Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags …

  • können Sie die autoinflammatorischen Erkrankungen nach ihren klinischen Leitsymptomen einteilen,

  • haben Sie die bekannten treibenden immunologischen Mechanismen der autoinflammatorischen Erkrankungen kennengelernt,

  • erfassen Sie die Bedeutung der genetischen Diagnostik und ihre Limitationen,

  • kennen Sie die Unterschiede und den Nutzen der Sanger-Sequenzierung und der Next-Generation-Sequenzierung.

Einleitung

In den letzten 2 Jahrzehnten haben die Erkenntnisse zur Autoinflammation erheblich zugenommen. Erfolge wurden bei der Aufdeckung immunologischer Mechanismen und auf dem Gebiet der genetischen Diagnostik und nicht zuletzt bei den therapeutischen Optionen zu einem gezielten Eingriff in den Pathomechanismus erzielt, dies zum Nutzen der Patienten. Anamnese, Symptomatik und klinische Diagnostik können für die Diagnose ausreichend sein. Genetische Analysen können jedoch unterstützend für eine definitive Diagnose und Behandlung beitragen.

Seit der genetischen und pathophysiologischen Charakterisierung der ersten autoinflammatorischen Erkrankungen 1997 – familiäres Mittelmeerfieber (FMF) und TNF(Tumor-Nekrose-Faktor)-Rezeptor-assoziiertes periodisches Syndrom (TRAPS) – sind weitere genetische und klinische Erkenntnisse Hand in Hand mit grundlegenden Entdeckungen von angeborenen Immunsensoren und Entzündungswegen vorangeschritten, die die Signalerkennung mit der Produktion und Freisetzung von wichtigen proinflammatorischen Zytokinen verbinden ([1]; Abb. 1). So wurden zunächst Mutationen in 4 Inflammasom-assemblierenden Proteinen mit autoinflammatorischen Phänotypen in Verbindung gebracht:

  • dem NOD-like-Rezeptor(NLR)-Gen NLRP3, das bei einer Gain-of-Function-Mutation zum Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndrom (CAPS) führt,

  • im MEFV-Gen, das für Pyrin kodiert und zum FMF führt,

  • Gain-of-Function-Mutationen des NLRP1-Inflammasoms und

  • des NLRC4-Inflammasoms und dem angeborenen Immunsensor NOD2.

Diese betreffen jeweils ein IL(Interleukin)-1-aktivierendes Inflammasom und lassen die Bedeutung der IL-1-Aktivierung erkennen [2].

Abb. 1
figure 1

Zeitstrahl der genetischen Aufklärung. Rot: Interleukin-1-getriebene Erkrankungen, blau: Interferon-Typ-1-getriebene Erkrankungen, grün: NF-kB-getriebene Erkrankungen, schwarz: anderer oder unklarer Mechanismus

Zeitlich nachfolgend, wurden intrazelluläre Wege, die zur vermehrten Produktion von Typ-I-Interferonen (IFN) (z. B. IFN-α) führen, als Ursache für weitere autoinflammatorische Phänotypen identifiziert [3, 4, 5, 6, 7]. Diese Erkrankungen sind eine Untergruppe einer größeren Gruppe von Erkrankungen mit angeborener und adaptiver Dysregulation des Immunsystems, die als Interferonopathien bezeichnet werden [8].

Gemeinsamkeit dieser Erkrankungen ist die Störung wichtiger angeborener Immunmechanismen, die z. B. die Produktion der Zytokine IL-1β und der Typ-I-Interferone regulieren. Die damit verbundene Pathogenese dieser „autoinflammatorischen Erkrankungen“ legte nahe, diese Zytokine als Targets für wirksame Behandlungsstrategien anzugreifen und eine Kategorisierung der zunehmenden Anzahl genetisch definierter autoinflammatorischer Erkrankungen vorzunehmen [9, 10].

Autoinflammation klinisch

Klinische Leitsymptome autoinflammatorischer Erkrankungen können diagnostisch wegweisend sein: Hierzu gehören wiederholte Fieberschübe ohne zugrunde liegende Infektion, anhaltend erhöhte Entzündungszeichen, das Vorliegen einer oder mehrerer Symptome wie Exantheme, Urtikaria, Aphthen, Pustulose, Osteitis/Arthritis, Schwerhörigkeit und/oder Uveitis. Ein genetischer Hintergrund wird vermutet, wenn mehrere Mitglieder einer Familie betroffen sind, bei Konsanguinität oder bei bestimmter geografischer Herkunft der Familie. Der klassische Weg der Diagnosefindung beruht somit auf der klinischen Präsentation nach Leitsymptomen.

Leitsymptom Fieberschübe

Erkrankungen mit wiederkehrenden Fieberschüben waren die ersten klinisch und genetisch charakterisierten Entitäten. Die erkennbare familiäre Häufung und die auffällige regionale Herkunft der Patienten war namengebend z. B. für das FMF oder auch das Hyper-Ig(Immunglobulin)D-Syndrom, das als Dutch-Fever, und das „TNF receptor-associated periodic syndrome“ (TRAPS), das zunächst als Hibernian-Fever bekannt wurde [11]. Sie zeigen regelhaft ein signifikantes klinisches Ansprechen auf eine Interleukin-1(IL-1)-inhibierende Therapie.

Zusätzlich sind im Fieberschub auftretende urtikarielle Hauterscheinungen zu beachten, die wegen der Häufung in der kälteren Jahreszeit auch familiäre Kälteurtikaria genannt werden. Erytheme im Fieberschub finden sich beim FMF und beim TRAPS. Schon früh im Säuglingsalter auftretende exanthematöse Hauterscheinungen sind typisch für das Hyper-IgD-Syndrom und NOMID („neonatal-onset multisystemic inflammatory disease“)/CINCA („chronic infantile neurologic cutaneous and articular“). Klinische Charakteristika sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Autoinflammatorische Erkrankungen mit dem Leitsymptom Fieberschübe

Schließlich muss auch das sehr häufige PFAPA(periodisches Fieber, aphthöse Stomatitis, Pharyngitis und Adenitis)-Syndrom zu den autoinflammatorischen Erkrankungen mit ungeklärter Ätiologie gezählt werden. Ein hilfreicher diagnostischer Score zur Abgrenzung von PFAPA zu anderen autoinflammatorischen Erkrankungen kann unter https://www.printo.it/eurofever/periodic_fever berechnet werden.

Leitsymptom psoriasiforme Hauterscheinungen

Kardinalsymptom dieser Erkrankungsgruppe ist ein pustulöser oder psoriasisartiger Ausschlag (Tab. 2). Hierzu zählt die Defizienz des Interleukin-1-Rezeptorantagonisten (DIRA) durch eine autosomal-rezessiv vererbte Loss-of-Function-Mutation im Gen für den Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten (IL-1RA). Somit fehlt dieser als Gegenspieler des proinflammatorischen IL-1β [12]. Gleiches gilt für den autosomal-rezessiv vererbten Mangel an IL-36-Rezeptorantagonisten („deficiency of the IL-36 receptor antagonist“ [DITRA]) [13].

Tab. 2 Erkrankungen mit psoriasiformen Hauterscheinungen

Auch bei der keratinozytenspezifischen CARD14-Hyperaktivität („CARD14 mediated psoriasis“ [CAMPS]) kommt es zu früh einsetzender generalisierter pustulöser und Plaquepsoriasis [14]. Das Majeed-Syndrom beschreibt eine früh einsetzende, nichtinfektiöse Osteomyelitis mit einer dyserythropoetischen, hypochromen, mikrozytären Anämie und neutrophiler Dermatose. Es wird durch Mutationen in LPIN2 verursacht [15].

Leitsymptom knotige Hautveränderungen

Bei weiteren autoinflammatorischen Erkrankungen sind andersartige Hauterscheinungen prominent. Diese können knotig/nodulär sein, ulzerierend, Livedo-artig oder auch nekrotisch. Das CANDLE(chronische atypische neutrophile Dermatose mit Lipodystrophie und erhöhter Temperatur)-Syndrom oder PRAAS(Proteasom-assoziiertes autoinflammatorisches)-Syndrom ist eine seltene Funktionsstörung der Proteasomen verursacht durch Mutationen im PSMB8-Gen oder zusätzlichen Proteasomkomponenten (PSMA3, PSMB4, PSMB9, POMP) [3]. Das CANDLE-Syndrom beginnt früh, im 1. Lebensjahr mit Fieberschüben und knotigen Hautveränderungen. Zusätzlich können Gelenkkontrakturen, Muskelatrophie, Lipatrophie, Schwellungen an Fingern und Zehen, generalisierte Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie und Gedeihstörung bestehen.

Das „autoinflammation panniculitis dermatosis syndrome“ (AIPDS) – oder auch Otulinopathie (ORAS, „OTULIN-related autoinflammatory syndrome“) genannt – beginnt ebenso im Neugeborenenalter mit Fieberschüben, Pannikulitis und Lipodystrophie. Ursächlich ist eine gestörte Ubiquitinierung mit Veränderungen im FAM105B-Gen, aus der eine Aktivierung des NF-κB-Signalwegs resultiert.

Das „early-onset immune-dysregulatory syndrome of neutrophilic panniculitis, interstitial lung disease and cytopenias“ bezeichnet eine Erkrankung mit neutrophiler Pannikulitis, fazialer Lipodystrophie, Lungenbeteiligung, (Pan‑)Zytopenie und variabler Veränderung der weißen Substanz in der zerebralen Magnetresonanztomographie (MRT). Das betroffene Gen, SAMD9L, kodiert für ein Protein mit Bedeutung bei der Endosomenfusion. Die Deletion eines Allels von SAMD9L (Haploinsuffizienz), auch der Verlust des Chromosoms 7, auf dem sich SAMD9L befindet (Monosomie 7), sind assoziiert mit Myelodysplasie. Missense-Mutationen sind beim Ataxie-Panzytopenie-Syndrom beschrieben.

Die infantile Polyarteriitis nodosa/Defizienz der Adenosin-Deaminase 2 (DADA2) ist eine systemische, nekrotisierende Vaskulitis kleiner und mittelgroßer Arterien, die sich an der Haut als Knoten oder Livedo reticularis zeigt. Neurologische Manifestationen sind ischämische und hämorrhagische Schlaganfälle sowie periphere Neuropathien. Die Erkrankung beginnt in der Regel vor dem 10. Lebensjahr (77 %), 24 % sind jünger als 1 Jahr. Andere Gewebe können ebenso durch eine Ischämie betroffen sein, insbesondere gastrointestinal, renal und kardial. Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt; es handelt sich um Loss-of-Function-Mutationen im Gen CECR1, dem Gen, das für Adenosin-Deaminase 2 (ADA2) kodiert [16]. Das Fehlen von ADA2 bewirkt, dass sich Makrophagen und Monozyten zu proinflammatorischen Zellen differenzieren, was zu Schäden und Entzündungen des vaskulären Endothels führt [17]. TNF-Inhibitoren scheinen protektiv gegenüber dem Auftreten von hämorrhagischen und ischämischen Insulten zu wirken [18].

Leitsymptom Autoinflammation und Autoimmunität

In frühen Abhandlungen der autoinflammatorischen Erkrankungen standen Autoimmunität und Autoinflammation in einem Gegensatz, sodass das Fehlen von Autoantikörpern als ein Charakteristikum genetisch bedingter Autoinflammation galt [19]. Dieses Paradigma wurde revidiert, da einige der Erkrankungen auch Autoantikörper aufweisen und mit klassischen Autoimmunerkrankungen wie einem systemischen Lupus erythematodes oder klassischen Vaskulitiden wie der Polyarteriitis nodosa verwechselt werden können. Dies trifft insbesondere für die Typ-1-Interferonopathien zu, die auch als monogenetischer Lupus bekannt sind. Hierzu zählen z. B. die STING-assoziierte Vaskulopathie mit infantilem Beginn (SAVI), das Aicardi-Goutières-Syndrom (Typ 1–7), die X‑chromosomale retikuläre Pigmentstörung (XLRPD), der USP 18-Mangel, die chronische atypische neutrophile Dermatitis mit Lipodystrophie (CANDLE), das Singleton-Merten-Syndrom und die Spondyloenchondrodysplasie mit Immundysregulation (SPENCDI).

Bei „STING-associated vasculopathy with onset in infancy“ (SAVI) besteht früh eine schwere Vaskulitis/Vaskulopathie, die kleine Hautgefäße betrifft, am stärksten in den distalen Extremitäten, was zu Vasookklusion und akralen Nekrosen führt. Einige Patienten entwickeln auch eine progressive, vital bedrohliche interstitielle Lungenerkrankung. Autoantikörper (ANA [antinukleäre Antikörper], ENA [extrahierbare nukleäre Antikörper], ANCA [antineutrophile zytoplasmatische Antikörper], Antiphospholipidantikörper) sind mehrheitlich nachweisbar. Immunologisch besteht eine Typ-1-Interferon-Aktivierung aufgrund einer Gain-of-Function-Mutation in TMEM173-Gen, das für STING („stimulator of interferon genes“) kodiert. Dessen Aktivierung führt zur Induktion Interferon-abhängiger Gene und selbst auch zur Interferoninduktion [20].

Beim Aicardi-Goutières-Syndrom (AGS) treten in der frühen Kindheit in der Regel neurologische Symptome auf, die in Zusammenhang mit einer subakuten Enzephalomyelitis mit Liquorpleozytose stehen. Im Verlauf zeigen sich Basalganglienverkalkung, Spastizität, Parästhesien und langfristige neurologische und kognitive Defekte mit Verlust zuvor erworbener Fähigkeiten. In der Bildgebung können Basalganglienverkalkungen detektiert werden. Neben der ZNS(Zentralnervensystem)-Manifestation werden Chilblains-ähnliche Hautveränderungen oder eine Livedo reticularis beschrieben, des Weiteren Zytopenien, insbesondere Thrombozytopenien. Autoantikörper werden ebenso beobachtet. Bei frühzeitiger Diagnose, d. h. vor irreversibler Schädigung, sollte eine Indikation zur antientzündlichen (Dauer‑)Therapie zur Vermeidung der fortschreitenden neurologischen Schädigung gestellt werden.

Patienten mit COPA-Syndrom fallen durch eine früh auftretende Polyarthritis auf: Häufig betroffen sind die Knie- und die Interphalangealgelenke der Hände; 76 % der Patienten erkranken im Alter von unter 5 Jahren. Daneben kommt es zu einer Lungenbeteiligung mit chronischer follikulärer Bronchiolitis oder auch akuten Lungenblutungen. Eine renale Beteiligung kann im späten Teenageralter hinzutreten. Neben erhöhten Entzündungsmarkern finden sich häufig eine Hypergammaglobulinämie, Rheumafaktoren und Anti-CCP(zyklische citrullinierte Peptide)-Antikörper.

Die Spondyloenchondrodysplasie mit Immundysregulation (SPENCDI) ist eine syndromale Erkrankung mit Kleinwuchs, Kontrakturen, Platyspondylie und metaphysärer Dysplasie. Röntgenuntersuchungen zeigen einen typischen Befund mit gestörter kartilaginärer Ossifikation. Neurologische Störungen sind Spastik, Entwicklungsverzögerung, Ataxie, geistige Behinderung und in der Bildgebung eine Basalganglienverkalkung. Immunologisch zeigt sich eine Immundefizienz mit Infektionen, Thrombozytopenie, hämolytischer Anämie, Hypothyreose und SLE(systemischer Lupus erythematodes)-ähnlichen Erscheinungen, sodass die Erkrankung auch zu den monogenetisch vererbten Lupus-erythematodes-Formen zählt. Ursächlich ist eine Mutation im ACP5-Gen auf Chromosom 19p13.2. Das kodierte Enzym ist eine Tartrat-resistente saure Phosphatase [7, 21].

Autoinflammation immunologisch

Das Verständnis der Pathophysiologie und die daraus abzuleitenden Therapieoptionen lassen auch eine immunologische Klassifikation der autoinflammatorischen Erkrankungen zu.

Inflammasomopathien – Interleukin-1β-vermittelte Erkrankungen

Inflammasome sind Multiproteinstrukturen, die Caspase‑1 enthalten, das Interleukin-1-Converting-Enzym (ICE). Wird dieses aktiviert, so erfolgt die Umwandlung von Pro-IL-1β zu IL-1β, das sezerniert wird und in einem autokrinen Regelkreis die eigene Produktion verstärkt. IL-1β ist das stärkste endogene Pyrogen und ein wirksamer Aktivator von Neutrophilen und Makrophagen. Es wird aus Pro-Interleukin-1β durch proteolytische Spaltung durch Caspase‑1, dem Interleukin-1-Converting-Enzym (ICE), generiert.

Aber auch die vermehrte Sekretion anderer proinflammatorischer Zytokine, z. B. IL-18, und der inflammatorische programmierte Zelltod, die Pyropoptose, werden induziert. Verschiedene Inflammasome werden namensgebend nach den Nukleotid-bindenden und Leucin-reichen Repeat(LRR)-haltigen Proteinen (NOD-like-Rezeptor[NLR]-Familie) unterschieden, so NLRP1-, NLRP3- und NLRC4-, sowie die Absent in Melanoma 2(AIM2)- und Pyrin-Inflammasome. Gain-of-Function-Mutationen in Genen, die für diese Sensoren kodieren, sind ursächlich für diese monogenetischen Autoinflammationserkrankungen mit dem Leitsymptom „Fieber“ (Tab. 1). Pyrin ist das Proteinprodukt des MEFV-Gens. Mutationen führen nicht nur zum FMF [22], sondern sind auch mit einer anderen entzündlichen Erkrankung, der Pyrin-assoziierten Autoinflammation mit neutrophiler Dermatose, assoziiert [23].

Das NLRP3-Inflammasom ist das bei Weitem am besten charakterisierte Inflammasom. Es kann durch vielfältige Gefahrensignale stimuliert werden, darunter K+-Ausstrom, mitochondrialen Stress, Produktion reaktiver Sauerstoffradikale und auch Harnsäurekristalle wie bei der Gicht [24]. Dabei interagieren die Pyrindomänen des NLRP3-Oligomers mit den Pyrindomänen des Adapterproteins ASC. Dieser Prozess löst eine Kaskade von ASC-Polymerisation aus, die ASC zu großen Fasern zusammenfügt. Durch CARD-CARD-Wechselwirkungen rekrutieren und aktivieren ASC-Polymere mehrere Pro-Caspase-1-Moleküle. Dies führt zur Aktivierung der Caspase‑1 und ermöglicht die Spaltung von inaktivem Pro-IL-1β in seine aktive Form IL-1β.

Auch Mutationen im NLRC4-Inflammasom sind mit Autoinflammation assoziiert. Klinisch bestehen wiederkehrendes Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS), familiäre Kälteurtikaria, eine neonatale Enterokolitis sowie periodische systemische Entzündungsschübe [25, 26]. Eine Mutation im Gen für das NLRP1-Inflammasom führt zu einem Syndrom, das als NLRP1-assoziierte Autoinflammation mit Arthritis und Dyskeratose (NAIAD) bezeichnet wurde und mit 2 Hauterkrankungen assoziiert ist: multiples selbstheilendes Palmoplantarkarzinom und familiäre Keratosis lichenoides chronica [27].

NF-κB-vermittelte Autoinflammation

Der „nuclear factor κB“ (NF-κB) ist an einer Vielzahl von Entzündungs‑, Stoffwechsel‑, Proliferations- und Entwicklungssignalen beteiligt. Verschiedenste Reize wie Stress, Ausschüttung unterschiedlicher Zytokine, freie Radikale, UV-Bestrahlung, oxidierte Low-density-Lipoproteine sowie bakterielle und virale Antigene nutzen den aktivierenden NF-κΒ-Weg. Die Erkrankungen sind klinisch sehr heterogen (Tab. 3).

Tab. 3 NF-κB-abhängige autoinflammatorische Erkrankungen

Interferon-Typ-1-abhängige Autoinflammation

Typ-1-Interferone (Interferon‑α und -β) haben proinflammatorische Eigenschaften und bewirken eine Aktivierung von T‑Lymphozyten, verstärken die Antikörperproduktion und zeigen eine Antivirus- und Antitumorwirkung (Tab. 4). Sie binden an membranständige Interferonrezeptoren, was eine Signaltransduktion über die Kinasen JAK1 und TYK2 und wiederum STAT1 und STAT2 auslöst. Ein herausragendes Merkmal der IFN-Antwort

Tab. 4 Interferon-Typ-1-abhängige autoinflammatorische Erkrankungen

ist ihre Vorwärtsverstärkung, d. h. eine autokrine Entzündungsverstärkung. Zu den Interferonopathien können verschiedene Krankheitsbilder gezählt werden mit sehr unterschiedlichen Aktivierungen des Interferonwegs. Intrazelluläre Stressoren, die Erkennung von DNA(Desoxyribonukleinsäure)- oder RNA(Ribonukleinsäure)-Molekülen durch Toll-like-Rezeptoren (TLR) 3, 7, 8 und 9 in Endosomen und durch zytosolische DNA- und RNA-Sensoren tragen physiologisch zur antiviralen Immunität bei. Diese zytosolischen Sensoren signalisieren dies durch das im endoplasmatischen Retikulum ansässige Protein STING und induzieren Interferon-abhängige Gene. Gleiches wird durch Gain-of-Function-Mutationen von STING selbst bewirkt. „STING-associated vasculopathy with onset in infancy“ (SAVI) wird durch eine solche Gain-of-Function-Mutation im Gen TMEM173 verursacht.

Aicardi-Goutières-Syndrome (AGS) werden durch Veränderungen in verschiedenen Genen hervorgerufen, die Störungen im intrazellulären DNA- und RNA-Metabolismus hervorrufen. Beim AGS finden sich beispielsweise autosomal-rezessive Mutationen in der Exonuklease TREX1 (Three-Prime-Repair-Exonuclease 1), den Ribonukleasen RNASEH2A, RNASEH2B und RNASEH2C, einem Gen für das Enzym mit Phosphohydrolase- und Nukleaseaktivität, SAMHD1, und für die ds(Doppelstrang)RNA-spezifische Adenosin-Deaminase ADAR1. Die resultierende Anhäufung von Nukleotiden führt zu intrazellulären Gefahrensignalen nicht unähnlich einer Virusinfektion: Dies führt zu Zellstress und löst eine Typ-I-Interferon-Produktion aus. Hohe IFN-α-Spiegel im Liquor während der Schübe sind Biomarker, die bei der Diagnosestellung hilfreich sind. Eine sog. positive „Interferon-Gensignatur“ ist jedoch auch aus peripheren Blutzellen messbar.

Andererseits können Gefahrensignale auch von zytosolischen Proteinen ausgehen, dies z. B. bei dem CANDLE(chronische atypische neutrophile Dermatose mit Lipodystrophie und erhöhter Temperatur)-Syndrom. Proteasomen sind für den kontrollierten Abbau von Proteinen aus dem Zellzytoplasma bedeutsam. Knock-out-Tiermodelle weisen auf die Bedeutung des Proteasoms und der Beeinträchtigung der Zellhomöostase bei defekter Ausschleusung akkumulierter Proteine hin, was schließlich eine erhöhte Apoptosebereitschaft bewirkt [3]. Eine Funktionsstörung durch Mutationen in Proteasom-bildenden Proteinen (z. B. PSMB8, PSMA3 PSMB4, PSMB9, POMP) führt zu intrazellulärem Stress [28]. Histologisch zeigen sich in der Dermis ein neutrophiles Infiltrat und eine deutliche Erhöhung des IFN-γ-induzierten Proteins (IP-10) mit einer prominenten IFN-induzierten Gensignatur. Autoantikörper wie ANA, ENA-Antikörper (Anti-SSA, Anti-RNP) und ANCA sowie Antiphospholipidantikörper können vorkommen und vermitteln trügerischerweise den Eindruck einer erworbenen Autoimmunerkrankung.

Auch beim autosomal-dominant vererbten COPA-Syndrom zeigt die Analyse des peripheren Blutes eine Aktivierung des Typ-1-Interferon-Signalweges, aber auch vermehrte Th17-Zellen und eine proinflammatorische Zytokinexpression einschließlich IL-1β, IL‑6, IL-17 und IL-23. Genetisch liegt eine heterozygote Missense-Mutation im COPA-Gen (speziell in der WD40-Domäne der Coatomer-Untereinheit alpha, COPα-Protein) mit variabler Expressivität vor. Das COPA-Gen kodiert für die Untereinheit des Coatomer-Protein-Komplexes, einem für den retrograden Proteintransport vom Golgi zum endoplasmatischen Retikulum (ER) erforderlichen Trägerkomplex. Pathogenetisch ist der Rücktransport von Proteinen aus dem Golgi-Apparat zum endoplasmatischen Retikulum gestört. Dieses Proteindefizit wird durch eine erhöhte m(„messenger“)RNA-Proteintranslation kompensiert, die wiederum den ER-Stress erhöht und zu einer abnormalen zellulären Autophagie (Abbau zelleigenen Materials) führt. Einige Hinweise deuten darauf hin, dass diese gestörte Autophagie auch die IL-1β-Antwort heraufregulieren kann [29, 30].

Granulomatöse Erkrankungen

Diese Krankheiten sind durch Granulombildung und Autoinflammation gekennzeichnet. Granulome stellen den Versuch von Makrophagen dar, infektiöse Organismen einzukapseln. Die chronische granulomatöse Gewebeentzündung ist eine Form der Makrophagendysfunktion.

Nichtinfektiöse Granulome werden im Zusammenhang mit autoinflammatorischen Erkrankungen gesehen, die durch Mutationen in NOD2, PLCG2 und LACC1 verursacht werden und das Blau-Syndrom, „PLCG2 related antibody deficiency with immune dysregulation/autoinflammation PLCG2 related antibody deficiency with immune dysregulation“ (PLAID/APLAID) bzw. eine Form der monogenen Still-Krankheit mit potenziell granulomatöser Darmentzündung verursachen (Tab. 5) [31].

Tab. 5 Autoinflammatorische Erkrankungen mit granulomatöser Entzündung

Die am meisten verbreitete Erkrankung ist das Blau-Syndrom, eine infantile familiäre Sarkoidose, die mit der Trias aus symmetrischer (histologisch granulomatöser) Polyarthritis, granulomatöser Uveitis und (nicht verkäsender) und ekzematöser, ichthyosiformer und lichenoider Dermatitis auffällt [32].

Die autosomal-dominante Gain-of Function-Mutation in der NACHT-Domäne des Nukleotid-bindenden Oligomerisierungsdomäne 2(NOD2)-Gens führt zur vermehrten Aktivierung von NF-κB, einem intrazellulären Signaltransduktor [33]. Interessanterweise sind Funktionsverlust(„loss-of function“)-NOD2-Mutationen stark mit einer Morbus-Crohn-Krankheit assoziiert, ebenso mit granulomatöser Entzündung.

Autoinflammation genetisch

Genetische Diagnostik hat die Aufklärung der Ursachen zahlreicher Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten revolutioniert. Sowohl Keimbahnmutationen, Keimbahnmosaike als auch somatische Mutationen können Erkrankungen hervorrufen. Die Kenntnis über das Vorliegen solcher Veränderungen kann nicht nur eine eindeutige Diagnose liefern, sondern auch für Therapieentscheidungen essenziell sein.

Eine Liste von Mutationen, die mit autoinflammatorischen Störungen in Verbindung gebracht werden, finden Sie unter http://fmf.igh.cnrs.fr/ISSAID/infevers/.

Merke

Genetische autoinflammatorische Erkrankungen sind selten.

Merke

Die klinische Symptomatik dient der Einteilung, die immunologische Kategorisierung dem pathogenetischen Verständnis.

Merke

Die molekulargenetische Diagnostik soll die klinische Diagnostik ergänzen und dazu beitragen den Diagnoseprozess zu verkürzen.

Sanger-Sequenzierung

Die klassische Sequenzierung nach Sanger beruht auf der Vervielfältigung eines von Primern, kurzen DNA-Oligonukleotiden, flankierten Genabschnitts. Bei der Polymerasekettenreaktion wird, ausgehend vom an die DNA bindenden Primer, der DNA-Strang von einer DNA-Polymerase abgelesen und eine komplementäre Kopie angefertigt. Aus Original und Kopie werden in Zyklen weitere Kopien vervielfältigt. Die Bestimmung der Basensequenz (Sequenzierung) erfolgt nach dem Prinzip des Kettenabbruchs nach Einbau des letzten markierten Nukleotids (früher radioaktiv, heute mit Fluoreszenzfarbstoffen markiertes Didesoxynukleosidtriphosphat) [34]. Für seine Leistung erhielt Sanger 1980 den Nobelpreis für Chemie.

Die Sequenz des mithilfe der Polymerasekettenreaktion entstandenen DNA-Segments wird automatisiert gelesen, dies ist in der Regel aber auf 200 bis 1000 Basenpaare beschränkt. Die Sanger-Sequenzierung ist damit eine relativ zeitaufwendige Methode, aber die Methode der Wahl bei hochgradigem Verdacht auf das Vorliegen eines bekannten Gendefektes oder bei Familienuntersuchungen. Die Gen-für-Gen-Sequenzierung ist aber ein teurer diagnostischer Ansatz und wenig geeignet für Patienten mit unklaren autoinflammatorischen Erkrankungen bei immer größerer Anzahl von monogenen Krankheiten mit zunehmend überlappenden Phänotypen. Allerdings dient die Sanger-Sequenzierung weiterhin der Verifizierung von Befunden der Hochdurchsatzsequenzierung, wie z. B. dem Next-Generation-Sequencing.

Next-Generation-Sequencing

Die Hochdurchsatzsequenzierung erlaubt eine komplette Genomsequenzierung (Whole-Genom-Sequencing [WGS]), komplette Exomsequenzierung (Whole-Exom-Sequencing [WES]) oder ausgedehnte Genpanelsequenzierung und hat die genetische Diagnostik in vielen Bereichen der Medizin erweitert und sich in Teilen der klinischen Routine etabliert. Zu diesen gehören die Untersuchungen von Immundefekten, aber auch der autoinflammatorischen Erkrankungen. Diese Methoden erlauben einen zügigen Nachweis bekannter Mutationen und sind zudem Methode der Wahl, um neue genetische Varianten zu entdecken.

Zunächst werden DNA-Fragmente erzeugt, die an komplementäre, fixierte Oligonukleotide gebunden werden. Anschließend erfolgt die Amplifikation der DNA-Fragmente. Dabei werden Cluster identischer DNA generiert, an denen eine parallele Sequenzierung abläuft. Die erhaltenen Daten werden in Form eines DNA-Chips gespeichert und bioinformatisch analysiert. Die Datenmengen können dabei über 200 GB erreichen.

Bislang wurden verschiedene Verfahren zum NGS (Next-Generation-Sequencing) vorgestellt. Bei der Pyrosequenzierung ist Pyrophosphat an die Nukleotide gebunden und wird nach der Basenpaarung freigesetzt, was mithilfe einer enzymatischen Reaktion zu Adenosintriphosphat umgewandelt und im Luciferase-System photometrisch erfasst wird. Bei der Illumina-Sequenzierung sind die Nukleotide an einen fluoreszierenden Farbstoff gebunden. Die Basenpaarung führt zu Anregung des Farbstoffs, die von einem Detektor registriert wird.

Die SOLiD-Sequenzierung basiert auf dem Prinzip des Sequencing-by-Ligation. Hierbei kommen 16 verschiedene, sog. Oligonukleotidsonden zum Einsatz. Jede dieser Sonden trägt einen spezifischen Farbstoff und besteht aus 2 spezifischen und 6 weiteren Basen. An den oben erwähnten Adapter wird ein spezifischer Primer gebunden. Mithilfe einer Ligase wird eine passende Oligonukleotidsonde angelagert. Anschließend wird das Signal des Farbstoffs ausgelesen.

Bei der Halbleitersequenzierung wird die pH-Änderung durch die H+-Ionenfreisetzung bei der Basenpaarung genutzt.

Die Genauigkeit „pro Buchstabe“ ist bei der NGS allerdings geringer als bei der Sanger-Sequenzierung, was durch die Mehrfachlesung der Sequenzen ausgeglichen werden kann. Die Gerätekosten sind höher, und zudem müssen aufwendige Rechenleistung und eine bioinformatische „Infrastruktur“ berücksichtigt werden. Panelbasierte Hochdurchsatzsequenzierungen erfordern zudem eine vorherige Auswahl eines Genpanels. Theoretisch können gleichzeitig bis zu 80 bis 100 Gene analysiert werden, dieses ist allerdings durch die Kostenübernahme seitens der Kostenträger auf eine bestimmte Menge von Basenpaaren limitiert.

Diagnostischer Nutzen von Next-Generation-Sequencing-Genpanels

Bei klinischem Verdacht auf eine autoinflammatorische Erkrankung bietet sich aufgrund überschneidender klinischer Manifestationen eine Paneldiagnostik an, bei der standardisierte Genlisten zur Untersuchung kommen. Diese kann sich nach Leitsymptomen richten, z. B. Fieber. Hier werden Panel vorgeschlagen (z. B. HTR1A, MEFV, MVK, NLRC4, NLRP12, NLRP3, NTRK1, OTULIN, PLCG2, SLC29A3, TNFRSF1A, WDR1) wie auch bei Inflammation mit Leitsymptomatik im Binde- und Stützgewebe (ADA2, ADAM17, AP1S3, ARPC1B, CARD11, CARD14, CCN6, HAVCR2, IL1RN, IL36RN, LPIN2, NFKB1, NLRP1, NOD2, OTULIN, POMP, PSMA3, PSMB4, PSMB8, PSMB9, PSTPIP1, STING1, TNFAIP3) und für die Interferonopathien (ADAR, C1QA, C1QB, C1QC, C1R, C1S, C2, C3, DNASE1, DNASE1L3, IFIH1, ISG15, POMP, PRKCD, PSMA3, PSMB10, PSMB4, PSMB8, PSMB9, RNASEH2A, RNASEH2B, RNASEH2C, SAMHD1, STING1, TREX1, USP18).

Dabei wird eine Vielzahl klinisch sehr unterschiedlicher Gendefekte erfasst. Der Nutzen kann dann sehr hoch sein, wenn das klinische Bild uneindeutig ist. Das Risiko besteht in der Vielzahl von Befunden, die nicht immer eindeutig einzuordnen sind. So sind keineswegs alle genetischen Varianten bedeutsam, Single-Nukleotid-Polymorphismen (SNP, Varianten mit 1 % oder höherer Häufigkeit in der Population) oder Mutationen mit geringer Penetranz bedeuten eben nicht immer, dass dadurch die entsprechende Diagnose auch gestellt werden kann.

Als Beispiel sei hier die genetische Diagnostik beim FMF angeführt. Die Diagnose des FMF beruht auf klinischen Aspekten, die molekulare Analyse des MEFV-Gens dient der genetischen Bestätigung. Allerdings wurden bislang über 200 („missense“) Mutationen im MEFV-Gen beschrieben [35]; 85 % der Patienten haben dabei eine der folgenden 5 Mutationen p.M680I, p.M694V, p.M694I und p.E726A im Exon 10 oder p.E148Q im Exon 2. Hieraus wurde die Empfehlung abgeleitet, insgesamt 14 Varianten zu testen: 9 Varianten sind als eindeutig pathogen definiert (M694V, M694I, M680I, V726A, R761H, A744S, E167D, T267I und I692del), und 5 Varianten sind als von unbekannter Bedeutung definiert (K695R, E148Q, P369S, F479L und I591T) [36].

Es ist also wichtig, die Bedeutung der Mutationen einzuschätzen. In einer Analyse von insgesamt 316 MEFV-Genvarianten wurden neben den 5 als definitiv pathogen bekannten, 48 als wahrscheinlich pathogen, 96 als von unsicherer Bedeutung, 120 als wahrscheinlich gutartig, 10 als definitiv gutartig eingeschätzt, während dies bei 37 ungeklärt blieb [37].

Özen und Bilginer haben einen Algorithmus zur Analyse der Diagnose auf der Basis der genannten Mutationen vorgeschlagen [36]. Während 2 pathogene Mutationen die Diagnose eindeutig bestätigen, ist eine sorgfältige klinische Analyse gerechtfertigt, wenn eine (oder beide) Varianten von unbekannter Bedeutung sind. Im Falle von nur einer Mutation müssen auch andere autoinflammatorische Erkrankungen ausgeschlossen werden. Die Gruppe „Single Hub and Access Point for Paediatric Rheumatology in Europe“ (SHARE) hat ebenfalls Empfehlungen für die genetische Diagnose von FMF entwickelt [38]. Bei unklarer Einschätzung können Datenbanken wie ClinVar (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/clinvar/), HGMD (http://www.hgmd.cf.ac.uk), und InFevers (https://infevers.umai-montpellier.fr/) genutzt werden, die stetig aktualisierte Einschätzung der pathogenetischen Bedeutung von Mutationen bieten, die als eindeutig pathogen, möglicherweise pathogen, unklar oder eindeutig nicht pathogen klassifiziert werden.

Erste Untersuchungen zur Nutzung von NGS-basierten Genpanels stehen zur Verfügung [39]. Omoyinmi et al. untersuchten 50 prospektive autoinflammatorische und Vaskulitispatienten unter Verwendung von 2 Stufen von Sequenzierpanels mit zunächst 113 und dann 166 Genen. Sie entdeckten pathogene oder wahrscheinlich pathogene Varianten bei 32 % der Patienten [40], während dieser Anteil in der Kohorte von Karacan bei 21 % lag [41]. In dieser Kohorte von 156 Patienten mit einer wahrscheinlichen klinischen Diagnose einer autoinflammatorischen Erkrankungen fanden sich bei 70 % genetische Befunde, 21 % hatten mindestens eine pathogene oder wahrscheinlich pathogene Variante, und die restlichen 50 % hatten mindestens eine gutartige, wahrscheinlich gutartige oder unklare Variante [41].

Das NGS-Panel-Screening ergibt eine höhere Diagnoserate im Vergleich zur Sanger-Sequenzierung von ausgewählten Exons in bekannten Genen. Gen-Screening-Studien mit sowohl Sanger- als auch mit NGS-Methoden zeigten, dass die Detektionsrate von pathogenen Varianten, die die klinischen Manifestationen erklären, aber gering blieb [42]. Bei Russo und Brogan hatten etwa 50 % der Patienten mit autoinflammatorischen Erkrankungen keine bekannte genetische Ursache für die Erkrankung [43]. Unabhängig von der Sequenziertechnik und Anzahl der analysierten Gene sind die diagnostischen Erfolgsraten des genetischen Screenings bei autoinflammatorischen Erkrankungen somit nicht ausreichend, was darauf hinweist, dass die Beteiligung zusätzlicher Gene oder exogener Faktoren eine Rolle bei der Pathogenese von autoinflammatorischen Erkrankungen spielen könnten.

Autoinflammatorische Erkrankungen sind klinisch heterogene Krankheiten, und phänotypische Manifestationen können das Ergebnis der individuellen Unterschiede in der genomischen Architektur sein. In den meisten Fällen manifestieren bekannte Defekte in ursächlichen Genen ähnliche Phänotypen, Genotyp-Phänotyp-Abweichungen kommen aber vor.

Beim Cryopyrin-assoziierten periodischen Fiebersyndrom (CAPS), zu dem das familiäre autoinflammatorische Kältesyndrom (FCAS), das Muckle-Wells-Syndrom und die neonatale Multisystementzündungserkrankung (NOMID/CINCA) gehören, wurden über 100 Mutationen identifiziert mit nur geringer Genotyp-Phänotyp-Assoziation. Dies könnte durch die Regulierung der Inflammasomaktivierung durch posttranslationale Modifikationen wichtiger Inflammasomkomponenten bedingt sein. Phosphorylierungs‑/Dephosphorylierungs- und Proteolyseprozesse haben gut dokumentierte Rollen bei der Inflammasomaktivierung. Andere Prozesse wie Ubiquitinierung/Deubiquitinierung, Nitrosylierung und Ribosylierung haben ebenfalls einen Einfluss auf die Inflammasomaktivierung, sind aber weniger gut definiert. Für einige Sensorproteine wie NLRC4 und NLRP3 scheint die posttranslationale Modifikation ein Schritt von vielen zu sein, der letztendlich für die Inflammasomassemblierung erforderlich ist. Für andere, insbesondere Pyrin und NLRP1, scheinen posttranslationale Modifikationen der entscheidende Signalmechanismus zu sein, der zur Inflammasomaktivierung führt.

Die Breite des Einsatzes der NGS-Methode (massiv-parallele Sequenzierung ausgewählter Gene; WES; Whole Genome Sequencing [WGS]; oder gezielte Genpanelsequenzierung) hängt von der klinischen Indikation, den Kosten (der Kostenübernahme) und der Verfügbarkeit ausreichender Computerkapazitäten und bioinformatischer Expertise zur Handhabung der Datensätze ab [44]. Das Hauptargument für die Verwendung eines zielgerichteten Ansatzes in der klinischen Routineversorgung ist, dass er das ethische Problem der zufälligen Entdeckung von Mutationen in Genen minimiert, die in keinem Zusammenhang mit dem untersuchten klinischen Phänotyp stehen, wie die European Society of Human Genetics betont [45].

Kliniker sollten Panels mit Genen entwerfen, die für ihre klinische Praxis von Interesse sind: Panels bieten einen zielgerichteten Ansatz im Vergleich zu WES, eine höhere Sensitivität für die Erkennung von Varianten mit niedriger Allelfrequenz und sind eher in der Lage, klinisch verwertbare Ergebnisse auch zeitnah zu liefern [46]. Die Abb. 2 fasst das mögliche diagnostische Vorgehen bei Verdacht auf ein Autoinflammationssyndrom zusammen. Legen (Familien‑)Anamnese und Befundkonstellation eine bestimmte monogene Erkrankung nahe, so soll zunächst eine Einzelgensequenzierung erfolgen. Bei typischer Präsentation eines PFAPA-Syndroms soll eine genetische Untersuchung nur bei atypischem Verlauf erfolgen. In anderen Fällen kann ein erhöhter diagnostischer Score für die Indikation zur Panel- oder Exomdiagnostik herangezogen werden.

Abb. 2
figure 2

Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf Autoinflammationssyndrom. PFAPA periodisches Fieber, aphthöse Stomatitis, Pharyngitis und Adenitis. Asterisk Panels müssen jährlich um neue Krankheitsentitäten ergänzt werden, damit sie möglichst alle tagesaktuellen kausalen Gene umfassen. (1) https://www.printo.it/eurofever/periodic_fever

Eine Einschränkung besteht allerdings darin, dass Genpanels nur auf bekannte Gene abzielen und nicht geeignet sind, neue genetische Assoziationen zu entdecken. Sie können allerdings stetig aktualisiert und erweitert werden, wenn neue Gene entdeckt werden. Das WES bietet die Möglichkeit zu einem genetischen Screening und der Kombination mit der Erforschung und Entdeckung neuer Gene. Der Zeit- und Kostenaufwand muss die direkten Kosten für die sequenzierten Gene berücksichtigen, die bei der Hochdurchsatzsequenzierung pro Gen niedriger sind als bei der konventionellen Sequenzierung, aber auch Kosten und Zeitaufwand, die für die Interpretation der Ergebnisse und die Berichterstellung entstehen. Dazu müssen medizinethische Aspekte berücksichtigt werden, weil auch genetische Befunde erhoben werden, die ohne (aktuelle) klinische Signifikanz sind oder die ernste, aber unbehandelbare Erbkrankheiten aufdecken oder Befunde, die nicht für den untersuchten Patienten, sondern für Familienmitglieder bedeutsam sind. Informationen und Aufklärung sind hier eine große Herausforderung (Infobox 1). Zudem kann die Erkennung von Befunden ohne medizinische Bedeutung (z. B. SNPs) eher zur Verunsicherung als zum Nutzen gereichen.

Infobox 1

  • Voraussetzungen für einen Gentests sind die ärztliche Indikation und die schriftlich dokumentierte Zustimmung nach dem Gendiagnostikgesetz. Eine vorherige Überprüfung der Kostenübernahme ist bei Selbstzahlern und Beihilfeberechtigten empfehlenswert.

  • Soll bei symptomatischen Patienten eine „diagnostische“ Analyse erfolgen, ist es in der Regel sinnvoll, der Anforderung genetischer Untersuchungen aussagekräftige klinische Angaben beizufügen, um die Auswahl der Sequenzierstrategie und die Interpretation der genetischen Befunde zu erleichtern.

  • Im Falle einer „prädiktiven“ Diagnostik im Zusammenhang mit einer familiären Situation sollte auch bei minimalen, uneindeutigen Symptomen eine genetische Analyse erwogen werden.

  • Die Testung asymptomatischer Personen kann gerechtfertigt sein bei Erkrankungen mit dem Risiko einer irreversiblen Schädigung, wie z. B. Beteiligung des zentralen Nervensystems, bei einem Schlaganfallrisiko wie bei DADA2 oder bei Amyloidoserisiko.

  • Eine pränatale Diagnostik kann derzeit nicht empfohlen werden. Die meisten autoinflammatorischen Erkrankungen sind erfolgreich behandelbar, bei autosomal-dominanter Vererbung ist zudem mit reduzierter Penetranz zu rechnen.

  • Eine Präimplantationsdiagnostik ist aktuell in Deutschland nicht verfügbar.

Fazit für die Praxis

  • Bei klinisch eindeutiger Symptomatik, insbesondere bei Patienten aus Regionen mit hohen Trägerraten, sollte z. B. das MEFV-Gen-Screening Gentest der ersten Stufe sein.

  • Gezielte NGS(Next-Generation-Sequencing)-Panels können die Diagnose von seltenen monogenetischen autoinflammatorischen Gendefekten erleichtern.

  • Der klinische Nutzen von Multi-Gentests ist oftmals beschränkt. Umfangreiche genomweite familiäre Analysen in Kombination mit Whole-Exom-Screening würden zusätzliche genetische Faktoren aufklären, die die Krankheit verursachen.

  • Ein Konsens zum Einsatz der erweiterten genetischen Diagnostik erscheint erforderlich.