Angesichts des Aufschwungs urbaner Gartenformen in der Bundesrepublik, die sich explizit dem Nahrungsmittelanbau widmen, stellt sich die Frage nach ihrem Beitrag zur städtischen Ernährungssicherung. Dazu werden in vorliegendem Aufsatz Erfahrungen aus Toronto vorgestellt und der Zusammenhang von Gemeinschaftsgärten, Ernährungssicherung und Ernährungsgerechtigkeit diskutiert.

Im Aufwind: Urbaner Nahrungsmittelanbau

Das gemeinschaftliche Gärtnern in der Stadt hat in der Bundesrepublik seit etwa der Jahrtausendwende einen enormen Aufschwung erlebt. Urbane Gärten gelten inzwischen als Teil nachhaltiger Lebensstile, welche insbesondere von „urbanen Mittelschichtsmilieus“ gepflegt werden. Fast überall entstehen Gemeinschaftsgärten, Kiezgärten, Interkulturelle Gärten und Bürger/innengärten, werden Baumscheiben – das heißt der Bodenbereich rund um Straßenbäume – bepflanzt und gibt es Guerilla-Gardening-Aktionen. Die neue Lust am urbanen Gärtnern erfährt zunehmend Aufmerksamkeit in der (Kommunal-) Politik und in der Wissenschaft – nicht zuletzt der Geographie – sowie ein breites Medienecho (Müller 2011; Rosol 2006).

Sind mit diesen neuen urbanen Gartenformen stets auch eine Reihe von sozialen und ökologischen Zielen verbunden, so gewinnt in den letzten Jahren die explizite Ausrichtung auf den Anbau von Nahrungsmitteln an Gewicht. Es wird vermehrt Obst und Gemüse angebaut, um damit zu einer gesunden Ernährung in der Stadt beizutragen. Entsprechend stellt sich die Frage, inwiefern die neuen Gartenformen auch zur Ernährungssicherung in der Stadt beitragen können.

Da urbane Gärten in Nordamerika bereits sehr viel länger und direkter mit Fragen von Ernährungssicherung und Ernährungsgerechtigkeit verbunden sind, werde ich im Folgenden – nach einer kurzen Einführung zum Zusammenhang von Gemeinschaftsgärten und Ernährungsgerechtigkeit – Gemeinschaftsgärten und Ernährungsinitiativen in Toronto, Kanada vorstellen. Toronto verfügt schon seit einiger Zeit über integrative, stadtpolitische Ansätze zur Ernährungssicherung sowie eine aktive Anti-Hungerbewegung. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion dazu, was wir hierzulande aus den nordamerikanischen Erfahrungen lernen können (Abb. 1).

Abb. 1
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Duffrin Grove Park Community Garden, Toronto. (Foto: Rosol)

Gemeinschaftsgärten als Teil von Ernährungssicherung und Food Justice

Ernährungssicherung ist dann erreicht, wenn „alle Personen sich zu jeder Zeit eine kulturell akzeptierte, vollwertige Ernährung durch lokale, nicht-Notstands-Quellen verschaffen können“ (Gottlieb und Fisher 1996, S. 196). Das Recht auf Ernährung wird dabei von Anti-Hunger-Aktivist/innen in Nordamerika als Grundbestandteil einer demokratischeren und gerechteren Gesellschaft angesehen, weshalb sich die Bewegung teilweise auch als Food Justice Movement bezeichnet (Wekerle 2004). Die Ursprünge dieses Food Justice Movement reichen bis in die 1960er Jahre zurück, das heißt bis in die Zeiten von Bürgerrechtsbewegungen und Black Power. In den 1980er Jahren ging es dann vor allem um Krisenintervention und die Bereitstellung einer individuellen Notversorgung mit Nahrungsmitteln. Inzwischen stehen übergreifende Präventionsansätze im Vordergrund. Dazu gehören neben innerstädtischem Nahrungsmittelanbau in Gemeinschaftsgärten auch Vermarktungsstrategien wie Bauernmärkte (Farmers Markets) und Community Supported Agriculture (CSA, in der Bundesrepublik als Solidarische Landwirtschaft bekannt) sowie andere Verkaufseinrichtungen außerhalb der Supermärkte. Diese Initiativen entstanden auch als Reaktion auf sogenannte „Food Deserts“ (Lebensmittel- bzw. Nahversorgungswüsten) in den armen Innenstadtbezirken nordamerikanischer Großstädte, die häufig vor allem von benachteiligten ethnischen Gruppen bewohnt werden. Die dort vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten bieten oft nur ein minimales Angebot an Frischwaren wie Obst und Gemüse zu vergleichsweise hohen Preisen an (Bedore 2010).

Den alternativen Nahrungsmittelinitiativen (Alternative Food Initiatives) geht es häufig um eine Re-Lokalisierung von Nahrungsversorgung und eine Unabhängigkeit von global agierenden Nahrungsmittelkonzernen und dies aus zwei Gründen: als Alternative zur industriellen Nahrungsmittelversorgung und als gelebte demokratische Praxis (Wekerle 2004). Damit agieren sie zwar auf lokaler Ebene, zielen in ihrer Kritik jedoch auch auf die globale Ebene und machen somit die Verbindung zwischen beiden deutlich. Hunger wird nicht als individuelles, sondern als ein gesellschaftlich produziertes Problem angesehen, dem auf unterschiedlichsten Ebenen begegnet werden muss. Die Erosion von sozialstaatlichen Programmen wird ebenso problematisiert wie der Verlust von städtischen oder stadtnahen landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Bebauung. Erreicht werden sollen diese Ziele durch Proteste und Mobilisierungen, die zivilgesellschaftliche Schaffung von alternativen Nahrungsmittelsystemen sowie das Einwirken auf staatliche Institutionen auf verschiedenen Ebenen. Konkrete Initiativen dazu werden im Folgenden am Beispiel von Toronto und unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Gemeinschaftsgärten genauer vorgestellt (Abb. 2).

Abb. 2
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Foodshare-Gemeinschaftsgärten in Toronto. (Quelle: FoodShare, Laura Berman, GreenFuse Photography [http://greenfusestock.photoshelter.com], Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

Toronto Community Gardens und Initiativen gegen den Hunger

Im Unterschied zu den sehr bekannten Gemeinschaftsgärten in New York City (Meyer-Renschhausen 2004) entwickelte sich die community-garden-Bewegung in Toronto erst gegen Ende der 1980er Jahre. Während sich viele Gemeinschaftsgärten in New York seit den 1970er Jahren vor allem auf aufgegebenen Grundstücken und Brachflächen im Eigentum der Stadt gründeten, gibt es diese Möglichkeit in Toronto kaum. Zwar gibt es selbst im Stadtzentrum Torontos viele Privatgärten vor und hinter den Reihenhäusern, die sehr intensiv begärtnert werden. Neben Blumen werden in Torontos Innenstadt unter anderem Tomaten, Kürbisse, Paprika und Kräuter angebaut. Diese Möglichkeit besteht allerdings nur für Hausbesitzer/innen. Mieter/innen in Apartmentblöcken und Hochhäusern hingegen fehlen solche Möglichkeiten des Gärtnerns. Da im Zentrum der Stadt nur wenige Brachflächen vorhanden sind, befinden sich die Gemeinschaftsgärten in Toronto größtenteils in städtischen Parks (vgl. Abb. 1) und auf dem Gelände öffentlicher Einrichtungen wie Kirchen, Bibliotheken, Community Centres und Gesundheitseinrichtungen. Unterstützt werden die Garteninitiativen von einem städtischen Gemeinschaftsgartenprogramm (unter anderem durch die kostenlose Bereitstellung von Flächen) und diversen Non-Profit-Organisationen. Die Gärten haben des Öfteren eine spezielle Zielgruppe, beispielsweise alleinerziehende Frauen, Obdachlose, Senior/innen oder Migrant/innen. Für Migrant/innen sind neben dem Anbau von frischen, gesunden Nahrungsmitteln vor allem auch kulturelle Aspekte relevant. Sie nutzen die Möglichkeit, Pflanzen aus ihrer Heimat anzubauen und kulinarische Traditionen zu bewahren. Die interkulturelle Prägung der Gärten zeigt sich nicht zuletzt im Anbau von Produkten wie etwa Bitter Melon, Wassermelonen oder Okra.

Die Gemeinschaftsgärten in Toronto sind in ein Netzwerk von Organisationen eingebunden, die sich allesamt mit der Bekämpfung des Hungers befassen. Grundsätzlich ist in einem Land wie Kanada nicht Nahrungsmittelknappheit die Ursache von unzureichender Ernährung, sondern Armut. Als Gründe für die Armut gelten die teilweise sehr niedrigen Löhne, die sehr geringen Sozialleistungen und die hohen Wohnungsmieten. Die Non-Profit-Organisationen beklagen, dass Arme vor der zweifelhaften Wahl stehen: „Pay the rent or feed the kids“ („die Miete bezahlen oder die Kinder ernähren“). Dass dies keine medienwirksame Übertreibung ist, zeigt eine Studie der Daily Bread Food Bank aus Toronto: Demzufolge gaben 2013 Food Bank Kunden 73 % ihres Einkommens für Mietkosten aus (Matern und Kim 2013, S. 7). Food Banks sind Nahrungsmittelsammel- und -verteilstellen für Bedürftige, am ehesten vergleichbar mit den hiesigen Lebensmitteltafeln. Sie werden häufig von Kirchengemeinden betrieben. Allein in Toronto existieren rund 150 solcher Ausgabestellen. Die Ontario Food Bank Association (OFBA) sammelt in der ganzen Provinz Ontario Sach- und Geldspenden. Diese Spenden reichen aus, um den lokalen Food Banks ungefähr eine Kiste mit Lebensmitteln pro bedürftiger Person im Monat zukommen zu lassen. Dadurch können diese nur ungefähr 10 % ihres Lebensmittelbedarfs abdecken. Jedoch ist die Versorgung der Food Bank-Kund/innen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ schlecht, denn die verteilten Lebensmittel sind vor allem Fertigprodukte und Trockenwaren. Um auch frische Lebensmittel verteilen zu können, haben einige lokale Food Banks einen eigenen Community Garden. Aber auch in Privat- und Gemeinschaftsgärten werden einzelne Beete für Lebensmittelspenden angepflanzt.

Die heute wohl wichtigste Unterstützungsorganisation von Gemeinschaftsgärten in Toronto, FoodShare, entstand 1985 ursprünglich als Informationsdienst zur Nahrungsmittelversorgung. Ende der 1980er Jahre waren Food Banks zu einer dauerhaften Einrichtung geworden und es war abzusehen, dass das Hungerproblem nicht nur vorübergehend existiert. Deshalb wurde nach längerfristigen präventiven Ansätzen gesucht. Dabei wurde auch die Frage nach gesunder Ernährung zu einem wichtigen Thema, da die Nutzer/innen der Food Banks über einen Mangel an frischen Produkten klagten. Zudem wurde nach Alternativen zu den von vielen als entwürdigend wahrgenommenen karitativen Food Banks gesucht. Deshalb gewannen Möglichkeiten nachhaltiger Ernährungssysteme beispielsweise durch regional angebaute Produkte aus biologischem Anbau an Gewicht. Das Ziel von FoodShare ist heute die Versorgung aller Menschen mit gesunden und umweltfreundlichen Nahrungsmitteln (vgl. http://www.foodshare.net/). Insbesondere mit dem Zugang zu frischen Lebensmitteln aus der Greater Toronto Area befasst sich das Projekt Field to Table. Es initiiert Bauernmärkte, betreibt Salatbüffets in Schulen und vertreibt Gemüse-Abokisten (Johnston und Baker 2005) (Abb. 3 und 4).

Abb. 3
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Die „Good Food Box“ von FoodShare. (Quelle: FoodShare, Laura Berman, GreenFuse Photography [http://greenfusestock.photoshelter.com], Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

Ein wichtiger Grund für die Entscheidung vieler Konsument/innen für die Gemüsekisten ist der ansonsten mangelhafte Zugang zu frischem Obst und Gemüse (vgl. Diskussion um Food Deserts s. o.). Auch ein Gemeinschaftsgarten wird von FoodShare betrieben (vgl. Abb. 2).

Abb. 4
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Die „Good Food Box“ von Foodshare ermöglicht den Zugang zu frischen Nahrungsmitteln. (Quelle: FoodShare, Laura Berman, GreenFuse Photography [http://greenfusestock.photoshelter.com], Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

In den Berichten des Food and Hunger Action Committee, welches aus Stadtverordneten, Stadtverwaltung und Stadtteilaktivist/innen besteht, wird die Einrichtung von Community Gardens ebenfalls als wichtiges Instrument zur Sicherstellung einer gesunden und ausgewogenen Ernährung aller Stadtbewohner/innen genannt. Community Gardens als praktischer Ansatzpunkt lokaler Ökonomie werden sowohl kurz- als auch langfristig als wichtige Strategie angesehen: Sie erhöhen die lokale Nahrungsmittelautonomie und tragen zum Umweltschutz und zur Gemeinwesenentwicklung bei. Sie sollten insbesondere in armen Gebieten gefördert werden, in denen die Versorgung mit frischem Gemüse und Obst schlecht ist. Grundsätzlich sieht das Komitee die Ursache von Hunger in Toronto jedoch in der Armut der Bevölkerung, konkret in Sozialhilfekürzungen, niedrigen Löhnen und hohen Mieten (Food and Hunger Action Committee 2001).

Eine ebenfalls wichtige Rolle für die Stärkung von urbaner Landwirtschaft spielt der 1990 gegründete Toronto Food Policy Council (TFPC), welcher eine langfristige Ernährungssicherung für Toronto zum Ziel hat und dazu die Politik berät und Akteure vernetzt (Unternehmen, Politik, zivilgesellschaftliche Gruppen). Ein Aktionsplan zur Ernährungssicherung, den ein Stadtrat-Ausschuss unter Mitwirkung des TFPC verabschiedet hat, benennt in seinen Handlungsempfehlungen Gärten als wichtigen Ansatzpunkt (Food and Hunger Action Committee 2001). So soll die Stadt Geld für mehr Gemeinschaftsgärten bereitstellen, besonders in Gebieten mit schlechtem Zugang zu Lebensmitteln und in armen Gebieten. Daneben werden auch die Ursachen des Hungers angegangen: Die Stadt wird aufgefordert, für höhere Löhne und bezahlbaren Wohnraum zu sorgen (Abb. 5).

Abb. 5
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Aktiv gegen Hunger und für bessere Löhne – Der Toronto Youth Food Policy Council. (Quelle: Toronto Youth Food Policy Council (TYFPC) 2014, Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

Neben diesen Hauptakteuren gibt es zahlreiche weitere, oft nur kleinräumig agierende Organisationen. Gemeinsam ist allen genannten Einrichtungen die starke Betonung der Nahrungsmittelproduktion durch Gemeinschaftsgärten. Es gibt jedoch auch in Toronto einige Gärten, deren Schwerpunkt nicht der Nahrungsmittelanbau, sondern etwa die Schaffung von Habitaten und die Bewahrung einheimischer Pflanzen ist. Insgesamt spielt also der Nahrungsmittelanbau zwar nicht in allen Gärten eine zentrale Rolle, jedoch nehmen umgekehrt städtische Gärten in allen Strategien zur Ernährungssicherung und Ernährungsgerechtigkeit eine prominente Stellung ein.

Schlussfolgerungen

Was können wir hierzulande aus diesen Erfahrungen lernen? Meines Erachtens werden sowohl Anregungen und Inspirationen als auch Gefahren und Probleme deutlich. Auf der einen Seite sehen wir die politischen, sozialen und ökologischen Errungenschaften der Gemeinschaftsgärten in Bezug auf Ernährungssicherung:

  • Zunächst ist den meisten Gärten eine starke Ausrichtung auf die Produktion gesunder Nahrungsmittel gemeinsam. Diese dienen vor allem der Selbstversorgung oder werden an Food Banks gespendet.

  • Dazu gehört auch die hohe Bedeutung ökologischer Anbaumethoden. Dabei gibt es neben den Gärtnernden, die sich vor allem aus gesundheitlichen und geschmacklichen Gründen auf ökologische Anbaumethoden spezialisieren, durchaus auch jene, die ihr Handeln – beispielsweise die Bewahrung alter Sorten – in einen globalen und politischen Zusammenhang stellen. Viele der Gärtnernden und vor allem der Unterstützungseinrichtungen sind sensibilisiert für ökonomische und ökologische Zusammenhänge oder vertreten globalisierungskritische Ansätze. Insofern dienen die Gärten auch als niedrigschwelliger Zugang zu politischer Bildung.

  • Die Gemeinschaftsgärten in Toronto sind Teil einer Bewegung um Nahrungsgerechtigkeit, welche die Zusammenhänge zwischen lokalen und globalen Zuständen und Problemen verdeutlichen kann. Sie verbinden dabei Fragen von ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit.

  • Ebenfalls deutlich wird die breite Infrastruktur an Unterstützungseinrichtungen – sowohl von Seiten der Zivilgesellschaft als auch durch die Kommune.

  • Die Bedeutung von Ernährungsfragen im Zusammenhang mit Stadtentwicklung und konkret die Rolle der städtischen Verwaltung wird von einigen Autor/innen explizit thematisiert. Nahrung bzw. Ernährung wird explizit als ein städtisches Thema angesehen. Und tatsächlich spielt Nahrung eine große Rolle für die städtische Ökonomie (Produktion, Vertrieb, Verkauf, Arbeitsplätze), in Bezug auf Abfallpolitik, Gesundheit, Umweltprobleme, Verkehr und Einkaufsverhalten sowie in Bezug auf die Wohnungsfrage und das Wohlfahrtssystem (Pothukuchi und Kaufman 1999).

Auf der anderen Seite zeigen die Ergebnisse jedoch auch, dass städtischer Nahrungsmittelanbau durch Einzelpersonen und Nachbarschaftsgruppen schon allein deshalb eine höhere Bedeutung als hierzulande hat, weil eine geringere soziale Absicherung gegeben ist. Die Gärten sind für viele Menschen nicht einfach nur Freizeitbeschäftigung, sie wirken existenziell, weil sie oft das Haushaltsbudget entlasten und dadurch hohe Mietkosten, extreme Armut und den Mangel an gesunden, vollwertigen Lebensmitteln abfedern müssen. Vielfach ist die hohe Bedeutung des Nahrungsmittelanbaus also aus der Not heraus geboren. Letztlich sind viele Gärten trotz aller sozialen, ökologischen und auch ökonomischen Vorzüge individuelle Selbsthilfe-Strategien zum Umgang mit sozio-ökonomischer Ungleichheit, die einen enormen Einsatz von Arbeit, Zeit und sozialer Kompetenz erfordert.

Somit bedeuten die Gärten in der momentanen Situation für die Gärtnernden und die Personen, die von den Spenden aus den Gärten profitieren, zwar eine Verbesserung der Ernährungslage. Dennoch sind auch die dortigen Aktiven mit dieser Lösung nicht zufrieden, da sie nicht an den Ursachen ansetzt. Sie setzen sich entsprechend für weitergehende Lösungsansätze ein. Dabei verweisen sie auch auf das noch in Europa existierende Sozialsystem. Dies sehen sie größtenteils als sinnvoller zur Bekämpfung von Hunger und Armut an, als das von ihnen praktizierte, mit hohem Aufwand und größtenteils ehrenamtlich betriebene, „Parallelsystem“ von Food Banks etc.

Folglich muss bei aller Wertschätzung der Gärten und Gärtnernden hier wie dort vor einer Verklärung urbaner Kleinstlandwirtschaft gewarnt werden. Denn ebenso wenig wie Gemeinschaftsgärten als Ersatz für öffentliche Grünflächen geeignet sind, dürfen sie als Ersatz für eine soziale Grundsicherung gelten. Deshalb gilt es insbesondere in Zeiten, in denen das soziale Sicherungssystem hierzulande weiter ausgedünnt wird, in Zeiten von zunehmender sozialer Ungleichheit und Armut (DPW 2014) und einem Boom der Tafelbewegung (Selke 2009) immer die soziale Frage im Blick zu behalten.