Entzündlich rheumatische Erkrankungen sind mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität verbunden. Ohne effektive Langzeittherapie verlaufen viele Erkrankungen chronisch progredient und führen zu irreversiblen Veränderungen mit anhaltenden Funktionseinschränkungen und Organschäden. Die frühe Diagnosestellung und Einleitung einer effektiven entzündungshemmenden oder immunsuppressiven Behandlung sind daher für den Langzeitverlauf der Erkrankung und den Therapieerfolg besonders wichtig. Die Leitlinien und Empfehlungen zum Management z. B. der rheumatoiden Arthritis und der Spondyloarthritiden fordern daher auch eine möglichst frühe Krankheitserkennung und die sofortige Einleitung einer medikamentösen Basistherapie nach Diagnosestellung [3, 7].

In diesem Zusammenhang wird auch häufig von einem „window of opportunity“ gesprochen, um so bildlich den engen zeitlichen Korridor zwischen Beginn einer rheumatischen Erkrankung und der Chance auf eine vollständige Kontrolle der Krankheitsmanifestation vor Eintreten irreversibler Veränderungen zu beschreiben.

Leider vergehen aber in der Regel viele Monate, bis bei Patienten mit rheumatischen Symptomen die Diagnose gestellt und eine den Krankheitsverlauf modifizierende Therapie eingeleitet wird. Während die S3-Leitlinie zum Management der frühen rheumatoiden Arthritis eine fachärztliche rheumatologische Diagnostik nach 6‑wöchiger Symptomdauer und die Einleitung einer Basistherapie innerhalb der ersten 3 Erkrankungsmonate empfiehlt [3], vergehen immer noch zwischen 0,7 und 1,5 Jahre von Symptombeginn bis zur Diagnosestellung. Die diagnostische Latenz ist nach Daten der Kerndokumentation aus dem Jahr 2015 für andere rheumatische Erkrankungen noch deutlich länger und beträgt bei der Psoriasisarthritis 1,2 Jahre (Median 2,7), bei der Spondyloarthritis 4,6 Jahre (Median 1,3) und bei dem systemischen Lupus erythematodes 3,7 Jahre (Median 2,7) [1].

Ein entscheidender Faktor ist die zu geringe Zahl von Rheumatologen in Deutschland, die derzeit unter 800 liegt. Laut Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie werden derzeit 1350 Rheumatologen gebraucht, wobei in dieser Berechnung ein erheblicher Zeitbedarf für die Abklärung von Symptomen einfließt, die letztlich nicht auf eine rheumatische Erkrankung zurückzuführen sind [8].

Da eine Erhöhung der Zahl an ausgebildeten Rheumatologen kurzfristig nicht erreichbar ist, wäre ein Weg zur Verbesserung der rheumatologischen Versorgung die effektivere Nutzung der zur Verfügung stehenden internistisch rheumatologischen Kapazität über eine Vorselektion der Patienten, um nur diejenigen mit begründetem Verdacht auf eine entzündlich rheumatische Erkrankung einer weiteren fachärztlich rheumatologischen Frühdiagnostik zuzuweisen.

So gibt es verschiedene Modelle, wie Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach auf eine rheumatische Erkrankung hin identifiziert werden sollen. Hierzu gehören u. a. telefonische Vorgespräche, Anmeldung der Patienten per Fax mit Nennung wichtiger klinischer und laborchemischer Parameter und der Aufbau von Netzwerken mit Schulung potenzieller Zuweiser. Die bisherigen Bemühungen waren aber nur teilweise erfolgreich und gehen trotz Verkürzung diagnostischer Latenzzeiten zwischen frühdiagnostischem Anspruch und Wirklichkeit in den letzten Jahren noch Monate bis Jahre auseinander.

In der vorliegenden Studie sollte daher untersucht werden, ob es mit einer offenen rheumatologischen Sprechstunde („walk-in-Sprechstunde“) gelingt, mehr Patienten mit frühen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen kurz nach Symptombeginn zu identifizieren und einer raschen fachärztlichen Behandlung zuzuführen.

Methoden

Die Studie wurde monozentrisch in der rheumatologischen Ambulanz des Immanuel Krankenhauses Berlin am Standort Berlin-Buch durchgeführt. Hierbei handelt es sich um eine sog. Dispensaire-Ambulanz nach § 311 SGB V, eine organisatorisch einem medizinischen Versorgungszentrum vergleichbare Einrichtung mit 3,0 rheumatologischen Facharztstellen, in der ca. 4000 Patienten pro Quartal versorgt werden. Bis 2015 erfolgte die Anmeldung von Patienten, die nach Auffassung der behandelnden Ärzte einen baldigen rheumatologischen Untersuchungstermin brauchten, entweder direkt telefonisch oder mit einem Fax-Formular für die sog. rheumatologische Akutsprechstunde, das über die Homepage der Klinik herunterzuladen war. In dem Formular wurden einige Symptome und Befunde abgefragt, die aus der klinischen Erfahrung heraus Hinweise auf eine entzündlich rheumatische Erkrankung geben. Das Verfahren erwies sich als unzureichend, u. a. da die Telefonate die Abläufe in der Ambulanz störten und die Verarbeitung der Fax-Anmeldungen zu zeitaufwendig war. Zudem waren die Kapazitäten für Neuvorstellungen rasch erschöpft, was wiederum mehrwöchige Wartezeiten zur Folge hatte.

Daher wurde zunächst als zusätzliches, seit 2015 ausschließliches frühdiagnostisches Angebot eine offene rheumatologische Sprechstunde eingerichtet.

Diese soll dazu dienen, im Rahmen einer kurzen rheumatologischen Untersuchung zu entscheiden, ob eine entzündlich rheumatische Erkrankung vorliegt und, wenn ja, direkt und je nach Dringlichkeit die weitere rheumatologische Diagnostik und Therapie zu veranlassen.

Patienten mit Hinweisen auf eine rheumatische Erkrankung können sich jeden Dienstag zwischen 8:30 Uhr und 9:30 Uhr mit einer Überweisung des Primärarztes in der Fachambulanz vorstellen. Vorherige Anrufe von Überweisern und Patienten sind nicht erforderlich und nicht gewünscht, da ein niedrigschwelliges, mit möglichst wenig Aufwand verbundenes Versorgungsangebot angestrebt wird. Die Patienten sollten allerdings mindestens eins der nachfolgenden klinischen oder immunologischen Kriterien erfüllen, die eine rheumatische Erkrankung vermuten lassen:

  1. 1.

    Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP),

  2. 2.

    positive Rheumafaktoren (RF), Antikörper gegen cyclisch citrullinierte Peptide (Anti CCP-Antikörper) oder antinukleäre Antikörper (ANA),

  3. 3.

    Gelenkschmerzen oder Rückenschmerzen seit mehr als 3 Monaten,

  4. 4.

    Gelenkschwellung,

  5. 5.

    unklares Fieber,

  6. 6.

    akute Myalgien mit oder ohne Kopfschmerzen unklarer Ursache.

Die Kriterien wurden auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen in einer Gruppe von 6 erfahrenen Rheumatologen konsentiert. Die Evaluation der prädiktiven Werte dieser Einschlusskriterien ist Teil dieses Projektes.

An diesem Sprechstundenprojekt sind 2 erfahrene Rheumatologen und 4 speziell eingewiesene rheumatologische Fachassistentinnen (RFA) beteiligt. Die Zahl der zeitgleich in einer Sprechstunde eingesetzten Mitarbeiter betrug je nach Bedarf 1 oder 2 Rheumatologen und maximal 2 RFAs. Bei der Anmeldung erhalten alle Patienten einen Anamnesebogen und ein Informationsschreiben, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Konsultation den Charakter einer Sichtungssprechstunde hat, um eine frühe Diagnose zu stellen und die weitere Versorgung festzulegen.

Idealerweise führt die Fachassistentin das Erstgespräch durch, sichtet die mitgebrachten Befunde und den Anamnesebogen und erstellt einen Gelenkstatus. Im Anschluss folgen ein ärztliches Gespräch und eine problemorientierte rheumatologische Untersuchung. Nach diesem ca. 10-minütigen Kontakt wird die ärztliche Einschätzung getroffen, ob der Patient an einer rheumatischen Systemerkrankung leidet und ggf. weitere Maßnahmen eingeleitet werden müssen oder nicht. Es folgen die schriftliche Dokumentation in einer elektronischen Ambulanzakte und die Erstellung eines Arztbriefes mit Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.

Die regelmäßig zuweisenden Ärzte wurden über dieses neue Sprechstundenangebot zur Frühdiagnostik einschließlich Eingangskriterien per Post informiert. Zudem wurde die offene Sprechstunde auf Fortbildungsveranstaltungen im Raum Berlin-Brandenburg vorgestellt.

Ergebnisse

Ausgewertet wurde der Zeitraum Juli 2015 bis Juni 2017.

In den ersten 24 Monaten der offenen Rheumasprechstunde wurden 1262 Patienten behandelt.

Die 422 Männer und die 840 Frauen stammten, der Stadtrandlage unserer Klinik entsprechend, etwa zur Hälfte aus Berlin und Brandenburg, vereinzelt aus anderen Bundesländern. Die Männer waren im Mittel 55,0 Jahre, die Frauen 53,1 Jahre alt (s. auch Tab. 1).

Tab. 1 Charakteristika der Patienten

Die Überweisung erfolgte vorwiegend durch Ärzte für Allgemeinmedizin, Internisten und Orthopäden, sehr viel seltener von Ärzten anderer Disziplinen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Aufteilung der Zuweiser nach Fachrichtung

Durchschnittlich stellten sich pro Sprechstunde 10 bis 20, maximal 25 Patienten vor.

Der durchschnittliche ärztliche Zeitaufwand pro Patient betrug für einen erfahrenen Rheumatologen am Sprechstundentag etwa 10 min. Der wöchentliche Zeitbedarf einschließlich Nacharbeiten wie Befundauswertung, erneute Berichterstattung, Organisation der Weiterversorgung und das Abhalten der Sprechstunde selbst betrug ärztlicherseits wöchentlich 3–4 h für den Rheumatologen und etwa 1 h für die RFA. In aller Regel waren 1 Rheumatologe und 1 RFA ausreichend, um die sich akut vorstellenden Patienten zu versorgen, nur selten mussten aufgrund von hohen Patientenzahlen weitere Mitarbeiter hinzugezogen werden.

748 Patienten (59,3 %) brachten bereits Blutergebnisse mit. Bei 836 Patienten (66,2 %) wurden Blutentnahmen für die erstmalige oder ergänzende Laboranalyse veranlasst. Eine unmittelbare apparative Diagnostik (Röntgen, Sonographie) war nur in Ausnahmefällen erforderlich.

Bei 615 (48,7 %), somit knapp bei der Hälfte der Patienten konnte direkt in der Sprechstunde eine entzündlich rheumatische Erkrankung diagnostiziert werden.

Am häufigsten litten die Patienten unter einer rheumatoiden Arthritis oder einer Spondyloarthritis, aber auch Polymyalgia rheumatica mit und ohne begleitende Riesenzellarteriitis, Arthritis psoriatica und Gicht waren unter den primär am häufigsten gestellten Diagnosen (Tab. 2). Darüber hinaus konnten, im Rahmen einer weiteren ambulanten oder stationären Behandlung, seltenere rheumatische Erkrankungen wie Morbus Whipple, Sweet-Syndrom, chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis, rheumatisches Fieber, Morbus Still und Polychondritis diagnostiziert werden. Zudem kamen infektiöse Ursachen wie Mykobakteriosen, Parvovirus-B19-Infektionen, septische Arthritiden und auch Spontanfrakturen vor. Insgesamt umfasste das Diagnosespektrum 65 verschiedene Erkrankungen.

Tab. 2 Auflistung der am häufigsten gestellten Diagnosen und Anzahl der Patienten

162 Patienten (12,8 %) erfüllten die Zugangskriterien zur offenen Sprechstunde, indem sie Autoantikörper aufwiesen oder HLA-B27 positiv waren (ANA: n = 79, Rheumafaktoren/Anti-CCP-Antikörper: n = 49, HLA-B27: n = 34), jedoch ohne dass eine hiermit assoziierte rheumatische Erkrankung bestand.

Trotz der Beachtung der Eingangskriterien war der Anteil an Patienten mit nichtentzündlichen Erkrankungen relativ hoch. So litten 155 Patienten (12,2 %) an einer chronischen Schmerzerkrankung bzw. an einem Fibromyalgiesyndrom und 120 (9,5 %) unter einer Polyarthrose. Zudem stellten sich auch vereinzelt Patienten mit bereits diagnostizierter rheumatischer Erkrankung zur Einholung einer Zweitmeinung vor.

Die Latenz zwischen Auftreten der Symptome und Vorstellung in der offenen Sprechstunde ist für die häufigsten Diagnosen in Tab. 3 aufgeführt. Es dauerte durchschnittlich 12 Wochen, bis eine rheumatoide Arthritis diagnostiziert werden konnte, wobei die Hälfte der Patienten höchsten 8 Wochen gewartet hat, bis sie sich bei uns vorstellten.

Tab. 3 Bestimmung der Symptomdauer bei den häufigsten rheumatischen Erkrankungen. Latenz zwischen Auftreten erster rheumatischer Symptome und Diagnosestellung in der offenen Sprechstunde

Etwas schneller wurden Patienten mit Polymyalgia rheumatica zugewiesen, während Patienten mit Arthritis psoriatica zum Zeitpunkt der Erstvorstellung durchschnittlich einen Monat länger erkrankt waren. Am längsten litten Patienten mit einer Spondyloarthritis unter Beschwerden, in dieser Gruppe betrug die Symptomdauer über 40 Wochen bis zur Diagnosestellung.

Bei 149 Patienten (11,8 %) waren noch ein oder mehrere Wiedervorstellungen bei einem Rheumatologen notwendig, bevor eine abschließende Beurteilung möglich war. Bei 204 (16,1 %) wurden Nachberichte und Abschlussberichte verfasst, in denen die ergänzende Diagnostik ausgewertet wurde (Blutwerte, Ultraschall/MRT/Röntgen). 45 Patienten wurde bei nicht ganz sicherem Ausschluss einer rheumatischen Systemerkrankung ein E‑Mail-Kontakt angeboten, wenn es zur Verschlechterung des Zustandes kommen sollte.

278 Patienten (22 %) wurden aufgrund der Schwere der Erkrankung oder bei unklarem entzündlichem Krankheitsbild trotz umfangreicher Vordiagnostik akut stationär aufgenommen. 292 (23 %, meist schwer betroffene) Patienten werden von uns ambulant weiter betreut. 42 Patienten wurde eine weitere Betreuung bei uns angeboten, dieses Angebot aber nicht angenommen.

Allen anderen Patienten mit neu diagnostizierter rheumatischer Erkrankung wurde empfohlen, sich wohnortnah einem Rheumatologen vorzustellen. Hierzu gab es vor Etablierung der offenen Sprechstunde mündliche Verabredungen mit einigen kooperierenden Rheumatologen.

Die Einleitung einer antientzündlichen Therapie wurde durch uns bei bestehender Indikation sofort begonnen, entweder in der ersten Sitzung oder während der stationären Behandlung. Als Beispiel sei erwähnt, dass bei 102 Patienten mit rheumatoider Arthritis unmittelbar eine DMARD-Therapie („disease-modifying anti-rheumatic drug“) begonnen wurde.

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass es mithilfe einer offenen rheumatologischen Sprechstunde möglich ist, mehr Patienten einer raschen rheumatologischen Diagnostik zuzuführen und die diagnostische Latenzzeit zwischen Auftreten erster rheumatischer Symptome und Diagnosestellung bzw. Einleitung einer effektiven Therapie entscheidend zu verkürzen. Mithilfe weniger einfacher Zugangskriterien erfolgt bereits eine effektive Vorselektion, sodass unter den zugewiesenen Patienten der Anteil derer mit einer entzündlich rheumatischen Erkrankung bei fast 50 % lag. Zudem konnte durch die Zugangsbedingungen in dem hier vorliegenden Setting eine quantitative Überlastung der offenen Sprechstunde verhindert werden. Der Anteil der Patienten, die die vorab gewählten Eingangskriterien nicht erfüllen, war mit knapp 40 % allerdings relativ hoch; hier besteht die Möglichkeit, durch striktere Zugangsbedingungen den Anteil an Patienten mit rheumatischer Erkrankung noch zu erhöhen. Die Anbindung an eine rheumatologische Akutklinik und der vorherige Aufbau eines Netzwerkes mit niedergelassenen Rheumatologen garantieren die nahtlose rheumatologische Weiterbehandlung der in der offenen Sprechstunde identifizierten Rheumapatienten.

Unsere Ergebnisse bestätigen somit die Erfahrung anderer Autoren. So berichteten Sander et al. über ähnliche Erfahrungen mit einer offenen Sprechstunde und dass Patienten mit rheumatoider Arthritis nach im Median 2 Monaten eine medikamentöse Behandlung erhielten [5].

Da sich Patienten mit neu aufgetretenen Beschwerden in der Regel zunächst beim Hausarzt, im Falle von Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates auch beim Orthopäden vorstellen, liegt der Schlüssel zur frühen Diagnose in der Identifikation von Patienten mit möglichen rheumatischen Erkrankungen in den Händen der primär versorgenden Ärzte. Eine Verbesserung der Versorgung könnte also durch Schulungen der Primärversorger oder durch Bereitstellung von Selektionskriterien erreicht werden. An entsprechenden Versuchen hat es nicht gefehlt. Seit Jahren werden Frühsymptome verschiedener rheumatischer Erkrankungen oder wegweisende Symptome mit hohem prädiktivem Wert (z. B. Kriterien für entzündlichen Rückenschmerz) zur Frühdiagnose publiziert [2, 4].

Viele Rheumapraxen bieten heute Akutsprechstunden an, meist sind diese ebenfalls an Zuweisungskriterien gekoppelt. Die Wartezeiten betragen trotzdem oftmals mehrere Monate [6]. Der Erfolg dieser Maßnahmen ist also begrenzt, wie sich an den immer noch zu langen diagnostischen Latenzzeiten zeigt, da die Hinweise entweder von den Zielgruppen nicht wahrgenommen oder nicht angewendet werden und da solche Kriterien ohne Bereitstellung einer daran geknüpften ambulanten Versorgungsstruktur nicht ausreichend funktionieren. In dem durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Rheuma-VOR-Projekt (www.rheuma-vor.de) soll daher nun ein Netzwerk für die „Verbesserung der rheumatologischen Versorgungsqualität durch koordinierte Kooperation“ aufgebaut werden, u. a. mit dem Ziel der früheren und gezielteren Zuweisung zum Rheumatologen. Hierbei werden kooperierenden Hausärzten, Allgemeinmedizinern und Orthopäden u. a. Faxformulare zur Verfügung gestellt, die Kriterien zur Identifikation von Patienten mit rheumatoider Arthritis, Spondyloarthritis und Psoriasisarthritis enthalten und nach denen eine Terminvergabe bei Rheumatologen erfolgt. Nachteile dieses Projektes sind der relativ große organisatorische Aufwand und die Verwendung diagnosebezogener Fragebögen. Aus diesem wissenschaftlichen Projekt werden sicher viele wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, wie die Versorgung von Rheumapatienten verbessert werden kann.

Nach eigenen, mehr oder weniger erfolglosen Versuchen, eine Vorselektion der Patienten durch Faxformulare oder telefonische Rücksprache mit den Zuweisern zu erreichen (zuletzt lag der Anteil von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in unserer Praxis bei unter 20 %), wurden in der vorliegenden Studie die Zugangskriterien zur Rheumasprechstunde noch einmal deutlich vereinfacht und die weitere Selektion der Patienten durch den Rheumatologen in der offenen Selektionssprechstunde unter Einbeziehung rheumatologischer Fachassistenten durchgeführt. Nach der vorliegenden ersten Auswertung erwies sich die Vorgehensweise als erfolgreich. Die Durchführbarkeit ist aber an gewisse Bedingungen geknüpft. Die Sprechstunde kann in dem knappen zeitlichen Rahmen sicher nur von erfahrenen Rheumatologen durchgeführt werden. So hat eine interne Auswertung ergeben, dass jüngere Fachärzte deutlich mehr Zeit benötigen als die Kollegen, die mehr als 10 Jahre rheumatologisch tätig sind. Um die wechselnde Zahl von Patienten bewältigen zu können, müssen im Bedarfsfall zusätzlich Rheumatologen und Fachassistenten hinzugezogen werden können; die offene Sprechstunde kann somit am besten in einer rheumatologischen Gemeinschaftspraxis oder Klinikambulanz etabliert werden. Eine der größten Herausforderungen ist die Gewährleistung einer lückenlosen Weiterversorgung der Patienten, nachdem eine Rheumadiagnose gestellt oder mindestens sehr wahrscheinlich gemacht wurde. Hierzu bedarf es der Zusammenarbeit mit einer Rheumaklinik für die schwer kranken Patienten und mit Rheumapraxen für die ambulante Weiterbehandlung. Letztlich übernimmt unsere offene Sprechstunde die Vordiagnostik für die kooperierenden Rheumapraxen, wovon diese ebenfalls profitieren.

In der Fortsetzung des Projektes wird es nun darum gehen, die Zuweisungskriterien zu überarbeiten, um den Anteil von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen schon im Vorfeld zu erhöhen. Danach ist eine Informationskampagne für die zuweisenden Ärzte geplant, um die Zusammenarbeit weiter zu verbessern. Durch eine Nachbefragung der Patienten und der weiter betreuenden Ärzte soll herausgefunden werden, wie hoch der Anteil der in der Sprechstunde richtig gestellten Diagnosen liegt und inwieweit die veranlassten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen adäquat waren. Weitere detaillierte Datenanalysen sollen zur Identifikation von Prognosefaktoren führen. Diese Daten werden als Grundlage für die weitere Verbesserung der Frühversorgung von Rheumapatienten dienen.

Zusammenfassend konnte an einem großen Rheumazentrum eine offene rheumatologische Selektionssprechstunde zur Frühdiagnostik rheumatischer Erkrankungen erfolgreich etabliert werden. Durch einfache Zugangskriterien und persönliche Information der zuweisenden Ärzte wurde ein niedrigschwelliges Versorgungsangebot geschaffen. Der Anteil der Patienten mit einer entzündlich rheumatischen Erkrankung lag bei annähernd 50 %. Die diagnostische Latenzzeit konnte im Vergleich zu Literaturangaben für zahlreiche Erkrankungen einschließlich rheumatoider Arthritis und Spondyloarthritis deutlich verkürzt werden. Durch das Rheumazentrum und kooperierende niedergelassene Rheumatologen wurde die lückenlose fachärztliche Weiterbehandlung der Patienten gewährleistet.

Eine offene rheumatologische Sprechstunde trägt somit wesentlich zur Frühdiagnostik rheumatischer Erkrankungen und zur Verbesserung der Versorgung von Rheumapatienten bei.