Die Osteoporose stellt eine häufige Begleiterkrankung bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen dar [5] und wird durch verschiedene Faktoren, wie z. B. die chronische Entzündung, den Einsatz von Glukokortikoiden, eine zu geringe Sonnenlichtexposition, ein niedriger Body-Mass-Index und eine Immobilisation, verursacht [2]. Als Leitlinie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose wird im deutschsprachigen Raum die S3-Leitlinie des Dachverbandes deutschsprachiger, wissenschaftlicher osteologischer Gesellschaften e. V. (DVO) eingesetzt.

Die S3-Leitlinie beschreibt die Risikofaktoren, welche zu einer osteoporotischen Fraktur führen, und geht im Folgenden auf die Basisdiagnostik als auch auf die Therapie der Osteoporose sowie Versorgungsaspekte ein [3, 4].

Zur Vorhersage von klinischen und radiologischen Wirbelkörperfrakturen und Hüftfrakturen hat der DVO ein Risikomodell entwickelt, welches das Alter, das Geschlecht, die Knochenmineraldichtemessung mittels der „dual energy X‑ray absorptiometry“(DXA)-Technik und klinische Risikofaktoren berücksichtigt [3, 4].

Bei dem Vorhandensein von Risikofaktoren ist die Durchführung einer Basisdiagnostik indiziert (Tab. 1). Die Basisdiagnostik umfasst die Anamneseerhebung mit einem Fokus auf Wirbelkörperfrakturen und der Beurteilung von Muskelkraft und Koordination. Des Weiteren sollten ein Basislabor (Serumkalzium, Serumphosphat, Kreatinin-Clearance, alkalische Phosphatase, Gamma-GT, Blutbild, Blutsenkungsgeschwindigkeit/C-reaktives Protein, Serumeiweißelektrophorese und Thyreoidea-stimulierendes Hormon), eine Osteodensitometrie (DXA-Messung an der Lendenwirbelsäule, Gesamtfemur und Femurhals) sowie bei klinischen Hinweisen auf eine Wirbelkörperfraktur eine Röntgenuntersuchung bzw. eine alternative Bildgebungsmethode durchgeführt werden [3, 4].

Tab. 1 Empfohlene Basisdiagnostik bei Frauen ab der Menopause und Männern ab dem 50. Lebensjahr (adaptiert an die DVO-Leitlinie 2017)

In Abhängigkeit von Geschlecht, Alter und T‑Score der Lendenwirbelsäule, ermittelt durch eine DXA-Knochenmineraldichtemessung gelten unterschiedliche Therapieschwellen, bei denen eine medikamentöse Therapie der Osteoporose indiziert ist (Tab. 2). Die Therapieschwelle wird um 1,0 Standardabweichungen angehoben, wenn ein Diabetes mellitus Typ 1 oder 3 niedrigtraumatische Frakturen in den letzten 10 Jahren (Ausnahme: Finger‑, Zehen‑, Schädel- und Sprunggelenkfrakturen) aufgetreten sind oder eine orale Glukokortikoidtherapie mit einer Dosis ≥2,5 mg und <7,5 mg Prednisolonäquivalent täglich durchgeführt wird. Eine Ausnahme stellt die rheumatoide Arthritis dar, hier wird bei einer oralen Glukokortikoidtherapie die Therapieschwelle nur um 0,5 Standardabweichungen angehoben. Unabhängig von der Therapieschwelle gelten als generelle Indikationen für eine medikamentöse Therapie unter anderem niedrigtraumatische singuläre Wirbelkörperfraktur 2. oder 3. Grades, multiple Wirbelkörperfrakturen 1. bis 3. Grades bzw. niedrigtraumatische proximale Femurfraktur bei einem DXA-T-Score < −2,0, gemessen an der Lendenwirbelsäule. In Bezug auf die weiteren Details möchten wir an dieser Stelle auf die DVO-Leitlinien verweisen [3, 4].

Tab. 2 Therapieschwelle zur Durchführung einer medikamentösen Osteoporosetherapie, adaptiert an die DVO-Leitlinie 2017

Im Rahmen des vorliegenden Übersichtsartikels sollen die Änderungen sowie die unveränderten Punkte der DVO-Leitlinie 2017 für die Rheumatologie zusammenfassend dargestellt werden.

Die Entwicklung der Leitlinie

Die DVO-Leitlinie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und Männern ab dem 60. Lebensjahr aus dem Jahr 2014 wurde durch Bearbeitung der Literatur und Diskussion der vorliegenden Evidenz in einem Konsensusprozess durch die wissenschaftlichen osteologischen Gesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Jahr 2017 aktualisiert. Die Langfassung der neuen S3-Leitlinie findet sich im AWMF-Register Nr. 183/001 als auch unter der DVO-Website [3].

Bei der Aktualisierung wurde eine Literaturrecherche bis einschließlich 23.05.2016 durchgeführt und berücksichtigt. Dabei ergaben sich 7971 Suchtreffer in Medline und PubMed sowie 738 Treffer in Cochrane-Datenbanken.

Für die Bewertung der wissenschaftlichen Evidenz der therapeutischen Studien und die Ableitung des Empfehlungsgrades wurden die von der Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN) im Jahr 2001 vorgeschlagenen Kriterien zugrunde gelegt, und es wurde eine entsprechende Klassifizierung der Empfehlungen nach Empfehlungs- und Evidenzgrad im Konsens durchgeführt.

Folgende Zentralentscheidungen haben sich beim Transit der S3-Leitlinie 2014 bis 2017 ergeben:

  1. 1.

    Beibehaltung des Risikomodells,

  2. 2.

    Beibehaltung der Diagnostik- und Therapieschwellen.

Was ist neu?

Eine erste erkennbare Änderung zeigt sich bereits beim Titel der S3-Leitlinie, der jetzt lautet „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern“. Bei der Leitlinie 2014 war bei Männern noch der Zusatz „ab dem 60. Lebensjahr“ zu finden [4], diese Alterseinschränkung ist jetzt in der neuen Leitlinie nicht mehr gegeben.

Neu aufgenommen wurde eine Reihe von Risikofaktoren wie der systemische Lupus erythematodes, die Schizophrenie, der apoplektische Insult, die Alzheimer Erkrankung, der Morbus Parkinson, die Depression, die alkoholische Lebererkrankung, die Anorexia nervosa und die Einnahme von Opioiden. Bei einem Vorliegen dieser neu hinzugenommenen Risikokonstellationen wird jetzt bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr und bei Männern ab dem 60. Lebensjahr eine Basisdiagnostik empfohlen. Bei einer rheumatoiden Arthritis und einer Spondylitis ankylosans wird die Durchführung einer Basisdiagnostik schon bei Frauen ab der Menopause und bei Männern ab dem 50. Lebensjahr vorgeschlagen (weitere Indikationen für eine frühzeitigere Basisdiagnostik s. Tab. 1).

In Bezug auf die Osteoporose- und Frakturprophylaxe wird in der DVO-Leitlinie von 2017 klar hervorgehoben, dass keine isolierte Zufuhr von Vitamin D3 ohne eine tägliche Aufnahme von 1000 mg Kalzium durchgeführt werden soll. Unverändert zur DVO-Leitlinie 2014 wird die Supplementation von Kalzium nur bei einer zu geringen Nahrungskalziumzufuhr empfohlen.

Die Indikation für eine medikamentöse Osteoporosetherapie nach Risikoprofil wurde in der aktualisierten Leitlinie beibehalten. Bei der medikamentösen Therapie der Osteoporose wurde für Denosumab die belegte Wirksamkeit bei Frauen (für Männer generell geringeres Evidenzlevel) bezüglich weniger Wirbelkörperfrakturen, weniger peripherer Frakturen und weniger proximaler Femurfrakturen auf dem Level A eingestuft. Zudem wurde in Bezug auf die medikamentöse Therapiedauer mit Denosumab ein nachgewiesener Nutzen bis zu 3 Jahren dokumentiert. Studien, die nach dem 23.05.2016 publiziert wurden und die Antifraktureffektivität von Denosumab über einen Zeitraum von 9 Jahren belegen, konnten nicht mehr in der Leitlinie berücksichtigt werden [1]. Nach dem Absetzen von Denosumab wird laut DVO-Leitlinie 2017 empfohlen, andere Maßnahmen zum Erhalt der Knochenmineraldichte einzusetzen (z. B. anschließende Bisphosphonattherapie). Werden keine Maßnahmen zum Erhalt der Knochenmineraldichte eingesetzt, ist mit einem Anstieg der Frakturrate zu rechnen [6]. Des Weiteren ist als Randinformation anzumerken, dass Denosumab zur Behandlung von Knochenschwund im Zusammenhang mit einer Hormonablation bei Männern mit einem Prostatakarzinom und einem erhöhten Frakturrisiko in der aktuellen Leitlinie empfohlen wird [4].

Aufgrund des eingestellten Vertriebes von Strontiumranelat wird auf den Nutzen als auch die Indikation von Strontiumranelat in der aktuellen Leitlinienfassung nicht eingegangen.

Eine weitere Änderung ergab sich bei der Behandlung von Schmerzen und funktionellen Einschränkungen. Eine Schmerztherapie kann bei Persistenz der Schmerzen trotz ambulanten mono- oder multimodalen Behandlungskonzepten und nicht beherrschbaren Funktionseinschränkungen stationär in multimodalen Therapiekonzepten erwogen werden.

Die Versorgung mit einer wirbelsäulenaufrichtenden Orthese sollte zur schmerzarmen Mobilisation erwogen werden.

Was bleibt unverändert in der DVO-Leitlinie 2017?

Ein Großteil der Leitlinie 2014 wurde allerdings unverändert beibehalten. Die generellen Indikationen für eine medikamentöse Osteoporosetherapie und das Risikoprofil in Abhängigkeit von Geschlecht, Lebensalter, Risikofaktoren und DXA-Knochenmineraldichtemessung wurden nicht verändert. An dieser Stelle soll noch einmal hervorgehoben werden, dass bei dem Einsatz von ≥7,5 mg Prednisolonäquivalent täglich für mehr als 3 Monate und dem Zutreffen einer der nachfolgenden Punkte eine medikamentöse Osteoporosetherapie durchzuführen ist:

  • T-Score ≤ −1,5 (gemessen mittels DXA an der Lendenwirbelsäule oder am Schenkelhals oder Gesamtfemur),

  • individuell auch bei einem T‑Score ≥ −1,5,

  • niedrigtraumatische Wirbelkörperfrakturen,

  • multiple periphere Frakturen.

Gibt es Kritikpunkte an der DVO-Leitlinie 2017?

Die 3 Hauptkritikpunkte an der aktualisierten Leitlinie werden wie folgt formuliert:

  1. 1.

    Es liegt zu einem hohem Prozentsatz eine Übernahme der alten Leitlinie vor.

    Anmerkung: Das bedeutet letztendlich jedoch eine Genauigkeit der Vorarbeiten bei der alten Leitlinie. Es wurden bisher keine Falsifikationen der dort getroffenen Evidenzaussagen erbracht.

  2. 2.

    Es liegen keine Empfehlungen zu Langzeit- oder Sequenztherapien vor.

    Anmerkung: Da hierzu nach wie vor keine Studiendaten vorhanden sind, konnte auch keine entsprechende Empfehlung erfolgen bzw. abgeleitet werden.

  3. 3.

    Es werden größtenteils ältere Studien zitiert.

    Anmerkung: Wenn bisher eine gute Evidenz nach Studiendatenlage vorlag, kann bei fehlenden neuen Daten und fehlender Falsifikation diese Evidenz nicht aberkannt werden, egal wie alt diese Studien auch sind.

Fazit für die Praxis

  • In Bezug auf die Hauptschwerpunkte wurde die DVO-Leitlinie 2014 unverändert in die DVO-Leitlinie 2017 übernommen. Hieraus resultieren nur geringe Änderungen der Leitlinie.

  • Als Risikofaktor, bei der eine Basisdiagnostik durchgeführt werden soll, wurde der systemische Lupus erythematodes als rheumatologische Erkrankung neu in die DVO-Leitlinie 2017 aufgenommen.

  • Nach dem Absetzen einer Denosumab-Therapie werden entsprechend der Leitlinienfassung 2017 andere Maßnahmen zum Erhalt der Knochenmineraldichte empfohlen (z. B. anschließende Bisphosphonattherapie).