FormalPara Originalpublikation

Taylor PC, Keystone EC, van der Heijde D et al (2017) Baricitinib versus placebo or adalimumab in rheumatoid arthritis. N Engl J Med 376:652–662

Entzündungsvorgänge aktivieren Zellen über Membranrezeptoren. Deren Signale werden durch Tyrosinkinasen zum Zellkern weitergeleitet und schalten dort proinflammatorische Gene an. Die Hemmung dieser signalübertragenden Enzyme durch Thyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) stellt einen Ansatz entzündungshemmender Therapien dar.

Baricitinib ist ein neuer, oral applizierbarer, selektiver und reversibler Hemmstoff von 2 der 4 bisher bekannten Janus-Kinasen (JAK1 und JAK2). Deren Hemmung reduziert Zytokine, die bei der Entstehung der rheumatoiden Arthritis (RA) eine Rolle spielen, wie Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF) und Interleukin 6. Die Wirksamkeit von Baricitinib in der Behandlung der RA wurde bei unzureichendem Ansprechen auf MTX gegen Placebo nachgewiesen [2]. Bisher gab es jedoch keine vergleichende Untersuchung eines TKI gegen einen TNF-Inhibitor als sog. „Head-to-Head-Studie“.

FormalPara Studiendesign.

Die multinationale RA-BEAM-Studie wurde an 1307 Patienten über 52 Wochen durchgeführt. Voraussetzung für den Einschluss war eine erosive RA, die trotz stabiler und adäquat dosierter MTX-Therapie unzureichend kontrolliert und noch nicht mit Biologika behandelt worden war. Die Teilnehmer erhielten entweder 4 mg Baricitinib 1‑mal täglich oral oder Placebo, gefolgt von Baricitinib nach 24 Wochen (ebenfalls verblindet). Ein dritter, zahlenmäßig kleinerer Arm erhielt 40 mg Adalimumab alle 2 Wochen subkutan. Nach 16 Wochen wurden alle Patienten mit unzureichendem Ansprechen offen mit Baricitinib therapiert (Rescue-Arm). Fast alle Patienten erhielten MTX als Hintergrundtherapie, Steroide waren bis zu einer Dosis von 10 mg/Tag Prednisolonäquivalent erlaubt. Das primäre Zielkriterium war das ACR20-Ansprechen nach 12 Wochen. Als sekundäre Erfolgsparameter dienten unter anderem der Rückgang des DAS28 und das Erreichen einer Remission im „simplified disease activity index“ (SDAI). Außerdem wurde die radiographische Progression erfasst, gemessen im modifizierten Sharp-van der Heijde-Score nach 24 Wochen.

FormalPara Ergebnisse.

Die 3 Arme waren in den Ausgangsparametern gut vergleichbar. Mit einer mittleren Krankheitsdauer von 10 Jahren handelt es sich nicht um Frühfälle. Die Überlegenheit im Vergleich zu Placebo wurde von Baricitinib und Adalimumab sowohl in den klinischen Aktivitätsparametern, dem funktionellen Outcome als auch in der Röntgenprogression eindrücklich erreicht. Darüber hinaus zeigte sich in Woche 12 eine Überlegenheit des TKI gegenüber Adalimumab in der Absenkung des DAS28-CRP (−2,24 bei Baricitinib, −1,95 bei Adalimumab) und dem ACR20-Ansprechen (70 % vs. 61 %). Auch im ACR50- und ACR70-Ansprechen erzielte Baricitinib in der Mehrzahl der Vergleichszeitpunkte signifikant bessere Werte als der TNF-Inhibitor. 27 % der Placebogruppe wechselten in den Rescue-Arm, unter Adalimumab wechselten 15 %, unter Baricitinib 9 %. Klinisch bedeutsame Unterschiede in der radiographischen Progression waren zwischen Baricitinib und Adalimumab nicht auszumachen.

5 % der mit Baricitinib behandelten Patienten schieden wegen unerwünschter Ereignisse aus der Studie aus, unter Placebo waren dies 3 %, unter Adalimumab 2 %. Unterschiede in der (sehr geringen) Rate an Todes- und Malignomfällen ergaben sich zwischen den Gruppen nicht. Unter Baricitinib kam es nicht zu vermehrten infektiösen Ereignissen, Herpes-zoster- oder opportunistischen Infektionen. Fälle von Neutropenie waren nicht häufiger als unter Adalimumab. Kleine Anstiege des Serumkreatinins, des Low-density-Lipoproteins und der Kreatinkinase, die unter Baricitinib etwas stärker ausfielen als unter Adalimumab, wurden als nicht relevant erachtet.

Kommentar

Mit Baricitinib ist ein zweiter Vertreter der Janus-Kinasen als effektives Basistherapeutikum der RA entwickelt worden. Der u. a. in den USA zugelassene Inhibitor von JAK1 und JAK3, Tofacitinib, hat seine Wirksamkeit auch an Patienten nachgewiesen, die auf Biologika nicht ausreichend ansprachen [1]. Neu an der vorliegenden Studie mit Baricitinib ist der direkte Vergleich mit einem TNF-Inhibitor, hier Adalimumab. Dabei war ein Vorsprung des TKI in mehreren klinischen Parametern nachweisbar. Das Ausmaß der Überlegenheit stellt zwar keine Deklassierung des Vergleichspartners dar, ist aber ein wichtiges Achtungszeichen. In der radiographischen Progression wiesen nach 24 Wochen beide aktive Arme eine Zunahme von weniger als 0,3 im Erosions-Score auf (der bis zum Wert 448 reichen kann!). Bei einer so geringen Dynamik verwundert es nicht, dass zwischen Baricitinib und Adalimumab keine klinisch relevanten Differenzen messbar waren.

Sicherheitsaspekte spielen bei einer neuen Substanzklasse eine besondere Rolle. Da TKI jeweils eine eigenständige Substratspezifität aufweisen, sind Sicherheitsdaten untereinander nicht a priori vergleichbar. Die statistische Power der vorliegenden Studie war nicht auf die Erfassung seltener unerwünschter Wirkungen gerichtet. Dennoch sendet die Studie ein beruhigendes Signal aus. Die fehlende Häufung von Infektionen unter dem TKI könnte sich bei komorbiden und älteren Patienten als Vorteil erweisen. Allerdings ist bei letztgenannten Patienten zu beachten, dass Baricitinib v. a. renal eliminiert wird [3]. Daher muss die Anwendbarkeit bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion noch geprüft werden, da es in diesem Fall über eine verlängerte Halbwertszeit zur Kumulation der Substanz kommen könnte [3]. Höhere Dosierungen (8 mg pro Tag) führten zu einer etwas höheren Rate an Neutropenien, sodass die in der Studie verwendete Dosis von 4 mg das Optimum zwischen Wirksamkeit und Sicherheit darstellen dürfte [2].

In kommenden Studien wäre zu klären, wie Baricitinib bei früher RA wirkt, und ob eine Kombination dieser Substanz mit anderen konventionellen DMARDs oder mit Biologika möglich ist.

Fazit für die Praxis

Mit Baricitinib ist eine innovative, oral verfügbare Substanz für die Basistherapie der RA zu erwarten, die einer Biologikatherapie in ihrer Wirksamkeit mindestens gleichwertig sein könnte. Weiterführende Analysen werden zeigen, wie es um die langfristige Sicherheit der Substanz bestellt ist.