Problemstellung

Nach Aussage der Arzneimittelhersteller und ihrer Verbände leidet die Pharmabranche unter einer „Innovationskrise“. Demnach erfordert die Entwicklung neuer Produkte heute erheblich mehr Investitionen als in den vergangenen Jahrzehnten. Hersteller warnen, der Nachschub neuartiger Wirkstoffe könnte ins Stocken geraten. Die verschlechterte Aussicht auf neue Therapieoptionen setzt die Gesetzgeber und Behörden in den USA und in Europa unter Handlungsdruck. Arzneimittel, die vermittels Biomarker basierter Tests die Patientenpopulation nach metabolisch bedingt unterschiedlichen Reaktionen stratifizieren, erscheinen in dieser Situation nicht nur den Unternehmen als möglicher Ausweg aus schwieriger Lage. Entsprechend umfangreich ist der Diskurs über die Chancen dieser neuen Technologie und die Voraussetzungen ihrer Vermarktung. Zentrale Punkte sind unter anderem die Verfahren zur behördlichen Zulassung sowie zur Bewertung seitens der Finanzierungsträger der Krankenversorgung.

Unter dem Gesichtspunkt des gesellschaftlichen Nutzens der neuen Technologie sind die folgenden Fragen zu stellen. Bestehen bei Zulassung und Nutzenbewertung unnötige Hürden, die Arzneimittelhersteller durch Verzögerungen und Kostenbelastungen davon abschrecken, stratifizierende Produkte zu entwickeln? Helfen die Organisationen der Zulassung oder Nutzenbewertung den Unternehmen, die jeweiligen Verfahren erfolgreich zu durchlaufen, insbesondere durch koordinierte und effiziente Prozeduren sowie Transparenz über die erforderlichen Studien? Resultiert andererseits aus der Reform der Verfahren eine Privilegierung der neuartigen Wirkstoffe, die allokationsethisch fatal erscheint, weil sie die Stabilität der Solidarsysteme durch hohe Kosten gefährdet?

Portfoliomanagement der Arzneimittelhersteller

Soweit neue Wirkstoffe mit erheblichem medizinischen Zusatznutzen und breitem therapeutischen Anwendungsgebiet („Blockbuster-Medikamente“) nicht zu erwarten sind, bedarf es mehrerer kleinerer Innovationen. Damit ändern sich die Markt- und Entwicklungsstrategien der Firmen in Richtung einer stärkeren Diversifizierung der Angebotspalette und einer breiteren Streuung nach Teilmärkten [17]. Als lukrative Marktlücke kann sich die Therapie besonders seltener Erkrankungen durch so genannte „Orphan Drugs“ erweisen [15], zumal die Zulassungsbehörden für die Entwicklung solcher Medikamente Anreize setzen. Bei stratifizierten Patientenpopulationen besteht nicht nur eine höhere Wahrscheinlichkeit, den Status als Orphan Drug zu erreichen, sondern auch eine Chance, mit Hinweis auf eine besonders gute Wirksamkeit höhere Preise zu erzielen.

Viele Marktbeobachter konstatieren einen Trend zur individualisierten Pharmakotherapie und erwarten überdurchschnittliche Absatzchancen entsprechender Arzneimittel und Tests [1]. Zugleich bedeutet die Personalisierung für die Arzneimittelhersteller aber auch einen Strukturwandel. Umsatzeinbußen drohen insbesondere den Herstellern von Blockbuster-Medikamenten, wenn ein Konkurrent ein fokussiertes Präparat zur Behandlung derselben Indikation anbietet. Die betreffenden Firmen sind sehr zurückhaltend, selbst durch solche Produkte das Interesse der Patienten nach individualisierten Produkten zu wecken und den Markt ihres Umsatzträgers zu fragmentieren. Für sie besteht ein starker Anreiz, die Individualisierung zu lenken, indem sie Hersteller von Tests in Kooperationen einbinden oder aufkaufen. Diese Form strategischer Akquisitionen, nicht zur Erweiterung des Produktportfolios sondern zum Schutz bestehender Umsätze, ist bereits bei der Übernahme von Generikaproduzenten beobachtet worden [10].

Zulassung in den USA

In den USA erfolgt die Zulassung von Medikamenten und Gentests in unterschiedlichen Einheiten der „Food and Drug Administration (FDA)“. Die stratifizierenden Wirkstoffe durchlaufen das für Arzneimittel übliche Verfahren im „Center for Drug Evaluation and Research (CDER)“. Für die Zulassung von Medizinprodukten und somit der Tests ist das „Center for Devices and Radiological Health (CDRH)“ zuständig. Es prüft die Zuverlässigkeit der Analyse, jedoch nicht den therapeutischen Nutzen der damit verbundenen Anwendung in Verbindung mit stratifizierenden Arzneimitteln. Grundlage ist das ACCE-Modell, welches als Prüfkriterien die analytische Validität, die klinische Validität, den klinischen Nutzen sowie ethische, rechtliche und soziale Wirkungen anlegt. Das Zulassungsverfahren richtet sich nach der Einstufung in die Risikoklassen I bis III. Genetische Tests werden oft mit Stufe III klassifiziert. Hier ist das so genannte „510(k)-Verfahren“, das Kandidaten mit bereits zugelassenen Produkten vergleicht, nicht ausreichend. Außerdem fehlen nicht selten Vergleichsprodukte. Stattdessen kommt die „Premarket Approval Application (PMA)“ zur Anwendung. Nur sie erfordert randomisierte und kontrollierte Studien.

Im Jahr 2003 verabschiedete die FDA einen Richtlinienentwurf („Draft Guidance for Industry on Pharmacogenomic Data Submission“) [5], welcher die Unternehmen aufforderte, Gentests bei ihren Entwicklungsprojekten einzusetzen und die gewonnenen Daten an die Behörde zu senden. Diese sollten dazu verwendet werden, das Zulassungsverfahren und die geforderten Studiendesigns weiterzuentwickeln. Die „Voluntary Exploratory Data Submissions (VXDS’s)“ werden von der „Institutional Pharmacogenomics Review Group (IPRG)“ ausgewertet. Das europäische Pendant der FDA, die „European Medicines Agency (EMA)“, ist dem VXDS-Programm assoziiert. Von der Richtlinie ging das Signal aus, dass stratifizierende Gentests erwünscht sind und in der vorgeschlagenen Form Eingang in die industrielle Entwicklung finden sollten. Da sie auch Angaben enthielt, in welcher Weise die Ergebnisse der Gentest in den Zulassungsverfahren berücksichtigt werden, gab sie den Herstellern erstmals Orientierung, welche Daten die Zulassungschancen steigern. Die FDA nannte ihren forschungs- und arzneimittelpolitischen Vorstoß zur Förderung der Gentestung seit 2004 „Critical Path Initiative“ [13]. Die finale Richtlinie („Guidance for Industry on Pharmacogenomic Data Submissions“) erschien 2005 [6]. In 2007 folgte ein Richtlinienentwurf mit weiteren Spezifikationen zu den Testverfahren („Guidance for Industry. Pharmacogenomic Data Submissions – Companion Guidance“) [8].

Die FDA konkretisierte ab 2007 auch die Anforderungen an die Übermittlung von Daten im Rahmen des Zulassungsverfahrens von Gentests und pharmacogenetischen Tests. Die Richtlinie „Pharmacogenetic Tests and Genetic Tests for Heritable Markers“ formulierte Anforderungen an die erforderlichen Daten für das 510(k)-Verfahren und die Premarket Approval Application [7]. Die Antragsteller haben Angaben zum klinischen Zweck, zum Biomarker und zum adressierten Patientenkreis zu machen. Die Richtlinie beinhaltet Spezifikationen zu Vergleichsstudien mit bereits zugelassenen Produkten, zur anzuwendenden Software, klinischen Studien und der Erstellung des Beipackzettels. Im Jahr 2011 folgte die FDA-Richtlinie „In Vitro Companion Diagnostic Devices“ [9]. Sie unterscheidet die Biomarker basierten Tests genauer nach drei möglichen Verwendungen: zur Stratifizierung der Patienten nach wahrscheinlichem Therapieerfolg, zur Stratifizierung nach erwartbaren adversen Reaktionen und zum Monitoring des Therapieverlaufs. Die Richtlinie stellt fest, dass die stratifizierenden Vortests von den Arzneimittelherstellern im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit des Wirkstoffes während Phase II und III validiert werden sollten. Die FDA kündigt an, dass die Vortests im Kontext ihrer Anwendung auf ein spezifisches Medikament evaluiert werden. Die Risiken dieser Anwendung entscheiden darüber, ob die Zulassung des Medizinprodukts durch das 510(k)-Verfahren oder das PMA-Verfahren erfolgt. Die Büros der Arzneimittelzulassung und der Medizinproduktezulassung wirken hierbei zusammen. Falls ein Hersteller beabsichtigt, einen bereits zugelassenen Test als Vortest eines anderen Medikaments zu vermarkten, stellt dies eine neue Anwendung dar und es ist ein neues Zulassungsverfahren nach 510(k) oder PMA notwendig. Falls ein Hersteller einen alternativen Vortest als Konkurrenzprodukt zu einem bereits zugelassenen Vortest zu vermarkten beabsichtigt, benötigt dieser ein eigenes Zulassungsverfahren nach 510(k) oder PMA.

Die Unterstützung der FDA bei der Arzneimittelentwicklung kann auch im Wege direkter finanzieller Zuschüsse erfolgen. So gewährt sie bis zu $ 150.000 für Studien der Phase I und $ 300.000 für Studien der Phasen II und III, wenn es sich um Orphan Drugs handelt. Für diese gelten auch beschleunigte Zulassungsverfahren mit reduzierten Anforderungen bei der Signifikanz der Studien. So überrascht es nicht, dass die Hersteller argumentieren, einer Förderung bei seltenen Krankheiten müsse eine Förderung bei seltenen Genotypen folgen, da es sich in beiden Fällen um kleine Patientenpopulationen handelt. Der „Orphan Drug Act (ODA)“ von 1983 bietet nach Auffassung der FDA hierfür jedoch keine Rechtsgrundlage [11].

Zulassung in Europa

Auch die in Europa für Arzneimittelzulassung zuständige European Medicines Agency begrüßt den Einsatz stratifizierender Tests bei der Arzneimittelentwicklung. Zuständige Abteilung der EMA ist das „Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP)“. In der 2007 vom CHMP verabschiedeten Richtlinie „Reflection Paper on the Use of Pharmacogenetics in the Pharmacokinetic Evaluation of Medicinal Products“ heißt es wörtlich: „When the genotype is predicted or known to markedly affect the PK of pharmacologically active compounds contributing to in vivo efficacy and/or safety of a medicinal product, genotyping is encouraged in as many of the phase I, II and III clinical studies as possible to increase the amount of data that will support the recommendations for use in the genetic subpopulation(s)“ [2]. Im Jahr 2010 folgten Entwürfe für zwei Richtlinien zum Einsatz von Biomarker basierten Tests in der Arzneimittelentwicklung. Erster betrifft die allgemeinen Methoden der Stratifizierung der Patientenpopulation. Zweiter gibt Hinweise zur gleichzeitigen Entwicklung Biomarker basierter Vortests und Arzneimittel. Die bedeutendste Richtlinie ist die „Guideline on the Use of Pharmacogenetic Methodologies in the Pharmacokinetic Evaluation of Medicinal Products“, die vom CHMP im Jahr 2012 herausgegeben wurde [3]. Sie geht näher auf die Studiendesigns und Aufbereitung der Ergebnisse für die Antragsdossiers ein. Ansätze zu einer organisatorischen Integration von Arzneimittel- und Testzulassung zeigen die Richtlinien der EMA nicht.

Bislang bestehen in Europa wie in den USA keine Sonderregelungen zur Zulassung von stratifizierenden Arzneimitteln. Eine vereinfachte Zulassung ist also nur unter Ausnutzung anderer besonderer Zulassungsverfahren möglich. So kann die Erlaubnis aufgrund außergewöhnlicher Umstände erteilt werden, obwohl keine Aussicht besteht, die erforderlichen Studien beizubringen. Meist handelt es sich dabei um Orphan Drugs. Diese Ausnahme-Zulassung („Marketing Authorisation under Exceptional Circumstances“) wird von der EMA jährlich überprüft. Außerdem können seit 2006 Medikamente, die bei lebensbedrohlichen Krankheiten Therapieerfolge versprechen, eine „bedingte Zulassung“ („Conditional Approval“) für ein Jahr erhalten, die anschließend verlängert werden kann, wenn die Unternehmen glaubhaft versichern, dass die erforderlichen Studienergebnisse nachgereicht werden können. Für die Hersteller stratifizierender Arzneimittel ist insbesondere die Ausnahme-Zulassung von Interesse. Sie verspricht eine zeitlich nicht begrenzte Privilegierung durch Verzicht auf die üblichen Studienergebnisse.

Die Vortests werden in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU zugelassen, weil es im Gegensatz zu den Arzneimitteln keine europäische Zulassungsbehörde für Medizinprodukte gibt. Die EU hat jedoch eine Richtlinie zur Harmonisierung der Verfahren erlassen, wonach eine Zertifizierung nach europäischen Sicherheitsstandards erforderlich ist. In Deutschland regeln das „Medizinproduktegesetz (MPG)“ und die „Medizinprodukte-Verordnung (MPV)“ aufbauend auf der EU-Richtlinie Inverkehrbringung und Betrieb von Medizinprodukten. Diese müssen hierzu die in der gesamten EU gültige „CE-Kennzeichnung“ aufweisen, wofür eine Konformitätsbewertung durch so genannte „benannte Stellen“ Voraussetzung ist. Die Produkte werden nach der Feststellung ihres Risikopotenzials einer von vier Klassen zugeordnet (I, IIa, IIb, III) und entsprechend unterschiedlich strengen Tests unterzogen. Gemäß der Richtlinie der EU verlangt das MPG zudem eine „klinische Bewertung“ hinsichtlich der Eignung für den Verwendungszweck.

Im Falle genetischer Tests bei Patienten folgen MPG und MPV der „Europäischen Richtlinie über In-Vitro-Diagnostika“ [4]. Die für die Umsetzung der MPV zuständige Behörde, die „Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG)“, benennt spezifische Produktzertifizierungsstellen für In-Vitro-Diagnostika (IVD). Gesundheitswissenschaftler kritisieren, dass viele IVD’s, welche das CE-Kennzeichen erhalten haben, in Bezug auf ihre Eignung für den Verwendungszweck unzureichend überprüft wurden [12]. Im Falle der Vortests stratifizierender Arzneimittel wäre die Zulassung weniger verlässlicher Tests ein Risiko für die Patienten. Nicht immer werden stratifizierende Arzneimittel in Kombination mit einem spezifischen Test zugelassenen. In der Praxis könnten verordnende Ärzte vor die Wahl mehrerer Tests verschiedener Anbieter gestellt sein. Unter diesen könnten sich dann auch ungeeignete Produkte befinden. Es ist also die Frage aufgeworfen, ob die Prüfung der Tests im Rahmen der Medizinproduktezulassung auch für den Verwendungszweck der Vortestung für ein spezifisches Medikament hinreichend gründlich erfolgt. Die Beurteilung der Nutzen-Schaden-Relation der Test-Arzneimittel-Kombination erfordert in jedem Fall die Einbeziehung der Zulassungsstudien des Wirkstoffes. Die Zulassung des Tests im Anschluss an die Arzneimittelzulassung führt zu Verzögerungen. Effizienter wäre ein kombiniertes Verfahren durch Koordinierung der Arzneimittel-Zulassungsbehörde und der benannten Stelle der IVD-Zulassung.

Erstattung in den USA

Die USA sind für die Hersteller aufgrund ihrer Größe ein hoch relevanter Absatzmarkt, angesichts dezentraler Erstattungsentscheidungen und Preisfindung sowie uneinheitlicher Erstattungsmodalitäten allerdings auch schwer einzuschätzen. Im privaten Versicherungsmarkt sind die einzelnen Versicherer selbst dafür zuständig. Ihre Vorgehensweise ist keineswegs einheitlich, berücksichtigt jedoch weitgehend die Studienlage [18]. Die Datenlage gilt als schlechter, verglichen mit nicht stratifizierenden Arzneimitteln [14]. Weil der Zusatznutzen im Vergleich zur bestehenden Therapie („Comparative Effectiveness“) vielfach nur unzureichend nachgewiesen ist, kommt es zu Verzögerungen bei der Aufnahme in den jeweiligen Leistungskatalog. Behandlungsleitlinien medizinischer Gesellschaften sind erst mit zeitlichem Verzug verfügbar.

Bei den öffentlichen Fürsorgesystemen Medicare und Medicaid erfolgt die Entscheidung über die Erstattung bzw. Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch die „Centers for Medicare and Medicaid Services (CMS)“. Bei der Abstimmung von Zulassung und Bewertung streben FDA und CMS ein Verfahren an, die Studien nicht nacheinander sondern zeitgleich zu prüfen. Dazu sind die Anforderung an die Studien anzugleichen [16]. Einige Experten sehen hierin die Chance, den Herstellern bereits in frühen Phasen der Entwicklung ein Feedback auch der späteren Finanzierungsträger zu geben, welche Produkte zu welchen Preisen günstige Aussichten auf Integration in den Leistungskatalog haben.

Vergütung in Deutschland

In Europa sind die Mitgliedsstaaten für Nutzenbewertung und Kostenerstattung zuständig. In Deutschland besteht, ebenso wie in den USA, kein integriertes Nutzenbewertungsverfahren für Arzneimittel-Test-Kombinationen. Arzneimittel und Medizinprodukte werden durch verschiedene Stellen bewertet. Neue Arzneimittel werden in aller Regel erstattet, müssen jedoch einen Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Medikation nachweisen, wenn der Hersteller einen höheren Preis geltend machen will. Falls in den Preisverhandlungen zwischen dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und dem Hersteller keine Einigung erzielt wurde, erfolgt die Festsetzung durch eine Schiedsstelle. Das Verfahren sichert eine Erstattungsfähigkeit des Medikaments ab dem Tag des Inverkehrbringens, außer der Hersteller stellt die Vermarktung ein.

Im Vergleich zu den Arzneimitteln ist die Erstattung der Tests problematisch. Die Tests können nur über die Abrechnungen der sie durchführenden niedergelassenen Ärzte und Krankenhäuser vergütet werden. Die Aufnahme in das Vergütungssystem der Praxen, den „Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM)“, erfolgt nach Prüfung des therapeutischen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Verkompliziert wird die Lage hier dadurch, dass diagnostische Tests alternativ auch als vom Kompetenzzentrum Labor anerkannte Analogleistungen und über schon vorhandene EBM-Positionen abgerechnet werden könnten, was oft zu Streitigkeiten führt. Die Aufnahme in den Fallpauschalenkatalog der Krankenhäuser setzt grundsätzlich kein Prüfverfahren durch den G-BA voraus. Soweit das Produkt als neue Methode anerkannt ist, kann es zudem im Rahmen des Verfahrens für „Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB)“ in teilnehmenden Krankenhäusern provisorisch vergütet werden. Im Ergebnis ist es durchaus möglich, dass die Vortestung nur in einem der beiden Versorgungssektoren vergütet wird.

Fazit

In den USA und in Europa genießen stratifizierende Arzneimittel weder bei der Zulassung noch bei der Bewertung Privilegien in Form geringerer Anforderungen an die Studien. In beiden Systemen sind sie nicht a priori als Orphan Drugs klassifiziert. Während die Zulassung von Arzneimitteln und Tests in den USA innerhalb der FDA erfolgt und prozesstechnisch weiter integriert werden soll, liegt sie in Europa im Falle der Arzneimittel bei der EMA und im Falle der Tests bei nationalen Zertifizierungsstellen. Eine Kopplung der beiden Zulassungsverfahren ist schwieriger. Ein organisatorischer Anschluss der Testzulassung an die Arzneimittelzulassung könnte eine Änderung der Medizinprodukte-Richtlinie der EU erfordern. In den USA liegt die Bewertung von Arzneimitteln und Tests im Falle der Kostenerstattung durch Medicare und Medicaid gleichermaßen bei den CMS. Eine Koordinierung von Zulassung und Bewertung zwischen FDA und CMS befindet sich im Aufbau. In Deutschland ist der maßgebende Akteur der Nutzenbewertung sowohl bei Arzneimitteln als auch Tests der G-BA. Die Verfahren sind jedoch weitgehend getrennt. Ob Zulassung und Erstattungsentscheidung der Tests koordiniert werden können, indem benannte Stellen und G-BA zusammenwirken, bedarf weiterer Analyse. Trotz der höheren institutionellen Fragmentierung im Vergleich zu den USA ist Deutschland ein relativ günstiger Markt für stratifizierende Arzneimittel. Praktisch alle Medikamente mit Zusatznutzen gelangen zügig und zu relativ hohen Preisen in die Erstattung. Die Zulassung der Vortests gilt trotz der Verschärfung der Vorschriften als eher unproblematisch. Zumindest im stationären Sektor werden sie zeitnah vergütet. Es bestehen somit keine unzumutbaren Hürden für die Hersteller, die Zurückhaltung bei der Entwicklung innovativer Wirkstoffe rechtfertigen würden. Ob die neuartigen Arzneimittel die gesetzliche Krankenversicherung finanziell überfordern, ist aufgrund der begrenzten Zahl der Produkte im Markt noch nicht zu beurteilen. Leistungsrechtliche Einschränkungen beim Zugang der Versicherten sind bislang nicht nötig und kurzfristig nicht zu erwarten. Weiterer Untersuchung bedarf allerdings, ob und in welcher Weise der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen das Kostenproblem im Rahmen der Preisverhandlungen mit den Herstellern „entschärft“, wie wirksam eine solche Kostendämpfung mittelfristig sein kann und was deren Effekt auf die Verfügbarkeit neuer Wirkstoffe ist.