Chronischer Rückenschmerz („chronic low back pain“, LBP) ist das häufigste muskuloskelettale Schmerzsyndrom mit den höchsten Gesundheitskosten in allen westlichen Ländern [2, 13]. Rund 70–85% aller Menschen haben irgendwann in ihrem Leben eine Episode akuter Rückenschmerzen, aber bei 90% dieser Patienten klingen die Schmerzen in der Regel innerhalb von 12 Wochen ab [38]. Persistieren die Beschwerden über mehr als 12 Wochen, ist der weitere Verlauf oft chronisch. Als Resultat belastet diese Gruppe chronischer Rückenschmerzpatienten durch hohe Krankheitskosten, Arbeitsausfall und Arbeitsunfähigkeit überproportional die Kranken- und Rentensysteme [2, 37].

Trotz dieser erheblichen Problematik gibt es nach wie vor wenige gesicherte Erkenntnisse, die das Auftreten und die Chronifizierung von Rückenschmerzen erklären können. Subjektive Symptomatik und objektive Befunde zeigen oft eine erhebliche Diskrepanz. Trotz Fortschritten in der Bildgebung kann ein kausaler Zusammenhang zwischen strukturellen Auffälligkeiten und der Schmerzsymptomatik oft nicht hergestellt werden [12, 29]. Die Einordnung struktureller Veränderungen ist auch dadurch erschwert, dass Befunde wie z. B. Bandscheibenprotrusionen zu hohen Prozentzahlen auch bei asymptomatischen Individuen gesehen werden [7, 23]. Selbst unter Zuhilfenahme aller strukturellen, demographischen und psychosozialen Parameter bleibt die Ursache für chronischen Rückenschmerz bei einer großen Anzahl von Patienten unklar [10, 26]. Bei diesen Patienten wird dann in aller Regel die „Diagnose“ „idiopathischer“ oder „unspezifischer“ chronischer Rückenschmerz gestellt.

Neuere Untersuchungen weisen auf die mögliche Bedeutung von Veränderungen der zentralen Schmerzverarbeitung bei der Entstehung idiopathischer chronischer Rückenschmerzen hin. Ein klinischer Befund bei solchen „zentralen“ Schmerzsyndromen ist eine erhöhte Druckschmerzempfindlichkeit oder mechanische Hyperalgesie [18, 28]. Dieser Befund tritt unabhängig von begleitenden psychosozialen Faktoren auf [16] und impliziert zentralnervöse Veränderungen, die zu einer zentralen Augmentation der Schmerzverarbeitung führen können, wie z. B. auch eine verringerte deszendierende Schmerzinhibition [24, 25]. Auch Patienten mit idiopathischen chronischen Rückenschmerzen zeigten eine solche mechanische Hyperalgesie [41], die sich als relevanter Faktor für das Ausmaß des klinischen Schmerzes und das Funktionieren im Alltag erwies [10].

Neurobildgebende Verfahren haben sich als aufschlussreich für die Schmerzforschung erwiesen. Die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) macht sich dabei den BOLD- (Blood-oxygen-level-dependent-)Effekt zunutze: Oxygeniertes und deoxygeniertes Blut haben unterschiedliche magnetische Eigenschaften. Neuronale Aktivität in einem Hirnareal führt lokal zu einem vermehrten Zufluss oxygenierten Blutes und einer Veränderung der magnetischen Eigenschaft in diesem Hirnareal. So lässt sich indirekt durch Veränderung des regionalen zerebralen Blutflusses (rCBF) auf die neuronale Aktivität in einem Hirnareal schließen [30].

In einer früheren Studie [15] untersuchten wir mittels fMRT die neuronale Aktivierung einer Gruppe von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (LBP) und einer Gruppe Gesunder durch objektiv gleich starke Reize (beide Gruppen ca. 4 kg) und durch subjektiv gleiche Schmerzstärke (LBP 3,9 kg, Gesunde 5,6 kg). Gleiche Druckstimuli, die in der LBP-Gruppe mäßig intensiven Schmerz, in der Kontrollgruppe jedoch nur sehr leichten Schmerz auslösten, führten in der LBP-Gruppe zu Aktivierungen der schmerzassoziierten somatosensorischen und limbischen Hirnareale sowie des Kleinhirns, also der gesamten sog. „Schmerzmatrix“, in der Kontrollgruppe jedoch lediglich zu einer einzigen unspezifischen Aktivierung. Subjektiv gleicher Schmerz führte dagegen zu einer Aktivierung der Schmerzmatrix beider Gruppen.

Das Ausmaß der neuronalen Aktivierung in den somatosensorischen Kortexarealen der LBP-Gruppe übertraf bei nur deskriptiver Betrachtung selbst bei gleichem Schmerz, also bei signifikant niedriger Stimulusintensität, das Ausmaß der neuronalen Aktivierung in den somatosensorischen Kortexarealen der Kontrollgruppe. Bornhovd et al. [9] hatten jedoch gezeigt, dass bei Gesunden das Ausmaß der Aktivierung in den somatosensorischen Kortexarealen mit der Stimulusintensität korreliert. Ein verstärktes Signal im primären somatosensorischen Kortex der LBP-Gruppe könnte daher z. B. bedeuten, dass es bereits in den Hinterhörnern des Rückenmarks zu einer Signalverstärkung kommt. Gemäß der Gate-Kontroll-Theorie [27] könnte die Ursache hierfür wiederum eine veränderte Funktion der absteigenden schmerzinhibitorischen Systeme sein. Daher könnten Unterschiede der neuronalen Aktivierung in Hirnarealen, die mit Funktionen der Schmerzinhibition assoziiert sind, ursächlich mit der beobachteten augmentierten Schmerzverarbeitung bei diesen Patienten in Zusammenhang stehen. In einer umfangreichen, neuen Analyse des bestehenden Datensatzes untersuchten wir daher, in welchen Hirnarealen sich die neuronalen Aktivierungen der LBP- und Kontrollgruppe, ausgelöst durch subjektiv gleich schmerzhafte Reize, signifikant unterscheiden.

Methoden

Studienteilnehmer

Elf Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die im Spine Center des Georgetown University Hospital, Washington DC, rekrutiert wurden, und 11 gesunde Kontrollpersonen wurden in die Analyse eingeschlossen. Patienten mussten Rückenschmerzen über einen Zeitraum von mindestens 12 Wochen haben. Das Vorliegen anderer Schmerzsyndrome, von Osteoporose, Frakturen, Entzündungen, Tumoren oder stattgefundenen operativen Eingriffen führte zum Ausschluss. Die Kontrollpersonen wurden aus der Bevölkerung rekrutiert.

Bei einer weiteren Gruppe von Patienten mit Fibromyalgie, die Bestandteil der ursprünglichen Studienpopulation war, lag das Mittelhirn bei 11 von 16 Patienten im Randbereich des vom MRT-Scanner erfassten Areals. Da die Signalstärke hier rapide abfällt, waren die Scans dieser Patienten für diese Analyse nicht zu verwerten. Wir entschlossen uns, aufgrund mangelnder Aussagekraft auch die verbleibenden 5 Fibromyalgiepatienten nicht in die Analyse einzuschließen.

Eine Therapie mit Antidepressiva musste bis zu 4 Wochen (abhängig von der Halbwertzeit des Medikaments) vor der Untersuchung unterbrochen werden. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) durften bis 3 Tage vor der Untersuchung eingenommen werden. Patienten unter Therapie mit Opioiden der WHO-Stufe 3 wurden nicht eingeschlossen. Alle Studienteilnehmer hatten schriftlich in die Teilnahme eingewilligt, das Studienprotokoll war von der Ethikkommission der Georgetown University Medical School positiv bewertet worden.

Depressivität

Die „Center for Epidemiological Studies Depression Scale“ (CES-D [35]) ist ein 20-Item-Fragebogen, der depressive Symptome bei nicht psychiatrisch erkrankten Erwachsenen misst. Das Instrument besitzt gute psychometrische Eigenschaften und korreliert gut mit anderen Instrumenten zur Messung von Depression und Depressivität [22]. Werte von mehr als 16 Punkten implizieren ein „wahrscheinliches Vorliegen einer Depression“.

Schmerztestung und fMRT

Der Ablauf der experimentellen Schmerztestung und des fMRT-Experiments mit allen Parametern sind in einer anderen Veröffentlichung detailliert beschrieben [15]. Die Druckschmerzstimulation erfolgte am linken Daumen. Alle Studienteilnehmer erhielten eine Serie Stimuli ansteigender Intensität zur Festlegung des maximal tolerierten Drucks. Dann wurde innerhalb dieses Bereichs mittels der „Multiple-random-staircase- (MRS-)Methode“ [17] eine Serie Druckstimuli in zufälliger Reihenfolge verabreicht. Die MRS-Methode ist eine interaktive Schmerztestmethode, die bei einem Individuum die für beliebige Schmerzintensitäten (in unserem Fall „mäßig intensiv“) benötigten Stimulusintensitäten bestimmt. Die individuell kalibrierte Intensität für einen „mäßig intensiven“ Schmerz wurde dann im MRT-Scanner in einem Blockparadigma verwandt. 25 s schmerzhafter Stimulation (ON-Phase) wechselten mit 25 s Ruhe (OFF-Phase), dabei wurde alle 5 s das komplette Gehirn zur Messung des BOLD-Effekts gescannt.

fMRT-Analyse

Die vorbereitenden Analyseschritte (Korrektur von Bewegungsartefakten, Intensitätsnormalisierung) sind in einer anderen Veröffentlichung beschrieben [15]. Auch die erneute Analyse erfolgte mit dem Softwarepaket MEDx (Sensor Systems, Sterling, VA, USA). Für die jetzige Analyse wurden zunächst wiederum die dreidimensionalen Hirnscans der ON-Phasen mittels T-Test mit den dreidimensionalen Hirnscans der OFF-Phasen verglichen. Allerdings wurde nun für jeden Voxel die mittlere Differenz berechnet und für jedes Individuum eine „mean difference map“ (MDM), also eine dreidimensionale Darstellung der mittleren Differenzen aller Voxel, erstellt. Jede dieser MDM wurde zum Zwecke der interindividuellen Vergleichbarkeit in einen Standardraum übertragen. MDM für die gesamten Gruppen wurden berechnet, indem die einzelnen MDMs aufsummiert und durch die Quadratwurzel der Anzahl der MDM geteilt wurden. Mittels eines weiteren T-Tests wurde dann die mittlere Aktivierung jedes Voxels der Gruppe der Patienten mit der des entsprechenden Voxels der Kontrollgruppe verglichen.

Die multiplen statistischen Vergleiche wurden bei der Signifikanzberechnung durch Korrektur mittels Gauß-Feldtheorie [42] berücksichtigt. Die Signifikanzschwelle lag bei einem korrigierten p=0,05. Hirnregionen mit unterschiedlicher neuronaler Aktivierung wurden durch Überlagerung der Ergebnisse über ein hochauflösendes MRI-Bild eines Standardhirnes lokalisiert. Die Koordinaten statistisch signifikant unterschiedlicher Hirnareale wurden in das Talairach-Koordinatensystem übertragen und mit Hilfe automatisierter Software identifiziert. Statistische Signifikanzen sind präsentiert als Z-Werte. Z-Werte charakterisieren eine normalisierte Verteilung mit einem Mittelwert von 0. Jeder Schritt von 1 entspricht einer Standardabweichung (z. B. z = 2 bedeutet 2 SD über dem Mittelwert, z = −3 bedeutet 3 SD unterhalb des Mittelwerts).

Ergebnisse

Die Daten von Patienten und Gesunden sind in Tab. 1 dargestellt. Beide Gruppen waren hinsichtlich Alter und Body Mass Index (BMI) vergleichbar. Patienten hatten tendenziell höhere Depressivitätscores auf der „Center-for-epidemiological-studies-Depressionsskala“ (CES-D), der Unterschied war jedoch nicht signifikant. Kein Patient hatte Depressivitätswerte über 16 Punkte, was das gleichzeitige Vorhandensein einer Depression zumindest unwahrscheinlich macht. Patienten hatten signifikant niedrigere Schmerzschwellen innerhalb und außerhalb des MRT-Scanners.

Tab. 1 Charakteristika von Patienten mit Rückenschmerzen (LBP) und Gesunden (HC)

Die statistische Analyse der durch gleich schmerzhafte, in der LBP-Gruppe signifikant niedrigere (3,9 vs. 5,6 kg, p=0,03) Druckstimuli ausgelösten neuronalen Aktivierungen beider Gruppen zeigte eine signifikant reduzierte Aktivierung im periaquäduktalen Grau (PAG) in der LBP-Gruppe sowie eine signifikant stärkere Aktivierung im kontralateralen primären somatosensorischen Kortex (S1), sekundären somatosensorischen Kortex (S2) und lateralen orbitofrontalen Kortex (LOFK), verglichen mit der Kontrollgruppe (Tab. 2; Abb. 1).

Tab. 2 Hirnareale mit signifikant stärkerer neuronaler Aktivierung bei Patienten mit Rückenschmerz (oberer Teil) und bei Gesunden (unterer Teil), Koordinaten und Signifikanzniveau der Differenzen
Abb. 1
figure 1

Schmerzevozierte neuronale Aktivierungen. Areale mit signifikanten Unterschieden zwischen den Gruppen sind farbig über ein hochauflösendes T1-gewichtetes Hirn-MRT gelegt. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Mehraktivierung im kontralateralen primären und sekundären somatosensorischen Kortex (S1, S2) und im lateralen orbitofrontalen Kortex sowie eine signifikante Minderaktivierung im periaquäduktalen Grau (PAG) der Rückenschmerzgruppe (LBP)

Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigten bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eine signifikant reduzierte Aktivierung im Bereich des periaquäduktalen Grau zusammen mit einer signifikant stärkeren Aktivierung im Bereich der somatosensorischen Kortizes und des lateralen orbitofrontalen Kortex. Diese Unterschiede der neuronalen Aktivierungen konnten beobachtet werden, obwohl Stimuli subjektiv gleicher Schmerzintensität verabreicht wurden, die bei den Patienten signifikant niedrigere Drücke erforderten.

Zentrale Schmerzverarbeitung

Das PAG (zusammen mit der rostralen ventralen Medulla, RVM) gilt als zentrale Schaltstelle der absteigenden inhibitorischen Systeme. Dieses Konzept wird durch experimentelle [4] und klinische Studien [39] unterstützt. Das System funktioniert durch die schnelle, automatische Gegenregulation zur Kontrolle nozizeptiver afferenter Information via absteigender inhibitorischer Bahnen. Das PAG erhält u. a. Signale vom Frontalkortex [40], Hypothalamus [6], dem anterioren Insulakortex [21] und den Amygdalae [20], die alle auch mit der Schmerzverarbeitung assoziiert wurden. Das kaudale PAG leitet die Informationen weiter zur RVM, die diese ihrerseits zu den schmerzübertragenden Neuronen des Hinterhorns und der Trigeminusganglien weiterleitet. So lässt sich z. B. durch direkte elektrische Stimulation des PAG Analgesie induzieren [1, 5, 8, 36].

Ebenso wie beim PAG produziert die elektrische Stimulation der RVM Analgesie und inhibiert die schmerzübertragenden Neurone des Hinterhorns und der Trigeminusganglien [1, 5].

Aktivierungen im primären und sekundären somatosensorischen und lateralen orbitofrontalen Kortex werden konsistent in fMRT-Studien mit Schmerzstimulation beobachtet [3, 33]. Somatosensorische Kortexareale werden mit der Verarbeitung der Stimulusintensität assoziiert [9, 19], und ihre Aktivierung korreliert linear mit der Intensität des verabreichten Stimulus [9]. Die Aktivierung des LOFK wird mit der affektiven und kognitiven Schmerzdimension in Verbindung gebracht [32]. Dieses Areal soll die Schmerzempfindung modulieren, indem z. B. die affektive Schmerzantwort unterdrückt wird [31]. Gesteigerte Aktivität im LOFK wurde auch im Zusammenhang mit der Erwartung von Schmerzreizen berichtet [34].

Unsere Gruppe chronischer Rückenschmerzpatienten zeigte also eine reduzierte Aktivierung in Regionen der Antinozizeption (PAG), und auf der anderen Seite überproportional stärkere Aktivierungen in Regionen der basalen Nozizeption (S1, S2) und Schmerzkognition (LOFK). Schmerzmodulierende Neurone in PAG und RVM erhalten nozizeptive Informationen von der gesamten Körperoberfläche. Die nozizeptiven Signale werden von den Trigeminuskernen und spinalen Hinterhörnern über den retikulospinalen und den dorsolateralen Funikulus zur Schaltstelle im PAG weitergeleitet. Die Neurone dort werden gemeinsam aktiviert, was dafür spricht, dass das inhibitorische System die Kontrolle über die Schmerzneurone der Trigeminuskerne und Hinterhörner eher als Gesamteinheit ausübt, denn als topographisch getrennte Einzeleinheiten. Es erscheint daher möglich, dass eine Minderfunktion des PAG wie in unserer Studie zu der beobachteten, erhöhten Aktivierung in den somatosensorischen Kortizes führen kann.

Einschränkend muss gesagt werden, dass die Region des Mittelhirns, in der wir die signifikanten Unterschiede lokalisierten, am Rand des mit der fMRT untersuchten Hirnareals liegt und somit anfällig für Artefakte ist. So war die Analyse einer weiteren Gruppe von Patienten mit Fibromyalgie, die Bestandteil der ursprünglichen Studienpopulation war, nicht möglich, da bei der Mehrzahl der Patienten das Mittelhirn zu sehr im Randbereich des erfassten Areals lag. Da die Signalstärke am Rand des sog. „field of view“ (FOV) rapide abnimmt, waren neuronale Aktivierungen im Bereich des Mittelhirns in dieser Gruppe nicht zu verwerten. Das PAG lässt sich jedoch grundsätzlich im fMRT darstellen [39], d. h. es gibt in dieser Region einen BOLD-Effekt. Allerdings ist das PAG eine kleine Struktur, sodass bei der Auflösung der fMRT-Bilder eine eindeutige Identifikation solcher Strukturen an ihre Grenzen stößt. Auf jeden Fall sollte bei fMRT-Studien der Schmerzverarbeitung darauf geachtet werden, dass das Mittelhirn großzügig im FOV eingeschlossen ist.

Mögliche Einflussfaktoren

Viele Patienten mit chronischen Rückenschmerzen leiden auch an Depressionen oder depressiven Verstimmungen [11]. In einem kürzlich erschienenen Artikel konnten wir zeigen, dass zu den durch Depression beeinflussten Hirnarealen die Amygdalae gehören [16], die Verbindungen zum PAG haben [20]. Eine gleichzeitig vorliegende Depression könnte also Einfluss auf unsere Untersuchungsergebnisse haben. Die Depressivität unserer Patienten war zwar tendenziell höher als die der Gesunden, der Unterschied war jedoch nicht signifikant. Kein Patient hatte einen Depressivitätsscore über 16 Punkte, was das Vorhandensein einer manifesten Depression bei unseren Patienten zumindest unwahrscheinlich macht. Wir sind daher der Meinung, dass die beobachteten Unterschiede der Schmerzverarbeitung nicht durch das Vorliegen einer Depression beeinflusst sind.

Aufgrund der geringen Fallzahl und Selektion der Patienten ist es nicht möglich, unsere Ergebnisse auf andere Patienten mit chronischen Rückenschmerzen auszudehnen. Diese sind jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach eine sehr heterogene Population, die lediglich die symptomatische Endstrecke, nämlich die Schmerzsymptomatik und Lokalisation, gemeinsam haben. Wenn aber die Veränderung der zentralen Schmerzverarbeitung bei einer gewissen Anzahl von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eine Rolle spielt, hätte dies auch klinische Bedeutung. Die Messung der individuellen Schmerzschwelle könnte Bestandteil der klinischen Evaluation werden, und eine erniedrigte Schmerzschwelle könnte auf eine Minderfunktion des absteigenden inhibitorischen Systems hinweisen.

Unterschiede in der Schmerzverarbeitung bei Männern und Frauen wurden beschrieben [14]. Da die Geschlechterverteilung in unseren Studiengruppen unterschiedlich war, wollten wir ausschließen, dass die beschriebenen Ergebnisse durch diesen Unterschied bedingt sind. Ein Vergleich der Schmerzschwellen und der neuronalen Aktivierungen zeigte jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen innerhalb der Studiengruppen.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse dieser Analyse deuten darauf hin, dass gesunde Individuen inhibierende Systeme aktivieren, um die Schmerzempfindung zu regulieren und zu kontrollieren. Unsere Patienten mit chronischen Rückenschmerzen zeigten eine signifikant geringere Aktivierung der Antinozizeption und vermutlich als Folge davon einen stärkeren nozizeptiven Input in den somatosensorischen Kortexarealen. Diese zentralnervöse Pathophysiologie ging mit einer ausgeprägten mechanischen Hyperalgesie einher und könnte ein möglicher Pathomechanismus für die klinische Schmerzsymptomatik sein.

Fazit für die Praxis

Diese neue Analyse von fMRT-Daten einer Gruppe von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen identifiziert einen möglichen Pathomechanismus für die klinische Schmerzsymptomatik. Eine veränderte Funktion der schmerzinhibitorischen Systeme, deren Zentrale das PAG ist, könnte Ursache für eine zentrale Schmerzverstärkung sein. Natürlich bedürfen präliminäre Studien wie diese der Replikation. Sollte sich jedoch bestätigen, dass die Schmerzsymptomatik bei einer Untergruppe von Patienten mit idiopathischem chronischem Rückenschmerz eher auf eine reduzierte zentrale Schmerzinhibition als auf Schädigung oder Entzündung peripherer Strukturen zurückzuführen ist, müsste sich bei diesen Patienten der diagnostische und therapeutische Fokus in Zukunft verstärkt auf diese Funktion des zentralen Nervensystems konzentrieren. Erniedrigte mechanische Schmerzschwellen könnten im Rahmen der klinischen Evaluation erhoben werden und ein Hinweis auf diesen zentralnervösen Pathomechanismus sein.