„Rheuma“ ist ein in der Bevölkerung bekannter Begriff mit großer Popularität. Es wird nicht selten als „Wehwehchen“, durch falsches Verhalten oder falsche Ernährung verursachtes „Zivilisationsleiden“ und „Alte-Leute-Leiden“ wahrgenommen und dargestellt. Das vielfältige Spektrum auch sehr gefährlicher und manchmal auch heimtückischer Krankheiten unter diesem Oberbegriff ist der Allgemeinheit weitgehend unbekannt. Daher wird „Rheuma“ insbesondere von jungen, neu betroffenen Patienten oft nicht als Ursache ihrer Beschwerden in Betracht gezogen und eine notwendige Abklärung dadurch verzögert. Auch der Hausarzt hat wenig Alltagserfahrung mit seltenen entzündlichen Erkrankungen [18] und eine häufig lückenhafte Ausbildung im Medizinstudium, die den wenigen Lehrstühlen für Rheumatologie geschuldet ist. Aber selbst die krankheitsspezifischen Informationsseiten der führenden Hersteller von Medikamenten zur Behandlung entzündlich rheumatischer Erkrankungen übernehmen das Klischee. Sieben von 8 Websites mit Fotos von potenziell betroffenen Menschen zeigen ausschließlich Senioren und im schlimmsten Fall Fotos einer Heberden-Arthrose als Beispiel einer rheumatoiden Arthritis (Tab. 1).

Tab. 1 Informationsseiten der führenden Hersteller von Medikamenten zur Behandlung entzündlich rheumatischer Erkrankungen, Stand 28.12.2017

Diese falsche Wahrnehmung und Darstellung spiegeln sich häufig in der langen Anamnesedauer junger Patienten bis zur ersten Vorstellung beim Facharzt wider [2, 4, 13, 14, 16, 17, 19]. Hinzu kommt die weiterhin defizitäre ambulante Versorgungsstruktur in der Rheumatologie [21]. Zahlen des Bundesarztregisters zeigen, dass 176 von 411 Planungsbezirken über gar keinen internistischen Rheumatologen verfügen. Lediglich jeder vierte Betroffene erhält aktuell selbst in spezialisierten Früharthritiseinheiten bzw. Sprechstunden (Praxis, Klinik) innerhalb der ersten 12 Wochen eine spezifische Therapie und damit eine deutlich bessere Chance auf eine Remission [20].

Aber auch Betroffene mit bekannter Erkrankung sehen sich im Alltag, bei Familie, Freunden, auf der Arbeit und in der Freizeit bestenfalls mit Unwissenheit, schlimmstenfalls „gut gemeinten“ Ratschlägen z. B. zu Diäten, Verhalten oder Motivation konfrontiert. Durch die große Zahl betroffener Menschen mit funktionellen oder degenerativen Schmerzen am Bewegungsapparat, bei denen ärztlich-therapeutische Zurückhaltung propagiert wird, ist der Markt für freikäufliche Schmerzmittel, Nahrungsergänzungsmittel sowie technische Geräte mit „therapeutischem“ Einsatz sehr attraktiv. Die intensive mediale Beschäftigung mit dieser Facette festigt das geschaffene Bild weiter. Gleichzeitig ist das Interesse jenseits der Fachmedien gering, dieses einfache, erfolgreiche Bild von „Rheuma“ durch Beleuchtung der verschiedensten Facetten seltenerer und gefährlicherer Erkrankungen zu verkomplizieren. Nennen wir es einfach, da auch plakativ verwendbar, die „Rheuma-Decke“ sitzt.

Die mediale Informationsgewinnung hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich gewandelt – vom Printmedium und Fernsehen zum Internet. Hier sind die Informationen vielfältiger, bunter und plakativer. Eine Suchanfrage bei Google zu „Rheuma“ ergab 3.900.000 Ergebnisse (0,74 s; [10]). Aber welche Informationen sind richtig, wichtig oder vertrauenswürdig? Neben einer zeitgemäßen Ansprache der Zielgruppe werden einfache wiedererkennbare Symbole als Ausdruck eines Qualitätsstandards immer wichtiger, wie die geringe Bedeutung und Wiedererkennbarkeit der Fachgesellschaft mit Rang 60 bei der Suchanfrage [10] zeigt. Gelegentliche Auftritte von Spezialisten in Gesundheitssendungen [6] sind hier nicht nachhaltig und erreichen nicht die Zielgruppe [19].

Wie können wir dieses Bild (Image) verändern? Ein Vorbild für eine erfolgreiche mediale Kampagne mit grundlegender Änderung der Wahrnehmung einer Erkrankung und gleichzeitiger Implementierung eines Symbols („rote Schleife“) ist die AIDS-Kampagne [12]. Aber auch für kardiovaskuläre Erkrankungen („Kampf dem Herzinfarkt“) und onkologische Krankheitsbilder („Kampf dem Krebs“) ist die Awareness in der Öffentlichkeit bedeutsamer als für den falsch belegten Terminus „Rheuma“.

Was können und dürfen wir als Ärzte tun?

Die mediale Kreativität von Ärzten ist rechtlich geregelt, da „Werbung“ durch Ärzte in der Berufsordnung reguliert ist und bis zum Jahr 2000 sogar grundsätzlich verboten war. Nun ist sie durch den § 27 MBO-Ä (Muster Berufsordnung für Ärzte, aktueller Stand: 118. Deutscher Ärztetag 2015), umgesetzt in der Berufsordnung der regionalen Kammern (z. B. Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 14. November 1998, in der Fassung vom 21. November 2015 [7]), zum Zweck der sachlichen Information über eine Praxis/Niederlassung erlaubt. Die Interpretation des Paragraphen wird durch kontinuierlich überarbeitete Erläuterungen der Bundesärztekammer erleichtert, die letzten wurden in diesem Jahr veröffentlicht [3].

Eine Interpretation der Regulierung liefert die Kassenärztliche Bundesvereinigung [11].

Im Konkreten bezieht sich die in unserem Beitrag fokussierte mediale Aktivität zur Aufklärung über Rheuma im Allgemeinen aber nicht auf die eigene Praxis. Adressat sind nicht die Fachkollegen, sondern die Bevölkerung. Wenn sich die Werbung nicht auf die Arztpraxis bezieht, sondern auf ein konkretes medizinisches Verfahren, gelten zusätzlich zur Berufsordnung die Vorschriften des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz – HWG; [9]). Danach darf außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel, Verfahren und Behandlungen unter anderem nicht geworben werden für die … „Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen … beruht (Fernbehandlung)“ (§ 9 HWG) und mit der „Wiedergabe von Krankengeschichten, ärztlichen Empfehlungen und Prüfungen, Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen, bildlichen Darstellungen von Veränderungen des menschlichen Körpers, bildlichen Darstellungen von Personen in Berufskleidung oder Äußerungen Dritter“ (§ 11 HWG).

Die ärztliche Werbekampagne zur Früherkennung der rheumatoiden Arthritis außerhalb von Fachkreisen könnte damit gesetzeswidrig werden. Kampagnen durch Verlage, Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), regionale Rheumazentren, lokale Gesundheitskonferenzen oder unter Federführung der Patientenorganisationen können das individuelle Risiko senken.

Im Folgenden stellen wir den Aufwand und die Relevanz der Kampagnen zur Aufklärung über entzündlich rheumatische Erkrankungen des Rheumazentrum Rhein-Ruhr (RZRR) und der Hochschule Düsseldorf (Übersicht Tab. 2) vor:

Tab. 2 Aktionen der Autoren zur besseren Kommunikation von (entzündlichem) Rheuma

Vom Rheuma-Bus zum Rheuma-Truck

Im Jahr 2007 wurde vom RZRR ein Bus gemietet, der innerhalb von 5 Wochen 24 Städte der Region, vornehmlich ohne rheumatologische Versorgung, besucht hatte und sich tagsüber im Bereich des Stadtzentrums (Marktplatz) positionierte [5]. Ziel war die Kommunikation zu Rheuma mit der interessierten Bevölkerung. Es wurden 2616 Besucher davon angelockt. Das Durchschnittsalter der Besucher war 62 Jahre, über 70 % waren weiblich. Die erwünschte Zielgruppe jüngerer Menschen wurde nur selten erreicht, wahrscheinlich weil sie nicht gezielt angesprochen wurde. Zur Vorbereitung gab es 87 Pressemitteilungen. Als häufigste Informationsquellen zur Aktion wurden von den Besuchern Zeitung (47 %), zufälliges Vorbeikommen (28 %), Rundfunk/Fernsehen (14 %), Bekannte (7 %) und die Arztpraxis (1 %) genannt, 3 % hatten andere Informanten. Immerhin war Rheuma – wie gewünscht – im Gespräch.

In einer zweiten Auflage der Kampagne wurden daher neben einem viel größeren auffälligen Transporter, dem Rheuma-Truck (Abb. 1), speziell von jüngeren Menschen besuchte Orte gewählt und das Internet gezielt genutzt (Tab. 2). Mit 193 Meldungen zu der Aktion konnten 42.000.000 potenzielle Leser erreicht werden, eine Google-Anfrage ergab 2009 6500 Einträge. Die Besucherzahl konnte um 20 % gesteigert werden, der Altersschnitt konnte auf 55 Jahre gesenkt werden, die größte Altersgruppe waren weiter die 60- bis 70-Jährigen mit 25 % der Besucher, 4 % waren unter 20 und 8 % 20 bis 30 Jahre alt.

Abb. 1
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a Rheuma-Pfeil – Statistisch gesehen, kann Rheuma jeden treffen. Eine schlichte Tatsache, auf die ein ganz spezielles Werbemittel ganz gezielt hinweist. Design: Daniel Bürger, Sandra Hoferer. b Rheuma-Truck – Rheuma auf die Straße gebracht, ein angenommenes Angebot. c Stehen im Leben – Die Plakate bringen die Kampagne gegen die Volkskrankheit auf die Straße und erreichen damit weiteste Kreise der Bevölkerung. d Diskussionsrunde mit Rheumapfeil – BDRh(Berufsverband Deutscher Rheumatologen e. V.)-Kongress München 2010. Inhaltlich war man sich einig, dass eine öffentlichkeitswirksamere Aufklärungsarbeit dringend erforderlich ist, um rechtzeitig die Betroffenen zu erreichen. e Street Parade – Kaufhaus Loeb, Bern. Schaufensterdekoration Sommer 2017. (Mit freundl. Genehmigung © DGRh Rheumazentrum Rhein-Ruhr [ad] und Meinrad Feuchter LOEB AG Bern [e]. Alle Rechte vorbehalten)

Durch die Aktion wurden verschiedene Betriebe auf das Thema „Rheuma“ aufmerksam, und es konnten in den folgenden Jahren regelmäßig Screening- und Informationskampagnen an verschiedensten Standorten z. B. von RWE durchgeführt werden. Ein genereller Aufklärungseffekt ist selbst bei hohem Aufwand mit diesen örtlich und zeitlich limitierten Kampagnen alleine nicht zu erzielen. Latenzzeit bis zur Zuweisung und Zuweisungsqualität hatten sich zunächst nicht geändert. Dafür muss man sicher längerfristig und breiter präsent sein. Ein positiver Nebeneffekt dieser Aktionen war die Integration von Studierenden, die gelebte Erfahrung in der Rheumatologie machen durften.

Rheuma ohne Decke

Unter diesem Arbeitstitel beschäftigte sich ein Forschungsprojekt im Fachbereich Design der Hochschule Düsseldorf, der Poliklinik für Rheumatologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und des Rheumazentrum Rhein-Ruhr mit dem Verhältnis von Krankheit und Kommunikation, Medizin und Medien (Tab. 2). Das Wortspiel verwendet bewusst das Klischeebild von der „Rheumadecke“, mit dem das Leiden im Volksmund gern verharmlost wird.

Im Rahmen eines Kurses entwickelten Designstudenten im Sommersemester 2007, nachdem sie eine medizinisch fachliche Einführung über entzündlich rheumatische Erkrankungen erhalten hatten und weitergehende Erfahrungen mit Betroffenen hatten sammeln können, kreative Ideen für öffentlichkeitswirksame Werbemaßnahmen (Abb. 2 und 3). Ziel war eine plakative Kampagne, die „aufräumt mit Märchen und Mythen“. Vielmehr sollten die Mechanismen des Marketings genutzt werden, um über die „(un)heimliche Volkskrankheit“ aufzuklären und ihr ein scharfes Profil zu verleihen. Im Jahr 2008 wurde ein Konzept realisiert, das die gewünschten Kriterien erfüllt. Dafür sorgt ein Key Visual, das die Krankheit dramatisch darstellt – und zwar durch Röntgenbilder, die Gelenkschäden mit chirurgischen Versorgungen in Form der Buchstaben R H E U M A zeigen (Abb. 1).

Abb. 2
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a Anagramm – Rheuma hat viele Gesichter. Rheuma hat viele Namen. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Rheuma ist nicht heilbar – aber es ist behandelbar! Design: Julian Mieth. b Ansichtssache – Kein Mensch ist wie der andere. Aber ganz gleich, wer man ist oder wie man die Welt sieht: Rheuma kann jeder kriegen, genauso wie die Früherkennung. Design: Julian Mieth. c Handwerkszeug – Hände sind unsere natürlichen Werkzeuge. Rheuma führt dazu, dass wir sie nicht mehr richtig gebrauchen können. Auch unser „künstliches“ Handwerkszeug ist dann nutzlos. Design: Michél Schier. d Alltagswünsche – Oft erscheint der Alltag schwer: Fenster putzen, Unkraut jäten, Müll wegbringen. Des einen Leid ist des anderen Wunsch. Wie gern würden Rheumatiker wenigstens die kleinen Dinge des Lebens meistern! Design: Katrin Panhey. e Abgestempelt – Auch junge Menschen haben Rheuma. Und auch wer Sport macht, ist nicht davor gefeit. Ein Stempel stellt die alltägliche Gretchenfrage: RHEUMA? Design: Annette Etges, Annika Kories, Miriam Goecker. f Kinderträume – Kinder haben oft große Ziele. Rheuma kann aber auch jungen Menschen schlimmes Leid bringen. Je später es erkannt wird, umso schwieriger ist die Therapie. Vorsicht ist dringend geboten – denn: Rheuma zerstört immer einen Traum. Design: Julian Mieth. g Feuer – Es gibt viele Arten von Rheuma. Besonders schwerwiegend ist die Arthritis. Ihr Schmerz gibt ihr ein charakteristisches Erscheinungsbild. Es ist ein „heißes“ Leiden. Design: Michél Schier. h Liebeserklärung – Wer sich nicht krank fühlt, macht sich keine Gedanken über seine Gesundheit. Doch wer gesund bleiben will, sollte auf sein größtes Gut lieber achten. Der Rheuma-Check macht auch in jungen Jahren durchaus eine Menge Sinn – damit man möglichst lange schön gelenkig bleibt. Design: Alexandra Berger, Julia Warnecke. i Pathogramm – Bei Olympia, am Flughafen, im Kaufhaus, auf jeder Toilette: Die Männchen, denen wir in allen möglichen Orientierungssystemen begegnen, kennen scheinbar kein Leiden. Ab jetzt gibt es auch pathologische Piktogramme. Sie bilden ein Orientierungssystem zum Thema Rheuma. Design: Vera Karsten, Natalya Levish. (Mit freundl. Genehmigung © DGRh Rheumazentrum Rhein-Ruhr. Alle Rechte vorbehalten)

Abb. 3
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a Scrabble – Rheuma ist ein bekannter Begriff. Was sich alles dahinter verbirgt, ist weitgehend unbekannt. Kreuzworträtsel klären auf. Die Lösung ist immer die gleiche: Rheuma. Design: Patrick Werth. b Unberührbar – Schraubendrehen, Haare bürsten, Zähneputzen – die einfachsten Dinge fallen schwer mit Rheuma. Der Stacheldraht dient als Symbol für den Schmerz, der damit verbunden ist. Design: Humberto Gregorio. c Status-Check – Rheuma ist eine echte Volkskrankheit, die wirklich jeden treffen kann: selbst die Jungen, selbst die Reichen, selbst die Coolen. Design: Alexandra Berger, Julia Warnecke. d Rheum-A-B-C – Buchstaben sind auch nur Menschen. Fast alle Typen verfügen über Gelenke. Wehe, wenn sie Schaden nehmen. Dann lässt sich R H E U M A nur stockend buchstabieren. Design: Sylvia Skarbek. e Protest – Rheuma ist schlecht, Rheuma ist ungerecht. Rheumatiker aller Länder, vereinigt Euch! Gegen die Krankheit! Für die Forschung! Für gute Besserung! Dies ist ein Aufruf zur Solidarität: Wir fordern die Rheumarevolution. Design: Arne Stach. f Röntgenschirm – Rheumatische Schäden können gravierend sein. In schweren Fällen führen sie zu extremen Deformationen der Gliedmaßen. Ein Röntgenbild sagt mehr als tausend Worte, v. a. wenn es, wie in der Arztpraxis, an einem Leuchtkasten angebracht ist. Design: Daniel Bürger, Sandra Hoferer. g Typisch – „Rheuma kriegen nur Alte.“ „Rheuma kriegt man schon kuriert.“ „Rheuma tut ja nicht so weh.“ Überzeichnete Charaktere „rheumen“ auf mit vielen Vorurteilen. Design: Heike Hilterscheid, Franziska Lopau. h Street-Check – Was ist eigentlich Rheuma? Und was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Rheuma-Check? Fragen über Fragen. Plakate stellen sie öffentlich zur Schau. Und plötzlich fühlt sich jeder angesprochen. Design: Daniel Bürger, Sandra Hoferer. i Ungelungen – Normalerweise geht einem alles so leicht von der Hand. Doch, ach: Wehe, wenn der Alltag zur Qual wird. Dann erscheinen die missglückten Dinge des Lebens als sekundäre Symptomträger. Design: Kristina Wiessner. (Mit freundl. Genehmigung © DGRh Rheumazentrum Rhein-Ruhr. Alle Rechte vorbehalten)

Auch die Headlines der im öffentlichen Raum platzierten Citylight-Poster beschönigten nichts, sondern sollten mit eindringlichen Warnmeldungen auf- bzw. wachrütteln. Wenn man einmal Rheuma hat, wird es „nicht wieder werden“. Rheuma „kann lebenslang schmerzen“. Und gegen Rheuma „hilft keine Decke“. Aber „so weit muss es nicht kommen“. Dazu gab es eine gute Nachricht, das gemeinsame Motto lautete: „Rheuma ist behandelbar.“

Alle anderen Resultate des Forschungsprojektes zeigten ebenfalls Wege auf, die Relevanz des Themas in der medialen Wahrnehmung zu erhöhen, die Solidarität mit den Betroffenen zu steigern und die Früherkennung zu unterstützen. Kreative Kommunikationskonzepte wurden gegen klassische Stereotypen gesetzt und vermittelten mit neuartigen gestalterischen Mitteln Wissen, das wichtige Informationen über in der Bevölkerung wenig bekannte Zusammenhänge enthielt. Im Rahmen der Kampagne „Rheuma ohne Decke“ wurde auch innerhalb der kreativen studentischen Schmiede der „Rheumapfeil“ entwickelt (Tab. 2). Dieser Pfeil mit der Aufschrift „Rheuma kann jeden treffen“ wurde als Anstecknadel produziert und damit Awareness steigernd in die und in der Öffentlichkeit getragen (Abb. 1).

Es wurden sämtliche Ergebnisse dokumentiert und z. B. einer Obdachlosenzeitung zur Verfügung gestellt, um so in eine breitere Öffentlichkeit gelangen zu können. Eine zur Diskussion anregende Ausstellung dazu wurde im Rahmen einzelner Kongresse vorgestellt und kann über das RZRR ausgeliehen werden. Die Poster wurden durch die WALL AG im öffentlichen Raum auf Leuchtreklametafeln (Citylight-Poster) für einige Wochen ausgestellt (Abb. 1). Da diese Aktion keine wissenschaftlich fundierte Schulung oder alleinige Aufklärung, sondern eine bewusst bis an oder über die Grenzen des Geschmacks gehende Provokation darstellte, waren die durch sie ausgelösten Reaktionen sehr kontrovers, die Nachhaltigkeit beschränkt sich auf den Rheumapfeil.

Die Deutsche Rheuma-Liga kommuniziert mit ihrer Internetseite „Rheuma bewegt uns alle“ (www.rheuma-bewegt-uns-alle.de) ein anderes Bild von Rheuma, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Die Website richtet sich neben den Mitgliedern und Landes- und Mitgliedsverbänden an Rheumabetroffene und deren Angehörige, Ärzte und interessierte Besucher (Tab. 2). Ziel des Internetauftritts der Deutschen Rheuma-Liga ist es, über die verschiedenen Krankheitsbilder des rheumatischen Formenkreises aufzuklären, im Internetforum den Austausch mit Experten und anderen Betroffenen zu vermitteln und über die Angebote der Rheuma-Liga und deren Mitgliedsverbände zu informieren.

Das Bestreben der Deutschen Rheuma-Liga ist es, diese Website einem möglichst großen Nutzerkreis zugänglich zu machen. Im Sinne eines Qualitätsprozesses wurde eine gestalterische Anpassung an Seiten der Fachgesellschaften gewählt. Ergänzend stellen sich engagierte Mitglieder mit ihrer Krankheit, aber auch ihren Ambitionen in kurzen Videos vor.

Rheuma-Preis

Als öffentliche und damit medienwirksame Würdigung von Unternehmen, die für Personen mit Rheuma gemeinsam partnerschaftliche Lösungen für eine langfristige berufliche Einbindung gefunden haben, wurde der Rheuma-Preis initiiert und nun seit Jahren erfolgreich fortgesetzt (Tab. 2). So kann auch diese Initiative zu einem Wandel der öffentlichen Wahrnehmung beitragen und darüber hinaus Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen motivieren und überzeugen, die berufliche Situation von Menschen mit chronisch entzündlichem Rheuma zu verbessern.

Rheuma-Online

Im Jahr 1997 gegründet als Online-Informationsplattform, werden unter dem organisatorischen Dach eines durch Werbung finanzierten Verlages von 30.000 Nutzern 780.00 Beiträge in verschiedenen offenen und geschlossenen Foren gepostet und durch Informationen zu Kongressen, Krankheiten und Versorgung ergänzt. Rheuma-Online ist mit berichtet über 300.000 Besuchern die am meisten frequentierte deutschsprachige Website zum Thema Rheuma [15].

Relevanz medialer Aktivität für die Versorgung

Viele Aktionen führen, einzeln betrachtet, nur zu einer geringen Änderung der Wahrnehmung und des Verhaltens, in ihrer Summe und Vielfalt haben sie aber das Potenzial, breitere Schichten zu erreichen und das Verhalten, hier die Früherkennung einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung, zu verbessern. Aber nur wenn die Aufklärung und Sensibilisierung mit dem Angebot der raschen fachärztlichen Diagnostik kombiniert wird, kann der erhoffte Effekt einer frühen Vorstellung und Behandlung auch erreicht werden. Trotz nur 1,5 rheumatologischen Betten und 0,5 Niederlassungen je 100.000 Einwohnern ist durch das Angebot der „run in“-Sprechstunde für Düsseldorfer Bürger der Anteil an Patienten mit früher entzündlich rheumatischer Erkrankung in unserer Einrichtung höher als im Vergleich mit anderen Universitätskliniken oder rheumatologischen Versorgern. Zwei Drittel unserer Erstvorstellungen mit rheumatoider Arthritis haben eine Symptomdauer unter 3 Monaten, 80 % unter 6 Monaten und 90 % unter 12 Monaten (mediane Symptomdauer über die letzten 6 Jahre 2 Monate, im Vergleich deutschlandweit Median 6 Monate, in dem niederländischen Früharthritis-Zentrum in Leiden hat nur ein Drittel der Patienten eine Krankheitsdauer unter 3 Monaten; [1]). Der Anteil junger Patienten unter 40 Jahren (die am meisten von der Kampagne profitieren sollten) ist bei uns mit 16,3 % doppelt so hoch wie im Durchschnitt der in der Kerndokumentation dokumentierenden Einrichtungen (7,3 %) bzw. Universitätskliniken (9,5 %), aber auch alle anderen Altersstufen an Patienten mit rheumatoider Arthritis unter dem 60. Lebensjahr sind häufiger vertreten als im Durchschnitt. Der Anteil der unter 40-Jährigen ist auch bei anderen Krankheiten des Bewegungsapparates wie Spondyloarthritis (36 % vs. 27,1 %), Psoriasisarthritis (18,8 % vs. 10,5 %), Systemsklerose (16,0 % vs. 8,1 %) und Sjögren-Syndrom (25,9 % vs. 16,4 %) höher als im Vergleich [1] obwohl die „run in“-Sprechstunde (nur, aber quasi konkurrenzlos) das regionale Einzugsgebiet bedient und der Altersdurchschnitt in Düsseldorf mit einem Anteil der Einwohner zwischen 18. und 50. Lebensjahr von 46 % nur gering über dem Bundesdurchschnitt (41 %) liegt, identisch zu anderen Metropolen (Berlin 45 %), aber sogar niedriger als an kleineren Universitätsstädten (Freiburg 50 %) ist (Bevölkerungspyramiden der statistischen Ämter der Städte und Bundesamt, Stand 12.2017).

Rheuma im Film

Während in der klassischen bildenden Kunst schon durch den relevanten Anteil betroffener Künstler entzündlich rheumatische Erkrankungen sichtbar sind (Rheuma im Spiegel der Kunst, dieses Heft), ist der klassische Erzählfilm diesbezüglich unauffällig. So ist auch die einzige herausragende Filmproduktion, die dieses Thema behandelt, ein biografisches Porträt einer erkrankten Künstlerin (Maudie; [8]). Kooperationsprojekte mit Filmhochschulen wären auch hier ein möglicher Weg, das Thema breiter, z. B. über einen Kurzfilmwettbewerb, wahrnehmbar zu machen.

Rheuma in der Werbung

Sport, Musik und Natur als Eyecatcher sind in der Werbung alltäglich. Sie sind positiv belegt und vermitteln assoziative Gefühle. Rheuma ist als Eyecatcher für eine davon unabhängige Werbung durch die negativ behaftete Fokussierung auf die ältere Bevölkerung unüblich. Mit einem provokanten Auftritt nutzte das traditionelle Berner Kaufhaus Loeb im Sommer 2017 gerade dieses Klischee und stellte jugendliche Schaufensterpuppen hinter lebensfroh gestaltete Rollatoren, die eine hohe Lebensqualität trotz körperlicher Einschränkungen vermittelten (Abb. 1). Ein derart entkrampfter Umgang wird die Sichtweise zukünftig erleichtern können und sicher die Diskussion nicht nur über die dargestellten Kleidungsstücke, sondern über Lebensqualität und Einschränkungen enttabuisieren.

Was der Rheumatologie fehlt, ist zweifellos auch ein persönliches Testimonial (Testimonial bezeichnet in der Werbung im Englischen die konkrete Fürsprache für ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Idee oder Institution durch eine Person, die der Zielgruppe meist bekannt ist und mit ihrem Auftritt die Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft erhöht) eines in der Öffentlichkeit stehenden Prominenten, sei es an „Rheuma“ interessiert, respektive sogar betroffen. Gründe hierfür sind auch wieder Bedenken, gepflegte Zurückhaltung und mutmaßlich Vorurteile gegenüber der Krankheit selber. Unschwer bleibt zu erkennen, dass es „unsexy“ ist, für „Rheuma“ Werbung zu machen. Auch das sollte in Zukunft geändert werden.

Fazit

Das Selbstverständnis der Rheumatologie entspricht auch 90 Jahre nach Gründung der Fachgesellschaft nicht den Ansprüchen. Mediale Aktivität ist daher weiter nötig, um die immer noch vorherrschende Meinung, „Rheuma ist eine Erkrankung alter Menschen“ aufzuweichen.

Um etwas zu bewegen, bedarf es eines Konzeptes, professioneller Unterstützung, juristischer Beratung, Kreativität und Geduld. Die Wege der reinen sachlichen Aufklärung müssen dabei auch verlassen werden können. Provokation und Konfrontation verändern die Wahrnehmung nachhaltiger. So können dann auch jüngere Betroffene eher realisieren, an Rheuma erkrankt zu sein.

Um die Latenzzeit zur Erstvorstellung, Diagnosestellung und Behandlung optimal zu verkürzen, müssen aber zusätzlich Angebote der zeitnahen Erstvorstellung bei einem Rheumatologen geöffnet werden. Nur so können das therapeutische Fenster genutzt, die Prognose entscheidend verbessert und Kosten für die Gesellschaft und die soziale Last im Gemeinwohl deutlich reduziert werden.

Vernetzung medialer Aktivitäten erhöht die Findbarkeit und damit die Relevanz. Für Rheumazentren, Fachgesellschaften und Patientenorganisationen besteht sicher weiter Optimierungsbedarf. Der einzelne Rheumatologe kann hier wenig bewegen und sollte bei Aktivitäten, die über die Praxiswerbung hinausgehen, die juristischen Hürden beachten.

Das Thema entzündlich rheumatischer Erkrankungen wird fast nie zufällig thematisiert. Lassen Sie uns daher das scheinbar Unwägbare gemeinsam angehen und weiter verbreiten, denn „Rheuma kann jeden treffen“!