Vorstellung des Autors und des Aspie-Quiz

Das Aspie-Quiz dient nicht als Ersatz für eine professionelle Diagnose, ist jedoch ein hervorragender Einstieg, um wertvolle Einblicke in die autistischen Eigenschaften und Perspektiven einer Person zu bekommen und bietet eine gute Grundlage für weitere Gespräche mit Fachleuten.

Beim Anblick meines Autismus-Spektrum-Testergebnisses habe ich mich das erste Mal als Person erkannt gefühlt. Ein winziges Dreieck in der linken Hälfte des Zehnecks spiegelte meine minimale Existenz im „normalen“ Leben wider – eine Überforderung durch Sinneseindrücke und soziale Anforderungen, bis ich endlich zu Hause bleiben durfte (Abb. 1).

In der Stille konnte ich meine Gedanken ordnen, Routinen entwickeln und wie ein Schauspieler neue Lösungswege für den Alltag finden. Der Baron-Cohen-Test symbolisierte durch zwei den Rahmen verlassende Spitzen mein besonderes Denken und Kommunizieren. Diese Erkenntnis bestärkte mich, Kybernetik zu studieren, um das Verstehen des Verstehens zu ergründen und am Zusammenleben teilhaben zu können.

Die Autismusexpertin Petra Schwarz erkannte den Wert meines Testergebnisses: „Dr. Pawlik, würden Sie mir Ihr Testergebnis für meinen Unterricht leihen? Es könnte helfen, einem Kind den Volksschuleintritt zu ermöglichen.“ Sie, selbst eine Asperger-Autistin, ermutigte mich, einen Artikel über Autismus zu schreiben.

Als mein in der Zeitschrift Pädiatrie & Pädologie 2021 erschienener Artikel „Todesursache: Bewegungsmangel“ zu den meistgelesenen Beiträgen gehörte, erinnerte ich mich an diesen Wunsch. Ich hoffe, mit meiner Perspektive einen hilfreichen Einblick in den Umgang mit Autismus aus wissenschaftlich fundierter Patientensicht geben zu können.

Abb. 1
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Autismus-Spektrum-Testergebnis (Aspie-Quiz)

Austismusdiagnose im Anstieg, die grundlegenden Fakten

Definition

Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) sind eine Gruppe komplexer neurologischer und entwicklungsbedingter Zustände, die durch Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, Kommunikation und durch repetitive Verhaltensweisen gekennzeichnet sind. Diese Störungen werden als „Spektrum“ bezeichnet, weil die Art und Schwere der Symptome stark variieren können.

Kernmerkmale

Soziale Interaktionsschwierigkeiten

Menschen mit ASD haben oft Schwierigkeiten, soziale Signale zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Dies kann Probleme beim Aufbau und der Pflege von Beziehungen, bei der Interpretation von nonverbalen Hinweisen (wie Gesichtsausdrücken und Körpersprache) und beim Verständnis sozialer Normen umfassen.

Kommunikationsprobleme

Viele Menschen mit ASD haben Schwierigkeiten mit der verbalen und nonverbalen Kommunikation. Dies kann verspätetes Sprechen, Schwierigkeiten beim Führen von Gesprächen oder das völlige Fehlen verbaler Kommunikation umfassen.

Repetitive Verhaltensweisen

Personen mit ASD zeigen oft repetitive Bewegungen, Interessen oder Aktivitäten. Dies kann sich in Form von sich wiederholenden Handlungen (wie Händeklatschen oder Wippen), einem intensiven Interesse an speziellen Themen oder der strikten Einhaltung von Routinen zeigen.

Diagnosekriterien

Die diagnostischen Kriterien für ASD werden im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Auflage (DSM-5) und der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, 11. Revision (ICD-11) festgelegt. Diese Kriterien beinhalten:

  • Persistierende Defizite in der sozialen Kommunikation und sozialen Interaktion über verschiedene Kontexte hinweg.

  • Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten.

  • Symptome müssen in der frühen Entwicklungsphase vorhanden sein.

  • Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

Eine genauere und frühere Diagnose kann entscheidend für die effektive Unterstützung und Behandlung von autistischen Menschen sein. Frühinterventionsprogramme haben gezeigt, dass sie die langfristigen Entwicklungschancen erheblich verbessern können.

Prävalenz

Die Prävalenz von ASD ist weltweit gestiegen, was auf verbesserte Diagnosemethoden und ein erhöhtes Bewusstsein zurückzuführen ist. In Deutschland wird die Prävalenz auf etwa 1 % der Bevölkerung geschätzt. Diese Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit umfassender Unterstützungssysteme für Betroffene.

Studien zeigen, dass Jungen häufiger diagnostiziert werden als Mädchen

Studien zeigen, dass Jungen häufiger diagnostiziert werden als Mädchen, was teilweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Präsentation von Symptomen zurückzuführen ist. Mädchen werden oft später diagnostiziert, da ihre Symptome subtiler und weniger stereotypisch sein können.

Prävalenz von frühkindlichem Autismus

Die Prävalenz von frühkindlichem Autismus hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Laut aktuellen Daten des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) ist die Anzahl der diagnostizierten Fälle von ASD bei 8‑jährigen Kindern auf 1 von 36 gestiegen, was etwa 2,8 % der Kinder entspricht. Dies stellt einen Anstieg gegenüber der früheren Schätzung von 1 von 44 im Jahr 2018 dar.

Ein weiterer Bericht des CDC zeigt, dass auch bei 4‑jährigen Kindern ähnliche Trends zu beobachten sind. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben jedoch die Fortschritte bei der frühzeitigen Erkennung von Autismus beeinträchtigt. In den ersten Monaten der Pandemie war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass 4‑jährige Kinder eine Evaluation erhalten oder mit ASD diagnostiziert werden, was auf Unterbrechungen in der Kinderbetreuung und bei den Gesundheitsdiensten zurückzuführen ist.

Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass Umweltfaktoren, wie die Exposition gegenüber bestimmten Umweltgiften während der Schwangerschaft und frühen Kindheit, eine Rolle bei der Zunahme der ASD-Fälle spielen könnten. Auch genetische Faktoren tragen zur Entwicklung von ASD bei, obwohl sie allein den Anstieg der Prävalenz nicht vollständig erklären können.

Suizidalität bei ASD

  • Studien wie die von Cassidy et al. (2014) zeigen, dass Erwachsene mit ASD ein signifikant erhöhtes Risiko für Suizidalität aufweisen, besonders jene mit höheren kognitiven Fähigkeiten und besserer Selbstwahrnehmung ihrer sozialen Unterschiede.

  • Hirvikoski et al. (2016) bestätigen, dass die Suizidrate bei Menschen mit ASD deutlich höher ist als in der Allgemeinbevölkerung, was auf soziale Isolation, Lebensstress und unzureichende Unterstützung zurückgeführt wird.

Sterberate und Lebenserwartung

  • Eine systematische Überprüfung und Metaanalyse von Catalá-López et al. (2022) weist auf eine erhöhte Mortalitätsrate bei Personen mit ASD hin, insbesondere durch externe Ursachen wie Unfälle und Suizide.

  • Kirby et al. (2019) diskutieren, dass spezifische Gesundheitsbedingungen wie Epilepsie, die häufig bei ASD auftreten, ebenfalls zur erhöhten Sterberate beitragen.

Risikofaktoren und Präventionsstrategien

  • Studien von Lai et al. (2019) unterstreichen die Bedeutung des Verständnisses von psychologischen Komorbiditäten wie Angst und Depression, die häufig bei ASD auftreten und das Suizidrisiko erhöhen.

  • South et al. (2021) fordern verbesserte psychosoziale Interventionen und spezifische Suizidpräventionsprogramme für diese Bevölkerungsgruppe.

Schlussfolgerung

Die Analyse hebt hervor, wie wichtig es ist, Suizidalität und Sterberate bei Personen mit ASD gezielt zu adressieren. Es wird empfohlen, maßgeschneiderte Interventionsprogramme zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen dieser Gruppe zugeschnitten sind.

Stimming – neurodivergente Selbststimulation als natürliche Basis

Stimming, ein verbreitetes Phänomen bei neurodivergenten Zuständen wie Autismus und ADHD, dient oft als Mittel zur Bewältigung von Emotionen und zur Aufrechterhaltung des Fokus. Die neurologischen Unterschiede und deren Auswirkungen auf Stimming sind jedoch zwischen diesen beiden Zuständen signifikant unterschiedlich. Wir beleuchten, wie neurodivergente Zustände, insbesondere Unterschiede in der Dopaminproduktion, die Funktion und Form von Stimming beeinflussen können. Zudem wird diskutiert, wie diese Verhaltensweisen zur emotionalen und kognitiven Regulierung beitragen.

Neurologische Unterschiede und Stimming

  • Autismus: Hier dient Stimming häufig als Methode zur Bewältigung sensorischer Überlastungen und emotionaler Dysregulierungen. Typische Verhaltensweisen umfassen repetitive Bewegungen wie Händeklatschen oder Schaukeln, die helfen, emotionale Intensitäten zu regulieren.

  • ADHD: Bei ADHD wird Stimming oft genutzt, um den mentalen Fokus zu verbessern und Ablenkungen zu minimieren. Dies kann durch repetitive Tätigkeiten wie das Spielen mit Gegenständen erfolgen, die die Aufmerksamkeit binden und damit zur Konzentrationssteigerung beitragen.

Dopamin und Stimming

Die Untersuchung der Dopaminproduktion bietet wichtige Einblicke, wie neurodivergente Personen emotionale und kognitive Herausforderungen bewältigen. Der Mangel an Dopamin bei ADHD und Autismus führt zu einer verstärkten Nutzung von Stimming als Kompensationsmechanismus für die fehlende neurochemische Regulation.

Therapeutische Interventionen

Verschiedene therapeutische Ansätze, wie Verhaltenstherapie und sensorische Integrationstherapie, zeigen Potenzial in der Modifikation und Kontrolle von Stimming-Verhaltensweisen. Diese Therapien können helfen, weniger adaptive Stimming-Methoden durch sozial angemessenere Alternativen zu ersetzen.

Schlussfolgerung

Die Funktion und Ausdrucksform von Stimming bei Personen mit Autismus und ADHD verdeutlicht die Notwendigkeit einer individuellen Betrachtung in der Behandlung und Unterstützung neurodivergenter Individuen. Zukünftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, die spezifischen neurologischen Mechanismen weiter zu erforschen, um gezielte therapeutische Interventionen zu entwickeln. Um dies erfolgreich zu tun, muss in allen Strategien das Doppelempathie-Problem im Umgang mit Autisten wahrgenommen, verstanden und dementsprechende Rahmenbedingungen geschaffen, und Kommunikationsstrategien gewählt werden.

Das doppelte Empathieproblem – Strategien für Unabhängigkeit und Effektivität

Das Doppelte Empathieproblem beschreibt die Schwierigkeiten, die sowohl autistische als auch neurotypische Personen erleben, wenn sie versuchen, einander zu verstehen.

Diese Herausforderungen in der Kommunikation und Interaktion sind nicht nur auf die Empathie der neurotypischen Bevölkerung gegenüber Autisten zurückzuführen, sondern auch auf die Unterschiede in der Art und Weise, wie autistische Menschen die Welt erfahren und verstehen.

Damian Milton (2012) beschreibt das doppelte Empathieproblem als fundamentales Missverständnis, das durch die ontologischen Unterschiede zwischen autistischen und neurotypischen Personen entsteht. Diese Theorie stellt heraus, dass Missverständnisse häufig aus der gegenseitigen Unfähigkeit resultieren, die Erfahrungen des anderen intuitiv zu verstehen.

Dynamik der Interaktion

Heasman und Gillespie (2019) untersuchen, wie autistische Personen ein gemeinsames Verständnis in der Kommunikation schaffen. Ihre Forschung zeigt, dass neurotypische Personen oft ihre Fähigkeit, effektiv mit autistischen Personen zu kommunizieren, überschätzen, was zu weiteren Missverständnissen führt.

Effizienz der Peer-to-Peer-Kommunikation

Crompton et al. (2020) liefern Beweise dafür, dass autistische Personen innerhalb ihrer eigenen neurologischen Gruppe effektiver kommunizieren können. Diese Studie unterstützt die Vorstellung, dass autistische Personen möglicherweise untereinander weniger kommunikative Schwierigkeiten haben.

Weitere Diskussion und Perspektivübernahme

Milton (2012) sowie Heasman und Gillespie (2018) diskutieren weiterhin, wie soziale Normen und die Erwartung an autistische Personen, sich anzupassen, zusätzlichen Druck erzeugen und die psychoemotionale Belastung erhöhen können. Die Forscher betonen die Notwendigkeit, Perspektivübernahme als zweiseitigen Prozess zu verstehen, der in beide Richtungen oft fehlschlägt.

Ein besseres Verständnis des doppelten Empathieproblems und der Dynamiken, die autistische Interaktionen beeinflussen, kann dazu beitragen, effektivere Kommunikationsstrategien und unterstützende Umgebungen zu entwickeln, die die soziale Integration und das Wohlbefinden von Menschen mit Autismus fördern. Ein klares Verständnis von Ethik und Empathie gemeinsam mit individuell ausgearbeiteten High-Performance-Strategien sind für den beruflichen und sozialen Erfolg entscheidend.

Das doppelte Empathieproblem und High Performance bei Autismus

Durch die Adaption bestimmter High-Performance-Strategien, wie emotionale Distanzierung und selektive Empathie, können autistische Personen effektiv kommunizieren und handeln, ohne durch die sozialen Erwartungen und Vorurteile neurotypischer Personen beeinträchtigt zu werden.

Kernthemen und relevante Forschung

Emotionale Distanzierung

Autistische Personen können durch das Management ihrer Empathie strategische Entscheidungen treffen, die langfristige Vorteile bieten, anstatt sofortige emotionale Reaktionen zu priorisieren.

Selektive Empathie

Durch die Priorisierung von langfristiger über kurzfristiger Empathie können autistische Personen schwierige Entscheidungen treffen, die langfristige Gewinne für sich selbst und ihre Abhängigen sichern, selbst wenn dies kurzfristige Härten bedeutet.

Strategische Neurotizismusnutzung

Durch das Kanalisieren ihrer inneren Stressoren in produktive Tätigkeiten nutzen autistische High Performer ihre neurotischen Tendenzen als Motivatoren anstatt als Hindernisse.

Coping-Mechanismen

Durch die Entwicklung von Coping-Mechanismen, die Handlung über Emotion stellen, können autistische Personen ihre Umstände effektiv verändern, anstatt nur ihre Gefühle zu managen.

Zielorientierung und Ressourcenmanagement

Autistische High Performer sind hochgradig zielorientiert und nutzen professionelles Feedback konstruktiv, um ihre Ziele voranzutreiben. Sie verwalten ihre Zeit und emotionalen Ressourcen geschickt, wissen, wann sie sich tief einbringen und wann sie sich zurückziehen müssen, um Energie für die wichtigsten Aktivitäten zu sparen.

Schlussfolgerung

Die Anwendung von High-Performance-Strategien bietet autistischen Personen die Möglichkeit, effektiv zu kommunizieren und zu handeln, ohne durch die sozialen Erwartungen neurotypischer Personen beeinträchtigt zu werden. Dies fördert nicht nur ihre Unabhängigkeit und Effektivität, sondern auch ihr allgemeines Wohlbefinden. Damit diese Strategien erfolgreich sein können, und die Betroffenen nicht im autistischen Burn-out landen, muss ihm Lebens- und Arbeitsalltag mit mindestens der gleichen Intensität an Planung und Umsetzung von Regenerationsstrategien gearbeitet werden.

Regeneration – Strategien in der Therapie und Alltag

Bedeutung der Regeneration für Menschen mit ASD

Für Menschen mit ASD ist die Fähigkeit zur Regeneration von entscheidender Bedeutung, um mit den Herausforderungen ihres Alltags besser umgehen zu können. Dieses Kapitel vertieft das Verständnis von Regenerationsstrategien innerhalb der therapeutischen Arbeit und bietet praxisnahe Empfehlungen zur Umsetzung.

Regelmäßige Erholungsphasen helfen, das Stressniveau zu kontrollieren

Die Notwendigkeit der Regeneration bei ASD ergibt sich aus der besonderen Anfälligkeit für sensorische und emotionale Überlastung, die zu einer schnellen Erschöpfung führen kann. Regelmäßige Erholungsphasen helfen, das Stressniveau zu kontrollieren und die allgemeine Lebensqualität zu verbessern.

Strategien zur Regeneration in der Therapie

Therapeutische Maßnahmen sollten so gestaltet sein, dass sie nicht nur effektiv, sondern auch nachhaltig sind. Dazu gehören:

  1. a.

    Strukturierte Pausen: Die Einführung von festen Pausenzeiten in therapeutischen Sitzungen kann helfen, Überforderung vorzubeugen.

  2. b.

    Entspannungstechniken: Gezielte Entspannungstechniken wie geführte Meditationen, Yoga, Taiji, Qigong oder progressive Muskelentspannung sollten integraler Bestandteil der Therapie sein.

  3. c.

    Adaptive Umgebungen: Die Anpassung der Therapieumgebung an die sensorischen Bedürfnisse des Individuums kann die Notwendigkeit für Regeneration verringern und die Effektivität der Therapie erhöhen.

Erweiterte Regenerationsstrategien

Um die Regeneration effektiv zu unterstützen, können zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden:

  1. a.

    Naturbasierte Therapie: Studien zeigen, dass Zeit in der Natur, besonders in ruhigen, grünen Umgebungen, Stress reduzieren und die Regeneration fördern kann.

  2. b.

    Tiergestützte Therapie: Der Einsatz von Therapietieren kann eine beruhigende Wirkung haben und die Bereitschaft zur Teilnahme an therapeutischen Sitzungen erhöhen.

  3. c.

    Kreative Therapien: Kunst- und Musiktherapie bieten nicht nur therapeutische Vorteile, sondern auch Möglichkeiten für emotionale Expression und Entspannung.

Schlussfolgerung

Regenerationsstrategien sind ein kritischer Aspekt der Therapie und des täglichen Managements von ASD, die über Überleben und erfolgreiche Teilhabe am Berufsleben und gemeinschaftlichem Leben entscheiden können. Durch die Integration dieser Strategien in Therapie und Alltag können Personen mit ASD ihre Resilienz stärken und ihre Lebensqualität verbessern. Wunder darf man sich von keiner Strategie erwarten, weil eine Behinderung nicht wegtrainiert werden kann, und sich auch Konfliktsituation nicht immer vermeiden lassen.

Manchmal kann allerdings genau da, wo sich die größten Schwierigkeiten zeigen, mit Hingabe und kreativer Hilfe eine Hochbegabung entstehen, wie die Geschichte meines Vaters verdeutlicht. Sie zeigt, wie Asperger-Peerkommunikation und der damit berühmt-berüchtigte Eigensinn als Bewältigungsstrategie in der Praxis heute wie damals wirkt.

Historisches Fallbeispiel

Als mein Vater in der Nachkriegszeit im Verdacht stand, autistisch zu sein, weil er sich als Kind so schwer mit dem Schreiben und dem Binden der Schuhe tat, bestellte die Lehrerin meine Großmutter in die Schule, um meinen Vater für schulunfähig zu erklären.

„Manfred tut sich sehr schwer beim Schreiben, wahrscheinlich wird er nie Schreiben lernen, außerdem ist sein Verhalten eigenartig. Wahrscheinlich ist er Autist. Er ist für die Grundschule ungeeignet!“ sagte die Lehrerin meines Vaters.

„Mir scheint, Sie sind deppert! Lernen Sie besser zu unterrichten. Mein Fredi bleibt, und er wird Schreiben lernen“, sagte meine Großmutter.

Danach führte meine Großmutter die Hand meines Vaters, Wochen, Monate, sogar die ersten Jahre, damit mein Vater zur Volksschule gehen durfte und Schreiben lernte. Dafür fiel ihm das Lesen leichter.

„Das ist dein letztes Buch. Jetzt hast du alle Bücher in unserer Bibliothek gelesen. Du brauchst nicht mehr wiederkommen.“

Mit diesen Worten überreichte der Bibliothekar der Gemeindebibliothek meinem Vater das Buch. Weil er alle Bücher der öffentlichen Bibliothek gelesen hatte, ging er mit vierzehn dazu über, kistenweise antiquarische Bücher beim Altwarenhändler aus Verlassenschaften zu kaufen. Mittlerweile ist auch der Sohn vom „Fredi“ ein Doktor, und der „Fredi“ hat mehr als dreißig Bücher publiziert. All das wäre nicht möglich gewesen ohne die frühe, individuell angepasste Intervention und Beharrlichkeit meiner Großmutter.