Einleitung

Ausreichende Bewegungserfahrungen in der Kindheit und Jugend gelten als einer der wichtigsten Faktoren für die lebenslange Aufrechterhaltung sportlicher und körperlicher Aktivität und wirken den gesundheitsschädigenden Folgen von Bewegungsmangel in effektiver Weise entgegen [1, 2]. Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung hat sich die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen entscheidend gewandelt. In Deutschland wie auch in anderen ähnlich entwickelten Ländern ist eine bedenkliche Tendenz hinsichtlich eines zunehmenden Bewegungsmangels bei Kindern zu erkennen.

Die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen hat sich entscheidend gewandelt

Die gegenwärtige Umwelt der Heranwachsenden ist geprägt von Reizüberflutung. Ihr Freizeitverhalten ist terminabhängig und der moderne Lebensstil, in den sie hineinwachsen, wird als mehr und mehr bewegungsinaktiv eingestuft. In der westlich-individualistischen Gesellschaft reduzieren sich die Spiel- und Bewegungserfahrungen für Kinder und Jugendliche, gleichzeitig aber wird die Zunahme gesundheitlicher Probleme bei diesen beiden Altersgruppen immer deutlicher [3]. Durch die fortschreitende Digitalisierung und die sich ausdehnenden Screenzeiten lässt sich ein zunehmender Verlust von Mobilität, Ausdauer und Kraft bei Kindern bereits im Alter von 6 bis 11 Jahren beobachten [4]. Dieser Mangel an Bewegungserfahrungen führt dazu, dass das körperliche und psychische Wohl der Kinder und Jugendlichen gefährdet ist. Gesundheitliche Beschwerden, frühzeitige Erkrankungen, Entwicklungsstörungen und motorische Defizite treten immer häufiger bereits im Kindes- und Jugendalter auf. Aufgrund dieser vielfältigen körperlichen Beschwerden werden Kinder und Jugendliche heutzutage viel öfter an Physiotherapeut:innen verwiesen.

Theoretischer Hintergrund

Bewegungsmangel ist eine der Hauptursachen für gesundheitliche Störungen vielfältiger Art. Veränderte Umweltbedingungen, zu denen eingeschränkte Raumbedingungen und auch Reizüberflutung durch digitale Medien gehören, schränken kindliche Handlungs- und Bewegungsmöglichkeiten immer stärker ein. Das Fehlen ausreichender Bewegungserfahrungen, besonders in den ersten Lebensjahren, kann zu langfristigen Folgen führen. So wird durch zu wenig Bewegung schon früh die Entstehung von Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt [5,6,7]. Durch eine zu geringe Reizsetzung, die während Spiel- und Bewegungserfahrungen auf natürliche Weise erfolgt, kann sich die haltungsfördernde Muskulatur nicht ausreichend entwickeln, sodass es bereits im Kleinkindalter zu strukturellen und funktionellen Haltungsschäden kommt [8, 9]. Die Gründe für die Reduktion von Bewegungsaktivitäten im Kindes- und Jugendalter sind unter anderem in den beengten räumlichen Möglichkeiten für freie Bewegungsspiele, zum Teil auch in der Fokussierung auf feinmotorische und kognitive Förderung und nicht zuletzt in der exorbitanten Zunahme an Fernseh‑, Video- und Internetkonsum begründet. Entgegen der ontogenetischen Entwicklung verlieren Kinder und Jugendliche zudem oft die Freude an der Bewegung. Zahlreiche Studien identifizieren „Freude“ als einen der wichtigsten Faktoren zur langandauernden Aufrechterhaltung sportlicher Aktivität [10,11,12].

Bewegungsfreude als Prädiktor für körperliche und sportliche Aktivität

Bewegungsfreude ist sowohl ein Prädiktor als auch ein Ergebnis der Teilnahme an körperlicher und sportlicher Aktivität [13,14,15]. Die erwartete Freude auf ein Sporterlebnis kann die Bewegungsabsicht erhöhen [16]. Ebenso wird die bloße Erwartung positiver Emotionen mit einer verstärkten körperlichen und sportlichen Aktivität assoziiert [17]. Bewegungsfreude ist somit ein relativ stabiles Erlebensmuster, was sich in Erwartung, Ausübung und/oder im Nachwirken einer bewegungsinduzierten, affektiven Reaktion in Auseinandersetzung mit der Umwelt und anderen Individuen zeigt [18, 19].

Annahmen der vorliegenden Studie

Wesentliche Faktoren für das Erleben von Freude an Bewegung stellen einerseits subjektiv wahrgenommene sportliche Kompetenzen [20,21,22,23] und andererseits soziale Aspekte wie Peerzugehörigkeit oder soziale Unterstützung dar [23,24,25]. Empirischen Befunden folgend wird angenommen, dass das Konstrukt „Bewegungsfreude“ sowohl von physischen und sportlichen Kompetenzen, affektiven Aspekten, Flow- und Erholungsanteilen, Selbstbestimmung/Autonomie, selbstbezogenem Kompetenzerleben, sozialen Aspekten wie Peerzugehörigkeit und elterliche Unterstützung, intrinsischer Motivation als auch von aktivitätsgenerierter Begeisterung positiv beeinflusst wird. In dieser Studie wurde eine Integration dieser Ansätze vorgenommen und um den biopsychosozialen Ansatz der ICF erweitert. Es wurde postuliert, dass sich Bewegungsfreude in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz aus den Komponenten körperliche und sportliche Fähigkeiten, Sport- und Bewegungserleben, Sport- und Bewegungsmotivation sowie Sport- und Bewegungspartizipation zusammensetzt und somit ein Vier-Komponenten-Modell darstellt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Schematische Abbildung der Komponenten und Einflussfaktoren des Konstrukts „Bewegungsfreude“ in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz

Kinder und Jugendliche in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz

Jede Entwicklungsphase ist eng mit einer Zunahme an Selbstständigkeit, sozialer Teilhabe und wachsender Kompetenz der Kinder und Jugendlichen verbunden. In der pädiatrischen Befundung werden besonders Motorik, Verhalten, Sprache, Kognition, Spiel und Disposition der Kinder und Jugendlichen betrachtet. In der physiotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen gibt es neben altersspezifischen Besonderheiten des Krankheitsverlaufes, dem psychosozialen Umfeld und den individuellen Alltagsaktivitäten der Betroffenen auch Besonderheiten für die Therapie. Hierzu zählt die hohe Dynamik von Veränderungen während der körperlichen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter sowie die Qualität und Bedeutsamkeit von Umweltfaktoren und Partizipation für die Funktionsfähigkeit.

Ziele der vorliegenden Studie

Die quantitative Studie zielte darauf ab zu untersuchen, mit welchen Einflussfaktoren die 4 Komponenten (körperliche und sportliche Fähigkeiten, Sport- und Bewegungserleben, Sport- und Bewegungsmotivation, Sport- und Bewegungspartizipation) von Freude an Bewegung bei Kindern und Jugendlichen in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz zusammenhängen. Daher sollte die Bedeutsamkeit von 12 wesentlichen Einflussfaktoren (allgemeine Sportlichkeit, körperliche und sportliche Kompetenz, Vergnügen, Flow-Erleben, Erholung, Selbstbestimmung, Kompetenzerleben, körperliche Gesundheit, Motivation an Bewegung und Sport, soziale Eingebundenheit, elterliche Unterstützung und sozialer Umgang) für das Erleben von Freude an Bewegung bei Kindern und Jugendlichen (Alter 10–17 Jahre) ermittelt werden. Ferner bestand ein Ziel darin, zu untersuchen, ob Geschlechterunterschiede zwischen Jungen und Mädchen bezüglich der Einflussfaktoren sowie generell für das Erleben von Bewegungsfreude vorliegen.

Bewegungsmangel ist eine der Hauptursachen für gesundheitliche Störungen

Methode

Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde ein quantitativer, deskriptiver Untersuchungsansatz gewählt. Zur Datengenerierung wurde eine voll standardisierte, schriftliche Befragung durchgeführt. Der Fragebogen beinhaltete ausschließlich geschlossen formulierte Fragen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten in einem Single-choice-Modell. Die Datenerhebung fand in dem Zeitraum von März bis Mai 2022 statt.

Stichprobe und Durchführung

In einem querschnittlich angelegten Design wurde eine Stichprobe von insgesamt 18 Patient:innen im Alter von 10 bis 17 Jahren (M = 13,94 Jahre, SD = 1,96; 44,4 % weiblich und 55,6 % männlich) untersucht (Tab. 1).

Tab. 1 Verteilung der Stichprobe über Geschlecht, Alter, Schulform und Klassenstufe

Der (voll) standardisierte Fragebogen „Fragebogen zur Bewegungsfreude in der Physiotherapie“ kam als Paper-Pencil-Survey zum Einsatz und wurde von den Patient:innen im Anschluss an die letzte Therapieeinheit vor Therapieabschluss ausgefüllt. Die Teilnehmenden innen gaben neben personenbezogenen Informationen (anonymer Code, Alter, Geschlecht, Klassenstufe, Schulform, körperliche Gesundheitseinschränkungen und Nebendiagnosen) Auskunft über ihre körperlichen und sportlichen Fähigkeiten, ihr Sport- und Bewegungserleben, ihre Sport- und Bewegungsmotivation und ihre Sport- und Bewegungspartizipation während der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz.

Ein- und Ausschlusskriterien

Eingeschlossen wurden Kinder und Jugendliche beliebigen Geschlechts, die seit mindestens 6 Monaten unter ärztlich diagnostizierten (ICD-10) muskuloskeletalen Funktionsstörungen litten. Die Teilnehmenden wiesen im Alltag Leitsymptome wie Schmerzen, Bewegungseinschränkungen (Hypo- und Hypermobilität), Fehlhaltungen/Deformitäten, Funktionseinschränkungen (Mobilität und Gang) und subjektive Einschränkungen der Funktionsfähigkeit des Stütz- und Bewegungsapparates auf. Ausschlusskriterien für die Teilnahme an der Studie waren internistische, neurologische und psychiatrische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter.

Erhebungsinstrument und Messverfahren

Bewegungsfreude in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz wurde über das Instrument Fragebogen zur Bewegungsfreude in der Physiotherapie quantifiziert. Der Fragebogen besteht aus 12 Skalen, die auf die Erfassung der Bewegungsfreude der Kinder und Jugendlichen abzielen. Zur Messung der 12 Einflussfaktoren wurde eine 5‑stufige Likert-Skala (trifft exakt zu, trifft stark zu, trifft mäßig zu, trifft schwach zu, trifft überhaupt nicht zu) vorgegeben. Die Generierung der Skalen zur Erfassung der Bewegungsfreude erfolgte auf Grundlage des Sport-Enjoyment-Konstrukts von Scanlan und Simons [19], des Sport-Engagement-Modells von Scanlan, Carpenter, Lobel und Simons [10], der Physical Activity Enjoyment Scale (PACES) von Kendzierski und DeCarlo [26], der Sport Motivation Scale (SMS28) von Burtscher, Furtner und Sachse [27] sowie dem Fragebogen zur Erfassung von Freude am Schulsport im Jugendalter (FEFS-J) von Engels und Freud [28].

Messung der Einflussfaktoren exemplarisch veranschaulicht

Die Skala Allgemeine Sportlichkeit wurde von den Konzepten der physischen Leistungsfähigkeit [29] und von dem Sport-Engagement-Modell [10] beeinflusst und bezieht sich auf die Einschätzung der erlebten Sportlichkeit der Kinder und Jugendlichen (z. B. „Ich habe gute sportliche Fähigkeiten.“). Die Skalen Vergnügen, Flow-Erleben und Erholung basieren auf den aktuellen Erkenntnissen von Engels und Freund [28, 30]. Diese 3 Einflussfaktoren beschreiben subjektiv wahrgenommene Empfindungen des affektiven Erlebens von Bewegungsfreude [31]. Vergnügen bezeichnet dabei die positiv-affektive Reaktion auf ein Bewegungs- oder Sporterlebnis und ist definiert über gegenwartsbezogenes Erleben von Spaß, Begeisterung und Wohlergehen [19] (z. B. „Physiotherapie macht mir Spaß.“). Die Skala Motivation an Bewegung und Sport wurde von der Self-Determination Theory von Deci und Ryan [32] sowie von dem Motivations-Volitions-Prozessmodell von Fuchs [33, 34] beeinflusst. Die Skala erfasst das selbstwahrgenommene Erleben von Sport- und Bewegungsmotivation der Kinder und Jugendlichen (z. B. „Warum machst Du Sport? …, um mich wohl zu fühlen.“). Die Skalen Soziale Eingebundenheit, Elterliche Unterstützung und Sozialer Umgang entstanden unter Einfluss der Self-Determination Theory [32]. Elterliche Unterstützung ist eine Skala, die sich auf die erlebte Unterstützung der Kinder und Jugendlichen durch die Eltern in Bezug auf körperliche und sportliche Aktivität bezieht (z. B. „Meine Eltern unterstützen mich dabei, regelmäßig an der Physiotherapie teilzunehmen.“). Die Ergebnisse der Studie „Child Development“ zeigen, dass elterliche Unterstützung einen großen Einfluss auf das Verhalten, die psychische Gesundheit und den schulischen Erfolg und somit auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen hat [35].

Statistische Analysen

Zur Beantwortung von Fragestellung 1 (Welchen Einfluss haben die Parameter allgemeine Sportlichkeit, körperliche und sportliche Kompetenz, Vergnügen, Flow-Erleben, Erholung, Selbstbestimmung, Kompetenzerleben, körperliche Gesundheit, Motivation an Bewegung und Sport, soziale Eingebundenheit, elterliche Unterstützung und sozialer Umgang auf das Erleben von Freude an Bewegung bei Kindern und Jugendlichen mit muskuloskeletalen Funktionsstörungen in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz?) wurden die Skalenkennwerte der 12 Einflussfaktoren nach der Variablentransformation anhand der Mittelwerte mit Standardabweichungen berechnet.

Um die Zusammenhänge zwischen den 12 Einflussfaktoren und den 4 Komponenten des Konstrukts „Bewegungsfreude“ zu untersuchen, wurde der Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman (Spearman’s Rho) berechnet.

Zur Beantwortung der Fragestellung 2 (Existieren Geschlechterunterschiede zwischen Jungen und Mädchen hinsichtlich der 12 identifizierten Einflussfaktoren sowie generell für das Erleben von Bewegungsfreude?) wurde der Mann-Whitney-U-Test für unabhängige Stichproben genutzt, um zu testen, ob die zentralen Tendenzen der 12 Einflussfaktoren sowie der generell erlebten Bewegungsfreude zwischen den Jungen und Mädchen verschieden sind.

Ergebnisse

Insgesamt wurden die höchsten Mittelwerte für die Skalen Elterliche Unterstützung (M = 4,76; SD = 0,43), Vergnügen (M = 4,49; SD = 0,81) und Körperliche Gesundheit (M = 4,44; SD = 0,81) beobachtet. Die niedrigsten Mittelwerte zeigten sich für die Skalen Soziale Eingebundenheit (M = 2,31; SD = 0,87), Sozialer Umgang (M = 2,35; SD = 0,97) und Motivation an Bewegung und Sport (M = 3,71; SD = 0,81; Tab. 2; Abb. 2).

Tab. 2 Skalenkennwerte der Gesamtstichprobe sowie nach Geschlechtern getrennt
Abb. 2
figure 2

Mittelwerte mit Standardabweichungen der 12 Einflussfaktoren

Zusammenhang der Einflussfaktoren mit Bewegungsfreude

Die 12 Einflussfaktoren wiesen ein breites Spektrum von stark signifikanten bis hin zu keinen Korrelationen mit den 4 Komponenten auf. Die Zusammenhangskennwerte der 12 Einflussfaktoren und der 4 Komponenten sind in Tab. 3 übersichtlich dargestellt. Es konnte für jede Einflussvariable mindestens eine starke signifikante Korrelation mit den 4 Komponenten von Bewegungsfreude nachgewiesen werden (rS = 0,52 bis rS = 1).

Tab. 3 Zusammenhangskennwerte der 12 Einflussfaktoren und 4 Komponenten

Die stärksten signifikanten Korrelationen zeigten sich zwischen dem Einflussfaktor Motivation an Bewegung und Sport und der Komponente Sport- und Bewegungsmotivation (rS = 1; p < 0,001; N = 18) und dem Einflussfaktor allgemeine Sportlichkeit und der Komponente körperliche und sportliche Fähigkeiten (rS = 0,95; p < 0,001; N = 18).

Starke signifikante Zusammenhänge konnten für den Einflussfaktor Selbstbestimmung und die Komponente Sport- und Bewegungserleben (rS = 0,87; p < 0,001; N = 18), den Einflussfaktor soziale Eingebundenheit und die Komponente Sport- und Bewegungspartizipation (rS = 0,85; p < 0,001; N = 18), den Einflussfaktor körperliche und sportliche Kompetenz und die Komponente körperliche und sportliche Fähigkeiten (rS = 0,82, p < 0,001, N = 18) sowie den Einflussfaktor sozialer Umgang und die Komponente Sport- und Bewegungspartizipation (rS = 0,80; p < 0,001; N = 18) beobachtet werden.

Geschlechterunterschiede

Bei Jungen (MRang = 12,10) konnte eine signifikant höhere allgemeine Sportlichkeit als bei Mädchen (MRang = 6,25) beobachtet werden, exakter Mann-Whitney-U-Test: U = 14.000; Z = −2,333; p = 0,021 (r = 0,55). Zudem zeichnete sich bei den Jungen (MRang = 11,75) eine signifikant höhere körperliche und sportliche Kompetenz ab als bei den Mädchen (MRang = 6,69), exakter Mann-Whitney-U-Test: U = 17.500; Z = −2,034; p = 0,043 (r = 0,48). Jungen berichteten über größeres Vergnügen (MRang = 11,65) als Mädchen (MRang = 6,81), exakter Mann-Whitney-U-Test: U = 18.500; Z = −1,938; p = 0,055 (r = 0,46). Auch gaben Jungen (MRang = 10,45) ein deutlich höheres Flow-Erleben als Mädchen (MRang = 8,31) an, exakter Mann-Whitney-U-Test: U = 30.500; Z = −0,856; p = 0,408, (r = 0,20). Jungen (MRang = 11,05) gaben eine größere elterliche Unterstützung als Mädchen (MRang = 7,56) an, exakter Mann-Whitney-U-Test: U = 24.500; Z = −1,758; p = 0,173 (r = 0,41). Bei den übrigen 7 Skalen zeigten sich nur geringe Geschlechterunterschiede (Tab. 2).

Jungen (M = 3,86; SD = 0,47) wiesen anhand der Mittelwerte mehr Bewegungsfreude in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz als Mädchen (M = 3,66; SD = 0,32) auf (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Mittelwerte mit Standardabweichungen der erlebten Bewegungsfreude sowie nach Geschlechtern getrennt

Jungen (MRang = 10,70) wiesen zwar ein höheres Maß an Bewegungsfreude auf als Mädchen (MRang = 8,00), jedoch konnte kein signifikanter Unterschied zwischen Jungen und Mädchen in Bezug auf die Bewegungsfreude festgestellt werden (exakter Mann-Whitney-U-Test: U = 28.000; Z = −1,066; p = 0,315). Die Effektstärke nach Cohen [36] liegt bei r = 0,25 und entspricht einem schwachen Effekt.

Diskussion

Der Einflussfaktor allgemeine Sportlichkeit begünstigt das Erleben von körperlichen und sportlichen Fähigkeiten sowie von Sport- und Bewegungsmotivation und korreliert starkt mit den 3 Einflussfaktoren körperliche und sportliche Kompetenz, Vergnügen und Motivation an Bewegung und Sport. Zudem spielt die von den Kindern und Jugendlichen wahrgenommene körperliche und sportliche Kompetenz für das Erleben von körperlichen und sportlichen Fähigkeiten und zugleich für die erlebte Sport- und Bewegungsmotivation eine wichtige Rolle. Die Einflussfaktoren allgemeine Sportlichkeit und körperliche und sportliche Kompetenz wirkten sich auf alle vier Komponenten des Erlebens von Bewegungsfreude positiv aus. Diese Ergebnisse deuten an, dass sich diejenigen Kinder und Jugendliche in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz als kompetent wahrnehmen, die sich selbst generell hohe körperliche und sportliche Fähigkeiten zuschreiben. Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass Kinder und Jugendliche mit ausgeprägten körperlichen und sportlichen Fähigkeiten mehr Vergnügen und Motivation an Bewegung und Sport haben als Kinder und Jugendliche mit weniger ausgeprägten körperlichen und sportlichen Fähigkeiten.

Deutlich zu erkennen ist, dass Vergnügen das Erleben von körperlichen und sportlichen Fähigkeiten, der Sport- und Bewegungsmotivation sowie das Sport- und Bewegungserleben fördert. Die vorliegenden Ergebnisse belegen, dass Vergnügen eine äußerst wichtige Rolle für das Erleben von Bewegungsfreude spielt. Vergnügen korreliert im hohen Maße mit den 5 Einflussfaktoren allgemeine Sportlichkeit, körperliche und sportliche Kompetenz, Flow-Erleben, Selbstbestimmung und Motivation an Bewegung und Sport. Konsistent mit vorherigen Studienergebnissen zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche, die mehr Vergnügen und Begeisterung an Bewegung und Sport haben, auch ein höheres Maß an allgemeiner Sportlichkeit und körperlicher und sportlicher Kompetenz aufweisen [10,11,12].

Geschlechterunterschiede

Jungen berichteten eine höhere allgemeine Sportlichkeit während der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz und erlebten sich deutlich kompetenter als Mädchen. Diese Ergebnisse sind konform mit bisherigen Studien zum physischen Selbstkonzept [37, 38] und können beispielsweise darin begründet sein, dass Jungen eine höhere Anstrengungsbereitschaft aufweisen [38]. Jungen beschrieben zudem mehr Vergnügen und ein stärkeres Flow-Erleben als Mädchen. Dies könnte sich dadurch erklären, dass sich durch den höheren Bewegungsdrang bei Jungen [39,40,41,42] eine größere Zufriedenheit während körperlicher und sportlicher Betätigung einstellt als bei Mädchen. Bei der Betrachtung der Geschlechterunterschiede war zudem zu erkennen, dass Jungen generell mehr Freude an Bewegung als Mädchen erleben. Diese Ergebnisse sind konform mit den Forschungsergebnissen von Cairney et al. [43] und können darin begründet sein, dass sich Jungen selbst eine höhere allgemeine Sportlichkeit und körperliche und sportliche Kompetenz zuschreiben sowie mehr Vergnügen und ein stärkeres Flow-Erleben als Mädchen empfinden.

Stärken und Schwächen der vorliegenden Studie

Im Rahmen dieser Studie wurde beabsichtigt, die erlebte Bewegungsfreude bei Kindern und Jugendlichen in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz zu untersuchen und anhand eines Vier-Komponenten-Modells abzubilden. Dieses generierte Vier-Komponenten-Modell wurde lediglich anhand einer begrenzten Auswahl an Einflussfaktoren abgebildet. Des Weiteren könnten Faktoren wie Therapiegestaltung, therapeutische Kompetenz, eine durch die Therapeut:innen erzeugte Begeisterung sowie ein motivierendes Umfeld bezüglich der erlebten Bewegungsfreude eine wichtige Rolle spielen.

Die größte Stärke dieser Studie stellt die umfassende Abbildung des Konstrukts „Bewegungsfreude“ sowie die spezifische Generierung des Vier-Komponenten-Modells dar. Die internen Konsistenzen der Skalen erwiesen sich für die Gesamtstichprobe (N = 18) über die 12 Skalen hinweg als akzeptabel bis sehr gut und sind somit zuverlässig. Gleichermaßen erwies sich die Homogenität der Gesamtskala als sehr gut (a = 0,89).

Ein Nachteil dieser Studie besteht in der heteronymen Verteilung der Einflussfaktoren zu den 4 Komponenten. Dieses Ungleichgewicht hinsichtlich der Verteilung der zwölf Einflussfaktoren ist darin begründet, dass die einzelnen Einflussvariablen thematisch von bestimmten theoretischen Ansätzen, Erklärungsmodellen und Forschungsergebnissen abgeleitet wurden. Hier wäre eine Modifikation des Modells mit gleicher Itemanzahl pro Skala zur einheitlichen und gleichgewichteten Erfassung des Konstrukts „Bewegungsfreude“ sinnvoll. Eine Möglichkeit bestünde in der Reduktion oder Kombination von Einflussfaktoren, die sich inhaltlich ähneln. Das generierte Vier-Komponenten-Modell sollte in weiteren Studien mit einer ausgeglichenen Verteilung der Einflussfaktoren erneut untersucht und den Ergebnissen dieser Studie gegenübergestellt werden.

Fazit und Ausblick

Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen sowohl den bedeutsamen Einfluss von Vergnügen und intrinsischer Motivation als auch die hohe Relevanz subjektiv erlebter Sportlichkeit und wahrgenommenem Kompetenzerleben der Kinder und Jugendlichen. Um die Freude an Bewegung der Kinder und Jugendlichen in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz zu erhöhen, sollte der Fokus der Therapie besonders auf diesen 4 Aspekte liegen.

Eine Möglichkeit, die Bewegungsfreude der Kinder und Jugendlichen in der physiotherapeutischen Rekonvaleszenz zu fördern, bietet die Implementierung von 6 Handlungsempfehlungen, die sich aus diesen Ergebnissen ableiten lassen und an den therapeutischen Prozess angepasst werden können (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Handlungsempfehlungen für Bewegungsfreude in der physiotherapeutische Rekonvaleszenz

Was heißt das Ergebnis für meine physiotherapeutische Arbeit?

Die erfolgreiche Umsetzung der genannten 6 Handlungsempfehlungen im individuellen therapeutischen Prozess beeinflusst die Gesundheitskompetenz der Kinder und Jugendlichen nachhaltig. Diese Gesundheitskompetenz führt die Kinder und Jugendlichen zu Selbstbestimmung und zur Übernahme von Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit bezüglich ihres Bewegungsverhaltens.

Kinder und Jugendliche, die Freude an Bewegung in der Physiotherapie erleben, wirken aktiv bei der Erreichung der Therapieziele mit. Diese verbesserte Compliance ermöglichen, die Therapieplanung und -gestaltung optimal umzusetzen und die gesetzten Therapieziele schneller zu erreichen. Bewegungsfreude in der Physiotherapie erhöht zudem die Adhärenz der Kinder und Jugendlichen im Therapieprozess.

Eltern, deren Kinder in der physiotherapeutischen Behandlung Freude an der Bewegung erleben, stehen den Therapiemaßnahmen offener und positiver gegenüber und zeigen, wie auch ihre Kinder, eine größere Motivation, beispielsweise häusliche Übungen umzusetzen. Eine auf mehr Bewegungsfreude ausgerichtete Therapiegestaltung in der Physiotherapie kann bei Kindern und Jugendlichen mit Spaß die richtige Haltung vermitteln.