Basierend auf experimentellen Mausmodellen und anekdotischen Fällen mit Heilung von hämatologischer Malignität und koinzidenter Autoimmunerkrankung, wird die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (AHSZT) seit über 20 Jahren gezielt zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Mit zunehmender Erfahrung in fachübergreifender Teamarbeit und durch Kombination aus frühzeitiger Zuweisung und optimierter Patientenselektion konnte die initial erhöhte transplantationsassoziierte Mortalität (TRM) in den letzten Jahren erheblich reduziert werden [1], und kontrollierte Studien demonstrierten signifikante Vorteile der AHSZT gegenüber konventionellen Therapieverfahren in den Hauptindikationen systemische Sklerose (SSc) [2,3,4] und multiple Sklerose (MS) [5]. Infolgedessen hat sich die Stammzelltransplantation zusammen mit modernen biologischen Therapien als Standardbehandlungsoption für ausgewählte Patienten mit prognostisch ungünstigen Autoimmunerkrankungen entwickelt. Mechanistische Studien haben zwischenzeitlich auch das Verständnis zum Wirkmechanismus erweitert und erbrachten den „Proof-of-Concept“, dass die erzielten Langzeitremissionen nicht durch intensivierte und prolongierte Immunsuppression, sondern vielmehr durch Re-Induktion von Immuntoleranz hervorgerufen werden.

Ablauf der Stammzelltransplantation

Die AHSZT ist ein mehrstufiges Verfahren (Abb. 1). Zunächst werden durch Granulozytenkolonie-stimulierenden Faktor (G-CSF) allein oder in Kombination mit Cyclophosphamid (CYC) hämatopoetische Stammzellen (HSZ) aus dem Knochenmark in das periphere Blut mobilisiert. Dort werden sie durch Leukapherese entnommen und entweder unmanipuliert oder nach magnetischer Aufreinigung mittels CD34-Selektion kryokonserviert. Zeitversetzt erfolgt die Konditionierung mit hoch dosierter Chemotherapie, die auf das hämatolymphopoetische System abzielt. Anschließend werden die kryokonservierten Stammzellen intravenös rückverabreicht, um eine rasche Neubildung der Hämatopoese und des Immunsystems zu gewährleisten. Grundsätzlich können HSZ vom Patienten selbst (autolog) oder von einem gesunden Individuum (allogen) stammen. Die allogene Stammzelltransplantation birgt das Risiko einer Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD) und ist insgesamt mit erhöhter transplantationsassoziierter Mortalität vergesellschaftet. Daher wird sie nur bei ausgewählten Indikationen bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt [6].

Abb. 1
figure 1

Schematischer Ablauf der autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (AHSZT). Hämatopoetische Stammzellen werden durch G‑CSF (Granulozytenkolonie-stimulierender Faktor) und Cyclophosphamid (CYC) aus dem Knochenmark in das periphere Blut mobilisiert und anschließend durch Leukapherese gewonnen. Häufig werden die Stammzellen durch magnetische Separation (CD34-Selektion) aufgereinigt. Die Prozedur kann zu diesem Zeitpunkt für mehrere Wochen pausiert oder, sofern erforderlich, abgebrochen werden. Nach immunablativer Chemotherapie (Konditionierung) erfolgt die intravenöse Rückgabe der zwischenzeitlich eingefrorenen Stammzellen. Konditionierung und Transplantation erfordern eine stationäre Behandlung, bis das Anwachsen der Stammzellen (Engraftment) abgeschlossen ist. ATG Antithymozytenglobulin

Rationale und präklinische Modelle der autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation bei Autoimmunerkrankungen

Die experimentelle Grundlage für den Einsatz der AHSZT zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen stammt aus translationalen Forschungsergebnissen in Mausmodellen von Ikehara, die bereits 1985 nachwiesen, dass eine Transplantation von Knochenmark mit einer Induktion von Selbsttoleranz verbunden ist [7]. Anschließend demonstrierten van Bekkum et al., dass die Transplantation von syngenen (pseudoautologen) Stammzellen nach Konditionierung zur Heilung induzierter Autoimmunmodelle, insbesondere die kollageninduzierte Arthritis (CIA, als Modell für rheumatoide Arthritis) und experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE, als Modell für multiple Sklerose), führte. Dies deutet darauf hin, dass die induzierte Immuntoleranz die Entwicklung von Autoimmunität auch nach erneutem Kontakt mit Autoantigenen verhindern kann [8, 9].

Wirkungsweise der autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation bei Autoimmunerkrankungen

Daten mehrerer mechanistischer Studien erbrachten mittlerweile den Nachweis, dass die AHSZT nicht nur eine verstärkte bzw. verlängerte Immunsuppression bewirkt, wie initial angenommen, sondern fundamentale Veränderungen des chronisch gestörten Immunsystems hervorruft und einen naiven und selbsttoleranten Zustand wiederherstellen kann. Diese Re-Induktion von Selbsttoleranz wird durch 2 wesentliche Prinzipien ermöglicht:

  • drastische Elimination des pathogenen autoreaktiven Immunrepertoires und

  • tiefgreifende immunologische Erneuerung, d. h. „Immun-Reset“.

In Analogie zur AHSZT für maligne hämatologische Erkrankungen zur Ausrottung maligner Klone wird die Immunablation für Autoimmunerkrankungen unter der Vorstellung einer Depletion autoreaktiver immunologischer Gedächtniszellen durchgeführt. Diese Annahme wird durch serologische Daten und T‑Zell-Rezeptor (TZR)-Repertoire-Analysen gestützt, die das Verschwinden initial vorhandener Serumautoantikörper und prominenter pathogener T‑Zell-Klone nach Transplantation belegen [10,11,12]. Der Immun-Reset bildet die Grundlage für eine Umerziehung des chronisch autoreaktiven Immunsystems in einen selbsttoleranten Zustand. Dies wird durch den Neustart des Immunsystems gewährleistet, der durch funktionelle Erneuerung des adaptiven Immunsystems, einschließlich regulatorischer B‑ und T‑Zellen, gekennzeichnet ist.

Grundprinzipien des Immun-Reset

Die Immunrekonstitution verläuft in verschiedenen Schritten mit unterschiedlicher Dynamik (Abb. 2). Unmittelbar nach AHSZT wird ein breites Spektrum von lymphoiden und myeloiden Zellen entweder vollständig eliminiert oder drastisch reduziert (abhängig von der Intensität des Konditionierungsschemas) – diese Zellen umfassen adaptives Immunsystem-Zellen (T-Zellen, B‑Zellen und Plasmazellen) und angeborene Immunzellen (natürliche Killer[NK]-Zellen, dendritische Zellen, Monozyten und Granulozyten). Anschließend entwickelt sich schrittweise ein neues Immunsystem aus hämatopoetischen CD34+ Stammzellen. Die erste Phase nach Engraftment ist durch klonale Expansion residueller Gedächtnis-T-Zellen gekennzeichnet, hervorgerufen durch Antigenstimulation im Rahmen von Infektionen oder Immunreaktionen unter homöostatischen Bedingungen. Neben protektiven Effektorzellen sind hier auch Immunzellen mit regulatorischer Funktion nachweisbar [10, 13, 14]. Anschließend kommt es zu einer Reifung und Differenzierung von hämatopoetischen Vorläuferzellen zu naiven B‑Zellen im Knochenmark und naiven T‑Zellen im Thymus. Die sog. Thymopoese führt zu einem kontinuierlichen Nachschub von „recent thymic emigrants“ (RTEs) einschließlich Neubildung naiver regulatorischer T‑Zellen und resultiert in einem komplett neuen, naiven und diversen Immunrepertoire [10, 12, 15]. Insgesamt stützen diese Daten die Annahme, dass die AHSZT das Potenzial hat, aberrante Autoimmunreaktionen dauerhaft zurückzudrängen, d. h. die immunologische Uhr zurückzusetzen.

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung der Wirkungsweise der autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (AHSZT). Die immunablative Chemotherapie führt zu einer hochgradigen Immundepletion einschließlich Eliminierung pathogener Gedächtniszellen. Während der ersten 6 Monate nach Transplantation ist eine homöostatische Expansion residueller T‑Zellen nachweisbar, hauptsächlich getriggert durch Antigenstimulation im Rahmen von Infektionen oder Re-Immunisierung. Anschließend erfolgt die Regeneration naiver B‑Zellen aus dem Knochenmark und naiver T‑Zellen durch gesteigerte Thymopoese. Es resultiert eine Diversifizierung des Immunrepertoires als Grundlage zur Re-Induktion von Selbsttoleranz

Registerdaten der Europäischen Gesellschaft für Blut- und Knochenmarktransplantation

Mitte der 1990er-Jahre wurde die Autoimmune Diseases Working Party (ADWP) der Europäischen Gesellschaft für Blut- und Knochenmarktransplantation (EBMT) gegründet und eine zentrale Datenbank zur Erfassung von Transplantationen für Autoimmunerkrankungen eingerichtet. Die ADWP spielt seither auch eine wichtige Rolle bei der Interaktion mit Erkrankungsspezialisten und ihren jeweiligen wissenschaftlichen Fachgesellschaften, fördert klinische [6, 16,17,18] und gesundheitsökonomische [19] Studien und unterstützt Fortbildungsprogramme. Zusammen mit internationalen Kooperationspartnern wurden multidisziplinäre Leitlinien zum Einsatz der AHSZT bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen erarbeitet [20,21,22,23,24,25].

In den letzten 20 Jahren sind Daten von insgesamt 3279 AHSZT-Behandlungen für Autoimmunerkrankungen aus 247 Zentren in 40 Ländern im EBMT-Register erfasst worden (Tab. 1). Die Hauptindikationen sind MS (n = 1615), systemische Sklerose (n = 643), Morbus Crohn (n = 201), Arthritis (n = 191), systemischer Lupus erythematodes (n = 118), Vaskulitis (n = 63) und Immunzytopenie (n = 29). Andere neurologische Erkrankungen umfassten chronisch-inflammatorisch demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP, n = 57), Neuromyelitis optica (NMO, n = 26) und Myasthenia gravis (n = 10). Es gab 2 Phasen mit gesteigerter Aktivität, die ursprünglich auf den Einsatz der AHSZT bei Arthritis Ende der 1990er-Jahre zurückzuführen ist, gefolgt von einer zunehmenden Anzahl von Behandlungsfällen bei MS, SSc und Morbus Crohn seit 2009, die heutzutage die häufigsten Indikationen darstellen. Insgesamt steigt die jährliche Anzahl der AHSZT trotz des weit verbreiteten Einsatzes moderner biologischer Therapien kontinuierlich an, was den anhaltenden medizinischen Bedarf an effizienteren Therapien in einigen Indikationen oder Einzelfällen widerspiegelt.

Tab. 1 EBMT(Europäische Gesellschaft für Blut- und Knochenmarktransplantation)-Registerdaten zur Verteilung der autologen Stammzelltransplantation zwischen 1994 und 2019 nach Indikation (n = 3279, Stand Februar 2020)

Länder mit der größten Aktivität (AHSZT-Fälle >200) sind Italien, Großbritannien, Deutschland und Schweden, gefolgt von Spanien, Niederlanden, Polen und Frankreich (Abb. 3a). Interessanterweise gibt es deutliche Unterschiede in den Behandlungsindikationen, die auf entsprechende Studienaktivität oder individuelle Forschungsschwerpunkte einzelner Zentren zurückzuführen sind. Während in Italien, Schweden und Großbritannien die MS als Hauptindikation dominiert, gibt es in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich eine Prädominanz in der Behandlung von Kollagenosen, insbesondere SSc.

Abb. 3
figure 3

Registerdaten der Europäischen Gesellschaft für Blut- und Knochenmarktransplantation (EBMT) zu Inzidenz und Indikation der autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (AHSZT) für Autoimmunerkrankungen zwischen 1994 und 2019. Stand Februar 2020, inkompletter Datensatz für 2019. a Aktivität der AHSZT auf internationaler Ebene (n = 3279). b Aktivität der AHSZT nach Indikation und Behandlungszentrum in Deutschland (n = 309). HSZT hämatopoetische Stammzelltransplantation, MS multiple Sklerose, Päd Pädiatrie, SLE systemischer Lupus erythematodes, SSc systemische Sklerose, U Universitätsklinikum

Aus Deutschland sind seit 1994 insgesamt 309 AHSZT-Fälle im EBMT-Register erfasst (Stand Februar 2020). Zentren mit den größten Erfahrungen (>30 AHSZT) sind Tübingen, Heidelberg und Bochum, gefolgt von Würzburg, Freiburg, Berlin und Hamburg mit jeweils mehr als 20 Behandlungsfällen (Abb. 3b). Auch hier variieren die Behandlungsindikationen beträchtlich. Tübingen und Bochum sind führend in der Behandlung von SSc, Freiburg bei Morbus Crohn, Berlin bei systemischem Lupus erythematodes (SLE), und Hamburg ist fokussiert auf die Behandlung von MS.

Immunrekonstitution bei Autoimmunerkrankungen

Die Immunrekonstitution nach AHSZT verläuft bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen grundlegend nach gleichen Prinzipien und mit ähnlicher Dynamik und wird primär durch die Intensität der Konditionierung und vom Patientenalter beeinflusst. Allerdings ergeben sich aufgrund abweichender Immunpathogenese und unterschiedlichen Organbefalls teilweise krankheitsspezifische Aspekte in der Immunrekonstitution.

Systemischer Lupus erythematodes

Bei SLE liegen positive Resultate aus mehreren Phase-II-Studien zur Stammzelltransplantation vor, die Langzeitremissionen mit Normalisierung von Organmanifestationen und verbesserter Lebensqualität nachwiesen [26]. Studien bestätigten die Annahme einer weitgehenden Elimination des autoreaktiven immunologischen Gedächtnisses. Dies spiegelte sich in einer kompletten Normalisierung von Serumautoantikörpern wider, einschließlich von Autoantikörpern gegen extrahierbare nukleäre Antigene [10] und Antiphospholipidantikörpern [27], die von langlebigen Plasmazellen sezerniert werden.

Studien bestätigten die weitgehende Elimination des autoreaktiven immunologischen Gedächtnisses

Auch die pathogenen Anti-dsDNA(Doppelstrang-Desoxyribonukleinsäure)-Autoantikörper, die trotz Immunsuppression und B‑Zell-Depletion bei therapierefraktären SLE-Patienten persistierten, verschwanden nach Immunablation. Erwartungsgemäß war im Knochenmark bei den untersuchen Pateinten eine nahezu vollständige Depletion von CD138+CD38+ Plasmazellen nachweisbar [10], was darauf hindeutet, dass die Konditionierung mit Antithymozytenglobulin (ATG) neben den T‑ und B‑Zellen auch Plasmazellen depletiert [28]. Mithilfe von Stimulationsassays konnte nachgewiesen werden, dass die initial nach Transplantation im Blut expandierten T‑Zell-Klone spezifisch für Krankheitserreger, jedoch nicht gegen Autoepitope gerichtet waren [10]. Folgestudien wiesen eine stabile Thymusreaktivierung selbst bei älteren Patienten nach, die sich in einer Regeneration naiver CD4+-T-Zellen mit Markern von RTE widerspiegelte, d. h. erhöhte Konzentrationen von TRECs („T-cell receptor excision circles“) und/oder Oberflächenexpression von CD31 [10, 29]. In ähnlicher Weise war die AHSZT mit einer funktionellen Erneuerung des Treg-Kompartiments verbunden, was zu einer Normalisierung des initial eingeschränkten T‑Zell-Rezeptor-Repertoires führte [30]. Darüber hinaus wurde eine Verschiebung der B‑Zell-Subpopulationen vom Gedächtnisphänotyp hin zu IgD+CD27 naiven B‑Zellen nach AHSZT beobachtet, und die Expansion von CD20CD27high Plasmablasten im Blut als Zeichen der B‑Zell-Aktivierung war nach Transplantation nicht mehr nachweisbar [10]. Der Einfluss der AHSZT auf Zellen des angeborenen Immunsystems ist weniger gut untersucht. Bislang unveröffentlichte Daten zu Genexpressionsanalysen aus Berlin wiesen eine komplette Normalisierung der Typ-I-Interferon-Signatur nach, was insgesamt darauf hindeutet, dass AHSZT das Potenzial hat, das chronische autoreaktive Immunsystem bei SLE in einen naiven und selbsttoleranten Zustand zurückzusetzen.

Systemische Sklerose

Nach positiven Resultaten aus Pilotstudien demonstrierten zuletzt 3 randomisierte Studien bei SSc einen signifikanten Vorteil der AHSZT in Bezug auf Überleben, Hautfibrose, Organfunktionen und Lebensqualität im Vergleich zu monatlichem Cyclophosphamid [31]. In einer ersten französischen Kohorte wurde bei allen Patienten eine Verringerung der Anti-Topoisomerase-I-Autoantikörperspiegel nach AHSZT beobachtet, und die Abnahme war bei klinischen Respondern stärker ausgeprägt [32]. Allerdings wiesen Folgestudien darauf hin, dass der Abfall der Autoantikörper wesentlich geringer ausfällt als im Vergleich zu behandelten SLE-Patienten [33], was suggeriert, dass ein relevanter Anteil pathogener Plasmazellen der Immundepletion entgeht, möglicherweise weil sie in fibrotisiertem Stroma nisten, was für die Immunablation mit ATG nur eingeschränkt zugänglich ist. Die B‑Zell-Rekonstitution ist gekennzeichnet durch erhöhte Knochenmarkproduktion neu erzeugter KREC+(„kappa-deleting recombination excision circles“)-naiver B‑Zellen, beginnend 6 Monate nach der AHSZT [34]. Zwei unabhängige Studien konnten zusätzlich nachweisen, dass die Regeneration naiver B‑Zellen zu einem Anstieg von B‑regulatorischen (Breg‑)Zellen führte, die höhere Interleukin-10-Spiegel im Vergleich zu vor AHSZT sezernierten [34, 35].

In ähnlicher Weise ist die T‑Zell-Rekonstitution anhand verschiedener Studiendaten durch stabile Thymusreaktivierung mit Anstieg TREC+ RTEs und Normalisierung des TZR-Repertoires gekennzeichnet [12]. Interessanterweise wiesen 2 unabhängige Studien nach, dass eine verzögerte Immunrekonstitution mit schlechteren klinischen Ergebnissen verbunden war. Bei Non-Respondern stieg die Anzahl der Breg- und Treg-Zellen unzureichend an, und eine hohe Überlappung des TZR-Repertoires in Zeiträumen vor und nach der Transplantation deutete darauf hin, dass die zugrunde liegenden Autoimmunprozesse bei diesen Patienten weitestgehend erhalten blieben [32, 34].

Wissenschaftliche Begleituntersuchungen zur kürzlich veröffentlichten amerikanischen multizentrischen Studie SCOT konnten anhand von Genexpressionsanalysen erstmals eine Normalisierung von krankheitsspezifischen molekularen Signaturen demonstrieren [36]. Dabei waren 2 Jahre nach Behandlungsbeginn eine signifikante Reduktion von Interferon(IFN)-α und Neutrophilenaktivität und Anstieg der zytotoxischen/NK-Zell-Aktivität im peripheren Blut bei Patienten nach AHSZT, jedoch nicht im Kontrollarm nachweisbar. Dies korrelierte mit klinischen Endpunkten; ein Rückgang der IFN- und Neutrophilenaktivität war mit einer Verbesserung der Lungenfunktion verbunden, und die Erhöhung der zytotoxischen/NK-Aktivität korrelierte mit Verbesserung der Hautfibrose [36].

Multiple Sklerose

Aufgrund positiver Resultate mehrerer Phase-II-Studien [37] und einer kürzlich veröffentlichten kontrollierten Phase-III-Studie [5] stellt die MS derzeit eine Hauptindikation zur AHSZT dar. Basierend auf der vermutlich zentralen Rolle von T‑Zellen in der Immunpathogenese bei MS, steht die Untersuchung der T‑Zell-Rekonstitution nach AHSZT im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen.

Vergleichbar mit Untersuchungen bei SLE und SSc konnte in verschiedenen Studien bei MS eine stabile Thymusreaktivierung mit Normalisierung des TZR-Repertoires nachgewiesen werden [15]. Folgestudien mit Deep-Sequencing-Analysen bestätigten, dass dabei eine nahezu vollständige Erneuerung des CD4+ T-Zell-Repertoires erzielt werden kann [11]. Korrelierend dazu demonstrierten detaillierte phänotypische Untersuchungen, dass die Frequenz pathogener CD4+-TH17-T-Zellen nach AHSZT drastisch reduziert war [13]. Gleichermaßen war eine vollständige Depletion von CD161highCD8+ MAIT (Mukosa-assoziierte invariante T‑Zellen) nachweisbar. Diese proinflammatorische Zellpopulation, die, aus der Darmschleimhaut stammend, im Blut zirkuliert und über den Homing-Rezeptor CCR6 in das Zentralnervensystems einwandern kann, wird aktuell in der Immunpathogenese bei MS diskutiert [13]. Mithilfe von Microarray-DNA-Chip-Analysen konnte später eine weitreichende Normalisierung der Expression von Genen nachgewiesen werden, die an Effektorimmunantworten beteiligt sind [38]. Auch intrathekal waren Immunmodifikationen nachweisbar. Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung mit „high-throughput sequencing“ demonstrierte, dass mehr als 90 % der initial vorhandenen T‑Zell-Klone im Liquor nach AHSZT verschwanden [39]. Im Gegensatz dazu persistierten oligoklonale Banden (OCB) bei 74 % von n = 48 Patienten nach AHSZT, wenngleich die intrathekale Immunglobulinproduktion insgesamt niedriger lag als vor Transplantation [40].

Schlussfolgerung und Ausblick

Die AHSZT hat sich in den letzten Jahren als vielversprechende Behandlungsoption bei schweren Autoimmunerkrankungen etabliert, die nicht ausreichend auf Standardtherapien ansprechen. Neben positiven Resultaten aus klinischen Studien konnte zwischenzeitlich auch der „Proof-of-Concept“ erbracht werden, dass die AHSZT ein chronisch autoreaktives Immunsystem in einen naiven und selbsttoleranten Zustand umprogrammieren und therapiefreie Langzeitremissionen bei Autoimmunerkrankungen induzieren kann. Diese Untersuchungen unterstützen die Annahme, dass chronische Autoimmunprozesse durch pathogene Gedächtniszellen getrieben und aufrechterhalten werden, deren Elimination eine Grundvoraussetzung für zukünftige kurative Therapieansätze darstellt. Solange es nicht gelingt, das autoreaktive Gedächtnis gezielt (d. h. antigenspezifisch) zu eliminieren, stellt die Immunablation eine rationale Therapieoption für Patienten mit schweren Verlaufsformen von Autoimmunerkrankungen dar, aufgrund des anhaltenden medizinischen Bedarfs an wirksamen Therapien derzeit überwiegend bei SSc und MS.

Ein zukünftiges Ziel ist die weitere Verbesserung der Sicherheit der AHSZT, um die Indikation möglicherweise auf Patienten mit schlechter Prognose zu frühen Phasen der Erkrankung zu erweitern. Dies könnte durch Einsatz von Konditionierungsprotokollen mit reduzierter Intensität sowie verbesserter Patientenselektion durch Einbeziehung prädiktiver Faktoren erzielt werden. Zusätzlich bleibt zu klären, inwieweit die Konditionierungsprotokolle auf erkrankungsspezifische Besonderheiten anzupassen sind. Langfristig wird der Stellenwert der AHSZT im Behandlungsalgorithmus einzelner Autoimmunerkrankungen abhängig sein von der Dynamik neu verfügbarer effizienter zielgerichteter Therapieoptionen. Studien, für die in Deutschland derzeit Patienten rekrutiert werden können, betreffen AHSZT für systemische Sklerose (NCT03444805 und NCT01895244), systemischen Lupus erythematodes (NCT00750971) und multiple Sklerose.

Fazit für die Praxis

  • Aufgrund positiver Daten aus kontrollierten Studien stellen systemische Sklerose (SSc) und multiple Sklerose (MS) gegenwärtig Hauptindikationen für eine autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (AHSZT) dar.

  • Auch bei anderen schwer verlaufenden Autoimmunerkrankungen mit ungünstiger Prognose und unzureichendem Ansprechen auf Standardtherapien kann eine AHSZT in Betracht gezogen werden.

  • Langzeitremissionen nach AHSZT werden erzielt durch Wiederherstellung eines naiven und selbsttoleranten Immunsystems, d. h. Immun-Reset.

  • Immun-Reset nach AHSZT ist gekennzeichnet durch Elimination wichtiger Komponenten des autoreaktiven Gedächtnisses und Regeneration naiver T‑ und B‑Zellen.

  • Die Neubildung des Immunsystems ist Grundlage zur Diversifizierung des Immunrepertoires und funktioneller Erneuerung regulatorischer Immunzellen.

  • Mechanistische Studien zur AHSZT weisen darauf hin, dass chronische Autoimmunprozesse durch pathogene Gedächtniszellen getrieben und aufrechterhalten werden, deren Elimination eine Grundvoraussetzung für zukünftige kurative Therapieansätze darstellt.