen Virulenzfaktoren.

Der Erfolg gefäßchirurgischer Eingriffe ist im besonderen Maße von postoperativen Infektionen bedroht, was in der Literatur eindrucksvoll belegt wird. So haben Protheseninfektionen nach rekonstruktiver Aortenchirurgie eine Letalitätsrate von 25–88%. [4, 5, 44]. Die Inzidenz einer Major-Amputation nach Infektion von alloplastischem Material liegt zwischen 25 und 60%. [37].

Zusätzlich zum Leid der Patienten kommen verlängerte Krankenhausaufenthalte, hohe Kosten und Probleme mit nosokomialen Erregern hinzu. Abgesehen von seltenen Pilzinfektionen werden in der Gefäßchirurgie die Infektionen durch diverse bakterielle Erreger ausgelöst. Durch verbesserte Methoden der molekularen Forschung ist es gelungen, bestimmte pathogene Eigenschaften von Bakterien speziellen chemischen Strukturen zuzuordnen und viele Zellwandbestandteile, Oberflächenproteine und diverse Endo- und Exotoxine zu entschlüsseln. Auf diese Weise ist es möglich, einen besseren Einblick in die pathogenetischen Abläufe der Infektion zu erlangen. Diese Erkenntnisse sind Voraussetzung, um sich sowohl prophylaktisch wie therapeutisch mit Gefäßprotheseninfektionen auseinandersetzen zu können.

Allgemeine Grundlagen der Infektionslehre

Bakterien sind Jahrmillionen alt und wichtiger Bestandteil des Mikrokosmos unserer Erde. In dieser Zeit haben sich Bakterien untereinander differenziert, aber auch als eigene Spezies Eigenschaften entwickelt, die es ihnen ermöglichen, in Wasser, Erdreich, Pflanzen und Lebewesen unter ständig wechselnden Umweltbedingungen zu überleben und sich ubiquitär zu verbreiten. In der komplexen Auseinandersetzung von Bakterien mit dem Menschen ist die Definition folgender Begriffe wichtig.

Pathogenität ist die prinzipielle Fähigkeit einer Spezies von Mikroorganismen, in einem Makroorganismus Krankheit zu erzeugen. Obligat pathogene Keime haben das Vermögen, unabhängig von der Abwehrlage des befallenen Individuums, eine Infektion hervorzurufen. Fakultativ pathogene Erreger bedürfen zur Auslösung von Krankheiten besonderer Gegebenheiten, d. h. infektionsbegünstigende Faktoren seitens des Wirts.

Der Begriff der Virulenz (lat. Giftigkeit) beschreibt den Ausprägungsgrad krankheitserzeugender Eigenschaften einer pathogenen Spezies. Virulenz ist ein quantitativer Begriff und der Pathogenität untergeordnet. Experimentelles Maß der Virulenz ist die ID 50 (Dosis, die in 50% der Experimente zur Infektion führt) und die LD 50 (Dosis, die für 50% der Infizierten letal ist).

Abzugrenzen ist die Infektiosität, mit der man die Übertragbarkeit, Anheftung und weitere Vermehrung von Erregern bezeichnet. Dies ist ein qualitativer Begriff, im Gegensatz zur Kontagiosität, mit der die Ansteckungsfähigkeit eines infizierten Makroorganismus (bei einem Erkrankten) durch aktive oder passive Übertragung quantitativ nachvollzogen werden kann (Kontagionsindex).

Um ihre schädigende Wirkung im Rahmen einer Infektion voll zur Entfaltung zu bringen, benötigen Erreger unterschiedliche Arten von Virulenzfaktoren, die man ihrer schädigenden Wirkungsweise entsprechend in funktionelle Klassen unterteilt hat.

Adhärenz – Adhäsine

Voraussetzung für eine Infektion ist die Anheftung der Mikroorganismen an die Wirtszelle. Diese Haftung beruht auf einer artspezifischen Wechselwirkung zwischen Adhäsinen des Erregers und homologen Rezeptoren auf den Zellen des Wirtsgewebes. Besonders an verletzten Gewebsoberflächen wird der Adhäsionsmechanismus begünstigt. Für einzelne Bakterienarten konnten in der Struktur völlig unterschiedliche Adhäsionsmoleküle entdeckt werden. Ein Fehlen des Rezeptors am Makroorganismus bedeutet Unempfänglichkeit. Fehlen die Adhäsine, sind die Bakterien avirulent.

Invasion – Invasine

Invasine ermöglichen ein Eindringen von Bakterien durch die Schutzbarrieren des menschlichen Körpers. Dieser Schritt erfolgt über die Zerstörung von Wirtszellen durch Exotoxine (z. B. „spreading factors“) oder mit der aktiven Aufnahme von Erregern in die Wirtszelle.

Etablierung der Infektion – Etabline

Um sich endgültig im Wirtsorganismus zu etablieren, haben Erreger eine bestimmte Form von Virulenzfaktoren entwickelt, die gegen das Abwehrsystem des Wirtsorganismus gerichtet sind. Diese Etabline oder auch Impedine können die spezifische und unspezifische Immunantwort des Wirts verändern, ausschalten und umgehen. So vermag beispielsweise S. aureus ein Glykoprotein, die Koagulase, zu sezernieren, die sich mit Prothrombin verbindet und Fibrinogen zu Fibrin spaltet. Die gebildeten Fibrinstrukturen bilden einen Schutz für die Bakterien vor Phagozyten. Leukozidin ist sogar in der Lage, Phagozyten abzutöten. Ferner vermag Protein A von S. aureus sich an das Fc-Stück von IgG-Antikörpern zu binden. Durch Blockade des Fc-Rezeptors am Phagozyten werden die Antikörper unwirksam.

Aggressine/Toxine

Die Schädigung des Wirts und damit der weitere Verlauf der Infektion erfolgt über sog. Aggressine. Zumeist handelt es sich um sezernierte Exotoxine, die hauptsächlich in der stationären Phase des bakteriellen Wachstums gebildet werden. Aggressine können jede Art von Gewebe angreifen und zerstören. Auch das Endotoxin gram-negativer Erreger ist dieser funktionellen Klasse zuzuordnen.

Moduline

Moduline greifen in die Entzündungsreaktion des Wirts ein und bewirken eine Induktion von körpereigenen Zytokinen. Diese führen zu einer Initiierung der für die Entzündungsreaktion relevanten Kaskaden wie der Akute-Phase-Reaktion, der Aktivierung des Komplementsystems, sowie des Kinin- und Blutgerinnungssystems. Außerdem erfolgt eine weitere Freisetzung von Zytokinen aus den Makrophagen. Die Superantigene von S. aureus (Exotoxin A–E) werden ebenfalls zu den Modulinen gerechnet [32].

Epidemiologie von Protheseninfektionen

Über die Jahrzehnte ist S. aureus als der dominierende Erreger für Gefäßprotheseninfektionen anzusehen. Schlüsselt man das Spektrum der Infektionserreger über die Jahrzehnte auf, so zeigt sich ein kontinuierlicher Rückgang von S. aureus [29]. Pseudomonas aeruginosa und S. epidermidis nehmen deutlich zu (Abb. 1). Auch Klebsiellen und E. coli werden in den letzten Jahren häufiger beobachtet.

Abb. 1
figure 1

Bakteriologische Befunde der Protheseninfektionen in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitraum [29]. Ergänzung durch aktuelle Daten aus dem Zeitraum 2001–2004. Die Y-Achse zeigt die Prozentzahlen, die X-Achse gibt die Untersuchungszeiträume seit Beginn der rekonstruktiven Gefäßchirurgie wieder. * Kumulative Häufigkeit aus 193 Fällen von Protheseninfektionen [4, 18, 20, 24, 25, 26, 31, 39, 42]; ** entsprechend den Serien zwischen 1960 bis1990 von Bandyk 1991 [2]; *** entsprechend den Serien zwischen 1980 und 1992 zusammengefasst von [49]; **** kumulative Häufigkeit aus 376 Fällen von Protheseninfektionen [5, 6, 23, 27, 34, 38, 40, 41]; ***** kumulative Häufigkeit aus 102 Fällen von Protheseninfektionen [15, 19, 36]

Staphylococcus aureus

Staphylococcus aureus muss nach wie vor als der wichtigste Erreger vaskulärer Protheseninfektionen angesehen werden. Deshalb wird er im Folgenden als beispielhaft für die Beschreibung von Virulenzkriterien gewählt.

Auf dem 9. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1880 wies der schottische Arzt Alexander Ogsten auf die klinische Bedeutung von Haufenkokken hin, die er dem mikroskopischen Bild entsprechend mit Staphylokokken (griech. Traube) benannte. Dieser geschichtliche Hinweis unterstreicht die enge Verknüpfung zwischen diesen wichtigen humanpathogenen Erreger und der operativen Medizin.

Staphylococcus aureus gehört zur Familie der Micrococcacaen. Der Erreger zeichnet sich durch eine hohe Variabilität und Anpassungsfähigkeit aus. Unter dem Mikroskop erscheint S. aureus als grampositive Kokke, die in typische Haufen gelagert ist. Bezeichnend sind die goldene Pigmentation der Kolonien, die positive Koagulasereaktion und die Mannitolfermentation.

Die Klassifikation der Staphylokokken erfolgt über den Virulenzfaktor der Koagulase, einem extrazellulären Enzym, das im Serum an Prothrombin bindet und die Bildung von Fibrinogen zu Fibrin katalysiert. S. aureus ist koagulasepositiv. Koagulasenegative Staphylokokken gehören zur normalen Flora der Haut- und Schleimhäute des Menschen. Der häufigste Vertreter ist S. epidermidis. Weiterhin gehören zu dieser Gruppe S. saprophyticus, haemolyticus und capitis. Koagulasenegative Staphylokokken sind schon wegen ihrer häufigen Beteiligung an Protheseninfektionen generell nicht mehr als apathogen einzustufen.

Vorkommen

Staphylokokken finden sich ubiquitär. Menschen bilden ein natürliches Reservoir für Staphylokokken. S. aureus findet sich etwa bei 20–30% gesunder erwachsener Personen im Nasenvorhof, den Kopfhaaren, unter den Achseln und an der Rima ani. Auch im Mund- und Rachenbereich lässt sich der Erreger nachweisen, ebenso im Darm. Auf der Haut findet S. epidermis in der Tiefe von Haarfollikeln und Talgdrüsen unter anaeroben Verhältnissen günstigere Bedingungen vor und ist dort entsprechend häufiger anzutreffen. Patienten mit Diabetes mellitus, dialysepflichtiger Niereninsuffizienz, Schwächung des Immunsystems und auch operativ behandelte Patienten weisen überproportional häufig eine Besiedlung mit S. aureus auf [28].

Die Übertragung von S. aureus kann endogen durch Patienten und exogen durch Krankenhauspersonal stattfinden. Weitere seltene Übertragungswege erfolgen über die Raumluft und aus der Umwelt heraus. Für den endogenen Übertragungsweg wird die patienteneigene Besiedlung zumeist aus dem Nasen-Rachen-Raum als ursächlich angesehen [14]. Diese wird bei sporadischen Infektionen, wie z. B. der Bakteriämie oder der Infektion von Gefäßprothesen, als häufigste Ursache betrachtet. [1, 47]

Die Übertragung von S. aureus kann endogen durch Patienten und exogen durch Krankenhauspersonal erfolgen

Ob die präoperative Eradizierung einer mit S. aureus befallenen Nase und ihrer Nebenhöhlen vor Gefäßoperationen sinnvoll ist, konnte bislang nicht belegt werden.

Bei exogenen Infektionen sind Hospitalstämme beteiligt. Diese Stämme zeichnen sich oft durch eine besondere Ausbreitungsfähigkeit und eine höhere Virulenz aus und gehen oft mit einer Mehrfachresistenz gegenüber Antibiotika einher. [48].

Genom

Das Genom der Staphylokokken besteht aus einem zirkulärem Chromosom und Prophagen, Plasmiden und Transposons. Virulenzfaktoren und antibiotische Resistenzmerkmale finden sich ebenso auf dem Chromosom wie auf extrachromosomalen Strukturen. Wichtig für die Kliniker ist, dass Virulenzfaktoren und auch Resistenzmechanismen durch Konjugation von chromosomalen und extrachromosomalen Strukturen wie den Plasmiden, Integrons oder Transposons auf weitere Staphylokokkenspezies und auch auf andere grampositive Bakterien übertragen werden können (Abb. 2). So kommt es in Krankenhäusern mit Spezialabteilungen wie Intensivstationen unter besonderen, für die Erreger zum Teil idealen Umweltbedingungen zu einer Virulenzsteigerung, z. B. durch mehrfache Körperpassagen.

Abb. 2
figure 2

Konjugation: Gen-Übertragung über Sex-Pili [22]

Die genetische Regulation und Koordination des Virulenzarsenals sind seit Jahren Ziel mikrobiologischer Forschung. So induziert beispielsweise agr die Expression von Exoproteinen, während gleichzeitig die Bildung von Oberflächenproteinen gehemmt wird (Abb. 3). Von klinischer Bedeutung ist, dass während der experimentellen Wachstumsphase der Bakterien hauptsächlich Oberflächenproteine gebildet werden. Hingegen fällt die Bildung von Exotoxinen in die stationäre Phase der bakteriellen Vermehrung. Der Erreger mobilisiert primär sein Virulenzpotenzial für die Adhäsion, um später dann über die Aggressine und Impedine die Ausbreitung der Infektion im Gewebe voranzutreiben [32].

Abb. 3
figure 3

Schematischer Aufbau von S. aureus nach Lowy [32]. (Copyright © 1998 Massachusetts Medical Society. All rights reserved. Adaptiert 2006 mit freundlicher Genehmigung)

Nach dem derzeitigen aktuellen Stand des Wissens ist die genetische Regulation der Virulenzfaktoren in ein kompliziertes Netzwerk eingebunden. So wurden verschiedene Abschnitte des bakteriellen Genoms wie agr, sar, sigB, rot, arlRS, svrA und saeRS identifiziert [3, 45].

Teil der Regulationsmechanismen ist ein interzelluläres Kommunikationssystem („quorum sensing system“), das kurze Peptide („auto-inducing peptides“, AIP) als Botenstoffe verwendet, um damit auch die bakterielle Population zu steuern. Mit Hilfe dieses Steuerungssystems kann sich S. aureus den unterschiedlichsten Umweltbedingungen anpassen [7].

Zellwand, Oberflächenproteine und Toxine

Die Zellwand von S. aureus besteht zu mindestens 50% aus Peptidoglykan, dessen Untereinheiten die N-Acetylglucosamin- und N-Acetylmuraminsäure chemisch aufgeklärt sind. Das Peptidoglykan hat eine dem Endotoxin ähnliche Wirkung und kann die Freisetzung von Zytokinen aus Makrophagen bewirken sowie die Aggregation von Plättchen initiieren und außerdem die Komplementkaskade aktivieren. Weiterer Bestandteil der Zellwand ist die Lipoteichonsäure, ein Polymer aus Glycerolphosphat, das an den Adhäsionsmechanismen von S. aureus beteiligt ist.

Am Vorgang der Adhäsion ist eine Reihe von chemisch unterschiedlichen Proteinen beteiligt. Derzeit sind 4 Klassen bekannt (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Vier bekannte Klassen der S.-aureus-Adhäsine [43]

  • In der Zellwand verankerten Adhäsine

    Diese Adhaesine verbinden sich irreversibel mit Komponenten der extrazellulären Matrix des Wirts wie Kollagen, Fibronektin und Fibrinogen. S. aureus bildet eine Gruppe von Adhäsinen, die MSCRAMM („microbial surface components recognizing adhaesive matrix molecules“) genannt werden [35]. Diese Proteine lassen sich entsprechend ihrer Funktion in Fibronectin bindende Polypeptide (FnbpA, FnbpB – Fibronectin binding proteins A/B) unterteilen, die aus etwa 40 Aminosäuren bestehen. Sie vermögen auch an Fibrinogen zu binden [46]. Auch die Proteine des Clumping-Faktors (ClfA und ClfB) zählen zu den MSCRAMM.

  • Nicht in der Zellwand verankerten Adhäsine

    Adhäsine dieser Klasse werden auch als „SERAMs“ („secretable expanded repertoire adhesive molecules“) bezeichnet. Sie bilden eine Art Kittsubstanz mit breiter Spezifität für eine Reihe wirtseigener Matrixproteine (z. B. Fibrinogen, Fibronectin, Kollagen) und werden nicht kovalent, möglicherweise über spezifische Rezeptorproteine mit der Bakterienzellwand verbunden. Vertreter dieser Klasse von Adhäsinen sind Eap/Map („extracellular adherence protein“/“MHC-class-II-analogous protein“) und Emp („extracellular matrix protein-binding protein“) [43].

  • Transmembranöse Adhäsine

    Als Beispiel für diese Klasse von Adhäsinen mit transmembranöser Komponente sei das Ebh („extracellular matrix-binding protein homologue“) genannt. Ebh bindet spezifisch an Fibronectin und möglicherweise an Endothelzellen [8].

  • Teichonsäuren/Lipoteichonsäuren

    Teichonsäuren (WTA, „wall teichoic acids“) spielen eine Rolle bei der Anlagerung von S. aureus an Epithelzellen und Alveolarzellen. Lipoteichonsäuren dienen unter anderem als Bindungspartner für die nicht in der Zellwand verankerten Adhäsine [43].

Die weiteren Oberflächenproteine von S. aureus sind in Tabelle 1 aufgeführt. Sie zeichnen sich chemisch durch eine ligandenbindende Domäne an der Oberfläche der Zellkapsel und eine in der Zellwand verankerte Domäne aus. Die beiden chemisch unterschiedlichen Enzyme Koagulase und der Clumping-Faktor binden sich an das Blutserum offener Wunden. Durch Aktivierung der Endstrecke der Blutgerinnung kommt es zur Ausfällung von Fibrin. Dieses wird in die für Staphylokokken charakteristische Abszessmembran integriert. Protein A hat antiphagozytäre Eigenschaften und vermag den Fc-Teil am IgG zu binden. Durch die Bindung des Fc-Stücks entgeht der Erreger der Opsonierung und Phagocytose.

Tab. 1 Auflistung wesentlicher Virulenzfaktoren von S. aureus

Innerhalb der Zelle bildet S. aureus differente Toxine. Hyaluronidase, Hämolysine, Leukocidine und weitere unspezifische Enzyme wie Proteasen und Lipasen vermögen unterschiedliche Gewebsstrukturen zu zerstören. Nur durch das Zusammenwirken solcher Virulenzfaktoren lassen sich desaströse Krankheitsbilder mit massiven Abszessen aller Körperregionen erklären. So vermag beispielsweise das Toxin Exfoliatin die Hautschichten Stratum spinosum und Stratum granulosum zu spalten und massive Epidermolysen (Lyell-Syndrom) auszulösen. Zu den Toxinen wird auch das Panton-Valentine-Leukocidin gerechnet. Dieser Virulenzfaktor ist oft mit dem cMRSA („community-acquired MRSA“) vergesellschaftet und gewann in den letzten Jahren durch lokale Epidemien an Bedeutung. Das Panton-Valentine-Leucocidin führt zu lokalen Hautnekrosen und schweren nekrotisierenden Pneumonien bis hin zur Perforation [11]. Die Enterotoxine A–E und das Toxic-shock-Syndrom-Toxin (TSST-1) bewirken spezifische Krankheitsbilder wie die Lebensmittelvergiftung oder das Toxic-shock-Syndrom.

Biofilm

Es wird vermutet, dass mehrere Stämme an der Bildung dieser Infektionen beteiligt sind. Eine wichtige Determinante für die Virulenz ist die Bildung extrazellulärer Polysaccharidadhäsine mit der Möglichkeit Biofilme zu bilden. Prinzipiell bilden die meisten Bakterien unter natürlichen Umweltbedingungen Biofilme [9]. Aufgrund der hohen klinischen Relevanz haben sich mehrere Forschergruppen dieser Thematik angenommen [13, 33]. Die Entwicklung eines Biofilms beginnt mit dem Andocken der Bakterien auf dem prothetischen Material durch zusätzliche Bildung eines klebrigen Schleims, der wiederum die Adhärenz unterstützt. S. epidermidis produziert zwei großmolekulare Polysaccharide, ein kapsuläres polysaccharid Adhäsin (PSA) und ein „polysaccharid interzelluläres polysaccharid“ (PIA), deren Struktur mit dem Grundbaustein N-Acetyl-Glucosamin weitgehend aufgeklärt ist.

Die komplexe Steuerung der Bildung von Biofilm erfolgt über ein sog. Quorum-sensing-System [30]. So entsteht aus mehreren Staphylokokkenzelllagen und der extrazellulären Schleimsubstanz, die sich irreversibel mit den Wirtsproteinen verbindet, der Biofilm. Die Komplexität des Vorgangs wird dadurch belegt, dass während der Expression von Biofilmproteinen die Bildung von Adhäsionsmolekülen (MSCRAMM) zurückgeht [10]. Für den Gefäßchirurgen ist die Tatsache relevant, dass die Adhäsion der Bakterien primär an wirtseigene Proteine und nicht an Biomaterialien erfolgt. Ein solcher Biofilm kann bis zu 160 μm dick werden [13] und ist gegenüber Chemotherapeutika und wirtseigener Abwehr weitgehend inert. Dies erklärt, dass infizierte Gefäßprothesen schlecht durch Antibiotika zu sanieren, damit meist therapieresistent sind und letztlich nur die Explantation die einzige Lösung zur Sanierung bleibt.

Small colony variants

Für den Verlauf chronischer therapieresistenter Infektionen sollte die Veranlagung von S. aureus und anderen Erregern, „small colony variants“ (SCV) zu bilden, intensiver beachtet werden. Das Phänomen bakterieller Erreger, Mikrokolonien zu bilden, ist seit über 100 Jahren bekannt. Per definitionem sind diese Mikrokolonien im Vergleich zu normalen Kolonien um das 10-Fache kleiner. Vermutlich liegt der Entstehung ein Defekt der Atmungskette und des Elektronentransports zugrunde [12]. Auch Gentamicin wird ein Einfluss auf die Bildung von SCV nachgesagt, was besonders für den Einsatz von gentamicinhaltigen Ketten von Bedeutung für die Klinik ist. SCV sind nicht leicht zu kultivieren und wegen ihrer Größe in der Diagnostik schwierig zu identifizieren.

Resistenzmechanismen

Die Entwicklung bakterieller Resistenzen gegenüber Antibiotika ist im engeren Sinne nicht den Virulenzsystemen zuzuordnen. Dennoch behindert die Resistenzentwicklung den gesamten Ansatz der konservativen Therapie mit Antibiotika. Dadurch werden Infektionsgefährdung und Ausmaß deutlich vergrößert.

Der Einsatz antibakterieller Chemotherapeutika bedingte bei den Bakterien eine Resistenzentwicklung gegenüber diesen Substanzen. Für die Abwehrstrategie gibt es vom Prinzip her 4 wichtige Mechanismen:

  • Chemische Aufspaltung, Inaktivierung oder Modifikation des Wirkstoffs,

  • Veränderung der bakteriellen Zielstruktur, an der Chemotherapeutika angreifen,

  • Verhinderung der Penetration des Antibiotikums in das Bakterium,

  • Effluxmechanismen mit selektiver Ausscheidung des Antibiotikums.

Diese Wirkmechanismen richten sich gegen alle derzeit verfügbaren Antibiotikaklassen und werden von den unterschiedlichen Bakterienarten zumeist durch Mutation ständig weiterentwickelt. Damit erhält die Auseinandersetzung zwischen Bakterien und Antibiotika eine fortwährende Dynamik, die vom qualitativen und quantitativen Einsatz der Antibiotika, aber auch von den typischen Umweltbedingungen abhängig ist. Voraussetzung für die Entwicklung von Resistenzen sind Resistenzgene [48]. Diese kodieren die verschiedenartigen Resistenzmechanismen.

Resistenzgene können von einem Stamm über Plasmide – durch den Prozess der Konjugation – auf einen anderen Stamm übertragen werden. Von besonderer klinischer Relevanz ist die Resistenzentwicklung von S.-aureus-Stämmen durch Veränderung der bakteriellen Zielstruktur. β-Lactam-Antibiotika können wegen der Veränderung des Penicillin bindenden Proteins nicht mehr wirksam werden. Aus historischen Gründen wurden die Stämme MRSA (Methicillin Resistente S. aureus) genannt. Virulenzgene und Resistenzgene treten unabhängig voneinander auf. Man muss jedoch befürchten, dass beide bei nosokomialen Erregern durch Selektion gepaart vorliegen.

Das für die Methicillinresistenz entscheidende (MRSA-) mecA-Gen ist in der DNA des Chromosoms lokalisiert. Die derzeitige Entwicklung und die Erkenntnis der chromosomalen DNS-Kodierung des mecA-Gens legen die Vermutung nahe, dass es v. a. in den Krankenhäusern zu einem weiteren Anstieg der MRSA-bedingten Infektion kommen wird [21].

Staphylococcus epidermidis

Koagulasenegative Staphylokokken, insbesondere Staphylococcus epidermidis, haben sich zu wichtigen nosokomialen Erregern entwickelt, die besonders an Infektionen mit eingebrachtem Fremdmaterial beteiligt sind.

S. epidermidis ist als Kommensale an der Mikroflora der menschlichen Haut und Schleimhäute beteiligt. Die Ausbildung spezieller Virulenzfaktoren hat es dem Erreger ermöglicht, sich an Biomaterialien jeglicher Art festzusetzen.

Infektionen künstlicher Herzklappen, ventrikuloperitoneale Shunts und Dialyseshunts werden überwiegend durch S. epidermidis hervorgerufen. Im Bereich der Gefäßchirurgie sind Infektionen von intravaskulären Kathetern und eingebrachten Stents mit S. epidermidis überproportional anzutreffen [17]. Pathogenetisch ist hierfür die Bildung einer Mucinkapsel verantwortlich. Diese stellt eine visköse extrazelluläre Polysaccharidmatrix dar, die die Anhaftung an prothetischem Material erhöht und den Erreger schützt [29].

Pseudomonas aeruginosa

Vornehmlich im angloamerikanischen Schrifttum wird zunehmend über Gefäßprotheseninfektionen mit Pseudomonas berichtet. Der gramnegative Keim ist als sog. Nass- und Pfützenkeim ein wichtiger Hospitalismuserreger. P. aeruginosa zeichnet sich durch ein breites Spektrum an Virulenzfaktoren aus. Der Erreger ist polar begeißelt und trägt Fimbrien, die als Adhäsine wirken. P. aeruginosa bildet eine Schleimschicht (Alginat), die sich zum Biofilm auf Oberflächen (Gefäßprothesen) ausdehnt und vor Phagozytose schützt. Extrazelluläre Toxine wie Hämolysine und Proteasen wirken gewebszerstörend. Als wichtigster Virulenzfaktor gilt das Exotoxin A, ein Zytotoxin, das die Proteinbiosynthese der Wirtszelle hemmt.

Kommentar

Die Kenntnis und die Berücksichtigung des gesamten Virulenzarmentariums bakterieller Erreger, muss jedem Gefäßchirurgen die extreme Gefahr drohender Infektion bewusst werden lassen. Vermeidungsstrategien lassen sich nur bei besserer Kenntnis der Pathogenese von Infektionen entwickeln. Problematisch ist nach wie vor, dass in der mikrobiologischen Routinediagnostik neben der Identifizierung der Erreger nur Resistogramme erstellt werden und keine Analyse der Virulenzfaktoren erfolgt. Bei Häufung von infektiösen Ereignissen wäre dies aber wünschenswert.

Fazit für die Praxis

Das zunehmende Wissen im Bereich der mikrobiologischen Grundlagenforschung zeigt eindrucksvoll die Komplexität der biochemischen Abläufe im Rahmen bakterieller Infektionen. Der Gefäßchirurg muss wissen, dass Bakterien ein umfangreiches Arsenal an Virulenzfaktoren beherbergen, das es ihnen ermöglicht, auf unterschiedlichste Bedingungen zu reagieren. Wegen des ubiquitären Auftretens pathogener Erreger muss deshalb mit einer ständigen Gefährdung des Patienten gerechnet werden. Dem endogenen Infektionsweg seitens des Patienten sollte zunehmend Rechnung getragen werden. Die Initiierung der Infektion durch vielfältige Adhäsine erfolgt nicht an der Gefäßprothese, sondern an den extrazellulären Strukturen der Wunde. Danach gelingt es den bakteriellen Populationen unter anderem durch Bildung von Biofilm und „small colony variants“ den Infektionsprozess zu etablieren und zu chronifizieren. Durch diese Vorgänge wird die Option einer antimikrobiellen Chemotherapie stark eingeschränkt. Die ansteigende Resistenzentwicklung der Bakterien verstärkt dieses Problem. Deshalb wird der Chirurg weiterhin auf seine ureigensten Therapiemaßnahmen zurückgreifen müssen.