FormalPara Erwiderung

Gaertner K, Beer A‑M, Matthes H et al (2023) Plädoyer für eine objektive Prüfung der vorliegenden Evidenz zur Homöopathie bei rheumatischen Erkrankungen. https://doi.org/10.1007/s00393-023-01423-5.

FormalPara Originalpublikation

Keyßer G, Michalsen A, Reuß-Borst M et al (2023) Empfehlungen der Kommission Komplementäre Heilverfahren und Ernährung zu ayurvedischer Medizin, Homöopathie, Ernährung und mediterraner Kost. Z Rheumatol. 82:517–531. https://doi.org/10.1007/s00393-023-01356-z.

Wir bedanken uns für die ausführliche Rezeption unserer Veröffentlichung und die engagierte Auseinandersetzung mit dem dort vorgestellten Material. Die Autorinnen und Autoren des Leserbriefs stellen zur Diskussion, dass die Empfehlung der DGRh(Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V.)-Kommission für Komplementäre Heilverfahren und Ernährung die Evidenz zur Wirksamkeit der Homöopathie nicht ausreichend würdigen würde.

Die KollegInnen schreiben: „Im Gegensatz zur Aussage der Autoren ist die Wirksamkeit der Homöopathie in der Literatur nachgewiesen und beschrieben [14, 16, 19, 22, 23].“ Die im Leserbrief angeführten Literaturzitate lassen jedoch deutlichen Spielraum für Interpretationen zu:

  • Referenz 14 schließt mit dem Satz „The results of our meta-analysis are not compatible with the hypothesis that the clinical effects of homoeopathy are completely due to placebo. However, we found insufficient evidence from these studies that homoeopathy is clearly efficacious for any single clinical condition.“ [8]

  • Referenz 16 schließt mit dem Satz: „Medicines prescribed in individualised homeopathy may have small, specific treatment effects. …The low or unclear overall quality of the evidence prompts caution in interpreting the findings.“ [9]

  • Referenz 19 stammt vom Autor der Ref. 16 und analysiert die Studienqualität von 32 klinischen Studien zur Homöopathie. Dabei wurden 3 Studien als qualitativ hochwertig beschrieben, 8 als von mäßiger Qualität. Als hochwertig wurde eine Studie von Bell et al. zur Fibromyalgie eingestuft (zur Fibromyalgie s. Ausführungen weiter unten), die übrigen Studien hatten keine rheumatologischen Indikationen. Den verbliebenen 21 wurde schlechte oder sehr schlechte Qualität mit hohem Risiko für Bias attestiert [11].

  • Referenz 22 (Titel: „Evidenzbasierte Veterinär‑/Homöopathie und ihre mögliche Bedeutung für die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzproblematik – ein Überblick“) bezieht sich nicht auf rheumatologische Indikationen [15].

  • Referenz 23 ist eine Stellungnahme zu einer Leserbriefdiskussion [16].

Die AutorInnen schreiben weiterhin: „Erstaunlich ist, dass die Autoren im Abschnitt ‚Überblick über die wissenschaftliche Evidenz in der Literatur: Die Evidenz für eine Wirksamkeit der homöopathischen Therapie‘ im Wesentlichen die Übersichtsarbeit von Shang et al. [20] aus dem Jahr 2005 als Beleg für die ungenügende Wirksamkeit heranziehen. … Zudem ist diese Metaanalyse zu undifferenziert, bereits veraltet und durch neuere abgelöst [16–19].“

In dem angesprochenen Abschnitt haben wir 11 Metaanalysen aufgeführt. Die Kritik an der hochrangig publizierten Metaanalyse von Shang et al. [13] nehmen wir zur Kenntnis. Allerdings tragen die von den AutorInnen angeführten 4 Literaturzitate (alle mit gleichem Erstautor) nicht wesentlich dazu bei, die Evidenzlage bezüglich der Rheumatologie zu verbessern. Auf Ref. 16 und 19 haben wir bereits Bezug genommen. Ref. 17 schlussfolgert: „The quality of the body of evidence is low. A meta-analysis of all extractable data leads to rejection of our null hypothesis, but analysis of a small sub-group of reliable evidence does not support that rejection. Reliable evidence is lacking in condition-specific meta-analyses, precluding relevant conclusions.“ [11]. Ref. 18 zieht das Fazit: „Due to the low quality, the small number and the heterogeneity of studies, the current data preclude a decisive conclusion about the comparative effectiveness of IHT“ [10] (IHT: „individualised homeopathic treatment“).

Für die Hinweise der Leserbrief-AutorInnen zur Homöopathie bei ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung), kindlichen Durchfallerkrankungen, allergischer Rhinitis und onkologischen Patienten bedanken wir uns. Die Metaanalyse klinischer Studien zum kindlichen ADHS (Referenz 7 im Leserbrief) [4] erschien erst nach der Fertigstellung unseres Manuskripts. Wir werden den Verweis auf das ADHS bei der nächsten Aktualisierung berücksichtigen. Im Übrigen beziehen sich unsere Empfehlungen auf rheumatische Krankheitsbilder.

Die Ausführungen der KorrespondentInnen zu Fibromyalgie zeigen erneut, welchen Interpretationsspielraum es bei der Bewertung von klinischen Daten gibt. Den Vorwurf einer tendenziösen Aussage weisen wir zurück: Der Inhalt der Leitlinie Fibromyalgie wurde von uns korrekt wiedergegeben. In den Empfehlungen der Kommission steht: „Eine deutsche Leitlinienkommission für die Bewertung komplementärer und alternativer Heilverfahren für das FMS erzielte bei der Bewertung der HT keinen Konsens, daher wurde weder eine positive noch eine negative Empfehlung ausgesprochen [114].“ Diese Ausführungen sind im Leitlinientext überprüfbar. Dort heiß es: „Die negative Empfehlung für Homöopathie der Version 2.0 (2012) der Leitlinie wurde durch ‚fehlender Konsens‘ ersetzt, da es bei der Leitlinienkonferenz keinen Konsens für eine Empfehlung bei Nachweis der Wirksamkeit von Homöopathie in einer systematischen Übersichtsarbeit gab.“ (https://register.awmf.org/assets/guidelines/145-004l_S3_Fibromyalgiesyndrom_2019-11_1-abgelaufen.pdf [awmf.org]).

Die von den KorrespondentInnen selbst als veraltet bezeichnete angesprochene Metaanalyse [6] zur rheumatoiden Arthritis (RA) haben wir in der Tat nicht zitiert. Der Bewertung der AutorInnen über diese Arbeit schließen wir uns jedoch nicht an. Über die Metaanalyse von Jonas et al. heißt es im Leserbrief: „trotz mehrfachen Nachrechnens fiel diese immer positiv für die homöopathische Behandlung aus, was sich die Autoren gar nicht erklären konnten, da die Wirkung von hochpotenzierten Arzneien ‚unplausibel‘ sei.“ Nach unserer Ansicht werden in dem Artikel die Schwächen der wenigen und an kleinen Fallzahlen durchgeführten Studien zur RA differenziert dargestellt [6]. Für die RA haben wir mehrere jüngere Arbeiten angeführt, die unsere negative Bewertung für die RA unterstützen [1, 3, 14]. Der Leserbrief steuert keine aktuelleren Daten zur Wirksamkeit der Homöopathie bei RA bei.

Die VerfasserInnen des Leserbriefes erheben im Weiteren den Vorwurf einer unvollständigen Darstellung der Studienlage zur Gonarthrose und verweisen auf eine Datenbank kontrollierter homöopathischer Studien der Universität Bern. Dort „existieren zur Gonarthrose 11 kontrollierte Studien, von denen die meisten positiv ausfallen.“ Die erwähnten 11 Studien (einsehbar unter https://www.ikim.unibe.ch/forschung/fachbereiche/klassische_homoeopathie___potenzierte_substanzen/homeopathy_clinical_trials/index_ger.html) setzen sich zusammen aus 3 nicht randomisierten Studien, 2 randomisierten Studien mit negativem Ergebnis in Bezug auf das primäre Zielkriterium [5, 7] und einer Studie, bei der Akupunktur effektiver als Homöopathie wirkte [12]. Die übrigen Studien beziehen sich in der Mehrzahl auf ein Präparat, das in Deutschland von einigen Krankenkassen als freiwillige Zusatzleistung übernommen werden kann, aber nicht generell zulasten der Krankenkassen verordnungsfähig ist. Eine systematische Literaturrecherche zur Arthrose („osteoarthritis“) stufte die Evidenzlage zu Homöopathie als „schwach oder widersprüchlich“ ein [2]. Wir bleiben daher bei unserer Position, die gültige S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) zur Gonarthrose heranzuziehen, die keine Empfehlung für die Homöopathie ausspricht.

Wir stimmen der Anmerkung der Verfasser zu, dass auch außerhalb der Homöopathie zahlreiche klinische Studien nicht den stringenten Anforderungen an eine evidenzbasierte Medizin genügen. Die These, dass sich die „Studienqualität im Fachbereich Homöopathie … mindestens auf dem Niveau der 105 besten konventionellen Studien“ bewegen würde, ist jedoch mit der angegebenen Referenz [16] nicht belegt.

Wir erkennen an, dass den AutorInnen als ausgewiesenen ExpertInnen auf dem Gebiet der Homöopathie ihr Fachgebiet eine Herzensangelegenheit ist. Die Mitglieder der Kommission stellen jedoch den Anspruch, die Homöopathie aus rheumatologischer Sicht zu beurteilen. Daher stellt die Kommission die Ergebnisse homöopathischer Studien in den Kontext der gesamten therapeutischen Möglichkeiten, die, basierend auf höchsten Evidenzgraden, das Schicksal vieler Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in den letzten Jahren entscheidend verbessert haben.

Unsere Empfehlungen werden in 2 Jahren überarbeitet. Wenn bis dahin neue aussagekräftige Studienergebnisse zur Homöopathie auf dem Gebiet der Rheumatologie vorliegen, werden wir diese berücksichtigen. Wir laden die AutorInnen des Leserbriefs auch ausdrücklich dazu ein, aus ihrer Sicht relevante neue Studien zu rheumatischen Erkrankungen im Vorfeld an die Kommission heranzutragen. Bis zur Überarbeitung werden wir auf Basis der oben angeführten Fakten die negative Empfehlung der Kommission für Komplementäre Heilverfahren und Ernährung zur Homöopathie bei rheumatischen Erkrankungen nicht ändern.